Judas der gewissenlose Bösewicht mit seinem schlimmen Exempel veranlaßt auch andere seine Mitkollegen zum Murren und unverschamten Reden.

[98] Das ganze Haus, der obere und untere Gaden des edlen Herrn Simon, der sonst ein Cavalier von großen Mittlen, und wie Etliche wollen, ein nächster Anverwandter der Magdalenä und Marthä, war angefüllt von dem edlesten Geruch der theuren und kostbaren Salben, wormit Magdalena ihren liebsten Jesum bedienet; allein dem wilden und unflätigen Misthammel Judä wollt solche nit schmecken, dessen Nase freilich wohl einen andern Balsam verdient, worinnen die Wiedhopfen ihre Schnäbel wetzen: wessenthalben er nit allein ganz frech und unverschamt etliche Schmachwort ausgossen, und mit seinem Lästermaul die lobwürdigste, That getadlet: Ut quid perditio haec? »zu was solche Verschwenderei nutze? dem radbrecherischen Schelm und Galgen-Schwengel war nur um das Geld, wormit diese so stattliche Salbe ist eingehandlet worden, so leid gewesen. Weil dann die anderen anwesenden Apostel, als dazumal noch nicht in der Vollkommenheit befestigte Männer, solches von ihrem Mitkollega anhörten, und ohnedas sie als treu- und gutmeinende Leutl diesen Furbo in gutem[99] cept und hoch-achtbaren Namen hielten, als denen gar nit verhohlen, in was Werth und Würde er bis dato beim Meister gestanden: also haben sie, ob zwar nit aus übel gegründ'ter Meinung, auch angefangen zu murren, und die Köpf zusammen gestoßen, gestalten nit anderst Matthäus im 26. Kapitel die Sach umständig berichtet: Videntes autem Discipuli, indignati sunt dicentes. Welches unbehutsame Reden und Afterurthl mein h. Vater Augustinus meistens dem bösen Exempel des ehrvergessenen Iscarioth zumesset, als der die damal noch ziemlich schwachen Apostel gar leicht zu einer Nachfolg gezogen. War also dem verruchten Lottersbürschl nit genug, sich selbst ins Verderben zu bringen, sondern wies noch andern auch den Weg zum Untergang.

O Erz Raup! Es ist kein Wunder, daß jener Soldat, von dem Bartholomäus Neapolitanus schreibt, so gar den h. Matthiam nit wollen für einen Patron erkiesen, um weil dieser anstatt des Judä Iscarioth kommen. Indem aber erstgedachter h. Apostel ihm in augenscheinlicher Lebens-Gefahr erschienen, und ihm solchen Fehler scharf verwiesen, mit deutlicher Warnung, daß er des schlimmen Hunds nit könne noch solle entgelten, also hat der Soldat forthin den h. Matthiam eifrigist verehrt, gegen den Iscarioth aber, weil er auch Andere mit seinem Exempel zum Bösen angespornt, im vorigen Haß und billiger Mißgunst verharrt.[100]

Eine manche, die weniger Zähn im Maul hat, als ein dreißigjähriger Bauern-Kämpl, wird in allweg den Abgang dieser ihrer helfenbeinernen Beißzang verbergen, oder auch, so selbige wegen übermäßigen Zuckerkiffelns die weiße Farb verloren, und also ein Gebiß wie ein alter Bär in Moscau hat, so wird sie auf das genaneste die Lefzen und das Maul wissen inzuhalten, damit solcher Mangel verhüllt und unbekannt verbleibe; willst du aber dero vermantlete Hoffart in etwas entdecken, und einem jeden Anwesenden kundbar machen, was diese für eine finstere Nacht im Maul logire, so fang nur an, nach Art eines faulen Hunds zu gaimetzen, und das Maul ziemlich aufzusperren, alsdann wirst du unverweilt erfahren, daß diese gleich- und ebenmäßig das Freßthor in alle Weite aufreißt, und also einem jeden ganz leicht aus diesem eröffneten Kramerladen zu sehen, was für eine verpafelte Waar darin. Dann ein Gaimetzer macht den Nächsten auch gaimetzen, als wären die Mäuler in eine Angel zusammen geschrauft. Diesem ist nicht ungleich ein loser und lasterhafter Mensch, welcher mit seinem bösen Exempel und öffentlicher Aergernuß Andere zu gleichmäßigen Unthaten veranlaßt, forderist, wann ein solcher in einem Amt oder hohen Ansehen ist; alsdann heißt es:

A bove majori discit arare minor:[101]

Wie der Vater, also der Sohn; wie der Herr also der Unterthan.

Wie der Baum, also das Obst; wie der Bischof also der Probst.

Wie der Christoph, also der Dofferl; wie die Sophia, also die Sofferl.

Wie der Oberist also, der Reiter; wie der Leutenant, also der Gfreiter.

Wie der Acker, also die Ruben; wie der Meister, also die Buben.

Wie der Jäger, also die Jagd; wie die Frau, also die Magd.

Wie der Philipp, also der Lippel; wie der Präceptor, also der Discipel.

Wie das Haupt, also die Glieder; ist solches krank, legen sich, diese nieder.

Fällt ein großer Stein von einem Berg, so fallen alsobald kleine mit ihm; gehet ein großes Rad los in der Uhr und fangt an zu laufen, so schnurren gleich die kleinen mit; heult ein alter Wolf im Buchwald, so singen die jungen eine gleiche Mutette; sündiget ohne Gewissen, ohne Schamröthe, ohne Forcht ein Oberer, so werden die Unteren ohne Scheu nachfolgen. Aber wehe, durch welche Aergernuß geschieht!

Große Fürsten und Herren prangen gewöhnlich mit kostbaren Edelgestein und Kleinodien; aber das h. Evangelium hängt den bösen und lasterhaften Fürsten anstatt der Edelgestein einen großen Mühlstein an den Hals, wormit sie mehr sollen einen Grund suchen, weilen sie einen grundlosen Wandel führen, dann: Wer einen ärgert, sagt Christus der Heiland[102] selbst, aus diesen Kleinen, welche an mich glauben, dem wäre besser, daß ihm ein Mühlstein an seinen Hals gehängt, und er in die Tiefe des Meers versenkt würde.

Große Fürsten und Herren werden genennt Serenissimi, die Allerdurchleuchtigisten: also erben sie ihren so stattlichen Titul von dem Licht oder Leuchten; welches sie dann fügsam solle veranlassen, daß sie dem Volk mit einem Beispiel sollen vorleuchten, gleichwie die feuerstrahlende Saul den Israeliten in der Wüste. Aber wehe denjenigen, die ihrer so starken Pflicht vergessend mit einem ärgerlichen Lebenswandel auch die Untergebenen in das Verderben stoßen! dann solche große Herren seynd wie ein Leib, ihre bothmäßig Unterworfenen aber seynd wie der Schatten. Nun ist es allbekannt, was seltsame Affenart der Schatten an sich habe, und in Allem des Leibs seine Bewegungen oder waserlei Gebehrden auf das genaueste nachmache: Saufet ein durstiger Bruder aus einem Becher, daß ihm die Augen in die Schwemm fallen, wie es dem Noe nach dem langwierigen Wasser-Arrest begegnet, so thut es der Schatten nach; führt jemand einen wohlgefaßten Streich, wie der Samson mit seinem Esels-Kinnbacken, auf die Philister getroffen, worvon die Philister viel Stöß getragen, so macht es der Schatten nach; sticht eine ihrem Mann den Gecken, und zeigt ihm höhnischer Weis' ein arkadisches Ohren-Behäng, wie es die saubere Michol dem David erwiesen, so macht es der Schatten nach, und wird in allweg des Leibs Bewegungen vollkommenest nachaffen; Regis ad exemplum totus componitur[103] orbis, also und nit anderst ist das untergebene Volk beschaffen, welches gar meisterlich weiß ihres Fürsten und Herrn Laster und Untugenden nachzuthun, und ohne Sporn oder weitern Nachtrieb in dero Fußstapfen zu treten.

Wie die wunderschöne Judith in das Lager Holofernis ankommen, hat sich ein jeder an ihrer holdseligen Gestalt vermaulafft, ja sogar die sauberen Herrn Kriegs-Offizier sich verlauten lassen, daß, wann sonst keine andere Ursach wäre, die Waffen wider die Hebräer zu ergreifen, wäre es schon der Mühe werth, Krieg wider sie zu führen, weil so edel-schönes Frauenzimmer sich unter ihnen findet; und gedachten fein diese muthwilligen Gesellen, gegenwärtige Madama Judith sey dermalen eine Reserve für ihren Fürsten, aber wann sie die Stadt werden erobern, so wolle ein jeder sich dergleichen Muster aussuchen; und wässerten ihnen bereits schon die Zähn nach einem solchen Zuckerkandel oder zuckerigen Andl. Es ist sich aber dessen so hoch nit zu verwundern, daß diese Herrn O-vitiales solche übermüthige Kerl gewest und schlimme Bursch; dann ihr Fürst, ihr Herr, der Holofernes, war ein solcher. Regis ad exemplum, die tadelhaften Sitten eines Fürsten sind eine Vorschrift der Untergebenen. Hörst du, meine üppige Prinzessinn zu Jerusalem, wie du mit dem frechen Tanz[104] und leichtfertigen Hupfen den berauschten Herodem also eingenommen, daß er dir das halbe Königreich hat anerboten, und du aber solches aus Einrathung deiner saubern Frau Mutter geweigert, sondern dafür das Haupt Joannis Baptistä begehrt! Warum gleich das Haupt? Wann du hast wollen dich an solchem Buß-Prediger rächen, warum verlangst du nit, daß ihm die Zung solle ausgeschnitten werden, wormit er mehrmal dem Herodi durch sein öfters Non licet die Wahrheit unter die Nase gerieben? warum supplicirest du nit, daß ihm beide Augen sollen ausgegraben werden, mit welchen er das verruchte procedere und gottlosen Wandel des ganzen Hofstaates so ungern hat angesehen? warum begehrst du nit, daß ihm die Händ sollen abgehauen werden, mit denen er öfters euch und andern die Höll und unausbleibliche Straf Gottes gedrohet? Diese sanbere Husten antwortet aber also: wie daß sie viel weislicher das Haupt begehre; dann wann das Haupt hin ist, so ist Alles hin. Ei, du stinkender Schlepsack, dem ist wohl nicht anders, als wie du sagst, und muß man diese deine Bosheit für eine halbe Weisheit taufen!

Regis ad exemplum etc. – freilich und nur zu wahr ist es, wann das Haupt hin ist, so ist Alles hin; ist der Landesfürst nichts nutz, so ist das Volk auch nit gut. Der obere Theil des Daches an einem jeden Gebäu wird der Fürst genennt: wann dieser nichts[105] werth, sondern ganz baufällig, daß allerseits das Regenwasser eindringt, so wird das ganze Gebäu zu Grund gehen; wann große Fürsten und Herren voller Mängel und Missethaten, so wird unfehlbar das untergebene Volk nicht heilig seyn.

Wie Petrus, König in Ungarn, fast keiner ehrlichen Matron verschont, und schier alle Eheband und Ehestand bemailiget, so ist nit einer unter seiner ganzen Soldatesca gewest, welcher ehrlich hatte gelebt. Dazumal hat man wohl können sagen: in Ungarn sey eine treffliche gesunde Luft, weil in viel Jahren keine Jungfrau gestorben; ich glaubs. – Wie Casimirus II, König in Polen, einen sochen lasterhaften Wandel geführt, daß auch die Judens-Töchter und hebräische Esterl vor ihm nicht sicher gewesen, hat solcher Muthwillen, als wär er privilegirt, im ganzen Königreich überhand genommen. – Als Sveno II, König in Dänemark, in öffentlicher Unzucht gelebt, ist das Volk ganz zaunlos und zaumlos in alle Freiheit und Frechheit ausgebrochen, als hätte sich Venus aus Cypern in Dänemark überzogen. Wie Vikissa, König in Spanien, Scepter und Kron mit allem Wust und Laster bekothtget, wollte niemand, so gar auch das geheiligte Priesterthum, nit sauber leben, und ist dazumalen einem in Spanien ganz spanisch vorkommen, wann er einen ehrlichen Menschen ersehen. Wie Kaiser Constantinus Copronymus seine Ehegebene Kaiserinn ohne Fug noch Ursach von sich gestoßen, da sollt jemand gesehen haben, wie[106] einer um den andern sein Antiquarium verworfen, die alte Waar um frische vertauscht, und mit ihren Weibern, wie mit den Kalendern umgangen, alle Jahr einen neuen.

Von Henrico, König in Schweden, schreibt Olaus, daß er seines Gleichen in Hexenkünsten und Zauberpossen nit habe gehabt: die Teufel waren ihm bei Tag und Nacht also hurtig und urbietig zu Diensten, daß sie nur auf sein einiges Schaffen oder Winken gespannt; er hat die Sach so weit gebracht, daß, wie er seinen Hut gewendt, also ist der Wind gangen. Eine solche gleiche Beschaffenheit hat es mit großen Königen und Fürsten: wohin sie sich wenden, dorthin wendet sich auch das gemeine Volk, als wie der Wind.

Vor diesem hat es geheißen: laßt uns fahren, nichts mehr sparen, laßt uns fahren in Engelland zu; dann dazumal war das Engelland ein englisch Land, voll der heiligen Beichtiger und Jungfrauen, also daß wenig Münchs-Kappen ohne Schein seynd gesehen worden. So bald aber Henricus der Achte sich von der katholischen Kirche abgeschrauft, und wegen einer Diana putana den wahren Glauben verlassen, ist ihm alsobald das ganze Königreich nachgefolgt.

Guilelmus von Nassau, Fürst von Oranien, Gubernator in Holland, ist calvinisch worden; und als[107] er einst seinen Hut abgezogen, hat er mit den Fingern auf seinen Kahlkopf gedeut, sprechend: ob er zwar kahl sey auf dem Kopf, so sey er doch mehr kahl im Herzen, verstunde calvinisch. Ist nachmals nit lang angestanden, so seynd die meisten Hölländer in ihres Gubernator Fußstapfen getreten. Regis ad exemplum etc.

Von Caverle nach Venedig segelte ein großes Schiff, worin dreihundert Schaf waren, einem Edelmann zugehörig in Venedig. Auf solchem Schiff hat sich auch ein reicher und wohlhabender Kaufmann befunden, welcher, wie öfters geschieht, von einem sanften Schlaf übergangen, und dahero auf einer Bank mit dem angefangen zu napfetzen. Als solches der Widder unter genannten dreihundert Schafen wahrgenommen, daß der Kaufmann stets mit dem Kopf in die Nieder bockle, hat er es nit anderst ausgelegt, als werde er zu einem Duell oder Haupt-Kampf eingeladen; dahero sich unverweilt in die Postur gestellt, auch in etwas zuruck gewichen, desto kräftiger Attaque zu führen, – wie er dann mit seiner harten Parocca so stark den Kaufmann an die Blassen getroffen, daß er über die[108] Bank hinunter gefallen, welches dem guten Herrn, wie billig, nit ein wenig verschmacht, ja in eine solche Cholera und Grimmen gezogen, daß er gleich aus unbändigem Zorn den Widder ergriffen und ins Meer hinaus geworfen. Sobald solches die Schaf ersehen, seynd deren alle mit großem Gewalt hinnach gesprungen, und folgsam alle ersoffen. Sagt her, ihr Herren Juristen, ob der Kaufmann schuldig sey, den erlittnen Schaden aller dieser Schaf zu refundiren? Wann er gewußt hat, daß allezeit dem Widder nachfolgen die Schaf, so ist er im Gewissen verpflicht, allen hierin erlittenen Schaden zu ersetzen.

Ihr Fürsten, Herren und Herrscher vieler Länder und Landschaften, seyd wie ein Widder bei den Schafen! wie ihr wandelt, wie ihr gehet, so folgen euch die Unterthan und Vasallen nach: stürzt ihr euch in allen Muthwillen und Laster, so eilet das Volk auf dem Fuß nach. Wie der König Nabuchodonosor, also seine Herren Ministri und das ganze Volk; wie Herodes zu Jerusalem, also die Edel-Leut und Burger daselbst; wie der König Sedecias, also seine Landsassen; wie der König Jeroboam, also seine Unterthanen; wie der König Ptolomäus, also seine Egyptier; wie der jüngere Clodoväus, also seine Franken; sed vae mundo à scandalis! »wehe, wehe solchen Fürsten und Herren, die mit ihrem sündigen Wandel und Aergernussen auch andere zum Verderben ziehen!« Daß in euerm Land eine schändliche, schädliche Venus-Brunst entstanden, ihr seyd[109] daran schuldig; dann ihr habt das Feuer angeblasen mit eurem bosen Exempel; daß so viel Tausend der Eurigen an Seel, Seligkeit Schiffbruch gelitten, ihr seyd daran schuldig; dann ihr habt solche Wellen und Ungestümme erweckt mit eurem bösen Exempel; daß so unzählbare viel der eurigen Unterthanen zum ewigen Untergang eilen, seyd ihr daran schuldig; dann ihr habt ihnen den Weg gewiesen mit eurem bösen Exempel! Wie werdet ihr bestehen? o wehe euch, wann ihr sollt und müßt und werd't Rechenschaft geben dem göttlichen Richter, nit nur wegen eurer eigenen Seel, sondern so viel tausend und tausend, die ihr durch Aergernuß und böses Beispiel zum Sündigen geleitet, sie dem allmächtigen Gott ungerechter Weis' entfremd't, und dem Teufel geopfert! wehe euch! Regis ad exemplum.

Wehe den Geistlichen, durch welche Aergernuß kommet! Ihr habt den Namen von Christo Jesu selbst erhalten, daß ihr ein Licht und brennende Kerze auf dem Leuchter seyet. Nun wißt ihr gar wohl, wann eine Kerz auslöscht: pfui Teufel, wie stinkts! und ist solcher widerwärtige Gestank höchst schädlich, kann auch derselbige üble Krankheit verursachen. Was verursacht aber mehr Uebels und merklichen Schaden, als wann ein Geistlicher, ein Priester, als ein schön-scheinendes Licht, welches den Weltmenschen soll vorleuchten in der Lieb Gottes und Tugend-Wandel, erlöscht, und folgsam einen verdammlichen Gestank der Aergernuß von sich gibt?

Es ist kein Wunder, daß die Edel-Leut zu Jerusalem, die Handwerker zu Jerusalem, die Soldaten zu Jerusalem, die Kaufleut zu Jerusalem, die Schreiber[110] zu Jerusalem, die Tagwerker zu Jerusalem, das ganze Volk zu Jerusalem, hat mit heller und einhelliger Simm aufgeschrien: crucisige, crucisige, »man soll Jesum krenzigen!« Es ist sich aber dessen nit so stark zu verwundern; dann sie haben gesehen, daß Ihro Hochwürden der Caiphas, Ihro Hochwürden der Annas, Ihro Wohlehrwürden die Pharisäer, Ihro Ehrwürden die Leviten, und die gesamte Geistlichkeit der Synagog nichts anders getracht', als Jesum aus dem Weg zu raumen; dessenthalben haben sie auch keine Scheu, keinen Scrupel, noch Gewissen gemacht, eben solches nachzuthun.

Nadat und Abiud, des großen Aaraonis leibliche Söhn, beide Priester, haben fremdes Feuer gebraucht zu dem göttlichen Opfer wider das Gesetz des Allerhöchsten; dessentwegen vom Feuer grimmig ergriffen worden, daß sie vor dem Altar todt dahin gefallen. Daß sie aber dergleichen groben Fehler begangen, war Ursach der starke Rausch, den sie gehabt. Wie solches das andere Volk öfter von ihnen ersehen, daß sie dem Wein also ergeben, ist gar leicht zu vermuthen, daß sie sich nicht wenig hierdurch geärgert, und etwan einer dem andern zugesprochen: Brüder, laßt uns saufen, bis uns die Haar geschwellen; laßt uns trinken, bis Lunge und Leber schwimmen; laßt uns zechen, bis das Weinfaß, auf dem Kopf stehet, saufen doch unsere Pfaffen auch etc. O wehe der Aergernuß!

Ein Mann, – und vermuthlich ein Burger von Jerusalem, reiste nach Jericho, und hatte das Unglück, daß er in einem dicken Wald und finsteren Gehölz, auf hebräisch Adamin genannt, unter die Mörder gerathen, welche ihm alle seine Baarschaft und gute Kleidung gewaltthätig[111] hinweg genommen, auch darzu dergestalten durch Hauen und Schlagen mit ihm verfahren, daß der arme Tropf halb todt dahin gelegen. Eben diese Strasse und Weg ist gleich hernach auch durchpassirt ein Priester von Jerusalem, der dieses elenden Menschen zwar ansichtig worden, massen er nächst an dem Weg gelegen, sich aber (o wohl ein hartes Gemüth!) seiner nicht erbarmet, sondern dem Pferd den Sporn geben und also vorbei. Bald nach diesem reist ein Levit, welcher so viel, als bei uns ein Diaconus, selbige Strasse, der auch auf gleiche Weis' den elenden Menschen angetroffen, seiner aber sich im wenigisten nicht erbarmet, sondern ohne weiters Bedenken seine Reis' fortgesetzet, bis endlich ein Samaritan Weg halbers dahin getreten, welcher alsobald ein innigliches Mitleiden, gegen ihn geschöpfet, und nach vielem Zusprechen und trostreichen Worten ihm seine Wunden verbunden, mit sich in die Herberg geführt, allwo er nach Möglichkeit mit sonderm Fleiß bis zu völliger Genesung bedient worden. Wie solches unter den Burgern zu Jerusalem, unter den Bauern um Jerusalem kundbar und lautmährig worden, wer weiß, ob sie sich nit haben hören lassey: Pfui Teufel, sprechend, was haben wir für saubere Pfaffen; wann der Samaritan nit gewest wäre, hätt unser Mitbürger, der gute Mann, müssen elend verderben! sie predigen uns viel von Abscheulichkeit des Geizes; entgegen ist dem Priester nur gewest um etliche Groschen, der Levit hat geforchten, er muß den Beutel ziehen, und derentwegen beide den armen Tropfen verlassen; seynd das nit heilige Pfaffen! Sie streichen uns so stark hervor die Werk der Barmherzigkeit, und entwischen könnt' einer[112] ehender aus einem Kieselstein Wasser locken, als aus ihnen einen Pfenning: es muß allem Ansehen nach die Höll nit so heiß, der Teufel nit so schwarz, der Weg gen Himmel nit so schmal, die Glorie nit so theuer, Gott nit so streng, die Gebot nit so wahr seyn, wie sie uns vormalen, indem sie es selbst also schlecht, ja öfters gar nicht halten, noch beobachten. O wehe, o wehe solchen Geistlichen, durch welche Aergernuß kommet!

Es kommen in einem Wirthshaus zusammen an einem Sonntag ein Schulmeister aus einem Markt, ein Burger aus der Stadt, ein Baur aus einem Dorf und ein Soldat aus dem Feld. Diese setzen sich zu einer Tafel, bei der Tafel in eine Zech, bei der Zech in eine Ansprach; das meiste Reden aber betraf die Geistlichen. Der Soldat schwört bei tausend Teufeln, ihr Regiments-Pfaff habe mehr nach Beut' als Leut' diesen Feldzug getracht, und sey mehr aufs Stehlen, als auf Seelen gangen, er habe mehr Trapulier als Brevier bei ihm gesehen, sey lieber mit Becher als Bücher umgangen. Ob er sich viel auf den Himmel verstehe, das wisse er zwar nicht, ja er zweifle daran; aber auf die Stern verstehe er sich hauptsächlich, dann er habe ihn nit nur einmal sternvoll gesehen. O schönes Lob! Der Bauer mit seinem feuchten Maul, aber gleichwohl ungewaschenen Goschen, will hierin nit der geringste seyn: ja, ja, sagt er, unsere Herren Geistlichen kommen mir vor, wie die Glocken in unserem Kirchen-Thurm, die leuten andern in die Kirche, und sie bleiben selbst drausen; unser Herr Geistlicher sagt uns viel vor und thut es selbst nit; er hat das nächste Mahl geprediget, daß Fraß und Füllerei eine große[113] Sünd sey, und er sauft fast alle Tag mit unserem Edelmann bis um 12 Uhr in die Nacht, daß er also oft eine Marter-Saul für einen Bettler, das Meßner-Haus für einen Heuwagen, und sogar das nächstemal ein Paar Stiefel für ein Messer-Gesteck hat angesehen. Der Meister Conrad als Burger könnt kaum erwarten, bis des Bauern Lobpredigt ein Ende hat; brach demnach alsobald in diese Wort aus: meine Leut, wir haben ein Kloster bei uns, darin seynd 18 Mönche, der Prediger unter ihnen tummelt sich freilich wohl steif auf der Kanzel, etliche Feiertäg nacheinander hat er etwas von Fried und Einigkeit eingeführt; man weiß es aber gar zu wohl, das er das nächste Mal himmelblaue Augen und eine bleßirte Nase darvon tragen; er gab vor, als sey ihm ein Buch von der Gestell auf den Schmecker gefallen; es reimt sich aber in der Wahrheit, wie eine gute Faust auf ein Aug: frag einer nur ihren Kirchen Diener, der wird es gar umständig erzählen, wie der Sacristan und Prediger miteinander duellirt, und die Sach so weit kommen, daß einer den andern hauptsächlich mit der trucknen Faust arquebusirt. Sie leben untereinander, daß es dem Henker möcht grausen, und uns wollen sie alleweil einen Schein auf den Kopf naglen, das heißt: dicunt, et non faciunt. Sa, Sa, sagt der Schulmeister, ich bin wohl besser versirt in dem Pfaffen-Protocoll,[114] als ihr alle; ich wollt nur wünschen, ihr verstund't lateinisch, so wollt ich es auslegen die Wort in der Bibel: viderunt Filii Dei filias hominum, quod essent pulchrae etc.. Einer oder der andere Geistliche darf mir nichts sagen, sonsten zeig ich ihm gleich einen gemalten Vogel, welcher auf der Brust ein Menschen-Gesicht hat mit einer gewichtigen Nase, die er in dem Schnabel hält, worunter geschrieben: Nosce te ipsum, »nimm dich selbst bei der Nase!« O wehe, wehe solchen Geistlichen, durch welche Aergernuß kommen!

Gar wohl bekannt ist jene überaus köstliche und künstliche Statua oder Bildnuß des Königs Nabuchodonosors, dero Haupt von purem Gold, die Brust von Silber, der Leib von Erz etc. gewesen; solche hat ein einiges Steinl vom Berg getroffen und Alles zu Trümmer gemacht. Ein Berg ist ein Geistlicher wegen seiner priesterlichen Hoheit; ein Steinl ist ein Aergernuß, petra scandali.

Eine stattliche Statua ist mancher fromme Mensch, welcher ganz guldene Gedanken, eine silberne Intention und ein metallenes oder erz-starkes Vorhaben hat, geistlich zu werden, in einen h. Orden zu treten; siehet aber, daß dieser und dieser Geistliche unbehutsam in Reden, leichtfertig in Gebehrden, lasterhaft im Wandel, und mit dem Rappen aus der Arche Noe bei stinkendem Aas seine Speis suchet: ach wehe der Aergernuß?[115] dieses einzige Steinl wirft sein ganzes, herrliches, heiliges, rühmliches Vorhaben zu Boden, und schließt bei sich selbst, lieber weltlich verbleiben, weil er siehet, daß auch die Geistlichen nichts nutz seyn. Vae mundo à scandalis!

Im Meer ist ein Fisch mit Namen Polypus, der solche wunderliche Eigenschaft hat, daß er sich gern an die Felsen und Schroffen anheft und ganz dero Farb annimmt: also wann dergleichen Felsen schwarz seynd, so ist er auch schwarz, seynd sie grau oder grün, so tragt er gleichmäßige Liverei. Wie der Polypus, so ist Populus das Volk: dieses verläßt sich und hält sich fast auf ihre Geistlichen; wie diese gefärbt, also auch das Volk: ist die ehrwürdigiste Priesterschaft weiß und unschuldig in ihrem Wandel, so wird das Volk deßgleichen seyn: machen es aber die Geistlichen gar zu braun, so find't man diese Farb ebenmäßig bei dem Volk; da heißt es: peccavimus cum Patribus nostris. Daß der mehreste Theil des lieben Deutschlands in größtem Zwiespalt wegen des Glaubens gerathen, und sich ganze Königreich und Länder von dem Gehorsam des römischen Stuhls entzogen, wer ist anderst Ursach, als die damalige im Gewissen und Wissen tadelhafte Geistlichkeit? wie dann eben 1517, als Lutherus den 31. October an der Vigil aller Heiligen zu Wittenberg angefangen zu wüthen, in dem Consilio Lateranensi ist beschlossen worden de reformandis Ecclesiae moribus[116] – Sleidanus – die Geistlichen in bessere Zucht zu bringen, und dero sträflichen Wandel und ärgerliches Leben zu zaumen. Darum jener Deutsche nit übel geredet, wie er des h. Caroli Boromäi auferbaulichen und heiligen Wandel gesehen: O, sagte er, hätte Deutschland boromäische Bischöf gehabt, wär' es wohl nie von dem katholischen Glauben abgewichen!

Volsäus zu Londen, Albericus zu Prag, Wernerus zu Straßburg, Gobadeus zu Neapel, Hardinirus in Italien, Udo zu Magdeburg und viel andere hohe Geistliche wegen ihres boshaften Wandels was Aergernuß haben sie nie geben der Welt! O wehe, o wehe solchen!

Wehe, wehe denen Eltern, durch welche Aergernuß kommen! In der h. Schrift wird registrirt von einem großen Miracul und Wunderwerk: Factum est grande miraculum. 4. Mos. 26. Als der aufrührische Core mit dem Dathan und Abiron sich gegen den Moses und Aaron ausgeleint und sehr großen Tumult erweckt, hat Gott solchen sträflichen Zwiespalt nit ungerochen gelassen, sondern alsobald dem Erdboden befohlen, er sollt seinen Rachen und Schlund aufsperren und besagte drei meineidige Gesellen lebendig verschlucken. Wie es dann nit anderst ergangen; dann nach kurzem Verweis und ernstlicher Wort-Bestrafung des Mosis hat sich die Erd aufgethan, und seynd diese mit Leib und Seel zum Abgrund[117] gefahren. – Das größte Wunder aber bestund in dem, daß nemlich der Vater Core zu Grund gangen, seine Kinder aber, die hart neben seiner gestanden, nichts gelitten; und wird glaubwürdig von den heiligen Vätern vorgeben, als habe Gott durch seine heilige Engel gedachte Söhn empor in die Höhe gehalten dazumalen, wie sich die Erd eröffnet, daß also der Vater zu Grund gangen, seine Söhn aber nicht. O miraculum grande! o großes Miracul und Wunder! ein Vater geht zu Grund, seine Söhn nit; ein Vater fährt zum Teufel, und seine Söhn nit; o Wunder über Wunder! Sonst gemeiniglich nach dem Vater leben die Söhn: hab auch noch niemalen gehört, daß die alten Frösch gequackitzet, und die jungen wie Nachtigallen gesungen; es wäre was Neues, wann die alten Rappen ihre Kuchel aufschlagen bei einer Schinder-Hütte, und die jungen bei einem Biskoten-Becker; soll es dann seyn können, daß alte Krebsen hinter sich gehen, und die jungen ganz gravitätisch vor sich spazieren? Ein großes Wunder ist es, wann die Eltern lasterhaft leben, und die Kinder tugendhaft; gemeiniglich an den Eltern spieglen sich die Kinder.

Ihro Majestät die Königinn Michol, des Davids Frau Gemahlinn, war über alle Massen eine stolze Docke; sie hat wohl nie mehr zuruck gedenkt, wie ihr Vater Saul ein Eseltreiber war. Zwar es gibt ihres Gleichen mehr, die durch das Glück erhoben, sich nachmals ihres Herkommens schämen, und darf mancher gestrengen oder gnädigen Frau nit gesagt werden, daß ihre Mutter eine Näherinn, und ihr Vater ein armer Hafner gewest; dann sie ist schon eine[118] von Nadelhofen und Kachelburg. Weil dann obgedachte Königinn Michol eines so übermüthigen und hochmüthigen Sinns war, hat sie Gott mit der Unfruchtbarkeit gestraft: weil er hat vorgesehen, wann sie sollte Töchter erzeugen, würden gleichmäßig nach dem Exempel der Mutter solche hoffärtige Grind-Schippel daraus werden. Wie die Mutter, also die Tochter.

David ist den Weibern nicht gar feind gewesen, dessen sattsame Zeugnuß die Bersabea: Ammon und Salomon, seine Herren Söhn, waren gleichmäßig von solcher Lieb angesteckt und angestänkt. Wie der Vater, also die Söhne.

Ist der Vater ein Bachus-Bruder, welcher vor lauter übermäßigem Weinsaufen rothe Augen bekommt auf cyprianisch Tauben-Art, und also wegen solcher schlechter Fenster das ganze Gebäu muß Schaden leiden: so wird der Sohn nit weniger Martius seyn im October-Saft, und auch lernen aus Trinkgläsern Kupfer zu machen.

Ist der Vater, mit Ehren zu melden, ein Lügner, und im Maul ein größers Messer tragt zum Aufschneiden, als jener Bauer im Magen, welcher ein mehr als Spann langes Messer geschlückt, so aber mit einem Magnet-Pflaster ohne Schaden ganz künstlich von ihm gezogen worden, und annoch in der kaiserlichen Kunst-Kammer zu Wien gezeigt wird: so wird der Sohn auch gesparsam seyn in der Wahrheit, und in allen Reden den Lugo citiren; auch[119] einem solchen gar leicht ein Secretum wäre zu vertrauen, dann so ers schon offenbart, würd' es ihm als einem Lügner niemand glauben.

Ist der Vater ein Spieler, dessen meistes Traficiren in Trapuliren bestehet, und da man anderstwo die Hadern und Lumpen zu Papier macht, ihn aber macht das Papier, verstehe die Karten, zu Lumpen und zerrissenen Hadern und äußeriste Armuth: so wird der Sohn auch beherzt in Herz, floriren in Grün, närrisch in Schellen, säuisch in Eichlen seyn.

Ist der Vater ein Buhler, und in seinem Gewissen die Wort Non moechaberis mit bleicher Dinte geschrieben, und bei ihm nach dem A, B, C, D gleich das F folgt, und öfter das E überhupft: so wird der Sohn ebenfalls syllogisiren in Barbara, und mehrmal bei der guldenen Kuh, wie Moses beim guldenen Kalb, die Gebot brechen.

Ist der Vater ein Flucher und Gotteslästerer, bei dem es auch mitten im Winter donnert und hagelt, der wie ein grünhosender Frosch und Lachen-Musikant mit seiner Pfund-Gosche und verdrießlichem Tenor den Himmel selbst anquackitzet, und also der Lümmel den Himmel mit Getümmel antastet – wohl[120] ein Gott mißfälliger Boanerges: so wird der Sohn ebenfalls ein jedes Wort mit 100,000 Teufel füttern, und in allweg supra mentem sapramentiren.

Ist der Vater ein Dieb und Partitenmacher, der weit besser die Leut, als die Schwalben den Tobias weiß zu besudlen, und folgsam in den 7 Tagen der Woche das 7te Gebot: du sollst nicht stehlen! 77 mal vergißt, und also solcher Mammons-Bruder den Ablativum niemalen decliniret: ja so wird der Sohn nit wie ein frommer Loth die Fremden, sondern wie ein schlimmer Lottersbub das Fremde lernen zu sich ziehen und wissen, beim klaren Sonnenschein einen hinter das Licht zu führen.

Ist die Mutter stolz und hoffärtig, und die mehreste Zeit sich mit dem Spiegel, als einem gläsernen Aufstecher berathschlaget, damit ihre Stirn sich mögschreiben von Glattau aus Schlesien, ihre Augen von Sternberg in Böhmen, ihre Wangen von Rothenburg am Neckar, ihre Lefzen von Roseneck in Preußen, ihr Hals von Lilienfeld in Oesterreich, und also das Gesicht-Waschen, Reiben, Glätten, Beglen, Färben, Poliren, und Zieren ihre meiste Arbeit: so wird die Tochter nit weniger nach Pracht und Tracht dichten, und mehr Acht haben auf ihre Haut, als Gedeon auf seine Schaf-Fell.[121]

Ist die Mutter also beschaffen, wie die Frau des egyptischen Putiphars, welche mit des Josephs Mantel ihre Bosheit suchte zu vermäntlen, wo der englische Jüngling weit unsicherer war bei dieser jungen Pfütze, als vorhero in der alten Cistern: so wird, glaub mir darum, die Tochter mehr diocletianische, als lucretianische Sitten, an sich nehmen, mehr in Catharinä de Bore, als Catharinä Senensis Fußstapfen treten, daß also zwischen einer solchen Agnes und Lupa kein Unterschied zu finden.

Ist die Mutter faul wie ein Saumgaul, ist die Mutter stolz wie ein Cederholz, ist die Mutter beschaffen wie die verliebten Affen, ist die Mutter eine Buhlen wie die Venus-Schulen, ist die Mutter im Trinken wie im Sommer die Finken: so wird die Tochter selten anderst seyn.

Anno 1560 hat eine Frau, wie die Chronik der Kapuciner meldet, eine neue stolze Jezabel in Liguria,[122] den berühmten Mann Patrem Angelum aus gedachtem Orden zu sich berufen in ihrer Krankheit, und ihm mit heller Stimm angedeut, daß sie verdammt sey derenthalben, weil sie zu stolz und prächtig in Kleidern gewest, und solchergestalten auch ihre Tochter erzogen, forderist, weil sie ihrer Tochter ein neues Kleid hat machen lassen, (merks, mein Frauenzimmer!) dergleichen Modi und Materie in der Stadt nie gesehen worden; welcher nachmalens alles Frauenzimmer nachgefolgt. Kaum daß sie dieses ausgeredt, hat sie der böse Feind bis auf den obern Boden erhebt, und mit solcher Gewalt auf die Erd herab geworfen, daß sie ganz tobend und rasend ihre elende Seel aufgeben.

Wie ein groß Rad in der Uhr gehet, so gehen auch die kleinen; wie die alten Spatzen pfeifen, so pippen auch die jungen; wie die Sonn gehet, so wend't sich auch die Sonnen-Blum; wie die obern Gestirn, also auch die unteren Geschöpf wegen dero Influenz: wie die Eltern, also die Kinder.

Bei dem reichen Prasser war es alle Tag Kirchtag, allezeit eine Mahlzeit, allemal ein Gastmahl; es hat stets geheißen: trag auf und zett' nit, schenk ein und schütt nit, greis in die Schüssel und scham dich nit. Endlich hat ihn der Schlag getroffen, und[123] also ohne weitern Aufschub zum Teufel gefahren. Dann wegen seines steten Fressens hat er bei unserm Herrn die Suppe verschütt, theils, weil er auch dem armen Lazaro vor der Thür nit einen Bissen mitgetheilt. Der elende Bettler hat gesehen kochen, braten, sieden, backen, rösten, aber nie trösten; beim Reichen war alle Tag ein Mandel-Muß, beim Armen alle Tag ein Mangel-Muß; beim Reichen alle Tag eine Fresserei, beim Armen alleweil eine Fretterei; beim Reichen war alleweil das Fassen, beim Armen alleweil das Hasten: es wünschete sich der hungerige Tropf, daß er dörfte die Brösel unter dem Tisch aufklauben und mit den Hunden daselbst in die Kost gehen, nemo ei dabat, »aber niemand gab ihm etwas.« Es hat ja dieser reiche Gesell auch Kinder gehabt? Ich zweifle nit. Soll dann keins aus ihnen so barmherzig seyn gewest? Nemo, niemand hat ihm was geben: es hat ihm der junge Herr nichts geben, es hat ihm die Fräule nichts gespendirt; dann nach dem Exempel des Vaters leben die Kinder. Nemo, weder Lakei, weder Pagen, weder Aufwärter, weder Kutscher, weder Reitknecht; nemo, weder die Köchinn, weder das Kuchl-Mensch, welche beede sonst gar oft einer alter Kupplerinn wegen der Löffel-Post den Topf und Kropf angefüllt; nemo, kein Mensch im Haus war so barmherzig, der dem armen Lazaro einen Bissen hätte zugeworfen: weil nemlich auch ihr Haus-Herr so unbarmherzig war.[124]

Man sagt von einem Kapellmeister, der hohen Alters halber gar ein schwaches und blödes Gesicht hatte, dessenhalben stets sein Nase mit einem Paar venetianischer Brillen, als mit einem gläsernen Sattl, versehen mußte, daß er auf eine Zeit in der Kirche vorgesungen, und also eine Mucke in dem Gesang-Buch oberhalb der schwarzen Linie gesessen, glaubte er gänzlich, dies sey eine musikalische Note, wessenthalben er seine Stimm' erschröcklich erhebet und jämmerlich aufgeschrieen, wie die Wölf, so sie den Vollmond ansingen; worauf auch alsobald die Kapell-Knaben nachgehend, und eine so unförmliche Musik gemacht, daß den Leuten schier das Gehör verfallen. Wer war daran schuldig? Der Chor-Regent und Kapellmeister. Im Haus seynd Vater und Mutter: wann nun diese schlimm singen, so thun die Kinder deßgleichen. Wann der Vater bei der Tafel eine Sprach redet, wie der Chan, wann er mehr einen cyprischen als cyprianischen Discurs führet, wann er nit einen Propheten, wie der Wallfisch den Jonas, sondern einen solchen Poeten auswirft, der ganz ungereimte Reim eines nasenwitzigen Nasonis vorträgt: so ist kein Wunder, daß nachmals einen gleichen Tripel die Kinder intoniren. Wann Vater und Mutter in Gegenwart der Kinder solche freche Gebehrden zeigen, wie jene alten Tauber zu Babylon in dem Lustgarten Susannä: so fallen solche Funken in Hen und Streu der Kinder, und zünden an, was ohne dem gern brennt. Aber wehe solchen Eltern, durch welche Aergernuß kommt! Wann Vater und Mutter schläfrig seynd in dem Dienst Gottes, und hören nur Meß, wanns im Kalender roth geschrieben[125] steht: so werden die Kinder ebenmäßig so inbrünstig seyn, wie ein Eiszapfen im Januario, und folgsam lieber zum Tanz als Rosenkranz gehen.

Wie die Ephraimiter vom wahren allmächtigen Gott abgetreten, und sich zu den falschen Abgöttern gewendt, dazumalen, sagt die hl. Schrift Jerem 7, Haben die Väter angemacht, die Mütter Küchel gebacken zum Opfer vor solche Götter; was aber die Kinder? etwann haben sie die Augen gegen den Himmel gewendt und den jenigen angebet', so da Himmel und Erd erschaffen? O nein! die Kinder haben das Holz zu besagter abgötterischen Kocherei zusammen geklaubt: »Filii colligunt ligna, et Patres succendunt ignes, et Mulieres conspergunt adipem, ut faciant placentas Reginae Coeli et libent Diis alienis.« Wie die Eltern, also die Kinder; ein schlimmer Vogel, ein schlimmes Ei; ein schlimmer Baum, eine schlimme Frucht; wie der Acker, also das Treib; wie der Autor, also das Buch; wie der Weinstock, also die Traube; ein schlimmer Fisch, ein schlimmer Rogen; seynd die Eltern nichts nutz, so seynd auch die Kinder unerzogen. Aber wehe solchen Eltern!

Nach dem letzten Abendmahl hat der Herr Jesus den Peter, den Joannes und Jacobum mit sich genommen in den Garten Gethsemani, welcher fast eine viertel deutsche Meil abgelegen von der Stadt Jerusalem, nächst dem Thal Josaphat, allwo der Bach Cedron durchrinnt, und der Zeit die Türken ihr Begräbniß daselbst haben. In diesem Garten hat sich der gebenedeite Heiland ein wenig abgesondert von den 3 Apostlen, mit dem Verlaut, wie daß seine Seel[126] betrübt sey bis in den Tod; sollen demnach allda verbleiben und wachen. Nachdem er nun einige Zeit im Gebet zugebracht, kehrte er wieder zuruck zu seinen geliebten Jüngern, und weil er dieselben schlafend angetroffen, hat er alsobald dem Peter einen kleinen Verweis geben: Simon dormis, Simon schlafst du? hast du nit können eine Stund mit mir wachen?

Warum redet der Herr allhier den Peter allein an und leset ihm die Planeten? warum beschuldigt er nicht auch die anderen zwei? haben sie doch auch geschlafen, auch wacker geschnarcht, und folgsam ein gleiches Capitel wie Petrus verdient! Darum, darum hat Petrus den Verweis bekommen, weil er das Haupt war der Aposteln, und also die Ursach gewest, daß die anderen auch geschlafen; dann wie diese zwei vermerkt, daß Petrus die Augen zuschließt, daß er anfangt zu napfetzen und schlafen, so gedachten sie: gehet es ihm hin, der unser Haupt, so gehet es uns auch hin. War also des Petri gegebene Aergernuß bei Gott strafmäßig, deßwegen hat es geheißen: Simon dormis?

Wann ein Vater diese oder jene Untugend an sich hat, der Sohn thut es gleich nach: wie ich dann selbst einen Knaben mit 4 Jahren gekennt, welcher schon mit Stern- Million- Galle- Rennschiffel- Blut- Mord-Sapra etc. gescholten. Du Vater, du, du gib Rechenschaft, du bist der Mörder der Seele deines Sohns! Wann die Mutter mit Galanen und Geilanen, mit Buhlern und Schülern umgeht: die Tochter spieglet sich daran, und mit 10 Jahren weiß sie[127] schon, quod foemina sola reposcit, quae maribus solum etc. Du, du Mutter gib Rechenschaft, du bist der Wolf, welcher das Lammel zerrissen! Führen die Eltern einen sträflichen Wandel und lasterhaftes Leben, so scheuen sich die Kinder nit, in dero Fußstapfen zu treten; aber ihr Eltern! ihr, ihr gebet Rechenschaft, ihr habt das Gift gemischt, welches sie getrunken!

Zwischen der Stadt Jerusalem und dem Berg Oliveti ist das Thal Josaphat, allwo vor diesem ein teuflischer Abgott war, mit Namen Moloch, dem die Eltern ihre eignen leiblichen Kinder durch das Feuer aufgeopfert. Ihr, ihr Eltern, durch eure Gott höchst mißfällige und schädlichiste Aergernuß opfert ebenfalls eure eignen Kinder und Leibsfrucht dem Teufel, und werft sie gar in das ewige, ewige Feuer! o wehe, wie werdet ihr bestehen, wann euch der göttliche Richter in besagtem Thal am jüngsten Tage wird also anreden: ich hab' diese Seel so theuer erkauft mit meinem Blut, und ihr Eltern habt sie mir wieder durch eure gegebene Aergernuß verloren; ich hab diesen Acker so schön gebaut, und den besten Samen darein geworfen, und du Vater bist der Vogel gewesen, der durch die Aergernuß diesen guten Samen verzehrt; ich hab mir diese Seel für eine Festung erkiesen, und eine edle Stadt Sion darauf gemacht, du Mutter aber hast sie durch deine Aergernuß in ein wüstes Babylon verkehrt;[128] ich hab dieses Gärtl so emsig gar mit Dörnern umzäunt, wie dergleichen auf meinem Haupt zu sehen gewest auf dem Berg Calvariä, und ihr Eltern durch euer Aergernuß habt mir den Zaun wieder niedergerissen und die wilden Schwein darein lassen herum wühlen; ich hab die Seel eures Sohns, die Seel eurer Tochter zu einer Königinn gemacht, ihr aber habt durch euren ärgerlichen Wandel sie zu einer schlechten Sclavinn verworfen! Das Blut eurer Kinder schreit mehr Rach über euch, als über den Cain das Blut seines ermord'ten Bruders! wehe, wehe, wehe euch Eltern!

Nicht umsonst erhebt David seine Stimm zu Gott, und bittet mit vielen untermengten Seufzern: Ab oculis meis munda me Domine, et ab alienis parce servo tuo: »Von den verborgenen Sünden reinige mich, o Herr, und verschon mir deinen Diener wegen der fremden Sünden!« Fremde Sünd seynd, welche durch Aergernuß entsprießen.

Es war einmal ein Trompeter in einer Schlacht auch gefangen, und als sie ihm, gleich andern wollten den Rest geben, protestirt er hierüber, sprechend: man sey in allweg schuldig, ihn zu pardoniren, weil er niemalen einen hätte niedorgemacht; warum wollt und sollt ihr denn mir den Tod anthun? O Sch, war die Antwort, ob du schon keinen aus den Unserigen erlegt, so hast du doch andere durch dein Blasen zum Fechten angefrischt und beherzt gemacht, du mußt sterben!

Eine manche kommt in den Beichtstuhl, und referirt ein ziemliches Register herab; doch nur von[129] kleinen Sünden und geringen Ubertretungen. Unter andern protocollirt sie: wie daß sie ein wenig sey sauber ausgezogen, so etwann ihrem Stand nit geziemte. Aber Lazare veni foras, »heraus besser mit der Sprach.« Ihr seyd, so viel mir bewußt, um 9 Uhr aus den warmen Federn gekrochen, bis um 10 Uhr euch angelegt, bis um 11 Uhr euch gespieglet; um den Kopf allein waren von Gemisch Gemäsch 19 Ellen, daß also derselbe einem weißen Bier-Zeiger zu Kahlheim mehr als einem Menschen-Haupt gleichte; um den Hals hat der Reif gebrennt – allem Ansehen nach muß nit Quatember seyn, weil die Fleisch-Bänk offen stehen – ein seltsamer Zustand, daß auch die Kleider um den Hals können die Schwindsucht bekommen; das Gesicht stehet aus, als wäre es 4 Wochen auf der Wachsbleich gewest, 2 Tag in der Mang, 12 Stund im Firneiß – was wollt der polierte Marmol von Salzburg dagegen seyn; – zwei Gesellen stehen hinter ihr in der Kirche, verdecken die Nasen mit ihren alle Modi Hüten; diese verwundern sich über die philistäischen Felder, daß sie so bloß seyn, legen den Traum aus des Pharaonis Bäcker, welcher den obern Brod-Korb nit zugedeckt, wessenthalben die Vögel darüber kommen. Laß mir dieß eine saubere Andacht seyn wer ist daran schuldig? Diese, diese mit ihrem liederrichen, frechen, leichtfertigen, übermüthigen, schandvollen, unverschamten, boshaften und ärgerlichen Aufzug. Das trifft euch auch, ihr großen Herren, in dero prächtigen Pallast[130] und Häuser der am Kreuz nackende Heiland oft niemalen gesehen wird, wohl aber eines muthwilligen Pinsels unverschamte Bilder, die bei den unbehutsamen Augen mehr Aergernuß als Kunst spendiren! vergeßt demnach im Beichtstuhl, in diesem geheimen Nichterstuhl nit, daß ihr habt Aergernuß geben und böses Exempel, durch welches ihr Anderen zum Bösen Anlaß gegeben!

Ein gutes Exempel aber und auferbaulicher Wandel ist über Alles forderist der großen Fürsten und Herren: dieses ist ein Spiegel der Unterthanen, dieses ist eine Regel der Vasallen, dieses ist eine Richtschnur des Volks, dieß ist ein Sporn zu den Tugenden, dieses ist eine Predigt dem gemeinen Mann, dieses ist ein guldener Wegweiser, dieses ist eine herrliche Zeig-Uhr, dieß ist ein süßer Zwang zu allen löblichen Thaten. Wie der Esau sich als einen Gleitsmann seinem lieben Bruder anerboten, so hat sich dieser dessen höflichist bedankt, und seinen Bruder Esau einen Herrn gescholten: Praecedat Dominus meus, et ego paulatim sequar vestigia ejus: »Mein lieber Herr, sprach er, er wolle nur voran gehen, ich will ihm allgemach nachfolgen.« Also laßt sich verlauten ein Bauer im Dorf, ein Bürger in der Stadt, ein Soldat im Feld, ein Religios im Kloster, ein Kind zu Haus, ein Kavalier zu Hof: Praecedat Ihr Majestät voran, Ihr Gnaden Herr Prälat voran, Ihr Excellenz Herr General voran, Ihr Gestreng Herr[131] Burgermeister voran, Ihr Vest Herr Pfleger voran, Vater und Mutter voran, et ego sequar.

Wie der Pharao, dieser egyptische Monarch, wahrgenommen und augenscheinlich gesehen, daß sich das Meer beederseits zertheilt und also den Israelitern mit trucknen Füssen den Paß vergunnt, so glaubte er, solche Wunder-Strasse sey auch für ihn und die Seinigen; aber Narr großkopfeter, was Gott seinen Freunden erweist, das thut er seinen Feinden nicht: Kraut für dich! Wie er nun samt seinem Volk fast in Mitte des Meers war, da hat sich dasselbe wieder zusammengeschlossen, und also Pharao darinnen müssen einen weichen Tod nehmen, welcher sonsten eines harten Kopfs war, und solchergestalten vom Wasser ins ewige Feuer gerathen. Nachdem nun Moses der Führer mit den Seinigen glücklich durchpassirt, hat er gleichwohl den billigen Dank-Schilling wollen bezahlen, und also mit einheller Stimm ein Deo Gratias intoniret: kaum daß er dieses Lied angefangen, hat ihm alsobald das ganze Volk nachgesungen, und damit solcher Harmonie der Discant nit mangle, haben so gar die kleinen und damals noch unmündigen Kinder überlaut mitgesungen.

So geht es noch auf den heutigen Tag: wie das Oberhaupt singt, also singen die Untergebenen nach, Regis ad exemplum. Ninive war eine Stadt in Assyria, von König Nino erbaut, so groß, daß jemand 3 Tag durchzugehen brauchte, so fest, daß um die ganze Stadt eine Mauer stund hundert Schuh hoch, dermassen breit, daß drei Wägen darauf nebeneinander konnten fahren, so herrlich, daß allein in dem Umkreis dieser Stadt 1500 schöne Thürm zu sehen gewesen.[132] Wie nun gemeiniglich geschieht, daß in großen Städten große Laster anzutreffen, so war solches absonderlich in Ninive zu sehen, weil daselbst fast alle Laster dergestalt überhand genommen, daß bereits alle Gerechtigkeit veracht, alle Ehrbarkeit verlacht, alle Zucht vertrieben, alle Gottesforcht verschrieben, aller Muthwille erstanden, alle Frechheit vorhanden, alle Laster im Gang, und Alles des Teufels Anhang; welches dann den gütigisten Gott dermassen in Harnisch gebracht, und seinen gerechten Zorn also erweckt, daß er dem Propheten Jonas alsobald den Befehl zugeschickt, er soll ganz schleunig und unverzüglich den Ninivitern inner 40 Tagen den Untergang andeuten. Wie nun dieser fremde und neue Prediger auf allen Gassen und Plätzen seine Kanzel aufgeschlagen, und solche neue Zeitung und Ungnad des Himmels aller seits geoffenbaret, da ist geschwind der König Sardanapalus, so daselbst residirte, der allererste, welcher die Buß ergriffen, ein rauhes härenes Kleid angezogen, strenge Fasten angefangen, ganz reuevoll und zerknirscht mit dem mea culpa auf die Brust geschlagen. Kaum daß solches seine Kavalier und Hof-Damas ersehen – ungeacht solche Leut fast heiklicher als ein Biskoten-Teig, und bei ihnen ein Floh-Biß für ein Cilicium gehalten wird – seynd sie dannoch alsobald nachgefolgt, den Taffet und Brokat mit einem groben Sack vertauscht, die Haar mit Asche (ein seltsames Haar-Pulver zu Hof) eingesprengt, und das Miserere weheklagend intonirt. Wie dieses der löbl. Magistrat zu Ninive wahrgenommen, haben sie ganz hurtig die Trapulir-Karten ins Feuer geworfen; der[133] Herr Burgermeister eine gute Disciplin in die Hand genommen, auf dem Rucken, wie Gedeon in seiner Scheuer, gedroschen; der Herr Stadt-Richter fällte unversöhnlich die scharfe Sentenz über seinen eigenen Leib, und mußte solcher mit Wasser und Brod vorlieb nehmen; dergleichen auch die anderen Raths-Herren gethan. Wie alles dieß die gesamte Burgerschaft mit Augen gesehen, so war kein Kauf- noch Handelsmann, der seinen Laden oder Gewölb nit zugesperret; haufenweis zusammen geloffen, ein jeder an seine sündige Brust geschlagen (dem Teufel ist nichts mißfälliger, als solcher Brustfleck), ein jeder auf die Knie nieder gefallen (auf solche Weis' läßt sich die Ungnad Gottes über das Knie abbrechen), ein jeder die Händ gen Himmel gehebt (dieß ist das beste Handwerk), ein jeder sein Haupt mit Asche bedeckt (Gott vergißt des Faschings, worauf ein solcher Aschermittwoch folgt), der geringste Mensch sogar, welches ein großes Wunder, die Kutscher und Stall-Bursch haben sich zur Buß und Frömmigkeit bequemet. Allhier sieht man sonnenklar, was große Wirkung habe das gute Exempel und auferbauliche Wandel eines großen Monarchen: solches zieht, wie die Sonn die Erd-Dämpf, wie der Magnet das Eisen, solches zieht wie der Agatstein den Stroh-Halm; es prediget aber mit den Händen, es ermahnt aber mit dem Werk, es lernet aber mit der That; was Christus gesagt dem Matthäo: Sequere me, »folge mir nach!« was Wenceslaus gesagt zu Prag seinem Hof-Herrn: tritt in meine Fußstapfen! was Abimelech gesagt seinen Soldaten: was ihr sehet, das ich thue, thuet es nach! alles dieses thut das gute Exempel[134] eines großen Herrn, welches nit anderst als eine Mutter, die viel fromme Kinder gebährt, nit auderst als ein Original, nach welchem viel Copei verfertiget werden, nit anderst als eine guldene Kette, so viel Glieder nach sich ziehet. Sobald der Hebdomadarius oder Wochner anfangt zu singen Deus in adjutorium, so folgen gleich alle nach; so bald der Fahntrager voran geht, so folgt die ganze Procession nach; so bald der Schulmeister die Vorschrift macht, so schreiben die Knaben nach; so bald große Fürsten und Herren sich in Tugenden üben, so folgen die Landsassen nach. Wer ein Exempel will wissen, was dergleichen gute Exempel genutzt haben, der thue die Chronik aller Länder sein behutsam durchblättern, so dann wird er finden: wie der h. Stephanus, König in Ungarn, viel herrliche Tempel zu Ehren der Mutter Gottes aufgerecht, und – sich solchergestalten wegen seines marianischen Eifers ein rechtes Mutter-Kind gezeigt, daß die mehresten Ungarn ihm nachfolgten, und mußte sogar Mariä Bildnuß auf dem Geld etwas gelten; er wird finden, wie der h. Wenceslaus, König in Böhmen, eine so große Innbrunst getragen zu dem hochheiligsten Alters-Geheimnuß, daß er sogar seine Würde und Hohheit hintan gesetzt, und das Treid selbst ausgedroschen, aus welchem nachmals dieses himmlische Manna und Brod der Engel gebacken worden, daß man nit ohne sondern Trost gesehen, wie damal bei den Böhmen das heiligste Meß-Opfer in größtem Werth war, und die h. Comunion so communis worden, daß solche fast[135] ein jeder in dem Vater unser für das tägliche Brod verlangt; er wird finden, wie der h. Canutus, König in Dänemark die geweihte Priesterschaft dergestalten ehrete, daß er dieselbe als Vice-Götter aus Erden gehalten: so seynd die Dänemarker also cortes und höflich gegen die Geistlichen worden, daß sie einem jeden Reverendo die grüßte Reverenz machten; er wird finden, wie Eduardus, König in Engelland, neben andern gottseligen Tugenden forderist den h. Joannem Evangelistam also geehret, daß er keine Bitt in dessen Namen abgeschlagen: da seynd die Heeren Engelländer dem h. Joanni dergestalten zugethan worden, daß fast kein Haus ohne Joannes, und kein Joannes ohne Gottes-Haus wurde angetroffen; er wird finden, wie Ludovicus, König in Frankreich, dem h. Meß-Opfer mit grader Andacht und unbeschreiblichem Eifer jederzeit beigewohnt: so ist in Frankreich ganz abkommen, daß man die Vater unser in Hut oder Kappen gehauchet, sondern das ganze Jahr das flectamus genua bei der hl. Meß mit größter Auferbaulichkeit beobachtet worden; er wird finden, wie Sigismundus in Burgund, wie Ferdinandus in Oesterreich, wie Casimirus in Polen, wie Emericus in Ungarn, wie Carolus Bonus in Flandern, wie Ludovicus in Sicilia, wie Maximilianus in Bayern als fromme, heilige und gottselige Fürsten gelebt, und ihren Untergebenen wie die feurige Saul den Egyptiern vorgeleucht, daß auch dero Unterthanen einen frommen und tugendsamen Wandel geführt haben.[136]

Willkomm, ihr Geizigen, ihr seyd halt wie die Bienen, die sammlen Honig, und genießens wenig: »sic vos, non vobis mellificatis, apes,« »ihr thut viel haben, schaben und graben, und eure Erben thun sich darmit laben!«

Gute Nacht, ihr Falschen, ihr seyd just wie die Bienen, die tragen vorn Süß, und hinten Spieß: solche Tisch- und Fisch-Brüder seyd ihr auch, welche gleich den Katzen, die vorn lecken, und hinten kratzen.

Guten Abend, ihr Zornigen, ihr seyd recht wie die Bienen. Wann solche mit ihrem Stachel als subtilem Stilett, einen verletzen, so müssen sie hiervon das Leben lassen: also euch Zornigen die eigne Rachgier zu Schaden ausgeht, und der Stein, so ihr auf Andere werft, euch selbsten auf den Schädel fällt.

Guten Morgen, ihr Herrn Studenten, ihr seyd, oder wenigist sollt ihr seyn wie die Bienen, welche aus den Blumen nur das Honig heraus sutzlen, und nit den schädlichen Saft, »legunt, non laedunt:« also sollt ihr in den Büchern suchen, was da thut lehren, nit was thut verkehren.

Grüß euch Gott, ihr lieben Pfarr-Kinder, ihr sollt sein seyn wie die Bienen, Wann man diesen mit einem messingen Geschirr klopft und leut', so sammlen sie sich zusammen: also wann man euch in die Kirche zum Gottesdienst leutet, so eilt sein schleunig dahin, und kommt nit erst, wann der Pfarrer euch mit dem Ite, Missa est begrüßt.[137]

Servitor, ihr jungen Gesellen, ihr sollt wohl seyn wie die Bienen. Wann diese bei nächtlicher Weil schlafen, so legen sie sich darum auf den Rücken, damit ihr Flügerl nicht von dem Himmel-Thau benetzt, und sie also an ihrer Arbeit verhindert werden: also sollt ihr euch nichts mehr angelegen seyn lassen, als die Arbeit, Fleiß und Emsigkeit; dann nichts ärger schmecket, als die gestunkene Faulheit. Darum heißt es: Adolescens, tibi dico, surge!

Frisch auf, ihr Bedrängte, ihr seyd wie die Bienen, die allemal ein kleines Steinl unter ihrem Flügel tragen, damit sie der Wind nit darvon trage: also hat euch der gerechte Gott dessenthalben einige Beschwernuß auferlegt, damit ihr euch nit sollt übernehmen, noch übermüthig werden.

Wohlan, ihr ins gesamt alle Unterthanen und folgsam große Fürsten und Herren, ihr seyd in aller Wahrheit wie die Bienen: das, was der Binnen-König thut, das thun auch dessen Untergebene; schlaft er, so schlafen die anderen auch, fangt er an zu summen und brummen, so lassen alle eine gleiche Musik hören, fliegt er aus zu der Honig-Fechsung, so bleibt keine zu Haus, ruhet er ein wenig, so machen alle Feierabend; in Summa: wie der König unter den Bienen, also seine Unterthanen. Regis ad emplum etc.

Ihr allerdurchleuchtigisten, gnädigsten, etc. großen[138] Fürsten und Herren, Herren etc., ich getraue es mir schier nit recht zu reden; aber ein wackeres und schönes Frauenzimmer ist hierinfalls kecker, und laßt man ehender eine solche Nachtigall singen, als eine schwarze Amsel – dieses Frauenzimmer und wackere Dama ist die Bethsabea, welche nicht allein den David, ihren Herrn und König, mit diesen Worten angeredt: In te oculi respiciunt totius Israël, »mein David, alle Augen in ganz Israel schauen auf dich,« sondern sie red't noch alle großen Fürsten und Herren an: in te oculi respiciunt totius Regni, totius Provinciae, totius Comitatus etc., »Alle, Alle schauen aus euch, ihr seyd wie die prächtigen Geschlösser und Festungen auf den hohen Bergen.« Der Reisende schaut meistentheils nur diese an, und gar wenig die in der Nieder gelegenen Bauren-Hütten; die Unterthanen schauen, wie ihre Herrschaft, ihre Obrigkeit, ihr Haupt im Land leben thut: wann der Wandel nit schlecht, sondern recht und gerecht, Regis ad exemplum, so sagt solcher reine Spiegel einem jeden Unterthan auch in das Gesicht: putz dich; so sagt solches schöne Vorbild einem jeden Vasall: scham dich; so schreit solcher herrliche Glockenschall einen jeden Landsassen an: halt dich!

Ein gutes Exempel, ihr Geistlichen, euch schreit derenthalben Himmel und Erd, sorderist die h. katholische Kirche zu! Der tyrannische Saul ergreift einst seine scharfe Lanze, und vermeint, dem David durch das Herz zu dringen, hat aber verfehlt; die Herren Geistlichen zeigen sich zuweilen so ernsthaft auf der Kanzel, im Beichtstuhl wider dieses und jenes Laster,[139] aber fehlen gar oft, treffen das Herz nicht, ist nur ein Wasserstreich, ist eine Büchse nur mit Papier geladen, ist eine Blüthe und keine Frucht, seynd Wörter und keine Schwerter, ist nur ein scheinbares Rausch-Gold. Aber wann sie dasjenige in dem Werk selbst zeigen, was sie durch die Lehr vortragen, das trifft das Herz, das gewinnt das Gemüth, das lockt zur Nachfolg, das spieglet den Nächsten, das fruchtet auf Erden, das heilet die Wunden, das zieret die Kirchen, das prediget zum besten, das erweckt den Eifer, das trutzt dem Teufel, das erfreut die Engel, das heiliget den Menschen, das bereicht den Himmel, das riecht und zieht, das lehrt und mehrt, das bringt und zwingt die Menschen zur Nachfolg.

Wie Christus der Herr am Palmtag zu Jerusalem seinen prächtigen Einzug gehalten, und von dem gesamten Volk mit unglaublichem Jubelschall empfangen worden, ist wohl zu merken, was das gute Exempel dazumal für eine Wirkung gehabt. Dann vor dem Thor benannter Stadt hat das häufige Volk den Herrn Jesum ganz begierig erwartet. Wie er nun endlich ankommen, und die Apostel als fromme und eiferige Männer ihre Röck und Mäntel auf die Erd gelegt, damit Christus desto sanfter und mit besserer Bequemlichkeit reite, (o wie oft reit' der Teufel auf den Kleidern!) so hat sich alsobald das Volk an diesen geistlichen Männern gespiegelt, daß sie auch gleich ihre Kleider ausgezogen und solche aus den öffentlichen Weg gebreitet.

O was Nutz und Frucht entsprießt nicht von dem guten Exempel der Geistlichen! Bei der unartigen Welt gehet es schon fast im Schwang, daß man die Geistlichen,[140] noch ursprünglich von den falschen Götzen-Priestern, Pfaffen nennt. Wann solcher Nam endlich nit soll zum Schimpf gereichen, so seys, und laßt sie seyn Pfaffen! Echo: Affen; Affen aber seynd die Weltlichen. Der Affen Eigenschaft und Natur ist nur allbekannt, daß sie nemlich alles und jedes, was sie sehen, nachthun, wie sie dann durch solchen Vorthl gefangen werden. Dann am Ort und Gegend, wo sich dergleichen Thier aufhalten, pflegen die Jäger einige Stiefel, worin ein großes Gewicht von Blei, anzulegen und oben zuzubinden, nachmals wiederum auszuziehen und liegen zu lassen, und sich hierauf in einen dicken Busch zu verbergen. Wann nun die vorwitzigen Affen auch dergleichen nachthun, und also die gewichtigen Stiefel an den Füssen den schnellen Lauf verhindern, werden sie von den wachsamen Jägern ergriffen und gefangen. Wie Affen seynd beschaffen die Weltlichen: was sie von den Geistlichen und gottgeweihter Priesterschaft ersehen, das thun sie nach, und gedunkt solchen Schäflen die Nachfolg nicht schwer, wann der Hirt mit auferbaulichem Wandel vorgeht.

Ein Erz-Vogel ist gewest und üppiger Welt-Mensch jener, welcher sich aufs beste beflissen, nichts Guts zu thun, und hat ihm mehr graust an heiligen Sachen, als den Israeliten an dem Manna oder Himmel-Brod. Als solcher einst bei nächtlicher Weil in dem warmen Federbett pfnauste, und solches Gimpel-Nest thin über alle Massen wohlschmeckte, hört er bei Mitternacht die Patres Dominicaner, von dero Kirchen seine Wohnung unfern entlegen, an einem Samstag ganz andächtig die Mette singen, Gott und[141] seine wertheste Mutter loben und preisen, welches ihm dermassen das Gemüth gerieglet, das Herz eingenommen, in Erwägung daß diese guten Religiosen den Schlaf brechen und mit Psaliren und Singen die Zeit verbringen, daß er frühe Morgens in der Eil bei der Kloster-Porte angeleut', mit schnellen Füssen zum Pater Prior begehrt, und eifrigist um den h. Habit angehalten, worin er auch nachmalens viel Jahr mit großem Ruhm der Heiligkeit zugebracht. Was nicht das gute Exempel der Geistlichen wirket!

Petrus und Joannes eileten zu dem Grab Christi des Herrn. Weilen aber Joannes noch frischer zu Fuß war, ist er dem Peter vorgeloffen; aber weiß nit aus was Ursachen, aus Forcht oder Ehrerbietsamkeit, in das Grab nit hinein gingen, bis endlich Petrus auch daher kommen und in das h. Grab auch hinein getreten, worauf auch ohne weitern Verzug der Joannes nachgefolgt, ohne Zweifel bewegt durch das Exempel Petri. Was nit das gute Exempel wirkt!

Alphonsus, ein frischer Jüngling, mehr übermüthig, als demüthig, mehr verdächtig, als andächtig, mehr unerzogen, als einzogen, sah einmal, daß sowohl die alten als jungen Mönich in ihrem Oratorio oder Bethaus auf die bloßen Rücken mit scharfen Disciplinen und Geißelstreichen verfahren, hierdurch das Leiden Christi in Betrachtung zu ziehen, und den unbändigen Leib besser im Zaum zu halten. Das hat den sowohl verwelten als verwild'ten Menschen dergestalten[142] auferbaut, daß er inständig in denselben Orden verlangt; worin er in solche Vollkommenheit kommen, daß er nachgehends als Bischof zu Oßnabruck erwählt worden, und selbiger Kirche mit sonderer Heiligkeit vorgestanden.

Petrus hat einst die ganze Nacht gefischt, und doch nichts gefangen, nihil; obenher nichts, untenher nichts, rechter Hand nichts, linker Hand nichts, in der Mitte nichts, nihil. Her, mein Fisch! Es gibt sonst nur dreierlei Fisch: große, kleine, mittelmäßige; aber Petrus fangte keinen aus diesen, es war ihm das Meer gleich einer Fleisch-Suppe, als einer Fisch-Brühe, und hat er also das Netz umsonst zerrissen.

Weit glückseliger seynd dießfalls manche Religiosen und geistliche Ordens-Leut, welche unterschiedliche wackere, adeliche Welt-Menschen fischen, wessenthalben schon bei der Gemein das gemeine Reden gehet: hör Bruder, weißt was? diese und diese Patres haben den und den gefischt! beim Element, da werden sie einen guten Rogen ziehen! wer hat sich das eingebildet, daß er sollt ein solcher werden! Dieser frische Gesell ist in die Gesellschaft Jesu eingetreten, dieser Kapitän ist ein Kapuziner worden, dieser An-Vogel ist ein Augustiner worden, dieser Wenigfromm ist ein Benedictiner worden, dieser Kartenmischer ist ein Karthäuser worden, dieser freie Dominantius ist ein Dominikaner worden etc., wie müssen sie ihn doch gefischt haben? Wollt ihr wissen wie? Sie haben ihm zugeschrieben,[143] und doch keine Feder angerührt; sie haben ihn hierzu ermahnt, und doch kein Maul aufgethan; sie haben ihn dessenthalben angesprochen, und doch kein Wort verloren; sie haben ihn völlig eingenommen, und doch keiner mit ihm gehandlet; sie haben ihn gefischt ohne Netz und Angel; sondern einig und alleinig mit ihrem guten Exempel, mit züchtigen Gebehrden auf der Gasse, mit ihrem sittsamen Aufzug in dem Habit, mit ihrer geistlichen und auferbaulichen Ansprach; in Summa: Ein frommer und englischer Wandel der Geistlichen ist mehrmal ein h. Kuppler, eine guldene Angel, ein lobwürdiger Lock-Vogel, ein scharfer Wetzstein, ein spitziger Sporn, ein ziehender Magnet, ein wohlriechender Wecker, ein anreizender Trompetenschall, ein emsiger Werber zu allem Guten.

Nachdem die Hebräer 40 ganzer Jahr durch die Wüste passirt, seynd sie endlich zu dem Fluß Jordan kommen. Weil aber daselbst weder Schiff zum Ueberfahren, weder Brucken zum Uebergehen vorbanden, und gleichwohl der Befehl Gottes war, durch zu passiren, also schauert ihnen derenthalben die Haut nit wenig. Dann als sie schon noch in reifer Gedächtnuß hatten den wunderlichen Durchmarsch ihrer Vor-Eltern durch das rothe Meer, so zwackte und nagte und klagte nit wenig ihr Gewissens-Wurm, daß sie mehrmal den Allerhöchsten beleidiget, und also nit in geringer Forcht stunden, sie möchten das Bad austrinken, wie Pharao mit seinen Egyptiern, und also im Jordan einen schlechten Gesund-Trunk Bescheid gethan; wessenthalben ein jeder fast einen Brustfleck von Hasen-Balg getragen, und sich sein ansdrücklich[144] vor dem Nassen geforchten; dann nit ein jeder schwimmen kann, forderist der ein schweres Gewissen hat. Schupfte demnach ein jeder die Achsel, und war bei den Kleinen eine große, und bei den Großen keine kleine Forcht. Sobald sie aber gesehen haben, daß die Priester mit der Arche des Herrn voran marschiren, ist das Volk ohne weitere Beschwernuß nachgefolgt; dann die Werk weit kräftiger bewegen, als die Wort.

Ihr Hochwürdigen und Ehrwürdigen, Titul Herren Geistliche, es hat der h. Petrus jenen armen, krummen Bettler bei der Porte des Tempels zu Jerusalem wunderthätig kurirt, daß er auf frischen Füssen gestanden und nach Belieben fortgangen, der vorhero mit seiner hölzeruen Assistenz hart fortkommen. Aber wie ist dieser gesund worden? Es ist wohl zu merken, daß er nit allein mit Worten diesen zum Auferstehen hat angefrischt, benanntlich: In dem Namen Jesu stehe auf! sondern er hat ihn auch bei der Hand genommen; und das ist Recht. Wann die Geistlichen wollen einen Nutzen schaffen bei der Gemein, so muß die Zung nicht allein seyn, sondern die Hand vor eine Gespannschaft haben: die Wort seynd unkräftig, wo die Werk nit darbei; es ist nit genug, daß die Geistlichen predigen, man soll Almosen geben, derenthalben habe Gott und die Natur die Finger der menschlichen Hand von einander zertheilt, damit gleichwohl was möge durchfallen; sondern es ist auch[145] vonnöthen, solches im Werk selbsten zu zeigen, und das Dono über das Amo conjugiren. Es steht sonsten gar ungereimt, wann bei Bischöfen, Dom-Herren, Dechanten, Pfarr-Herren, Vicarien etc. mehr Stein als Gibs im Haus. Es ist nicht genug, daß die Herren Patres auf der Kanzel schreien und so ernstlich mit Worten verfahren wider das Laster der Trunkenheit, wie daß solches die Historie des Königs Nabuchodonosor öfters wiederhole und einen Menschen in ein Vieh verwandle; sondern es ist auch vonnöthen, selbst einen nüchternen und auferbaulichen Wandel zu führen, und aus dem Bibo ein Verbum deponens zu machen; dann wie schändlich steht es, wann ein Religios beschaffen, wie die Krüg zu Cana in Galliläa auf der Hochzeit, impleverunt eas usque ad summum. Es ist nit genug, daß die Geistlichen das Laster der Unzucht dergestalten verdammen, als sey dasselbige gar ein gewisses Anzeichen bei einem, daß er am jüngsten Tag unter die Böck logirt werde, sondern es ist vonnöthen, daß eine geheiligte Priesterschaft auch beschaffen sey, wie die Prozession mit Christo dem Herrn auf dem Calvari-Berg: Erant autem ibi mulieres multae a longe: »Es waren daselbst viel Weiber von weitem.« Es ist nit genug, daß die Geistlichen mit Worten und Federn[146] das Laster des Zorns stark verweisen und sagen, daß zwar die Gall des Fisches dem alten Tobiä ersprießlich gewest, aber die Gall eines manchen Stockfisches den göttlichen Augen höchst mißfalle; sondern es ist auch vonnöthen, daß sie ein saubers Exempel von dem unsaubern Misthaufen des geduldigen Job zeigen; dann Dult und Meß die besten Jahrmärkt bei der Priesterschaft, und steht gar nit wohl, daß ein Priester soll Pres bitter und herb seyn. Es ist nit genug, daß die Geistlichen den Leuten vorstreichen die schöne Tugend der Demuth, als sey der tiefe Baß ein angenehmerer Gesang bei Gott, als der hohe Discant; sondern es ist vonnöthen, daß wir den Herrn Jesum nachfolgen, welcher in der Höhe des Kreuzes uns die Niedrigkeit gelehrt, da er das Haupt von dem prächtigen Königs-Titul abgeneigt; dann es scheint gar unformlich, wann wir armen Geistlichen auf Stroh liegen, und gleichwohl Federn tragen. Es ist nicht genug, daß wir mit häufigen Historien und Geschichten betheuren die abscheuliche Gotteslästerung und schändliche Gewohnheit zu fluchen, als wären die Menschen-Zungen weit ärger als die Zungen der Hund, welche des armen Lazari Geschwür geleckt, diese aber damit Gott und seine heiligen Sakramente beleidigen; sondern es ist auch vonnöthen, daß ein Geistlicher in keiner[147] Begebenheit ein Fluch-Wort hören lasse; dann es stehet gar schlecht, wann ein Geistlicher, der Gottes Stell vertritt, soll wider Gott reden.

Ihr wißt gar wohl, meine Geistlichen, daß Gott der Herr am Samstag in der Welt-Erschaffung einen Feierabend gemachet habe; dann weil er das Gesatz gestellt, man soll den Sabbath heiligen und nit arbeiten, also hat er solches selbst im Werk gezeigt, damit man ihm nit möge nachsagen, er lehre etwas und halt es selbsten nit.

Mein Heiland Jesus ist auf die Welt kommen, damit er für uns sündige Adams-Kinder nach dem Befehl seines himmlischen Vaters möge sterben; und gleichwohl, als er in seiner unmündigen Kindheit von Herode zum Tod gesucht worden, hat er sich in die Flucht geben, der Ursachen halber: er wollt' uns Menschen unterschiedliche Satzungen vorschreiben, und so er dazumal wäre gestorben, hätt er solche im Werk selbsten nit können vollziehen; dann was er gelehrt, wollt' er auch thun, coepit facere et docere. Er hat gelehrt, man soll Vater und Mutter in Ehren haben: das hat er selbst gethan, erat subditus illis, »da er in die dreißig Jahr seinen liebsten Eltern unterthänig war.« Er hat gelehrt, man soll mit dem Nächsten ein Mitleiden tragen und ihm in der Noth beispringen: coepit facere et docere, das hat er selbst gethan, als er sich über das Volk in der Wüste erbarmet, und deroselben viel Tausend gespeist. Er hat gelehrt, daß wir sollen demüthtg seyn; dieß hat er selbst gethan,[148] wie er dann solche Haupt-Tugend bei den Füssen der Apostel sehen lassen, da er diese gewaschen. Er hat gelehrt, wie daß wir unsern Feinden sollen verzeihen, und das hat er selbst gethan, als er auf dem Kreuz für seine Feind gebeten und dero Unthat bei seinem himmlischen Vater entschuldiget. In Summa: was er gelehrt, das hat er selbst im Werk erwiesen, uns gesammten Geistlichen zu einem Unterricht, daß, was wir dem weltlichen Stand vorsagen, fein selbsten in der That und auferbaulichem Wandel zeigen sollen!

Ein gutes Exempel, ihr Eltern und Haus-Herren, sonst setz ich euch aus einen alten Esel, da könnt ihr hinreiten, wohin ihr wollt! Dieser war ein gemeiner Stad-Esel zu Athen, also schreibet Olianus. Weil er aber sehr alt und abgematt, also war er befreit und privilegirt vor aller Arbeit. Nun hat es sich begeben, als die Herren Athenienser zur selben Zeit einen sehr stattlichen Tempel für die Vestalen im Gebäu hatten, und hierzu sehr viel Esel und Maulthier die Stein mußten beitragen, daß besagter alte Lang-Ohr von freien Stucken und vor sich selbst, ohne Antrieb eines einigen Menschen, obschon unbeladen, den jungen Eseln stets vorgangen, und gleichsam ihnen ein gutes Exempel geben zur Arbeit, welches dem löblichen Magistrat zu Athen dergestalten wohlgefallen und[149] sie dahin veranlaßt, daß sie durch öffentlichen Trompetenschall haben in der ganzen Stadt lassen ausblasen, man solle gedachten Esel allenthalben unbeleidiget, frei und loß lassen gehen, und von dem gemeinen Magazin ihm als einen wohlmeritirten Esel gebührigen und genugsamen Unterhalt beigeschaft werden; auch wo und wie selbiger etwann bei begebender Gelegenheit an einem oder, andern Ort möchte über Heu und Haber gerathen, solle bei starker Straf aus keine Weis' ihm dieß geweigert, sondern vielmehr allerseits ihm als eine Freitafel gestattet werden. Datum Athen durch gesamten Rathschluß.

Wie ist es euch ums Herz, ihr Eltern, Haus-Herren, Obrigkeit? Hat ein vernunftloser alter Esel darvor gehalten, es gezieme in allweg ihm, daß er andern jungen arkadischen Bürschlen mit einem guten Exempel vorgehe, wie viel mehr soll und thut es euch obliegen, daß ihr euren Kindern, euren Haus-Genossen, euren Untergebenen mit einem auferbaulichen Wandel sollet vorleuchten; dann ein gutes Exempel bei euch, von euch, an euch, aus euch kann so viel auswirken, als die Ruthe Mosis und Aarons, wormit so große Wunderding geschehen.

Zwei sonders große Wunder-Merk hat Christus der Herr zu Cana in dem galliläischen Land gewirkt: das erste war, als er zu Ehren des Braut-Volks und der anwesenden Gäst das Wasser in Wein verkehrt; das andere, wie er des Königls von Kapharnaum[150] halb todten Sohn mit jedermanus Berwunderung frisch und gesund gemacht, welches diesen König oder vielmehr königlichen Gubernator, dergestalten bewegt, daß er alsbald an Christum Jesum geglaubt, er sey wahrer Gott und Mensch, und der recht versprochene Messias. Aber höret Wunder: credidit ipse, et domus ejus tota, er ist nit allein ein eifriger Christ worden, sondern sein ganzes Haus, auch seine Frau Gemahlinn, auch seine junge Herren und Fräulen auch der Hofmeister und Kammer-Diener, auch Lacket und Pagen, auch alle Kammer-Menscher, domus tota, Stuben-Menscher, Kuchel-Menscher, mit einem Wort, alle und jede haben den Glauben Christi höchst eiserigst angenommen, bewegt durch das gute Exempel des Herrn Vaters etc. Was nit ein gutes Exempel der Eltern und Haus-Herren für eine Wirkung hat!

Samuel durch das gute Exempel seiner Eltern, Susanna durch den guten Wandel ihrer Eltern, Isaak durch das auferbauliche Leben Vaters und der Mutter, Clara durch das h. Beispiel ihrer Mutter Hortulana, Nikolaus Tolentinus durch den tugendsamen Vorgang seiner Mutter Amata, Ludovicus durch den Sitten-Spiegel seiner Mutter Blanca seynd hoch, herrlich, heilig, himmlisch worden.

Wer bist du? fragten einmal die hoch-ansehnlichen Priester und Leviten Joannem in der Wüste – dein Wandel hat etwas Fremdes und Ungewöhnliches an sich, deine Heiligkeit kann auch zwischen den Bergen sich nicht verbergen, Felsen und Steinklippen geben dich vor einen Edelgestein aus, unsere Burger[151] verlassen die Stadt, die Bauren laufen von ihren Hütten, und eilen alle zu dir in die Wüste: also möchten unsere Edelleut, forderist große Fürsten und Herren, gern eine glaubwürdige Nachricht einnehmen, wer du seyest; dann sie des starken Vorhabens seyn, deine Person besser zu respektiren – tu quis es? bist du der wahre, und uns längst verheißene Messias? Ich bins nicht. Bist du Elias? Auch nicht. Bist du ein Prophet? Wohl nit. Mein, di gratia, wir bitten dich höflichist, damit wir denen, die uns daher gesandt, mögen ein Contento geben, sag an, wer bist du? Ego vox, ich bin eine Stimm', sagt dieser wunderthätige Buß-Prediger. Eine Stimm? Joannes war ja ein Sohn Zachariä geboren in Judäa? was dann, ein Mensch? Glaub wohl. Von Haut und Bein? Frag eine Weil'. Wie kann er dann eine Stimm seyn? Geht ihr nach Haus, meine Herren Priester, und sein bald, zwar ihr seyd nicht weit her, und sagt fein zu Jerusalem und anderwärts, daß Joannes eine lautere Stimm sey; dann Alles all ihm prediget: seine mit Thränen stets quellenden, und gen Himmel erhobenen Augen seynd eine Stimm, welche prediget die Andacht, sein magers und entfärbtes Angesicht ist eine Stimm, welche prediget die Ehrbarkeit; seine harten und bereits verpommerten Knie-Scheiben seynd eine Stimm, welche prediget das Gebet; seine bloßen Füß seynd eine Stimm, welche prediget die Armuth: seine[152] rauhe Kameel-Haut ist eine Stimm, welche prediget die Verachtung aller Wohllüste; sein ganzer Wandel ist eine Stimm, welche prediget die Pönitenz und Buß.

Auf solche Gattung müssen alle Vorsteher, absonderlich die Eltern beschaffen seyn, daß all dero ganzer Wandel, Thun und Lassen eine Stimm ist, welche zur Tugend anfrischet: wann sie solchergestalten werden Vocales seyn, ist kein Zweifel, daß nit die Kinder werden Consonantes abgeben. Es muß ein Vater nit allein mit Worten seine Kinder zu gehöriger Zucht und Andacht anleiten, sondern wohl in Acht nehmen, daß sein ganzes Leben mit der Lehr übereinstimme, auf daß er also eine lautere Stimm sey, die den Kindern prediget.

Bei dem Evangelisten Marco geschieht Meldung von einem armen, blinden Menschen, welchem der Herr Jesus das Gesicht wieder erstattet; aber es ist wohl zu merken die Manier oder Weis solcher angewendten Kur, indem der Herr aus seine Augen nit allein einen reinen Speichel geworfen, sondern auch zugleich die Händ aufgelegt, daß also Mund und Händ dem armen Tropfen geholfen. Es ist also nicht genug, meine Eltern, daß ihr euren Kindern viel Gutes und Lehrreiches vorsagt, sondern ihr müßt auch die Händ brauchen, es selbst im Werk erzeigen, was ihr mit dem Mund thut unterweisen!

Es ist eine gewest, welche stets daher gangen mit untergeschlagenen Augen; und gar recht, dann[153] wann man dergestalten die Balken für die Augen zieht, so kann der Schau- er nit so bald schaden. Sie hat an allen Welt-Possen und Welt-Bissen den größten Abscheu getragen, und ob der geringsten ungereimten Red eine wohlgereimte Schamröthe gezeigt; und gar recht, dann alle heiligen Feiertäg im Kalender roth geschrieben seynd. Sie war ganz ehrbar in den Kleidern, und forderist wohl um den Hals bedeckt; und gar recht, dann solche Nackenden bekleiden, ist ein größers gutes Werk, als die Fremden beherbergen. Sie hat sich ganz behutsam von aller Gesellschaft weggeschrauft; und gar recht, dann weit darvon ist gut vor dem Schuß des muthwilligen Buben Cupido. Sie ist mit gewöhnlichem Eifer stets in die Kirche und Gotteshäuser geloffen; und gar recht, dann bei Tempeln mehr als bei Tölpeln zu gewinnen. Sie hat alle Copulation und Kuppulation beständig geweigert; und gar recht, dann Chori-Schwestern doch mehr gelten, als Thori-Schwestern. Endlich weiß ich nicht, durch was Wind dieses Licht erloschen, durch was Hitz dieses Gras zu Heu worden, durch was Gewalt dieß Gebäu zu Boden gefallen; endlich ist dieser Fisch abgestanden, dieses Brod geschimmelt, dieser Wein zu Essig worden, und in ihrem guten Vorhaben also wankelmüthig worden, daß anstatt der Arche Gottes der philistäsiche Dagon den Tempel ihres Herzens betreten, und folgsam nach nichts anderst getracht, als nach dem Heirathen; wie sie dann bald einen Liebsten bekommen, welcher mit allen schönen Worten und guldenen Versprechungen sie stets bedient. Weil sie aber mit der Zeit verargwohnte, als wären es nur leere[154] Wort, also hat sie ihm durch eine bekannte Person ein verpetschirtes Schächterl zugeschickt, welches er mit sonderm Affekt empfangen und alsobald eröffnet. Indem er aber darinnen eine lebendige Grille und weiter nichts, gefunden, konnt er sich wegen der Grille nit genug Mucken machen, und zog solches bald in gute, bald in eine üble Auslegung, wußt auch gar nit daraus zu kommen, woran er wäre, bis er endlich solches seinem vertrautesten Kammeraden entdeckt, und dessenthalben seinen bekannten Witz und reifen Rathschlag angesucht, welcher ihm dann unverweilt die Antwort geben: Mein Bruder, sprach er, diese Grille sagt dir viel, dieses schwarze Sommer-Vögerle singt und klingt stets in grünen Wiesen und Wasen; aber sein Hall und Schall kommt nicht von dem subtilen Schnäberl, sondern von dem Zusammenkleschen der Flügerl, »carmen evibrat ab alis;« also, mein lieber Bruder, diese Jungfrau will halt dir zu verstehen geben, du sollst das Maul nicht allein brauchen und viel versprechen, sondern im Werk selbst es erzeigen, und sie freien.

Das ist ein Lehrstuck für die Eltern. Gut ist es, wann der Vater dem Sohn das Trinken und Spielen widerrathet, crapulam und trapulam für Laster ausgibt; aber, Vater, das Maul nie allein »carimen evibrat ab alis;« zeig du solches auch an dir. Gut ist es, wann der Vater dem Sohn das Faullenzen und Umschlenzen verbiet, musas und musäa ihm[155] lobt; aber, Vater, das Maul nit allein, carmen evibrat ab alis: zeig du hierin fast im Werk auch nicht das Widerspiel! Gut ist es, wann die Mutter der Tochter das Löfflen verbiet', und den Kochlöffel einräth', »socum non procum;« aber, Mutter, das Maul nit allein, carmen evibrat ab alis: thut ihr fein auch nit das Widerspiel!

Ein Epicurus muß dem Zenocrati nit die Keuschheit loben, ein Midas muß dem Diogeni nit die Armuth rathen, ein Heliogabalus muß einem Antonio in der Wüste nicht von der Gesparsamkeit predigen, ein Nero muß einem Herodi nicht die Sanstmuth lehren: also müßt ihr Eltern eueren Kinder nit einrathen, was ihr selbst nicht thut, sondern ihr müßt selbst einen frommen und unsträfilchen Wandel führen, wann ihr wollet, daß euere Kinder sollen in der Forche Gottes leben!

Gelt Joseph, es hat dir getraumt, Sonn und Mond, sogar auch die Stern thun dich anbeten? Ja freilich, sagt er. Mich wundert aber dessen so stark nicht wegen der Stern; dann wie Sonn und Mond[156] sich gezeigt, haben die Stern nicht anders können thun also wann Vater und Mutter eifrig beten, dem hl. Gottesdienst öfters beiwohnen, der heiligsten Sakramente sich theilhaftig machen, so werden die Kinder deßgleichen thun. Vado piscari Joan. 21 – »ich gehe jetzt eine Weil fischen,« sagt Petrus: vadimus et nos tecum, sagen die anderen Jünger, »so gehen wir auch mit dir.« Wann Obrigkeit und Eltern mit Gutem vorgehen, so folgen die Untergebenen gern nach.

Ihr Edelleut – hätt' euch bei einem Haar bald vergessen, da ihr doch große Parocca tragt – euch vor allem steht wohl an, mit einem guten Exempel dem gemeinen Menschen vorzuleuchten, und wo das nit ist, so seyd ihr nit adelich!

Von Adam her ist keiner besser als der andere; dann wir alle insgesamt von Leim zusammengepappt, und schreiben uns alle von einem Stammen-Haus: Mutter halber seynd wir insgemein verbrüdert und verschwestert, und kuß ich den Tag etlichmal meine Mutter die Erde, Vater halber seynd auch große Monarchen meine Brüder, dann alle thun beten: Vater unser, der du bist im Himmel. Dahero zu wissen, daß die höchsten Stämme von geringen Stauden aufgewachsen, und der große Donaustrom von einem schlechten Ursprung. Große Potentaten, wann sie den ersten ihres Hauses wollen suchen, so wird sich ein gemeiner Mensch anmelden, und seynd von Hacken und Pflug die Scepter kommen. Als Adam ackerte und Eva spann, wer war dann damal ein Edelmann? Niemand, sondern derselbige, welcher herrliche Tugenden[157] und vor andern heroische Thaten erwiesen hat, ist adelich genennt worden; woraus dann sonnenklar erhellet, daß die Tugenden einen adlen. Wessenthalben der Kaiser Maximilianus einem schlechten Menschen, niedrigen Herkommens und seines Handwerks ein Lederer, doch aber bei guten Mitteln, gar schön geantwortet, als solcher verlangte ein Edelmann zu werden: Ditare te possum, nobilitare non, nisi te propria virtus nobilitet: »Reich, sagt der Kaiser, kann ich dich wohl machen, mein Kerl, aber adelich nicht, dasern dich deine eignen Tugenden nicht adlen!« Carolus der fünfte, römischer Kaiser, dieser weltberühmte Monarch, dieser österreichische Hercules, dieser deutsche Hannibal, dieser christliche Alexander pstegte zum öftern seinen Kavalieren, die sich von gutem Geblüt berühmet, zu sagen: sanguis rusticorum aeque rubet, »der Bauren ihr Blut ist auch roth,« und oft Gesundheit halber schöner, als der Edel Leut; bestehe also der Adel in den Tugenden, und nit in dem Geblüt.

Die sauberen Hebräer, damit sie Christo allen guten Nachklang und Namen bei den Leuten möchten stutzen und mindern, haben Schimpfweis' von ihm ausgesagt, warum man ihn doch mag so hoch achten, sey er doch nur eines Zimmermanns Sohn: »nonne hic est Filius fabri?« Ihr neidhaften und unverschamten Gesellen, wer seyd dann ihr? seyd dann ihr hoch- und wohlgeboren? Was? – antworten diese hebräischen Pfauen-Gemüther – wir stammen her von unserem Vater Abraham! Wann dem also, sagt mein Jesus, opera Abrahae facite, »thut fein die Werk Abrahams,« folgt euerem Vater nach; wo nit, so ist euer vornehmes Herkommen nit einen[158] Heller werth; ihr seyd keine Illustrissimi, sondern Absurdissimi.

Ich kam auf der Reis' einmal ungefähr in ein schönes und wohlerbautes Geschloß, und ließ mich durch die Bedienten, welches mit höflichster Bitt geschehen, ansagen, wie ich dann auch die Gnad gehabt vorzukommen. Bevor aber, als man zur Tafel gangen, führte mich dieser Edelmann in den obern Saal, welcher sehr prächtig und kostbar anzusehen war, forderist wegen der schönen Gemälde und alten Contraseien seines Stammhauses. Da, Pater, sagt er, und deut' mit dem Finger auf ein altes und vom Rauch verdunkletes Bild, woraus ein alter graubarteter Tättl entworfen mit einem dicken und weitgebauschten Kres, kurzen Haaren und zerschnittenem Wammes etc. Pater schaut, dieser war der erste aus unserem Haus, der hat sich so ritterlich gehalten bei Papia, daß man ihm nach Gott die völlige Victori zugemessen, wessenthalben er so stattlich nobilitirt worden. Dieser war mein Anherr, der wegen seines großen Verstandes und vornehmen Qualitäten mehrmal ein Gesandter worden bei großen Höfen etc. Dieser, wie der Pater siehet, hat sich so tapfer gehalten, daß er General worden, und hat er nicht wenig Türken-Schöpf barbiret. Schau der Pater, wer ich bin? Weil ich wußte, daß dieser von gar geringen Talenten und Gaben, und anbei noch einen poltronischen Wandel führt, auch das obere[159] Zimmer bei ihm gar schlecht ausspallirt, und im mittern Stock nur Hasenbalg zu finden; also gedacht ich bei mir selbst, da er prahlte mit diesen Worten, Pater schaut, wer ich bin! gedacht ich: du bist ein Narr! Gered't hab ich es nit, wohl aber gedacht, du bist nicht gescheid, wann du zu deinem Lob fremde Glorie nimmst. Was hilft es dich, wann dein Vater zwei Augen gehabt, du aber bist blind? was hilft es dich, wann deine Mutter gerad gangen, du aber hinkest? was hilft es dich, wann deine Vor-Eltern herrlich und ehrlich seynd gewest, du aber nit? Wann du von den Eltern das Leben hast, und nit das löbliche, so bist du nit adelich, sondern du bist wie jener von Gott vermaledeite Feigenbaum, welcher mit vielen Blättern geprangt, aber mit keiner Frucht; du bist wie der unbesonnenen Israeliten geschmelzter Gott; dann diese das beste und feineste Gold hergespendirt, damit daraus soll ein Gott werden, und siehe, exivit vitulus, »da ist ein Kalb heraus kommen!« Was Nutz und Glorie ist es, wann deine Eltern guldene Leut seynd gewest, du aber ein Kalb worden oder gar ein Ochsen-Kopf? – Die h. Schrift, das göttliche Wort thut über alle Massen schmählen über den großen, groben, greulichen Lümmel den Nabal, was er für ein Haupt-Vogel, und gar ein Foli anten-Trämmel gewest sey. Gleichwohl war er von einem guten Haus, und von dem Stamm des so sehr berühmten Kavaliers[160] Caleb, welcher aus sechsmal hundert tausend Menschen allein mit dem Josue in das gelobte Land kommen: Hat also dem Nabal, diesem feindseligen Büffels-Kops nichts geholfen, daß er von gutem Geblüt sich geschrieben, weil er seiner Vor-Eltern adelichen Tugenden nit auch hat nachgefolgt.

Ein solcher Edelmann, der seiner Vor-Eltern adeliche Tugenden nit auch samt dem Blut erbet, kommt mir vor wie jener Prahler, der in allweg die gemeinen Leut für verworfene Kanallien gehalten, und nur sein Haus dem babylonischen Thurm gleich geschätzt. Dieser nahm auf eine Zeit eine Nuß samt der grünen Hülse und unzeitigen Ueberhüll, sagte also: Gebet Acht, wie ich euch die drei Ständ, den Bauern-Stand, den Burger-Stand, und den Adel-Stand so artlich werde entwerfen. Erstlich diese grüne Hülse bedeut' den im Bauernstand, diese Hülse muß man herab schälen: also müssen die Bauern auch geschunden werden; die andere harte Schale bedeutet den Bürger-Stand, diese Schale ist hart, wessenthalben sie muß aufgebissen oder aufgeschlagen werden: also die Burger haben harte Köpf, derentwegen mit ihnen nit subtil zu verfahren ist; der süße Kern a Her bedeut' den Edel-Stand, und beißt zugleich die Nuß auf, findet aber wenig Kern, wohl aber einen Wurm, welcher ihm in das Maul perorirt. Pfui Teufel, sagt er, und speit ihn wieder aus. – Pfui, pfui, und abermal pfui, und hundertmal pfui! sag ich auch zu einem[161] solchen Edelmann, der ein Kern soll seyn von schönen Tugenden, von herrlichen Thaten, von adelichen Sitten, und ist darneben nur ein Wurm, der da nagen und plagen thut seine Unterthanen.

Mein lieber Prahl-Hans, ich mag dich nit nennen Illustrissime, dann es ist nit wahr, hör', was dir ein alter Paulus Minutius unter die Nase reibet: Parùm illustris est, qui praeter imagines et cognomen nil habet nobilitatis.

Eine Frau, welcher die Natur eine Stief-Mutter abgeben, indem sie ein übelgestaltes und gar ungeschaffenes Gesicht bekommen, ein Fell ganz braunauerisch, eine Nase so lang, daß man sie könnte Athanasia nennen, schieklet in den Augen, daß sie zum besten für eine verlorne Schildwacht taugte, dann sie auf zwei Seiten zugleich konnte ausschauen, über und über getüpfelt in dem Angesicht, welches ja gar eine schlechte Miniatur-Arbeit, groß im Maul, daß sie fast in der Gefahr stehet, es möcht ihr der Kopf einmal zum Maul heraus fallen, bucklet aus dem Rücken, daß ihr also der Hochmuth von hintenher gewachsen. Diese von der Natur, jedoch durch sondere Verhängnuß Gottes, ziemlich beschimpfte Frau prangt und prahlt über alle Massen, was ihre Frau Mutter für eine schöne Dama sey gewest, Helena und Zenobia hätten sich müssen vor ihr verbergen, der[162] Schnee selbst sey im Zweifel gestanden, ob er sie an der zarten Farb übertreffe, ja wann die schöne Aurora oder Morgenröth wär mit Tod abgangen, so hätt ihre Frau Mutter die Expectanz gehabt. O Bruta, ei du garstiges Larven-Gesicht, deck dich zu! glaubst du dann, deine Ungestalt sey geringer, weil deine Frau Mutter so schön war, dero Maden-Sack bereits den Würmen zu einem Tummel-Platz worden! Obschon deine Frau Mutter eine schöne Helena, so bist du gleichwohl eine garstige Holl! etc. Pfui!

Nicht eine geringere Thorheit ist es auch bei manchem, welcher einen tadelhaften, und mit vielen Lastern bekothigten Wandel führt, in allem Wust herum wühlt, und dannoch beinebens mit aufgeblasenen Backen das Gloria singt seines adelichen Herkommens, welches ihm doch mehr Schamröthe soll austreiben, und wär kein Wunder, es thäten die an der Wand hangenden Contrefei seiner adelichen Vor-Eltern und Annaten mit lauter Stimm wehmüthig klagen und bedauren, daß auf ihrem Stamm-Baum ein solcher wurmstichiger Apfel, daß in ihrem Stamm-Haus ein solcher zermoderter Trämm, daß in ihrem Geblüt eine solche ungesunde Ader entsprossen. Was helfen einem solchen die Glorie und Ruhm seines Vaters, welche in ihm schon erloschen? Der Cham ist gleichwohl als ein Bösewicht und nichtswehrtiger Gesell gehalten[163] worden, ob schon sein Vater der Noe der alleredleste Mann war: so geschieht auch mehrmalen, daß ein Baum aus einem königlichen Forst und Wald abgehauen, gleichwohl zu einem Hackstock wird, und also wegen seines Herkommens wenig Preis darvon tragt. Das ist wahr und bleibt wahr: nobilitas morum plùs ornat, quàm genitorum; »wer edel thut, der ist edles Blut.« Nobiliter vivens et agens haec nobilis est gens; »das heißt recht adelich gelebt, wo man nach Ehr und Tugend strebt.« Hat also gar ungereimt jene Dama zu Baaden in Oesterreich einmal geredt, daß sie lieber wollt in der Höll bei einem Edelmann sitzen, als bei einem Bauern in dem Himmel. Als ich solches einem Bauern erzählte, wurde er hierüber nit unbillig erzürnet, und sagte endlich: er sey sauberer als ein Edelmann; dann wann er die Nase schneuze, so werfe er den Unflath hinweg, die Edel-Leut aber fassen ihn in ein Tüchel und schieben ihn in Sack.

Gebühret demnach vor allen andern denen Hoch-und Wohl- gebornen, denen Wohl- edel- gebornen, daß sie der Gemein mit einem guten Wandel vorleuchten, mit adelichen Tugenden geziert seyn, den Glanz nit verdunklen, welchen sie von ihren Vor-Eltern ererbt, ihrem adelichen Helm nit einen Schimpf anfügen, den preisvollen Namen ihres Hauses nit verschimpfen, sondern mit einem Wort adelich leben, das ist, tugendsam. Mit dergleichen seynd ganze Bücher angefüllt, ganze Chroniken beschrieben, ganze Schriften verfaßt; und zählt man in dem römischen Brevier allein über die 100 Heiligen, von denen das Officium gebet[164] wird, welche alle vornehme Edel-Leut waren, und von großen Häusern und gutem Herkommen: Nobiles, id est noscibiles per virtutem.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 3, S. 98-165.
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