9.

Entzieh' des Seelenfreundes Hause

Nicht deinen Durchzug, holder Ost;

Entzieh' mir elendem Verliebten

Nicht seiner Kunde Herzenstrost!

Zum Dank dafür, dass du, o Rose,

Nach Wunsch nun blühest auf dem Strauch,

Entziehe du dem Morgenvogel

Nicht des Genusses süssen Hauch!

Jetzt ist dein Mund noch eine Quelle,

Aus der hervor der Kandel bricht:

Drum sprich ein Wörtchen und entziehe

Dem Papagei den Zucker nicht!

Als du ein Neumond noch gewesen,

Warb ich um deine Liebe schon:

Nun du ein voller Mond geworden,

Entzieh' mir nicht des Blickes Lohn!

Die Welt und Alles was sie fasset

Ist leicht nur und gering an Werth:

Entziehe dies Geringe nimmer

Dem, dessen Kenntnisse man ehrt!

Es trägt der Dichter deine Thaten

Nach jeder Gegend dieser Welt:

Entzieh', zur Nahrung auf der Strasse,

Ihm nicht das schuld'ge Reisegeld!

Willst du, dass deiner man gedenke

In Liebe, wenn du nicht mehr bist,

Entzieh' dein Gold und Silber nimmer

Dem Worte, dessen Preis es ist!

Der Staub des Grames wird sich legen,

Hafis, und alles wird noch gut,

Entziehe du nur diesem Pfade

Nicht deines Auges Wasserfluth!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 25-27.
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