Judas Iscarioth, nach vieler heiliger Lehrer Aussag', war Anfangs ein frommer, gottesförchtiger Apostel; nachmalens aber ist er ein gewissenloser Bösewicht worden, weilen er sich zu allerlei Lumpen-Gesind gesellet hat, etc.

[363] Nachdem Judas von Christo dem Heiland zu apostolischer Hohheit erhoben, hat er sich allweg fromm und eifrig verhalten, also zwar, daß ihn nach kurzer Zelt der Herr zum Prokurator des apostolischen Collegii[363] erkiesen, weilen man an ihm eine besondere Fähigkeit gespüret; dann er wußte gar wohl auf freundliche Manier mit allen Leuten zu handlen und zu wandlen, auch manglete nicht an ihm die Erfahrenheit und die Wissenschaft, alle Sachen um einen billigen Preis beizukaufen. Dahero die anderen Apostel wegen evangelischer Armuth noch Heller noch Pfenning bei sich hatten, sondern die ganze Kasse führete dieser wohlerfahrene Pagator: also, daß, wann einer aus diesen heiligen Theologis von gutherzigen Leuten ein Allmosen im Geld oder im Gelds-Werth empfangen, mußte er solches wegen des abgeschmachen und kühlen Meum et Tuum der Gemein' übergeben, welches nachmals Judas in den Empfang genommen und mit demselben die nothwendigen Lebensmittel dem hl. Kollegio beigeschafft. Dahero er mit unterschiedlichen Leuten beschäftiget worden; nemlich mit Einkaufern, mit Vorkäuflern, mit Kuchlpfleger, mit Zeckertrager, mit Nudelköch[364] und mit Sudlköch, mit Mehlmesser und Treidmesser, mit Kostherren, mit Grießlern, Wirthen, mit Kamerlocanten, Markadentern, mit Kräutel-Weibern und Frätschlerinnen, mit Markt-Richtern und Krebsen-Richtern, absonderlich mit denselben Gesellen, welche nachgehends der Herr Jesus als schlimme Schelme aus dem Tempel gepeitscht, war Judas sehr bekannt; welche Bekanntschaft den Eifer des Iscarioths nach und nach merklich geschwächt, also, daß er nachgehends unter dem Schein die apostolische Küchel zu proviantiren, gedachte saubere Kammeraden öfters besuchet, auch etwann bei diesen nassen Bursch bisweilen eins Bescheid gethan und dero partiterischen Gespräch und Fatzreden ein längers Gehör geben. Es ist auch wohl zu vermuthen, daß einer oder der andere sich verlauten lassen, wann er anstatt des Judä ein solcher Kammer-Zahlmeister wäre und von solcher Scharsche kein Raithung dürfte ablegen, wollt er seiner selbst nicht vergessen, sondern öfters den Ablativum an[365] die Hand nehmen, ein hübsch Geldl beiseits legen; – wer weiß, wie es noch mit diesem Zimmermanns-Sohn Jesu einen Ausgang nimmt etc.! Sey ihm, wie ihm wolle, dieser erleuchte, heilige und gottesfürchtige Apostel ist verführt worden durch diese liederliche Gesellschaft, welches neben andern gar schön bezeugt der gelehrte Franziskus Labata: Ea, quae ab avaris hominibus desumpsit, ita praevaluerunt, ut ex sancto Dei Apostolo Fur et Proditor Divinae Majestatis evaserit reus: potius lucrari a mercatoribus didicerat, quam paupertatem a discipulis suis.

O was häufiges Uebel und manigfaltiger Seelen-Verlust ist nit schon von böser Gesellschaft und böser Gelegenheit entsprungen! Der große Patriarch Abraham hat allgemach betracht', daß sein Sohn der Isaak schon erwachsen, in Ehr' und Lehr' wohl erzogen, und also mangle ihm nichts als ein Weib. Zu solchem Ziel und End' schickt er seinen Hausverwalter oder Hofmeister aus, den Eliezer, daß er solle und wolle seinem jungen Herrn eine Braut aussuchen, aber nur keine Kananäerinn nit! ja so gar mußte Eliezer dem Abraham schwören und eidlich versprechen, daß er kein Fräule aus dem Land Kanaan wolle mit[366] sich bringen. Ich kann allhier nicht anderst, als mit einem Warum dich großen Abraham ich kleiner Abraham befragen. Warum keine Kananäerinn? Etwann gibts in demselben Land lauter gronerische, greinerische Hader-Katzen, welche den ganzen Tag einen moscowitischen Trippel singen? Dann drei Ding seynd einem Haus überlegen: ein Rauch, ein böses Weib, und ein Regen. Warum denn keine Kananäerinn? vielleicht trägt derselbe Boden lauter wilde Tramplen, welche da Gesichter haben, wie eine Algeier-Leinwath so nur auf einer Seite gebleicht? Warum keine Kananäerinn? etwann haben sie schlechte Hüttl, Kittl, Mittl, und schreiben sich die mehriste von Bethlehem im Palästina, und nicht von Reichenau bei Costnitz? Warum keine Kananäerinn? vielleicht seynd sie nit adelich? dann Raaben-Federn und Pfauen-Federn gesellen sich nit recht wohl zusammen. Warum keine Kananäerinn? Mein lieber Eliezer, sagt Abraham, schwör' du mir bei dem lebendigen Gott, daß du mir nur keine Braut aus dem kananäischen Frauenzimmer nach Haus führest! Warum aber? Was gilts, es heißt in demselben Land: gemach mit der Braut, damit die Jungfrau nit in Graben fällt? Darum, darum keine Kananäerinn. Dann Abraham gedachte also:[367]

Mein Sohn der Isaak ist ein frommer Mensch, ein feiner Mensch, ein gottsfürchtiger Mensch; die Innwohner aber in dem Land Kanaan seynd lauter Götzen-Anbeter. Dafern nun mein Sohn ein solches Land-Fräule sollte heirathen, würde er mit der Zeit sammt ihr abgöttisch werden. Nur keine Kananäerinn! dann wann sich mein Sohn mit einer solchen sollte vermählen und Kinder mit ihr erzeugen, die Kinder aber gehen mehrestentheils mit der Mutter um, und die Mutter mit den Kindern, sintemalen der Mann zu dem Hof schaut, die Mutter zu dem Höfen, und folgsam ist sie allzeit bei den Kindern. Dafern nun die Kinder stets werden sehen, daß ihre kananäische Mutter die Götzen-Bilder anbetet, so werden sie es ungezweiflet nachthun; dann gemeiniglich, mit wem er umgehet, dessen Sitten nimmt er an. Die Heuschrecken seynd alle grün, alle in grüner Livree, weilen sie immerzu im Gras und bei dem Gras seynd; die Laubfrösch tragen alle grüne Hosen und Wammes an, und seynd unterschieden von ihren Stiefbrüdern, so in den Lacken loschiren, aus Ursachen, weilen sie stets bei grünem Laub und Blättern hängen und wohnen. Also pflegt gemeiniglich der Mensch die Untugenden anzuziehen deren,[368] mit welchen er Bekanntschaft und Freundschaft führet.

Den Schauer schauen die Bauren nicht gern, um weilen solcher Riesel-Regen den Treid-Aeckern sehr großen Schaden zufüget, und werden gemeiniglich die Bauren blutarm, wann sie solchergestalten steinreich werden. Anno 1392 hat es in Deutschland an unterschiedlichen Orten einen häufigen Schauer geworfen in der Größe der Gäns-Eier. Anno 1441 ist in Deutschland ein so großer Schauer gefallen, daß ein Stein auf ein halb Pfund gewogen; und solches ist geschehen an dem Tag unser lieben Frauen Heimsuchung. Anno 1395 hat es gegen Schweden einen wunderlichen Schauer geworfen, indem die Steine ganz natürliche Männer- und Weiber-Gesichter vorstellten. Kranzius I. 9. c. 3. Anno 1240 ist unter anderen zu Cremona in dem Kloster des heil. Gabriel ein Schauer gefallen mit einem Kreuz, worauf das Angesicht Christi sammt dem Namen Jesus Nazarenus. Wie man mit dem Wasser dieses zergangenen Schauers das Gesicht eines Blinden bestrichen, hat er alsobalden klar gesehen. Vincent. Histor. lib. 30. c. 138. Ich will dermalen anderer wunderseltsamen Schauer- und Riesel-Wurf geschweigen; sondern allein fragen den Ursprung des Schauers. Dieser wird folgender Gestalten: Erstlich, bei warmer Zeit pflegt die Sonn' die hitzigen Erdendämpf' von der Erden in die Höhe zu ziehen, welche Dämpf' dergestalten hitzig, daß sie zuweilen gar in[369] Feuer verwandlet werden. Wann nun diese warme Dämpf' also empor steigen und in die andere Region der Luft, welche ganz kalt ist, kommen, so werden solche, die bevor ganz warm, auch kalt und gestocken wie kleine ungeformte Kügelein zusammen, welche nachmals mit großem Getös' herunter praßlen, und verursachen im Treid ein Leid, unter den Bäumer ein Jammer, und nehmen den lieben Reben das Leben. Ei Schauer, du bist ein schlimmer Lauer, bist kurz vorhero ein warmer Dampf, ja gar ein hitziger Erd-Dunst gewest, und anjetzo bist du schon worden ein so kühler Tropf, daß du auch ohne Paßauer-Zettel gefroren bist. Ja, ja, wann der Schauer reden kunnte, so würde er sagen: freilich war ich zuvor ein warmer Dampf; wie ich aber in die andere Region der Luft bin kommen, welche von Natur sehr kalt ist, da seynd mir die warmen Geister ausgeflogen und bin halt mit kalten kalt worden. So gehts, mit wem einer umgehet, dessen Sitten zieht er an: daß mancher eifriger und frommer Jüngling aus einem Ernest ein Diebsnest[370] wird, aus einem Edmund ein Immund, aus einem Engelbert ein Teufelswerth, aus einem Nikomedes ein Ganimedes, ja aus einem Lambert ein Wolf. Wundere dich dessen nicht! die schlimme Gesellschaft hat ihm das Kleid der Unschuld ausgezogen, die bösen Kammeraden haben ihm ihre Untugenden angehängt. Es ist ihm begegnet, wie dem Schauer: er war zuvor auch ganz innbrünstig und eifrig; weilen er aber sich zu solchen kühlen und abgeschmacken Tropfen hat gesellet, so ist er sammt ihnen in der Liebe Gottes erkaltet. Nimm' dessen ein Exempel an Petro!

Petrus war ein Haupt der Apostel und forderist ein Haupt-Freund Christi; dann die Noth ist der beste Probstein, welcher die guten Freund kann von dem Leonischen unterscheiden. Petrus hat sich gar wegen Christum in die Gefahr begeben: denn, als ein ganzes Geschwader der jüdischen Lottersknechten und eine häufige Anzahl der hebräischen Scherganten mit Gablen und Säblen Christum den Herrn angefallen, ihn[371] zu fangen, hat Petrus allein vom Leder gezuckt und zwischen die Ohren gehauet. Da hat sich der tapfere Apostel in äußerste Gefahr begeben; dann, sofern dieses zusammengerottete Lumpen-Gesind mit Spießen und mit Stangen sich dem Petro widersetzt hätten, wäre unfehlbar ein Has' so vieler bissigen Hunden zu einem Raub worden. Dieß Haupt-Stuck verdient ein Haupt-Lob von dem apostolischen Haupt Petro, indem er also seinen Jesum geliebet hat auch mit augenscheinlicher Gefahr des Lebens. Wer soll sich einbilden, daß eine solche schöne brennende Fackel soll erlöschen? wer soll meinen, daß ein solcher guter Fuhrmann soll umwerfen? wer soll gedenken, daß ein solcher scharfer Degen eine Scharte soll bekommen? wer soll glauben, daß ein solcher schöner Baum soll erdorren? wer soll vermuthen, daß ein solcher guter Wein soll zu Essig werden? wer soll förchten, daß ein solches stattliches Holz soll wurmstichig werden? Ist dannoch geschehen, daß Petrus seinen Herrn, für den er zuvor Gut und Blut hätt' gespendirt, meineidig und spöttlich hat verläugnet. Um Gottes Willen, wie ist es geschehen, daß eine solche starke, wohlgegründete Saulen ist gefallen? Fragst du wie? und wo? so antworte ich dir: hie und dort in der bösen Gesellschaft. Petrus befand sich zu Hof bei dem Feuer; beim Feuer machte er einen Feierabend seiner Treu; beim Feuer thät er in der Lieb erkalten: bei angezündten Prüglen thät er mit seiner Heiligkeit scheitern. Dann bei demselben Kamin war ein liederlicher Bursch, allerlei Lakei mit grober und grauen Liverei: einer hat ein himmelblaues Kleid an und ein teuflisches Gwissen, ein[372] anderer war roth in dem Rock, aber nit schamroth in dem Gesicht; dieser tragte eine grüne Liverei und hatte doch wenig Hoffnung zum Himmel; jener ging ganz braun daher, und machte es in vielen Unthaten gar zu braun. Es waren auch allda Soldaten, Aufwärter, Schreiber, Nachtreter, Anhalter, Reitknecht', Paschen, ja allerlei Tabaktrinker, Zotenkramer, Speivögel, Spottvögel, Zeitungtrager, Aufschneider etc.; mit einem Wort liederliche Bursch, und mitten unter ihnen war Petrus. Was Wunder dann, daß er bei'n Schlimmen ist schlimm worden! Ulula cum lupis, cum quibus esse cupis Es werden dießfalls nit alle Lakei gescholten, sondern nur diejenigen, welche von der Lacken den Namen schöpfen, verstehe diejenigen, die da kothige Sitten haben und den nächsten Kammeraden leichtlich besudlen und anschmieren! Matth. 26. Dergleichen waren die herodischen, pilatischen, annischen, kayphischen, rabinischen Diener, Fackeltrager, Pumphosentrager, Kothdrescher, Kompliment-Boten, Tellerlecker und synagogische Meßnerbuben, unter welchen Schelmen-Gsind Petrus gestanden, und leider gefallen. Ingressus intro, sedebat cum Ministris.

O verwelkt eine so schöne Blum', die Christus selbsten gepflanzet, durch böse Gesellschaft! wie viel weniger sollen wir trauen, die wir weit entfernt seynd von der Vollkommenheit eines Apostels! weit minder an der Gnad', als ein Apostel, indem wir die mehresten[373] schon geneigt seyn zu dem Bösen, wie ein dürres Haberstroh zum Brennen, wie ein Zundel zum Fangen, wie eine zeitige Birn zum Fallen! Ist gefallen eine so starke Saul durch böse Gesellschaft, wie soll ich, du und er trauen, die wir nur schwache Röhr seyn? ist erloschen eine solche schöne Fackel – wie sollen wir, ihr und sie bestehen in schlimmer Compagni, so nur geringe Wachslichtl? Merkt es forderist, ihr Eltern, daß ihr euere Kinder nicht leichtlich zu gottlosen Buben gesellet, in Erwägung, daß gar wahr ist, was das gemeine Sprichwort sagt:


Böse Gesellen schicken oft manchen in die Höllen


Der evangelische Maler Lucas am 15. Cap. registrirt von dem verdorbenen Sohn, wie daß selbiger einen wunderseltsamen Appetit gehabt zu einer gewissen Speis'. Aber rath', zu was für einen Schleckerbißl! Vielleicht hat ihn gelüst nach einem bayerischen Gogelhopf? oder hat er sich Mucken gemacht wegen eines bayerischen Wespen-Nest? Nein. Etwann haben ihm die Zähn' gewässert nach steyrischen Kapaunen? Nein. Etwann hätt' er gern gessen ein schwäbisches[374] Baurenküchel, oder ein geschmalzenes Habermuß? Nein. Was gilts, er hätt' gern westphälischen Schunken gehabt? Nein. Etwann ist ihm eine Lust ankommen wegen pommerischen Knackwürst? Auch nicht, sondern er verlangt seinen Bauch zu füllen mit Trebern und Kleien der Schwein. Pfui! was ist das für ein seltsamer Appetit! Cupiebat implere ventrem de siliquis, quas porci manducabant: Das ist mir ein rechter Sau-Magen! Wo kommts aber her, daß dieser Lümmel sich also in das Sau-Konfekt verliebet hat? Ei so friß! Dahero: frag' nicht lang! mit was für Gesellen und Kammeradschaft eines umgehet, dero Sitten zieht er an. Dieser saubere junge Herr mußte aus Noth Sau hüten; und weilen er stets mit solchen gerüßleten Spieß- oder Speis-Gesellen umgangen, hat er auch einen solchen Sau-Magen geerbt. Difficile est enim eum incorruptum permanere, qui corrupto sociatur, sagen die Canones Cap. Quisquis 23. Mit Unzüchtigen lernet[375] man auch galanisiren, hätt' bald gesagt, geilanisiren; mit Saufern wird man ein Schlemmer, hätt' bald gesagt ein Schlimmer; mit Dieben lernet man auch im Stehlen sein Heil, hätt' bald gesagt ein Seil suchen. Dann der mit Pech umgehet, der schmeckt, der mit Schwammen umgehet, der stinkt, der mit Küchlen umgehet, der schmerglet, der mit Essig umgehet, der säuerlet, der mit Einheizen umgehet, der brändlet, der mit Geißen umgehet, der böcklet, der mit Säuen umgehet, der schweinlet, der mit Tobak umgehet, der rauchlet, der mit Schelmen umgehet, der schelmlet etc.

Ein Vermessener ist wie ein Messer; dann gleichwie ein Messer wetzt das andere Messer, also macht ein Vermessener den anderen vermessen. Ein böser Gespann ist wie ein Span; dann gleichwie ein brennender Span auch den nächsten anzündt, also ein lasterhafter Gespan auch den nächsten zum Verderben bringt. Ein schlimmer Kammerad ist wie ein Kammrad in der Mühl': wann dieß übel gehet, so gehen die anderen Räder deßgleichen; also ein schlimmer Kammerad macht den nächsten auch schlimm.

Der hl. Esdras beweinte auf eine Zeit sehr bitterlich die Unthat der Juden, welche nach so wunderbarlicher Erlösung von der babylonischen Dienstbarkeit mit den Heiden haben Freundschaft gemacht, unangesehen,[376] angesehen, daß sie dem wahren Gott in Israel ganz guldene Berge und möglichste Besserung versprochen. Unter anderen bedauerte der hl. Esdras sehr hoch, daß die Juden mit azotischen, amonitischen und moabitischen Töchtern sich verheirathet und dero Kinder nachmals halb azotisch geredet haben. Filii eorum ex media parte loquebantur azoticè. Esdr. cap. 13. Gedenke einer, wie der Hebräer ihre Kinder, welche vorhero die hl. Sprach kunnten reden, so bald haben gelernet azot isch reden, weilen sie mit azotischen Leuten umgangen. Dießfalls dörfen wir gar nit das Buch Esdrä durchblättern, sondern wir haben selbsten täglich dergleichen Beyspiele und Exempel, daß wackere und fromme Jüngling', welche in aller Tugend als gehorsame Kinder auferzogen werden, und niemalens keine ungereimte Red', sondern lauter züchtige und auferbäuliche Gespräch' von ihnen gehöret werden, – die öftere Erfahrenheit, sprich ich, gibt's, daß dergleichen Jüngling' durch schlimme Gesellschaft, worinnen man stets azoticè redet – will sagen, zottige, grobe Zoten, unzüchtige Zoten, wilde Zoten – auch solche Sau-Sprach' lernen, und nicht viel anderst, als ein Wiedhopf den Schnabel immerzu im Koth und Unflath wetzen.

Eine vornehme Dame hatte eine abgerichte Alster (sey es ein' Geschicht oder ein Gedicht), welche sehr lächerlich schwätzen konnte, und gar viel Sachen[377] dieser deutsche Papperl nachbloderte. Unter anderen Bedienten befand sich auch eine Kammer-Jungfrau Namens Midl, welcher die Frau Gräfinn immerzu in Einsiedung der süßen Sachen und Einmachung der schleckerischen Confekt-Schalen zur Ersparung des Zuckers zuredte diese Wort': Midl nit zu viel, Midl nit zu viel! Der Alster, als einem gelernigen Vogel, war diese Lektion gar nicht zu schwer, sondern faßte solche dergestalten in die Gedächtnuß, daß sie zum öftern der Kammer-Jungfrau dieses Liedl vorgesungen, und weilen die Jungfrau mehrmalen mit Löffel-Kraut unter der Hausthür gehandlet, also hat sie dieser gefiederte Spion allezeit verrathen, sie mit großem Geschrei abgemahnet: Midl nit zu viel, Midl nit zu viel! Solches hat die Jungfrauen also verschmäht, daß sie nachmals den Vogel aus Zorn mitten in den Koth geworfen. Die arme Gättl wicklet sich bestermassen aus dem Unflat; sieht aber, daß auf ihrer Seite auch ein großes Mastschwein in diesem Wust sich wälzet, redet demnach diesen besudleten Kammeraden also an: Weilen es dir so schlecht geht, wie mir, so hast vermuthlich gewiß auch die Midl verrathen. – Dieser letztere Zusatz scheint ein wahrhaftes Gedicht, jedoch nit ohne Lehr, dessen Applikation ich dem günstigen Leser überlasse. – Gleichwohl bleibe wahr, daß die Alstern, Staaren,[378] Raben, Papperln die Reden lernen, welche sie zum öftesten anhören.

Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit den Menschen, deren leider gar zu viel sind, welche das Maul stets im porcellanischen Geschirr haben, will sagen, immer zu garstige Reden führen, unflätige Späß' vortragen, mit stinkendem Aaß auf Raben-Art ihre Zeit vertreiben, denen alleweil das Maul stinkt von solchem Venus-Koth, und deren Sprach ärger musst, als jenes Mistbettl, auf dem Jod gesessen. – Solche Sprach' aber lernet man nit von sich selbsten, sondern von dem unsaubern Lottergesind, dem sich einer zugesellt.

Wie der hl. Mann Moses auf dem Berg mit Gott geredet, unterdessen seynd die muthwilligen Israeliten da gewest, und haben ein guldenes Kalb für ihren Gott angebetet, solches aber hat billig der hl. Mann zu Aschen verbrennt und in das vorbei rinnende Wasser geworfen. – Gedenke jemand, was geschehen: das Wasser wollte von freien Stucken die vermaledeite Asche nicht annehmen, sondern hat sie mit großem Unwillen wieder aufs Gestad' heraus geworfen. Ich glaube, derentwegen habe das Wasser an dieser guldenen Asche ein Grausen gehabt, denn es gedachte also: Ich bin von dem Allerhöchsten so sehr gewürdiget worden, daß in Erschaffung aller Geschöpf der Geist Gottes ober meiner schwebte und mich zu einem Thron erkiesen:[379] – »Spiritus Dei ferebantur super aquas« – und jetzt soll auf mir eine solche abscheuliche Asche seyn von einem teuflischen Götzenbild? Pfui! sagt das Wasser, und speit die Asche wiederum aus.

Jetzt rede ich dich, Welt-Kind, an, dich Possenreißer, dich Zoten-Kramer, dich Sau-Meßner etc., dich rede ich an, und zeig' dir das Element des Wassers, daß es dich schamroth mache. Weilen dieses schon einmal gewest ist ein Thron Gottes, so will es auf keine Weis' die abgöttische Asche tragen. Und du weißt, daß deine Zung' fast alle Monat, wenigst alle heiligen Täge ein Thron ist deines Erlösers Jesu Christi in der Kommunion, und auf deine Zung kommt der wahre, unter der Gestalt des Brod's verhüllte Gott. Gleichwohl schämest du dich nit, auf dieselbige Zung' zu nehmen unflätige, zuchtlose, schandvolle Wörter und unverschämte Reden. Pfui! und solche lernet man am mehresten bei gottloser Gesellschaft. Ihr Eltern seyd dießfalls im Gewissen höchst verbunden, euere Kinder von dergleichen gottlosen, ehrlosen, tugendlosen Gesellschaften abzuhalten!

Wann diejenigen, so über die Medicos freventliche Wort' ausgießen, dem Hasen so gleich wären als dem Narren, so hätten sie die Hund' schon längst aufgerieben. Närrische Leut' seyn solche, die alle Schuld dem Doctor zumessen. Non est in Medico, semper relevetur ut aeger. Wann[380] die Doctores könnten alle Krankheiten wenden auf Erden, wie theuer würde mit der Zeit das Brod werden! Unverständig hat derjenige Kranke geredet, als ihm ein Medicus eingerathen wurde, thäte er hierüber den Kopf schütteln, und als man dessen Ursach fragte, sagte er, er habe noch keine Lust zu sterben. Es giebt wohl zu Zeiten einen schlechten Doctor, über den kein Patient thut klagen; denn er stopft ihnen allen das Maul zu mit der Erden. Aus dem aber folget nicht, daß man alle Medicos solle schimpfen; denn eine Schwalbe macht keinen Sommer, und ein Kramer macht keinen Jahrmarkt. Ich meinestheils verehre die Herren Medicos, weilen es Gott selbsten also gebietet. Honora medicum propter necessitatem, etenim illum creavit altissimus. Aus welchem hl. Text ein Nasenwitziger behaupten wollen, daß man einen Arznei Doctor nicht Ihr Excellenz, sondern Ihr Necessität soll nennen. Verehren thue ich die Herren Medicos wegen ihrer Scienz und Wissenschaft, kraft deren, so sie so manches W von dem sterblichen Krüppel und menschlichen Leib abwenden. Aber ich frage euch Herren Medicos, welche Krankheit die gefährlichste seye? Ich meines Theils halt' das Seiten-Wehe für den schlimmsten Zustand; verstehe aber lauter Seelenkrankheiten. Adam, nachdem er[381] das schädliche Obst gegessen, hat ein gefährliches Fieber bekommen, weßwegen er also gezittert vor dem Angesicht Gottes, daß er endlich mußte einen Schaf-Pelz anlegen. David hat eine hitzige Krankheit bekommen, wie er so unbehutsame Augen geworfen in die Bersabeam. Nabuchodonosor hat eine gefährliche Geschwulst gehabt, wie er sich also aufblähet, daß er für einen Gott wollte verehret werden. Zachäus hatte die Gelbsucht (besser geredt, die Geldsucht), bis ihm der Herr Jesus Ader gelassen und das Reddo herausgezogen. Petrus hat die Mundfäule gehabt, indem er so grau und grob geläugnet. Alle diese Zuständ' seynd gefährlich, absonderlich das Seiten-Wehe, verstehe hierdurch böse Gesellen auf der Seiten; diese seynd eine schädliche Krankheit, welches selbst der Claravallensische Abt bestätiget, als er zu dem Pabst Eugenium wegen seiner übelen Rathsherren geschrieben. Nè te dixeris sanum dolentem latera: »Derselbe darf sich nit für gesund ausgeben, welcher einen gottlosen Kameraden auf der Seite hat,« denn er hat das gefährliche Seiten-Wehe.

Der einen Dieb auf der Seiten hat, von dem wird er auch erlernen die Verba aufferendi; der einen Unzüchtigen auf der Seite hat, von dem wird er lernen, mehr auf Leib-Farb zu halten, als auf die[382] Schamröthe; der einen Lügner auf der Seite hat, von dem wird er auch lernen fliegen ohne F.; der einen Säufer auf der Seite hat, von dem wird er auch lernen den Feuchtium aus der Bibliothek zu holen; der einen Spieler auf der Seiten hat, von dem wird er auch lernen mit dem Eichel-Ober eine Sau aufzuheben; der einen Flucher auf der Seite hat, von dem wird er auch lernen zu den sieben Sakramenten etliche Nulla 0 0 0 0 0 0 hinzuzusetzen; der einen Hoffärtigen auf der Seite hat, von dem wird er auch lernen den Alt singen; der ein Sch auf der Seite hat, von dem wird er auch lernen ein doppelter Sch. Sch. werden. Cum perverso perverteris.

Unter andern Speisen, welche die Herren Medici verwerfen als dem Menschen schädliche Bissel, seynd auch die Schwämme, die sonst Gebühr halber anderst tituliret werden. Dieselben seynd sehr ungesund, und wann sie zum besten zugericht, alsdann soll mans zum Fenster hinauswerfen, massen die mehrsten vergift seyn; und seynd die Schwämme nichts anderst, als ein Aussatz der Erden. Gleichwie mancher Kratzius mit seinen Krätzen nit viel prangen darf, also thut die Erde mit dergleichen Mißgewächs nit viel stolziren. Anjetzo entsteht die Frag, ob gedachte Schwämme von Natur vergiftigt seyn, oder anderwärts das Gift erben? Diese Frag' beantwortet Dioscorides und Mitridates, daß dieses faule Gewächs nit sey von Natur vergift, sondern es bekomme[383] das Gift von einem rostigen Eisen, verfaulten Fetzen, oder Ottern-Nest, so nit weit darvon ist. Von solchen schlimmen Nachbaurn bekommt der Schwamm sein Gift. Was ist der Mensch anderst, als ein Gewächs der Erden? allermassen dieses niederträchtige Element sein Stamm-Haus, und kein Prahl-Haus sich einer andern Mutter berühmen kann. Gleichwie nun der Schwamm nit giftig von Natur, sondern das Gift zieht von einem benachbarten rostigen Eisen etc., also zieht auch der gebrechliche Mensch die Bosheit an sich dessen und deren, so er auf seiner Seite hat. Dahero ein räudiges Schaf die andern alle ansteckt, ein wenig Sauerteig die ganze Masse sauer macht, ein fauler Apfel alle andern, so darneben liegen, faul macht, ein fallender Stein vom Berg viel mit sich zieht; also ein Boshafter viel andere zur Bosheit locket.

Die Hebräer waren solche Bösewichte, daß sie neben andern Schimpfreden und Spott-Tituln unsern liebsten Heiland auch einen Ketzer genennt, einen Samaritanen; dann diese Leut' waren bei den Juden für Ketzer gehalten. Aus was Ursachen aber seynd diese Gesellen so vermessen gewest, daß sie Christum den Herrn so spöttlich genennt haben? Aus keiner andern Ursach, als dieser: Sie haben wahrgenommen, daß Christus zwei Tag' sich in Samarien aufgehalten, mehrestentheils wegen des samaritanischen Weibs, auch anderer großer Sünder, und also haben sie geschlossen, daß Christus eben ein solcher sey, mit welchen er umgehe. O ihr Galgen-Zeiserl! Christus ist kommen[384] zu suchen, was verloren war. Bei puren Menschen ist es wohl wahr, daß man einen gemeiniglich erkenne ans der Gesellschaft.

Gesellschaft und Gelegenheit seynd einander verwandt und gleichsam zwei Zwilling, wie Jacob und Esau.

Es hat einmal einer gedicht', daß auf einem vornehmen Jahrmarkt der Teufel auch seine Hütte habe aufgeschlagen, nichts aber anderst gehabt als Häut', deren er eine Menge gleichsam reißender Weis' verkauft. Wessentwegen einen Poeten der Fürwitz angespornt, zu sehen, was doch ein jedweder für Häut' einkaufe, einkrame. Indem er also fortgeht, begegnet ihm ein altes Mütterl mit geschimmelter Paroke, eine rare Antiquität, mit einem hölzernen Handpferd, wormit es denen schwachen Füssen eine Beihilf leistete. Diese tragte etliche Häut' unter den Armen, und so viel er konnte abnehmen, war es lauter Karg-häut'. Bald nach diesem sieht er kommen zwei junge Herren, welche in ihrem Gespräch zuweilen ein lateinisch Wort darunter einmischten, woraus er sicher glaubte, daß sie gestudirte Gesellen wären; die hatten gleichfalls ziemlich viel Häut' einkauft, und so viel er konnte erkennen, so waren's lauter Frey-häut'. Unweit von diesen sahe er einen, der ziemlich roth um die Nasen, als wäre sein Gesicht von preußischem Leder geschnitten; solcher haspelte gar seltsam mit den[385] Füssen, und konnte man leicht wissen aus dem krummen Gang, daß er gerad' aus dem Wirthshaus komme. Der hat ebenfalls etliche Häut' eingekauft, und zwar ziemlich viel, waren aber keine andern, als lauter Voll-häut'. Kaum als dieser aus den Augen kommen, so vermerkt er, daß mit zugespitzten Schuhen, wie die Starnitzel, eine Jungfrau daher treten, welche aufgeputzt war wie der Palm-Esel 8 Tag vor Ostern; dieser gab er einen höflichen guten Morgen mit dem Beisatz, warum doch sie so eifrig nach Hause eile? und bekam die Antwort: Ihre gnädige Frau werde bald ausstehen, deßwegen sie zum Dienst eile (es war dazumalen schon eine Viertel-Stund über 10 Uhr). Diese hat sehr viel Häut' vom Markt tragen, und waren nichts als Stolz-häut'. Andere tragen andere Häut': Ein Fuhrmann oder ein Kutscher war daselbst, der hat Grob-häut, ein Soldat hatte Frech-häut, ein Bettler hatte Träg-häut. In Summa: Allerlei Häut haben die Leut vom Teufel eingekauft. Der gute Poet wollte auch wissen, bei was für Häut der Teufel den größten Gewinn habe. Ist endlich unter die Wahrheit kommen, daß der Satan sein bestes Interesse an der Gelegen-häut habe.

Obschon dieses Gedicht übel geschlicht', so ist doch wahr gewesen und wird auch wahr bleiben, daß die Gelegenheit sehr viel Menschen zur Sund' und folgsam zum Teufel und Verderben bringt.

Wie der gerechte Gott der sündigen Welt mit der scharfen Lauge des Sündfluß wollte den Kopf[386] zwacken, hat er dem frommen Noe die Arch oder das große Schiff zu zimmern anbefohlen. Nachdem solches verfertiget und alle schwimmenden, schwebenden, gehenden, kriechenden Thier in dieses hülzerne Losament einquartirt worden, so hat sich alsobald der Himmel mit schwarzem Gewülk überzogen, welches sich gleich in einen häufigen Platzregen ausgegossen, worvon der ganze Erdboden überschwemmt. Nach etlicher Zeit wollte der alte Tättl der Noe wissen und in rechte Erfahrnuß bringen, ob allgemach solche Wassersucht die Schwindsucht bekomme. Schickt zu solchem Ziel und End einen Raben aus der Arche mit dem Befehl, er solle die Avisa einholen, ob der Sundfluß sich in etwas mindere oder nicht. Dieser Galgenvogel aber ungeacht' des scharfen Befehls ist nit mehr in die Archen zurückkommen, und also mit seinem Ungehorsam dem ganzen Raben-Geschlecht einen Schandfleck angehängt, welches vorhero ziemlich schwarz war. Fragst du aber, wohin dieser schwarze Kurier sey kommen? so wisse, daß er elend verdorben; und solches Unglück hat ihm die Gelegenheit verursacht. Dann in dem Ausflug hatte er gar ein gutes Vorhaben: in allem und jedem sich züchtig zu verhalten, den Augenschein emsig einzunehmen, hiemit dem sorgfältigen Noe die gewisse Nachricht zu bringen. Unterwegs aber hat er schwimmende todte Aas angetroffen, welche ihm den Appetit dergestalten beweget,[387] daß er sich nicht mehr hat können enthalten, sondern sich eigenselbst zu dieser Freitafel eingeladen, den gefiederten Ranzen dergestalten angeschoppt, daß er sich nachgehends nicht mehr hat können empor heben und fliegen: also folgsam elendiglich ertrunken, der sonsten auf den Galgen gehörte.

O wie viel Eltern schicken ihre Kinder aus dem Haus, in fremde Länder, etwas zu sehen, damit sie nachmals in der Rückkehr Vater und Mutter ein sonderer Trost sollen seyn! solche reisen aus noch mit der Unschuld bekleidet in aller Zucht und guten Sitten erzogen, wissen wohl, daß Venus und Venia sich gar nit vergleichen, daß caro wie Charon in die Höll' führen, daß derjenige die acht Seligkeiten nicht erhält, der das sechste Gebot nit halt, wissen wohl, daß das Wört'l Leib im Buchstaben-Wechsel Blei heißt, welches nur beschwert und besudlet, wissen gar wohl, daß foemina soll generis neutrius seyn wider der Grammatiker Aussag', und solche decliniret und nicht conjugirt soll werden; wissen wohl,[388] obschon das Wört'l Leffel hinter sich und für sich gelesen Leffel heißt, und also auf allen Zeiten und Seiten das Löfflen im Schwung; doch aber solches wider Gott und Gebot sey. Mit einem Wort: solche reisen aus wie Engel, und wann sie nicht gar ausbleiben, so kommen sie doch oft zurück wie Teufel. Das Gewissen ist beschwert, die Gesundheit ist verzehrt, die Sünden seynd vermehrt, die Sitten seynd verkehrt, das Herz ist bethört, und dieser Brocken ist dem Teufel beschert. Ach Gott! wer hätt' doch vermeint, daß dieser fromme Bernardinus sollt ein' solcher böser Bärenhäuter werden! die Gelegenheit, die ma chet Lieb und Dieb. An dem Ort, wo er wohnte, in dem Haus, wo er lebte, in der Kost, wo er blieb, waren stinkende Aas, es waren daselbst freche Schleppsäcke, muthwillige Töchter, gescherziges Weiber-Vieh, unverschämtes Huesten-Gesind. Da war Gelegenheit, die bringt manchen um die Reinigkeit.

Es kommt einer in die Beicht, der klopft an die Brust mit dem offenen Sünder; er weint aus den Augen mit Magdalena; er beicht' mit dem David, peccavi; er seufzet mit dem Petro etc. Endlich befragt ihn der Beichtvater, ob der, die, das, das saubere Confect oder Kuhfect, die saubere Madam, der saubere Winkel-Engel noch im Haus? etc. Ja! ja! multum Reverende. Ich kann Euch, Herr, nit[389] absolviren, Ihr müßt diesen Vogel aus dem Nest schaffen, die Gelegenheit muß man meiden, sonst wird eine Kohle aus einer Kreiden! Ei Pater, mein Vorhaben ist gar zu stark, ich bin gänzlich resolvirt, einen andern Wandel zu führen! die Donau wird ehender zurücklaufen, eine Mücke wird ehender das Meer aussaufen, ein Mühlstein wird ehender fliegen, ein Glas wird sich ehender biegen, ein Tatz-Bär wird ehender lernen pfeifen, als daß ich mich sollt' vergreifen: bei mir heißt es, ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann. – Si, si Signor, wann ein Weib darbei ist. Ich absolvire dich nicht, wenn du schon sollst den Weihbrunn als deinen Ordi nari-Trunk haben; wann du schon sollst beten, daß dir die Zähn roglet werden; wann du schon so viel Kreuz sollst machen, wie viel Blätter im Majo, so bist du doch nicht sicher, so lang die Gelegenheit ist. David ist nit sicher gewest, und sollst du sicher seyn? Salomon ist nit sicher gewest, und sollst du sicher seyn? Samson ist nit sicher gewest, und sollst du sicher seyn? Nemo diù tutus est, periculo proximus: »Keiner ist weit von der Sünd', der nahend ist bei der Gefahr.« Wann sie schon alt ist 80 Jahr, 8 Monat, 8 Wochen, 8 Tag, 8 Stund, 8 Minuten, trau doch nit! wann sie schon in 14 Bruderschaften eingeschrieben, und ihr nichts abgehet, als[390] der Schein, trau dannoch nit! wenn sie schon alt, kalt, ungestalt, trau dannoch nit! wann's auch todt ist, trau dannoch nit!


Trau keinem Juden bei seinem Eid,

Trau keinem Wolfen auf grüner Heid,

Trau keiner untergrabenen Gstädten,

Trau keinem Hund an der Ketten,

Tran keinem überg'frornen Fluß,

Trau keinem Ave Rabi Kuß,

Trau keinem Wetter im April,

Trau keinem Schwörer in dem Spiel,

Trau keiner Katze bei ihrem Liebkosen,

Tran keinem Dieb mit großen Hosen,

Trau keinen Leuten mit leonischen Barten,

Trau keinem Scheermesser mit einer Scharten,

Tran keinem Bruder bei dem Zechen,

Trau keinem Lügner bei seim Versprechen,

Tran keiner bösen Gelegenheit;

Sonst kommst du in große Ungelegenheit!


Wie sich das rothe Meer wunderbarlicher Weis von einander getheilt und denen Israeliten freien Paß durchzumarschiren gespendiret, schreibt Arias Montanus, sey auch ein anders großes Wunder zu sehen gewest; nemlich der Grund des Meeres sey nichts als Letten, Morast, Koth und Unflat gewest: Viam fecisti in mari equis tuis, in luto aquarum [391] multarum. Nichtsdestoweniger haben die Israeliten ihre Füß' im mindesten nicht besudlet, sondern durch diesen Koth gangen, wie die Sonnen-Strahlen unbemähliget durch eine Kothlache. Ein großes Wunder, ein großmächtiges Wunder, überaus ein großes Wunder ist es, wann Jemand im Koth stehet, durch den Koth gehet und nit bekothiget wird; noch aber, doch aber ist es ein größeres Wunder, bei der Gelegenheit zu sündigen seyn und nicht sündigen.

Moses hat viel Wunder gesehen, und sich doch nit verwundert: Er hat gesehen, wie er mit dem Ruthenstreich aus dem harten Felsen nit Feuer-Funken, sondern klaren Brunnenquell gelocket hat; er hat noch darüber gesehen, daß sich derselbe Stein von freien Stücken von seinem Ort ohne einige Hand-Anhebung weggelößt und ihnen durch stetes Walzen nachgefolgt: »Bibebant autem de spiritali consequente eos petrâ« – hat sich dannoch nicht verwundert. Er hat gesehen, wie das Meer sich zertheilet und beiderseits wie krystallene Mauren gestanden, und hat sich dannoch nit verwundert; er hat gesehen, daß seine Ruthe sich in eine giftige Schlange verwandlet, und diese wiederum sich in die vorige Gestalt verkehret, – hat sich dannoch nit verwundert.[392]

Aber wie er gesehen einen Dornbusch, daß selber mitten im Feuer und Flammen stehe und dannoch im geringsten nicht entzündet werde, – o alsdann hat er sich nicht genugsam verwundern können, da er aufgerufen:Vadam et videbo visionem hanc magnam: »Ich will hingehen und besehen das große Gesicht, warum der Dornbusch nicht verbrennt werde.« O Wunder! o Wunder! im Feuer seyn, und nicht brennen, in böser Gelegenheit seyn, bei frechen Schleppsäcken seyn und nit bös seyn, das ist ein Wunder! Daß die drei Knaben zu Babel im Feuer nit verbrunnen, o Wunder! daß dieser oder jener stets oder oft bei der Baberl soll seyn, und nit entzündet werden, o großes Wunder! denn Gelegenheit macht Lieb, Gelegenheit macht Dieb. Hätte Achan die Gelegenheit nicht gehabt, so hätte er nit gestohlen, hätte Ammon die Gelegenheit nit gehabt, so hätte er sich nicht also in die Lieb verloren.

Der heilige Einsiedler Martinianus lebte viel Jahr' in der Wüste ganz heilig; bei dem harten Felsen führte er einen harten Bußwandel, bei den silberströmenden Wasserquellen vergoß er häufige Thränen, unter Ottern und Schlangen stritt er wider die alte Schlange, welche die Evam vergift', unter den brüllenden Löwen blieb er ein Lämmel der Unschuld, unter den Stauden und Dornhecken war er eine Rose der wohlriechenden Heiligkeit: Einsmals bei einbrechender[393] Nacht läßt sich bei seinem Eremiten-Häusel sehen ein sehr zerlumptes und dem Schein nach nothleidendes Bettel-Mensch, welche mit überhäufigen Thränen und unaussetzlichem Bitten den hl. Mann ersucht, daß er doch sich ihrer wolle erbarmen und die Nacht hindurch einen Winkel in seinem Hüttlein vergonnen, damit sie doch den wilden Thieren nit möchte zu einem blutigen Raub werden, ja der gerechte Gott werde ihr unschuldiges Blut von ihm am jüngsten Tag fordern, dafern er wider Verhoffen ihre Bitt' nit wollt anhören! Martinianus erwägte wohl, daß solche Thier', welche Zöpfe tragen, viel giftiger als Drachen und Schlangen, er wußte wohl, daß Sabina viel ehender verwunde als ein Säbel, er erkannte wohl, daß solches langrocketes Feuer der Unschuld bald einen Feierabend mache; wollte aber beinebens auch nicht abgeben einen Mörder des Menschen-Bluts und diese elende Tröpfinn denen wilden Thieren zu einem Nachtmahl vergonnen: hat ihn also seine eingewurzelte Mildherzigkeit überredt, daß er gedachtes Bettel-Mensch auf so bewegliches Anhalten in sein armes Losament einquartiert. Es stunde aber eine geringe Zeit an, da hat Martinianus eine ungewöhnliche Brunst vermerkt in seinem ausgemergelten Leib, hat gar deutlich wahrgenommen, daß ihm sein Gast nichts als garstige Gedanken aufwickle; wessenthalben er bei Mitternacht entschlossen, das Bettel-Mensch aus seiner Wohnung zu jagen. Als er suchte solches werkstellig zu machen, sieh! da findet er nit mehr eine arme Haderlumpinn, sondern eine stattlich gezierte Madam und aufgekraustes Frauenzimmer in[394] sehr kostbarer Tracht und Kleidung, welche dieser gottlose Mistsink vorhero in ihrem Bettler-Binkl verborgen tragte. Worüber der heilige Mann unermäßlich erschrocken, alsobald ein Feuer angezündet, in welches er sich unverweilend geleget, mit ganz höflichem Einladen, sie soll sich zu einem Beischlaf zu ihm gesellen. Solches hat sie dergestalten bewegt, daß sie mit gebogenen Knieen um Verzeihung dieser Frechheit gebeten, auch alsobald nach Jerusalem geeilet, daselbsten ihr Leben in strengen Bußwerken geendet. Martinianus wollte nach solcher Begebenheit aller Gelegenheit entgehen; verläßt demnach diesen Ort, und baut sich in der Mitte des Meeres auf einem hohen Felsen eine andere Wohnung, wohin dreimal im Jahr ein Schiffmann nothwendiges Brod zugeführt. Indem nun der heilige Einsiedler 6 Jahr von allen Menschen abgesondert allda seinen heiligen Lebenswandel zugebracht, so hat sich mehrmalen etwas Wunderbarliches zugetragen: Ein großes Schiff im Meer durch Ungestümm der Winde und Wellen ist ganz gescheitert und seynd folgsam alle Menschen jämmerlich zu Grund gegangen außer einem einigen jungen Mägdl, welches mit möglichsten Kräften zu diesem Felsen, wo Martinianus lebete, hinzugeschwommen und durch die Wunden Jesu um Hilf geschrieen. Martinianus vermerkt eine neue Versuchung, reicht dieser bedrängten[395] Jungfrauen seine hilferbietende Hände; verwundert sich nit, daß solche nit zu Grund gangen, weilen nämlich diese war gar zu leicht (besser geredt leichtfertig), führt solche in seine hohle Steinklippe, verspricht ihr, daß nach etlichen Tagen der Schiffmann sie werde abholen. Er aber, was vermeint ihr, daß er gethan? etwann hat er stets seinen Leib mit harten Geißelstreichen gezüchtiget? Nein. Etwann hat er daselbsten mit Wachen, Beten und Fasten seine Zeit zugebracht? Nein. Er trauete nit seinem dürren und mit bloßer Haut überzogenen Menschen-Balg, sondern nach Verzeichnung des hl. Kreuzes, nach Empfehlung in den Schutz des Allerhöchsten stürzt er sich in das tiefe Meer. Gleich aber seynd aus Befehl Gottes zwei Delphinen zugeschwommen, welche Martinianum aus dem Meer ganz sicher zum Gestad' getragen und salviret.

O unbehutsame Adams-Kinder! förcht' sich vor böser Gelegenheit eine solche Säule der Heiligkeit, wie könnt dann ihr trauen, die ihr schwache Röhr' der Gebrechlichkeit? förcht' sich ein Riese vor diesem Streit, wie kann dann ein Zwergel trutzen? förcht' sich eine große Fackel auszulöschen, wie soll dann ein Schwefel-Hölzel pochen? förcht' sich das kalte Eis vor der Brunst, wie kann sich versicheren ein dürrer Strohwisch? zittern große Eichbäum' vor solchem Wind, wie kann sich doch eine geringe Staude übernehmen? fallen mit einem Wort heilige Leut' durch böse Gelegenheit, wie kann sich dann der Gebrechliche,[396] Unvollkommene, Freie, Freche, Frische den Salvum Conductum versprechen?

Wie Christus der Herr mit fünf Brod' und und zwei Fischen so viel tausend Menschen in der Wüste gespeist, und nicht allein diese Menge der Kostgeber nach Genügen gesättiget, sondern noch von den übergebliebenen Scherzlen zwölf große Körb' angefüllt, da hat er seine Apostel und Jünger gezwungen, bei spätem Abend in ein Schiff zu steigen und weiter zu fahren. Der Evangelist, so diese Geschicht' registrirt, schreibt merksam, daß der Herr seine Apostel habe mit Gewalt in das Schiff getrieben. »Compulit etc.« Matth. 14. Coegit. Marc. 16. Fort! hat's geheißen, – Peter! fort, Joannes! fort Matthäe! etc. fort mit euch, ins Schiff hinein! Ei, Herr, die Zeit ist schon zu spät zum Reisen, das Wasser drohet viel Gefahren bei dem Tag, will geschweigen bei der Nacht, wir wollen heut' in Gottes Namen auch da liegen, wo wir gegessen haben. Fort, fort, macht's nicht viel Wort', von diesem Ort! Mein Herr! hat etwann Petrus gesagt – weilen die liebe Sonn' von uns bereits Urlaub nimmt, und die dunkle Nacht vor der Thür, thue uns anheut die gnädige Erlaubnuß geben, daß wir dörfen auf diesem Heu schlafen; morgen wöllen wir bei anbrechender Morgenröthe uns auf die Reis' machen und in allem[397] deinen Willen vollziehen. Ich bin gleichwohl keiner aus den Jungen mehr, und hab' meinen Schlaf ohnedas zum öftern müssen abbrechen wegen der Fischer-Arbeit, jetzt schmeckt mir die Ruhe absonderlich wohl nach dem Essen! – Fort, fort mit euch, fort ohne Verzug! Allo! Compulit, coegit, etc. – Wann es an einem andern Ort wäre gewesen, so ist es wohl zu glauben, der mildherzige Herr und Heiland hätte ihnen solche Bitt nicht versaget; aber weilen daselbst sehr viel Weiber ihre Nachtherberg nahmen, so hat Christus der Herr mit allem Gewalt seine Apostel in das Schiff getrieben: Coegit discipulos, quibus cavebat à consortio nocturno tot mulierum. Liebster Herr und Heiland! seynd es doch lauter fromme und andächtige Weiber, die aus purem Eifer zu deiner Predigt kommen, und seynd beinebens deine Apostel heilige und tugendsame Männer! Schad't nicht! fort, fort, fort, die Gelegenheit muß man meiden, sonst wird eine Kohle aus einer Kreiden! – Gütigster Gott! so ist gar eine Gefahr bei den andächtigen Weibern, was wird erst seyn bei den verdächtigen!

O wie recht hat der englische Lehrer Thomas von Aquin gethan! Sobald dieser den Habit und das geistliche Kleid des hl. Dominici angelegt, und gleichsam um die schöne Festung seines Leibs, die ich[398] dermalen will Engelstadt nennen, eine solche neue Maur geführt, siehe, da kommt der höllische Feind mit allen seinen Alliirten und belagert diese Festung. Die Frau Gräfinn, als seine Frau Mutter, sammt anderen Frauenzimmern versucht diese Festung mit Liebkosen und manierlichen Accord zu behaupten, aber umsonst; seine zwei Herren Brüder, ohnedas wohlerfahrene Kriegs-Leut', wagten einen gewaltigen Sturm, warfen die äußere Mauer zu Boden, verstehe den hl. Habit, welchen sie zu Stücken zerrissen, aber umsonst; endlich kommt der Satan und verhofft diese Festung, so noch eine Jungfrau war, mit Feuer zu bezwingen. Das ist eine harte Attaque. Es kommt zu Thomas in das Gefängniß ein junges Weibsbilds, ein freches Weibsbild, und man weiß schon, wie solche Geißen gmecketzen, man weiß schon, wie solche Katzen schmeichlen, man weiß schon, wie solche Vögel singen! Diese war überaus schön, und hat nit viel nachgeben des Jobs seinen Töchtern, von denen die hl. Schrift selbst bezeuget: »Non sunt inventae mulieres tam speciosae in universa terra: auf der ganzen Welt waren keine so schöne Weibsbilder, wie des Jobs seine Töchter.« Sie brauchten keinen theuren Anstrich, sie brauchten keinen kostbaren Backen-Firneiß, sie brauchten keine kostbaren Gesichter-Laugen, keine gewisse Stirn-Bleche, sie brauchten keinen Lefzen-Zinnober, wie der Zeit die abgeschabenen Weibergesichter[399] damit prangen, sondern sie waren von Creatur schön, von Natur schön, von Postur schön etc. Diesen, sprich ich, hat nicht viel nachgeben dieselbige, so dem englischen Jüngling Thomä die Visite geben. Aber sie war nur von Seiden schön, und nit von Sitten schön. Was thut Thomas, wie er diesen freundlichen Schmutz-Engel ersehen? etwann begibt er sich in das Gebet? oder hält er ihr eine bewegliche Predigt, daß sie von ihrem bösen Vorhaben solle abstehen und mit Magdalena bei den Füßen Jesu ihre Hauptsünden beweinen? Nichts dergleichen. Fort, fort! hats geheißen, sonst macht die Gelegenheit Lieb und Dieb und trüb. Thomas ergreift ein halb abgebrenntes Scheit bei dem Kamin: Also recht, mein Thomas, auf diese Weis' wird deine Unschuld nit scheitern! Thomas jaget diesen freundlichen Feind hinaus. Also recht, auf solche Weis' bleibt die Reinigkeit hierinnen! Thomas schlägt sie auf den Rücken, welche sein heiliges Vorhaben wollt zurück treiben, pufft sie auf die Achslen, welche eine solche schmeichlende Achselträgerinn wollte abgeben, klopft zu auf den Kopf, welche eine solche Haupt-Huesten war. Jo Victoria!


Auf einen solchen Herd gehört eine solche Glut,

Zu einem solchen Kopf gehört ein solcher Hut,

Zu einem solchen Hafen gehört ein solcher Deckel,

Zu einem solchen Geld gehört ein solcher Seckel,[400]

Zu einer solchen Festung gehört eine solche Schanz,

Zu einem solchen Kirchtag gehört ein solcher Tanz,

Zu einem solchen Thurm gehört ein' solche Glocken,

Zu einer solchen Suppe gehören solche Brocken,

Zu einem solchen Garten gehört ein' solche Mauer,

Zu einem solchen Dorf gehört ein solcher Bauer,

Zu einem solchen Degen gehört ein' solche Scheid,

Zu einem solchen Vieh gehört ein' solche Weid,

Zu einem solchen Spiegel gehört ein' solche Rahm,

Zu einem solchen Jahrmarkt gehört ein solcher Kram,

Zu einem solchen Pferd gehört ein solcher Striegel,

Zu einem solchen Schelmenvieh gehört ein solcher Prügel!


Jo Victoria! Fort, fort, fort, trau der Gelegenheit nicht, wann du schon ein heiliger Justus oder Justinus bist, wann du schon ein hl. Paulus oder Paulinus bist, wann du schon ein hl. Felix oder Felicianus bist; es kann auch ein hl. Justus ungerecht werden bei der Gelegenheit; es kann auch ein hl. Paulus nit Paululum verlieren an der Unschuld bei der Gelegenheit; es kann ein hl. Felix unglücklich werden bei der Gelegenheit. De quantis legimus viris in vogiliis, in jejuniis, in laboribus supra humanum modum, imò in miraculis coruscantibus, qui ceciderunt!

Ein Narr kann uns ein Doctor seyn: Jacobus[401] Bidermannus registrirt von etlichen Phantasten, welche seltsame Fausen, wunderliche Einbildungen, hypochondrische Grillen im Hirn hatten. Unter anderen war einer, der ist der halsstärrigen Einbildung gewest, daß er von lauter Glas sey, wessenthalben er allen Leuten wehemüthig zugeschrieen, sie sollen doch nicht an ihn anstoßen! sitzen wollte er auch auf keine Weis', aus Furcht, der hintere Stock möchte zu Trümmern gehen. Diesem albernen Menschen können wir mit allem Lob nachfolgen, und uns verständig einbilden, wir seynd vom Glas, ja gebrechlicher als Glas: Ein geringer Augenblick kann uns das ganze Gebäu der Heiligkeit zu Boden werfen, wie ein kleines Steinl das große Bildnuß des Nabuchodonosor. In dem anderten Buch der Machabäer im ersten Kapitel lieset man, daß ein dickes Wasser sey zu Feuer worden. Ist ja viel. Aber man hat leider auch öfter erfahren, daß etliche Geistliche durch klösterliche Disciplin also der Welt vergessen, daß sie gleichsam wie Wasser werden ohne wenigsten Funken einer ungeziemten Lieb; nachdem sie aber wieder zur Gelegen heit kommen, ist solches Wasser in Feuer verkehrt worden. War nit Jacobus der Einsiedler ein Heiliger? durch die Gelegenheit ist er dannoch spöttlich gefallen. War nit Maria, eine Baas des Abrahams, eine Heilige? dannoch durch die Gelegenheit in größte Sünden gerathen.

Absonderlich muß das schwache Weiber-Geschlecht die Gelegenheit fliehen, forderist die Jungfrauen.[402]

Denn eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie die Glocken am Charfreytag: muß sich nit viel hören lassen; – die Männer endlich können Vocales seyn, die Weiber Consonantes, die Jungfrauen aber müssen Mutae seyn. Eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie eine Orgel: sobald diese ein wenig angetastet wird, so schreit sie. Eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie der Palm-Esel: der läßt sich im Jahr nur einmal sehen. Eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie eine Spital-Suppe, die hat nit viel Augen: also soll sie auch wenig umgaffen, etc. Eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie eine Nacht-Eul', die kommt fein wenig ans Taglicht. Eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie ein Spiegel: wenn man diesem ein wenig zu nahe kommt und anhaucht, so macht er ein finsteres Gesicht. Eine rechte Jungfrau soll seyn und muß seyn wie ein Licht, welches versperrt in der Latern viel sicherer ist, als außer derselben. Insonderheit aber soll seyn und muß seyn eine rechte Jungfrau wie eine Schildkröt': diese ist allezeit zu Haus, massen sie ihre Behausung mit sich trägt: also eine rechte Jungfrau sich mehresten soll zu Haus aufhalten zur Meidung aller bösen Gelegenheiten; denn gleichwie jener gute Samen des evangelischen Ackermannes,[403] so auf den Weg gefallen, von den Vöglen ist verzehrt worden, also seynd die ehrsamen Jungfrauen, welche immerzu auf Weg und Gassen sich sehen lassen, von den Erzvögeln gar nit sicher. Wäre die Dina, des Jacobs saubere Tochter, zu Haus geblieben, und hätte die Gefahr gemeidet, so wäre sie niemalens so spöttlich um ihre Ehr' kommen.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 1, S. 363-404.
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