5.

Du dessen Antlitz, das dem Monde gleichet,

Den jungen Lenz der Schönheit in sich schliesst,

Und dessen Maal der Mittelpunkt der Anmuth,

Und dessen Flaum der Schönheit Schwerpunkt ist

Ein wahres Zaubermährchen liegt verborgen

In deinem weinberauschten Augenpaar;

Es macht in deiner unbeständ'gen Locke

Sich der Bestand der Schönheit offenbar.

Nie blickte aus dem Sternenhaus der Reize

Ein voller Mond so hell wie du hervor,

Und schlank wie du ragt' an der Schönheit Strome

Noch niemals ein Zipressenbaum empor.

Mit hoher Lust erfüllte deine Süsse

Den Lebenslauf der Liebenswürdigkeit,

Und deine Huld und Lieblichkeit erfüllte

Mit Seligkeit der Schönheit frohe Zeit;

Und durch die holden Netze deines Haares,

Und deines Maales Korn, so süss und zart,

Blieb auf der Welt kein Herzensvogel übrig

Der deiner Schönheit nicht zur Beute ward.

Die Veilchen, die die Lippe dir beschatten,

Sind desshalb nur beständig frisch und zart,

Weil sie das Wasser ew'gen Lebens trinken

Das deiner Schönheit reicher Quell bewahrt;

Und immer lässt die Amme des Gemüthes

Aus ihrer Seele Mitte, liebewarm,

Mit zartem Sinn dir Nahrung angedeihen

Und wiegt dich freundlich auf der Schönheit Arm.

Dass nimmer er dir Gleiches würde schauen,

Das hat Hafis verzweifelnd schon erkannt:

Gibt es doch Keinen der sich deiner Wange

Vergleichen liesse in der Schönheit Land.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 419-421.
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