3.

Mein schlankes Lieb, das freundlich koset,

Und das zu spielen pflegt mit Bildern,

Hat abgekürzt mir die Geschichten

Die meine lange Tugend schildern.

Sah'st du, o Herz, als Alter, Tugend!

Und selbst Verstand zu Ende gingen,

Was mir gethan ward von den Augen,

Die stets an der Geliebten hingen?

Ich sitze, durch der Augen Wasser

Nunmehr an eines Feuers Rande:

Dies Wasser war's das mein Geheimniss

Verkündet hat durch alle Lande.

Ich sagte: »Mit der Gleissnerkutte

Will decken ich die Spur der Liebe«:

Doch es verrieth mich meine Thräne,

Enthüllend die geheimen Triebe.

Der Freund ist trunken, und erinnert

Sich seiner Trinkgenossen nimmer;

Da lob' ich mir den holden Schenken

Er tröstet ja die Armen immer.

Ich werde – fürcht' ich – meinen Glauben

In Baldem als Ruine schauen,

Denn des Gebetes Ruhe raubte

Der Hochaltar mir deiner Brauen;

Und über mich vergiess ich Thränen,

Indess ich, gleich der Kerze, lache;

Ob wohl auf dich, du Herz von Kiesel,

Mein Glüh'n und Schluchzen Eindruck mache?

Ich mal' in diesem Augenblicke

Ein Bild auf Wasser, durch mein Weinen:

Wann wird was ich nur bildlich schaue

Als volle Wahrheit mir erscheinen?[415]

Und wann, o Herr, fängt jener Ostwind

Zu wehen an, er, dessen Lüfte

Mein Unternehmen fördern sollen

Durch ihre süssen Gnadendüfte?

Und da, o Frömmler, durch dein Beten

Die Dinge nimmer vorwärts gehen,

Halt' ich den nächt'gen Rausch für besser

Und mein verliebtes Glüh'n und Flehen.

Der Gram verbrannte schon Hafisen,

D'rum wolle, Ost, dies offenbaren

Dem König, der die Freunde nähret

Und schmelzen macht der Feinde Schaaren!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 413-417.
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