12.

Die Nacht der Kraft ist heut erschienen,

An Trennung wird nicht mehr gedacht;

Heil bis zum Strahl der Morgenröthe

Hat diese heil'ge Nacht gebracht.

O Herz, behaupte in der Liebe

Nur immer einen festen Stand:

Gibt's doch kein Werk auf diesem Pfade,

Das endlich seinen Lohn nicht fand.

Dass ich dem Trunke mich ergeben;

Nein, das bereu' ich nimmermehr,

Magst du mit Trennung und mit Steinen

Mich stets verfolgen noch so sehr.

Mein Herz entfloh, doch nimmer sah ich

Den Holden, der das Herz mir stahl.

Weh über diese Grausamkeiten,

Weh über diese herbe Qual!

Erschein', o Morgen, Gott zu Liebe

In deines Herzens lichter Pracht,

Denn gar zu dunkel und zu finster

Erscheinet mir der Trennung Nacht!

Hafis, nimm, wenn du Treue wünschest,

Die Leiden mit Ergebung hin:

Es wechselt ja im Handel immer

Mit dem Verluste der Gewinn.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 33-35.
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