23.

Es ist mein Herz ein heil'ger Vogel

Der nistet auf dem Himmelsthron;

Des Körpers Käfich macht ihm bange

Und satt ist er der Erde schon;

Und fliegt dereinst der Seelenvogel

Aus diesem Staubgefäss empor,

So wählet er zum zweiten Male

Ein Plätzchen sich an jenem Thor;

Und fliegt empor der Herzensvogel,

So sitzt er auf dem Sidra auf:

D'rum wisse, uns'res Falken Stelle

Ist nur des Himmelsthrones Knauf.

Der Schatten ist's des höchsten Glückes

Der auf das Haupt der Erde fällt,

Wenn unser Vogel seinen Fittich

Ausspreitet über diese Welt;

Er hat nur über'm Himmelsrade

In beiden Welten seinen Stand;

Sein Leib entstammt dem Geisterschachte,

Und seine Seele kennt kein Land.

Der Ort, wo unser Vogel glänzet,

Sind höh're Welten nur allein,

So wie ihm Kost und Trank nur bietet

Des Paradieses Rosenhain.

Hafis, du Wirrer, du der immer

Von Einheit nur gesprochen hat,

Durchstreiche mit der Einheit Rohre

Der Menschen und der Geister Blatt!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 457-459.
Lizenz:
Kategorien: