Das höchste, das beste, das vollkommenste, das schönste, das theureste, das herrlichste Gut verkaufest du um ein so geringes Geld, o Schelm!

[257] Nachdem die jüdischen Schörganten und das zusammen gerottete Lottersgesind den gebenedeiten Heiland gefangen genommen, haben sie ihn alsobald in die Behausung des Annä, nit ohne sonders Getümmel geführet, da es sich doch besser geziemt hätt', ihn zum allererst in das Palatium des Hohenpriesters Kaiphä zu liefern, als welcher dazumal das Oberhaupt war der ganzen Synagog. Weil aber der geldgierige Judas wohl gewußt, daß der Annas von der Priesterschaft aus bestellter Schatzmeister und hoher Kirchenprobst sey, unter dessen Gewalt der geistliche Geldkasten[257] in Verwahrung stund, also hat er den geraden Weg dahin geeilet, und daselbst, in Gegenwart und Beiseyn des Heilands Jesu die versprochenen dreißig Silberling von der Hand des Annä empfangen. Nun ereignet sich nicht eine geringe Frag, was für eine Münz besagtes Geld sey gewesen? Pecunia solle, nach vieler Meinung, den Namen ziehen von dem Wort Pecus, weil bei den Alten das Geld pflegte geprägt zu werden mit dem Bildnuß eines Schafs oder Widders, wessenthalben in dem Buch Genesis zu lesen, daß Jakob einen Acker oder Grundstück von den Kindern Hemor um hundert Schaf habe kauft, das ist, um hundert Pfenning, worauf ein Schaf geprägt zu sehen. Numa Pompilius, schreibt Suidas, hat den ersten Pfenning von Erz und Metall geschlagen, derentwegen das Geld annoch Numus genennt wird. Die Alten führten unterschiedliche Präg auf ihrer Münz, die Dardanier einen Hahn, die Reginier einen Hasen, die Cephalener ein Pferd, die Arginer einen Wolf, die Azolaner einen Stern etc., wie dann dermalen auch unterschiedliche Bildnüsse auf jetzigem Geld zu finden. Auf des römischen Kaisers Geld ist ein Adler zu sehen, wer viel solche Adler hat, dem wird man die Federn nicht viel stutzen. Auf des römischen Papstens Geld seynd Schlüssel zu sehen, wer viel solche Schlüssel hat, der kann alles eröffnen, auch sogar das verschlossene Herz-Thürl Auf des Königs in Frankreich Münz seynd Lilien zu sehen, wer viel solche Lilien hat, der wird nie für ein Unkraut gehalten werden. Auf des Königs in Ungarn Geld ist die Mutter Gottes zu sehen, wer viel solche Jungfrauen[258] hat, der wird nicht bald ein Martyrer werden. Auf des Königs in Schweden Geld ist ein Rößel zu sehen, wer viel solche Rößel hat, den wird man selten auf den Esel setzen. Auf des Churfürsten in Bayren Geld ist eine Welt-Kugel zu sehen, wer solche Welt-Kugel hat, der wird viel bei der Welt gelten. Auf der Chur-Mainzerischen Münz ist ein Rad zu sehen, wer viel solche Räder hat, der kann mit dem Glücksrad trutzen. Es gibt holländische Dukaten, darauf stehen diese Wort: Concordià res parvae crescunt, Discordià dilabuntur. Es gibt hamburgische Dukaten, darauf stehen diese Wort des Erzengel Gabriel: Ave Maria, samt der Bildnuß der Himmels-Königinn Mariä. Es gibt straßburgerische Dukaten, mit dieser Ueberschrift: Urbem Christe, tuam serva. Es gibt Königs-Thaler, darauf steht geschrieben: Dominus mihi adjutor. Es gibt braunschweigerisch Geld, darauf seynd diese Wort zu sehen: Unita durant. Es gibt bayerische Dukaten mit dieser Beischrift: Sancta Maria, ora pro nobis. Nun fragt ein andächtiger Vorwitz, was für eine Münz doch seyen gewesen jene dreißig Silberling, um welche der meineidige Iscarioth den liebsten Heiland verrathen? Budäus schreibet, daß einer aus diesen Silberlingen noch zu Paris in Frankreich gezeiget werde, desgleichen auch zu Rom, à sancta Croce in Gierusaleme, mir ist einer von der kaiserlichen Bibliothek neben andern Raritäten gewiesen worden, und wird vor glaubwürdig gehalten, als sey es einer aus jenem Blut-Geld, welches der Erz-Bösewicht Judas von den Hohepriestern und Schriftgelehrten zu Jerusalem empfangen;[259] jedoch will ich es nit für eine gar unfehlbare Wahrheit verkaufen. Der Werth eines solchen Silberlings wird unterschiedlich gehalten; Maldonatus, Pererius, Franciscus Lucas, Salmero und andere Lehrer seynd der Aussag, als habe solcher Silberling dazumal so viel golten, als vier romanische Julii, und haben in allem die dreißig Silberling nichts mehrers gemacht, als 24 fl., daß aber nachmalens um solches Geld ein Acker eines Hafners vor einen Freithof der Fremden eingehandlet worden, ist es unschwer zu glauben, zumalen selbiger Grund ziemlich unfruchtbar, weil er meistens von lauter Leim, dessenthalben auch nit theuer konnte verkauft werden.

Unweit der berühmten Stadt Cäsar Augusta in dem Königreich Arragonien liegt ein Marktfleck, mit Namen Vililla, allwo der h. Paulinus, Bischof zu Nola, eine schöne Glocke machen lassen, und darein geschmelzt einen Silberling aus denjenigen, womit das unschuldigste Lamm Gottes ist verkauft worden von Juda; diese Glocke ist eine wunderbarliche Prophetinn, dann so oft der lieben Christenheit einiges Uebel herzu nahet, pflegt besagte Glocke allemal, ohne einige Handanhebung, sich selbst zu läuten; also ist geschehen Anno 1527, kurz zuvor, als unter dem Papst Clemens VII. die Stadt Rom geplündert worden; deßgleichen ist mehrmalen geschehen, Anno 1564, worauf gleich die erschreckliche Pest in dem ganzen Königreich entstanden. Item Anno 1601 von dem 13. Juni an bis auf den 30. dito hat sie sich unterschiedlichemalen selbsten geläut, und dazumal seynd große Unheil hin und wieder in der Christenheit entstanden;[260] kurz zuvor, ehe Carolus V. mit Tod abgangen, hat man gedachte Wunder-Glocke läuten gehört. Ob nun solches Wunder den Verdiensten des h. Paulini, als Stifter dieser Glocke, zuzumessen, oder aber dem Silberling, mit dem das höchste Gut verkauft worden, will ich dermalen nit entörtern, sondern dessen Geheimnuß dem reifen Verstand eines jeden gutmeinenden Christen überlassen.

Etlicher Meinung und Aussag ist, beförderist des h. Anselmi und Antonini, als seyen diese Silberling eben diejenigen gewest, welche von den Madianitern die sauberen Brüder des Josephs empfangen, wie sie ihren Bruder verkauft, und obschon solcher nur um 20 Silberling verhandlet worden, so haben noch die hebräischen Priester die 10 hinzu gesetzt, weil es sich nicht geziemte, daß der Herr nit soll mehrer gelten, als der Diener. Oftbemeld'tes Geld, nach Zeugnuß des h. Maximi, ist dem Tempel zugehörig gewest, und ist viel Zeit in dem Kirchen-Schatz aufbehalten worden; hat demnach sowohl der gewissenlose Judas, als andere Hohepriester ein Sacrilegium der gottschänderischen Sünd begangen, indem sie ein Kirchen-Gut veralienirt, und zu solcher Unthat angewendt, zumalen sattsam bekannt ist, daß der Allmächtige dergleichen Kirchen-Dieb niemalen ungestraft laßt.

Anno 1383, als Carolus der Franken König wider die Engelländer siegreiche Waffen geführt, waren etliche britannische Soldaten nicht allein mit Burger- und Bauern-Beut begnügt, sondern ganz keck und gottlos auch die Kirche des h. Ivannis Baptistä zu Burg angegriffen, einer in derselben den Opferstock[261] geplündert, aber alsobald von der göttlichen Rach überfallen worden, indem er gleich von dem Teufel besessen, unsinnig und rasend worden, und endlich unter der Kirchen-Thür mitten von einander zersprungen auf gleiche Judas-Art.

Anno 1512 in währendem nanaräischen Krieg hat ein deutscher Soldat zu Pampilon in der Vorstadt eine Kirche aufgebrochen, daraus das vergold'te Ciborium, worin das höchste Altar-Geheimniß aufbehalten, geraubt; aber bald darauf den verdienten Lohn empfangen, dann ihn der Leib also aufgeblähet, daß er endlich, gleichwie Iscarioth, mitten von einander zersprungen, und alles Ingeweid heraus geworfen.

Aus den spanischen Historien erhellet, was massen Urraca, eine Tochter des Königs Alphonsi VI. zu Legion die Kirche des h. Isidori geplündert, in Willens, solchen reichen Raub zu den Unkosten des bevorstehenden Kriegs anzuwenden, da sie nun ganz frohlockend mit solcher Kirchen-Beut wollte davon gehen, ist sie unter der Kirchen-Thür, durch sondere göttliche Straf, mitten von einander, gleichwie der Verräther Judas, zersprungen, und also elend zu Grund gangen.

Christus wollt gar nit leiden zu Jerusalem in seinem Tempel die Tauben-Kramer, als die er mit eignen Händen hinaus gepeitscht, wie viel weniger kann er gedulden die Raub-Vögel in seinem Haus. Du verruchter Iscarioth, es war deinem geldgierigen Geiz, und mammonischen Herzen nicht genug, aus der gemeinen Cassa des apostolischen Collegii zu stehlen, sondern hast dich noch vermessen, den Kirchen-Schatz anzugreifen,[262] und wollt der Tölpel durch den Tempel auch reich werden. Auf eine Zeit thäten die Apostel nit wenig untereinander zanken, und sich fast ein jeder um die Kappen reißen, dann sie dermalen noch nicht gar vollkommene Männer waren, sie wollten kurzum Majoriten seyn, da doch Christus nur den Minoriten-Orden liebet, ein jeder aus ihnen wollt der Größte seyn, quis eorum videretur esse Major, ich bin der Größte, sagt Petrus, was zweifelts viel, dann mir der Herr das Pabstthum schon verheißen, Holla! sagt Andreas, still mit solchen Stich-Reden, wer soll dann größer seyn, als ich? hat mich doch der Herr zum allerersten berufen. Was? sagt Johannes, ich glaub, ihr redet im Traum, ich, und kein anderer, wird der Größte seyn, dann ihr habt schon Weiber gehabt, ich aber bin noch ein junger Gesell, und die Jungfrauschaft ist sehr in großem Werth bei Gott dem Herrn; in dem Fall laß ich mir keinen vorziehen, sagt Matthäus, dann was habt ihr um des Herrn willen verlassen? was? ein schlechtes Schiffel, ein altes paar Stiefel, ein geflicktes Fischer-Netz, einen mächtigen Handel, aber ich hab Geld und Gut verlassen, ich hab in einem Tag mehr Geld eingenommen, als ihr ein ganzes Jahr auf dem Fischmarkt gelöst habt, und gleichwohl hab ich alles verlassen, also werd ich Major seyn; mein haltet das Maul, wie ungereimt ist euer Plaudern. Ich, und kein anderer wird der Größte seyn, sagt Bartholomäus, dann ihr nur von gemeinen Leuten und geringem Herkommen, ich aber von königlichem Geblüt. Das würd sich schicken, sagt Thomas, wann ich nit vor allen soll das Prae haben, ihr habt euer[263] Lebtag nicht gestudirt, und im wenigsten seyd ihr schriftgelehrt, ich aber bin ein Doctor, ich Thomas soll, und muß, kann und will, und werd der Größte seyn. Weder du, noch ein anderer, sagt Judas Iscarioth, soll mir vorgezogen werden, bin ich nit euer Procurator, muß ich nit euch die Unterhaltung schaffen? habt ihr nit durch diese meine Händ' die Lebens-Mittel? pfui schamt euch, daß euch nur sollt einfallen, daß mir jemand soll vorgehen. Quis eorum videretur esse Major. Du ehrvergessener Iscarioth, ich bin ganz und gar auf deiner Seite, ich gieb dir meine Stimm, und sag Ja, du bist der Größte, aber mit Ehren zu melden, der größte Dieb. Der babylonische König Balthasar war ein großer Dieb gewest, indem er die goldenen Geschirr aus dem Tempel zu Jerusalem geraubt, und selbige zu Mahlzeiten mißbraucht, auch derentwegen von Gottes-Hand, an der Wand, solche Schand, mit dem ewigen Brand mußte bezahlt werden.

König Eduardus III. in Engelland, hat nit weit von Sandinton in Schottland ein unser Frau-Kapell polirt, und als einer aus denselben mit der h. Beut nit wenig in der Kirche prangte und prahlte, ist unversehens ein groß geschnitzletes Krucifix-Bild, so daselbst in der Mitte herab hangte, dem Bösewicht auf den Kopf gefallen, und augenblicklich den Hals gebrochen, dieser war ein großer Dieb.

Jener war ein großer Dieb, welcher bei nächtlicher Weil in die Kirche des h. Antonii eingebrochen, viel kostbare Sach' daraus entfremdt, er konnte aber die ganze Nacht die Thür nit mehr finden, durch[264] welche er eingangen, bis er zu Morgens von der ehrwürdigen Priesterschaft ertappt worden.

Dieselbe war eine große Diebinn, welche aus der Kirche des h. Remaci ein Altar-Tuch entfremdt, und als sie den ersten Tag hernach den Kopf gewaschen, und mit besagtem Tuch abgetrocknet, seynd ihr dergestalten alle Haar ausgangen, daß sie einem geputzten Kalbskopf nit ungleich sahe.

Jener war ein großer Dieb, welcher verstohlener Weis aus der Kirche des h. Felicissimi bei Nuceria viel kostbare Sachen enttragen, und da er der Meinung gewest, als seye er dieselbe Nacht über 4 Meilen entrunnen, ist er doch Frühemorgens bei der Kirche angetroffen worden.

Aber Judas Iscarioth noch ein größerer, und zwar der größte Dieb, welcher von dem Annas das aus dem Tempel genommene Geld erpreßt, und vor dasselbige Geld, welches hätte zu Gottes Ehr sollen angewendt, oder wenigst für ein Rarität in der Schatz-Kammer aufbehalten werden, zumalen es jene Silberling sollen gewest seyn, um welche Joseph in dem 17. Jahr seines Alters, den Madianitern, wie oben gemeldt, verkauft worden; noch darüber den wahren Gottes-Sohn und gebenedeiten Welt-Heiland meineidig und mehr als schelmisch verrathen, und verkauft. Billig sagen die h. Lehrer, hat der verruchte Judas wegen solcher dreissig Silberling den Fluch, welche der Harfenist David in dem 108 Psalm eingesetzt, über sich und allen seinen Anhang gezogen.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 3, S. 257-265.
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