10.

Sprich kühn zu mir, dein Antlitz zeigend:

»Nimm aus der Seele dir das Herz;«

Und vor dem Lichte sprich zum Falter:

»Entglüh' an meiner Seele Schmerz!«

Betrachte meine durst'ge Lippe

Und halt' ihr freundlich Wasser hin;

Tritt zu dem Mann, den du gemordet,

Und hebe aus dem Staube ihn!

Entferne dich vom Armen nimmer:

Hat er auch Gold und Silber nicht.

Ist doch sein Silber seine Thräne,

Ist doch sein Gold sein Angesicht.

Mag immerhin die Laute fehlen

Spielst auf der Harfe du vor mir:

Mein Herz, mein Leib und meine Liebe

Sei Aloe, Rauchfass, Feuer dir!

Beginn den Reigen, wirf die Kutte

Weit weg von dir und tanze dann;

Wo nicht, so geh' in eine Ecke

Und zieh' dort meine Kutte an!

Zieh' aus das woll'ne Kleid und ziehe

Dafür in dich den reinen Wein;

Verspiel' dein Silber und dann handle

Um Gold dir Silberbusen ein!

Ist mir der Freund nur hold, so mögen

Mich beide Welten feindlich flieh'n;

Stützt mich das Glück nur, mögen Heere

Erobernd durch die Erde zieh'n!

Freund, wolle nicht von hinnen eilen,

Bleib' nur ein Weilchen noch bei mir;

Such' Freuden an des Baches Rande

Und nimm zur Hand den Becher hier![29]

Und gingst du wirklich fort, so machte

Das Augennass, der Herzensbrand

Mir Farb' und Lippe fahl und trocken,

Wohl aber feucht des Schoosses Band.

Hafis, bereite ein Gelage

Und zu dem Kanzelredner sprich:

»Wirf einen Blick auf meine Gäste

Und trolle von der Kanzel dich!«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 27-31.
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