Ob Judas der Erz-Schelm einen rothen Bart habe gehabt, und was Leibes-Gestalt er gewesen sey.

[159] Ambrosius, Orosius, Augustinus, Viktorinus, Tostatus, Alciatus, Nissenus, Emissenus, Aurelius, Cornelius,[159] Gregorius, Berchorius, Lyranus, Cassianus, Ferrerius, Pererius haben die heilige Bibel ziemlich durchgeblättert, dero Blätter ziemlich durchlesen, dero Lesen ziemlich in den Verstand, von dem Verstand in die Feder, von der Feder auf das Papier gebracht; aber niemand aus diesen registrirt, keiner aus allen protokollirt, nicht einer aus solchen citirt, daß Judas habe einen rothen Bart gehabt.

Wo steht es denn geschrieben? – Ja man mahlt ihn gemeiniglich mit einem solchen philistäischen Fuchs-Balg'! Ich antwort: die Mahler haben große Privilega, das ist Brief-Lügen: sie haben öfter die schamhafte Farb' im Pinsel als im Gesicht, sie thun oft etwas mahlen, welches wahr ist niemahlen. Dahero schickt sich nichts besser, als wenn ein Poet den Mahler zum Gevattern bitt'; denn fingere und pingere seynd die vertrautesten Spießgesellen. Auch soll jenem arkadischen Scholaren sogar nit für übel aufgenommen[160] seyn worden, als er auf Befragen: was mentiri auf deutsch heiße? mahlen geantwortet. Denn der Mahler-Pinsel ist nit skrupulos, und ob er schon aus Haaren bestehet, so geht er dennoch nicht ein Haar auf die Wahrheit.


– – – – Pictoribus atque Poëtis

Quilibet audendi semper fuit aequa potestas.


Dichten können nach Begnügen

Alle Mahler und Poeten;

Dürfen sie doch tapfer lügen,

Wann die Wahrheit schon vonnöthen.


Wann öfter ein Mahler thäte einbüßen, wie jener, von dem Gumpenberger in seinem Atlante schreibet, daß er in Mahlung eines Unser Frauenbilds mit diesen Worten gefrevlet: Wann das Bild wird Mirakul wirken, so werden mir Hörner wachsen! und siehe, wie der Frevel auf der schnellen Post die Straf' von dem Himmel holt! – er hatte kaum ausgeredet, da seynd ihm auf der Stirn' zwei Hörnet herfür geschossen, welche zwei scheinbare Zeichen und Zeiger waren seines verübten Muthwillens! Man muß dahero der Mahler Freiheit oder Frechheit nit für ein[161] unläugbares Beweisthum anziehen, daß Judas einen feyertäglichen Bart habe gehabt; sondern es ist gar wohl zu vermuthen, es seye der einige Nam' Iscarioth die Haupt-Ursach solches gemeinen Wahns und Aussag': Dann die plumpen Leut' Anfangs das Wort Iscarioth für Ist gar roth verstanden; ist also solchergestalten dem Judä solche Farb' in Bart gerieben worden.

Gesetzt aber, es hätte Judas eine solche erwähnte Rubrikam um das Maul gehabt, was folgt dann daraus? Vielleicht beliebt dir zu reden: Judas habe einen rothen Bart gehabt; ergo, alle die rothe Bärte haben, seynd Erz-Schelmen. Wann dem also, so wäre kein einiger Bart von großem Schimpf befreit. Der Teufel ist in Gestalt eines Manns mit einem braunen Bart in die Wüsten gangen und Jesum versucht; ergo, so seynd alle Männer mit braunem Bart Teufel. Der Absalon hat krause Haar' gehabt; ergo, alle, die krause Haar' haben, seynd verruckte Bösewicht' und gewissenlose Rebellen wider ihre Eltern. Die zwei alten, mehr baberlonischen als babylonischen Richter bei Susannam[162] haben weiße Bärt' gehabt; ergo, alle die weiße Bärt' haben, seynd solche bockbergerische Ehebrecher; Pilatus der Landpfleger (oder besser gered't der Schandpfleger) hatte einen schwarzen Bart; ergo, alle die schwarze Bärt' haben, seynd Feind' und Widersacher des göttlichen Heilands. O wie ungereimt lauft dein Argument! Des Balaams Eselinn hat gered't; ergo, wird dein Esel zu Haus auch mit der Sprach' heraus und dich salve Frater: willkomm' Bruder! anreden.

Dafern es aber sollte der Wahrheit gemäß seyn, daß Judas mit einer solches Safran-Farb' wäre notirt gewesen, wo steht es denn geschrieben, daß rothe Bärt' nichts nutz seynd? Wann solche Aurora den wenigsten Schimpf oder Spott in sich hielte, hätten mit denselben nicht geprangt die alten Römer, welche sogar auch die rothen Haar' als eine besondere Zierde zu ihrem Namen und Titul selbsten gebraucht. Solche waren SP. Latius Rufus, Serg. Sulpitius Rufus, Cn. Domitius Rufus, Q. Minutius Rufus, P. Rutilius Rufus, Q. Pompejus Rufus, lauter rothbärtete Männer, welche durch ihre heroische Tapferkeit in den asiatischen, thrazischen, cimbrischen, kretischen, partischen, illirischen Kriegen einen unsterblichen Namen erhalten. Wer ist gewest der sieghafte Kaiser Friederikus[163] Barbarossa, als eben ein Rothbart? Wer ist gewest Haquinus Rufus, ein bester König aus Gothen, als ebenfalls ein Rothbart? Gaudentius ein hl. Bischof, Gandulphus ein heil. Bischof, Eligius ein heil. Bischof, Domninus ein hl. Märtyrer, Maurinus ein heil. Märtyrer, Savinianus ein hl. Märtyrer haben alle einen rothen Bart und eine gute Art gehabt.

Es schreibt zwar Boz de Signis Eccl. lib. 5. cap. 1. daß derjenigen zweien Bösewicht', welche die heilige Ludomillam in Böheim ermordet, einer habe einen rothen Bart gehabt, der andere aber gehunken; dahero sie Gott im ganzen ihren Geschlecht und allen Nachkömmlingen dergestalten gestraft, daß noch auf heutigen Tag, die von dero Haus oder Freundschaft herkommen, rothe Haar haben und hinken. Es möcht' hierinfalls ein Nasenwitziger sein übles Urtheil von dem rothen Bart behaupten, mit dem Vorwand', daß, wann rothe Haar etwas Guts wären, so hätte der gerechte Gott solches Geschlecht und Kinds-Kindskinder nicht darmit gestraft. Dem ist aber zu antworten, daß solches mehr geschehen zu einem Denkzeichen der verübten Unthat ihrer Vor-Eltern, als zu einer Straf, zumalen solche Nachkömmlinge dießfalls unsträflich scheinen. Wann rothe Haar ein vermuthliches Kennzeichen wären einer schlimmen Art, so hätte Gott etwann nit so ausdrücklich verlangt in dem alten Testament, daß man ihm soll eine rothe Kuh schlachten und opfern.[164]

Die abgesagten Feind' und Spöttler der rothen Bärte müssen nicht für ihre Schutzung anziehen die ungerühmte That eines spanischen Edelmanns, welcher einen zu dem Strang verurtheilt und henken lassen, keiner andern Ursach halber, als weilen er einen rothen Bart hatte; und als man dessen Unschuld vorkehrte, wie wissentlich nit bekannt seye, daß dieser gute Mann etwas Uebles gethan, denen hat der verruckte Edelmann geantwortet: Er hat einen rothen Bart, hat er nichts Uebels gethan, so hätte er doch etwas Uebels stiften können. Dieser spanische Prophet kommt mir wahrhaftig spanisch vor, indem er seine Weißsagung nur auf solches rothfärbiges Testimonium steifet.

Die alten heidnischen Grillen-Vögt hatten unterschiedliche abergläubige Wissenschaften, woraus sie künftige Begebenheiten abnehmen; und zwar eine hat geheißen Metoposepia, eine andere Chiromantia, eine andere Batonomantia, eine andere Capnomantia, eine andere Piromantia, eine andere Coschinomantia, eine andere Cleromantia, eine andere Geomantia, eine andere Hydromantia, eine andere Lecanomantia, eine andere Gastromantia, eine andere Axinomantia, eine andere Aeromantia, eine andere Physiognomia, und diese letztere thäten sie allein gründen auf das Angesicht des Menschen, aus dem sie künftige Sachen auskundschaften, aber von keiner Barbomantia oder Narromantia[165] hab' ich niemals gelesen: daß man aus einem rothen Bart soll können abnehmen: einer werde künftig nichts Guts thun. – Auf solchen Schlag wirft ein rother Bart dem freien Willen einen ziemlichen Prügel unter die Füß', und hat er mehr Macht als die obern Gestirn des Himmels, welche doch mit ihren Influenzen den Menschen zu einer Sach' nur neigen und nicht zwingen noch dringen.

Im Uebrigen ist der Bart einem Mann eine absonderliche Zierde, und wird solcher nicht wenig von der Feder des großen Vaters Augustini hervor gestrichen. Barba significat fortes, impigros, alacres etc. »der Bart ist ein Anzeiger eines starken, tapfern und wackeren Manns.« Dahero nicht wenig darmit geprangt Hans Steiniger, Burger und Handelsmann in der Stadt Braunau in Nieder-Bayern. Dieser hatte einen solchen Bart, daß er solchen zwei Spann auf der Erden zoge, und dessentwegen die mehriste Zeit solchen Bart in einem schönen sammeten Beutel getragen, wie dieses genugsam bestätiget sein aus Marmor gehauter Grabstein in der Kirchen-Mauer zu Braunau. Wann der Bart nicht eine sondere Zierde des Manns wäre, hätten die Legaten und Abgesandte des Königs David jenen Schimpf nicht so hoch angezogen, welchen sie erlitten von dem ammonitischen König Hanon,[166] der ihnen die Bärt' hat halbentheil lassen abscheeren; wessenthalben ihnen der David anbefohlen, sie sollen zu Haus bleiben, bis ihnen der Bart wiederum wachse. Aber bei jetziger verkehrter Zeit ist nicht allein das Aufschneiden, das Ehrabschneiden, das Umschneiden im Schwung, sondern auch das vielfältige Bartschneiden, daß man fast alle Tag eine neue Modi im Bart reibet; ja man find't dermalen wenig Bärt', sondern nur Bärtl, welche oft dergestalten zugespitzt seynd, wie die subtilesten Miniatur-Pinsel: bald reibt man und treibt man solchen hinaufwärts, daß diese wenigen Haar' über Willen müssen bergauf stehen; bald lehnt man und wend't man diesen herab, daß sie einen halben Mondschein müssen nachäffen; bald streckt man und reckt man beederseits aus, wie die angenagleten Hennengeier an dem Jägerhaus. Jetzt sieht man alte Gecken und betagte Narren, die ihr zahnluckendes Maul außerhalb also renoviren, daß es fast einem gearbeiten Sau-Leder gleichet, und bleiben bisweilen zwei winzige Büscherl Haar unter der Nasen, daß sie also zeigen, der Grund sey nichts nutz, weilen so wenig Gras wachset. Pfuy der bethörten Welt! Sollen uns dann nit die Controfee unserer Vor-Eltern mit ihren großen Bärten schamroth machen, weilen wir sogar[167] die Ueppigkeit im Bartzüglen und auf solche Weis-Gott und die Natur schimpflich corrigiren wollen. Solcher Uebermuth und Hoffart in den Bärten kann ebenfalls unsern Herrn beleidigen, wie ihn beleidiget haben jene Lotters-Buben und muthwilligen Hebräer, welche dem beschmerzten Jesu im währenden seinem Leiden Haar und Bart ausgerupfet; Dedi Genas meas vellentibus.

Jene tyrannische Verfolgung, welche der gottlose Decius wider die Christen führte, soll aus sonderer Verhängnuß Gottes geschehen seyn, schreibt der heil. Cyprianus, weilen Gott den Uebermuth der Christen nicht mehr erdulden konnte. Unter andern Gott mißfälligen Werken setzt er auch die damalige eitle Pracht der Bärt': Corruptas barbas in viris. Möcht' einer doch solchen Bart-Hansen und Bartprallern und Bartpflanzern vergunnen jene Straf', wel che der hl. Mann Patricius einem Dieb von Gott erbeten. Dann als solcher erstgedachtem heil. Mann einen Geisbock entfremdet und selben für seine Kuchl abgestochen, ist ihm alsobald, nachdem er den ersten Bissen gekostet, ein[168] ganz natürlicher Geisbart gewachsen; mit welcher Straf auch seine ganze verwandte Nachkömmlingschaft gezüchtigt worden, daß sie niemalens insgemein ohne Hohn und Gelächter nur die Geisberger seyn genennt worden. – Gebt Acht, ihr stolzen Bartpüffer, seyd gewarnet, ihr hoffärtigen Bartraspler, daß ihr nicht auch unter jene Bocksberger gerathet, welche der gestrenge Richter am jüngsten Tag auf die linke Seiten stellen wird! Hoedos autem a sinistris.

Ist demnach ohne weiters Krausen und Zausen der Bart von der Natur dem Mann für eine Leibs-Zierde gespendirt worden; und der kein ehrlicher Mann ist, der ist nicht werth, daß er einen Bart trage. Wie es jenem Bauersmann Namens Joscelino ergangen: wie dieser einen falschen Eid über die Heiligthümer des heil. Märtyrers Mauri abgeleget und zugleich zu mehrerer Bekräftigung seines Juramenti seinen langen Bart in der Hand hielte, ist ihm solcher durch göttliche Straf alsobald ausgefallen, daß er den ganzen Bart hinweg gezogen und nachmals solches nackende Maul und lederne Goschen bis in den Tod behalten. Weilen dann der Bart' für eine Zierd' des Manns jederzeit gehalten wird, warum soll hierinfalls der rothe Bart Farb halber dieses Tituls oder Preis-Namens beraubt werden, da doch die rothe Farb als[169] königlicher Purpur unter anderen Farben den Vorsitz prätendiret.

Es kann demnach mit keinem Fundament oder sattsamen Grund geglaubet werden, daß Judas habe einen rothen Bart gehabt; und dafern auch solches möchte mit vielen Zeugnissen bestättiget werden, so muß man doch mit gutem Gewissen aussprechen, daß der rothe Bart den Judam zu keinen Schelm gemacht habe.

Was anbelangt die Leibs-Statur des Iscariothischen Bösewichts, ist zu wissen, daß solcher von keiner feinen Leibs-Gestalt oder Mannsgröße gewesen sey, sondern klein von Statur; daß also der mildherzige Heiland sich gebuckt und geneigt hat, wie er von diesem verruchten Männ'l den falschen Kuß empfangen. – Nun ist wohl zu vermuthen, daß mancher große Feder-Hans nach solcher Erfahrenheit die kleinen Leut' wird schimpfen, daß sie auch nichts nutz seyn – welches aber aller Vernunft zuwider; dann die kleine Leibs-Gestalt hat den Judas nit zur Bosheit geholfen. Ihr ungereimten Ehrenstutzer wißt bald nicht mehr, mit was verklienerischen Schimpferl und spottvollen Namen gegen die Kleinen ihr sollt verfahren. Ihr nennet sie punkete Krotten, Berchtlesgadner- Waar,[170] kleine Pumpernickl, kleine Spitzkappen, Grillen-Reiterl, abbrevirte Menschen, Pasteten-Männ'l, Daum-Häus'l, Compendia der Menschheit! etc. tausenderlei After-Reden erdicht' euer Aberwitz und Frevel. Ey du ungesalzene Welt! wie magst du deine Schnader-, Hader- und Kater-Zungen sogar nit zähmen! es ist ja dein Verstand sogar noch nicht schwindsüchtig, daß er nicht weiß, daß Schand' und Schad' eines Menschen, daß Lob und Lieb eines Menschen von seinem Gemüth, und nicht von seinem leimsüchtigen Leib' abzunehmen. Wie Viele zählt man, welche die schönste, geradeste und wohlgeschaffenste Leib's-Gestalt gehabt, und dennoch unter solchem glatten, g'raden, alabasterischen Oberzug die größten Laster oder eselischen Unverstand verhüllt getragen! entgegen wie Viel' weiß man, so da eines schlechten, übelgeschaffenen, kleinen und mangelhaftigen Leibs gewesen, und gleichwohl im Wissen und Gewissen die berühmtesten waren!

Heilig, und abermal heilig, und tausendmal heilig ist das Evangelium Matthäi, das Evangelium Lucä, das Evangelium Marci, das Evangelium Joannis. Denn alles, was Joannes geschrieben, was Marcus geschrieben, was Lucas geschrieben, was Matthäus geschrieben, ist geschrieben durch Eingebung, durch Angebung,[171] durch Mitgebung des hl. Geist's und dessentwegen heilig. Und weilen es heilig, ist es dessent wegen ohne Fehler; und weilen es ohne Fehler, so ist es dessentwegen voll der Wahrheit; und weilen es voll der Wahrheit, so ist es dessentwegen zu glauben. Der hl. Joannes Chrysostomus bezeugt, daß zu seiner Zeit der böse Feind aus einer besessenen Person habe gezwungen bekennt: wo das hl. Evangeli-Büchl gefunden werde in einem Haus, allda habe er sammt seinem Anhang einen geringen Zutritt. Cedrenus notirt, daß ein heiligmäßiger Bischof sey zu den Rossern, als einem groben barbarischen Volk, abgeschickt worden, selbigen das Evangelium zu predigen, haben solche aus anartiger Hartnäckigkeit kein anderes Gesatz wollen annehmen, außer solches wurde durch scheinbares Wunderwerk bekräftiget; worauf der hl. Bischof aus göttlicher Eingebung das Evangeli-Büchel in einen brennenden Ofen geworfen, darinnen es etlich' Stund' in den aufsteigenden Flammen unversehrt geblieben, welches nachmal ein sattsamer Anlaß war zu dero Bekehrung. Dieß und dergleichen mehr Zeichen und Zeugen, daß nichts in dem Evangelio, so nicht heilig, und nichts heilig, so nicht wahr sey. Alleinig möcht' ein Limmellius gefunden werden, welcher absonderlich auf das äußerliche Ansehen gehet und viel auf die Leibsgröße hält, wormit ein Ochs, Schwere halber, besser zu prangen, als ein Mensch. Ein solcher möcht[172] an einem Ort des Evangelii schier wanken, ob es gar füglich zusamm gestimmt sey, benanntlich folgende Wort' des Evangelii Lucä: Ecce, Vir nomine Zachaeus: Siehe, da war ein Mann genannt Zachäus, und gleich folgt darauf: statura pusillus, er war klein von Person. Klein von Person und ein Mann genennt werden, wie reimt sich das? Jene Dornhecken, in welcher der Patriarch Abraham zum göttlichen Opfer einen Widder gefunden, einen Wald zu nennen, schickt sich nicht; jenes Schiffel, in welchem Jesus geprediget, ein Schiff zu nennen, reimt sich nit: docebat de navicula turbas; jenen Bach Cedron, wodurch die unmenschlichen Henkers-Gesellen und Troßbuben den gebenedeiten Jesum geschleift haben, einen Fluß zu nennen, reimt sich nit, zumalen David selbsten sagt und singt: de torrente in via bibet; jenes Königl in dem Evangelio einen König zu nennen, schickt sich nicht, weilen es der heil. Geist selbsten also benamset; erat quidam Regulus. – Warum soll denn Zachäus als klein von Person ein Mann genennt werden und nicht ein Männ'l? Ecce, Vir nomine Zachäus! Höre, du großer und mit langen[173] Häxen unterstützter Polyphemus, was dir die göttliche Schrift unter die Nasen reibt, weilen du so nasenwitzig fragest: Non spernas hominem in visu suo, et non laudes virum in specie suà: Veracht einen Menschen nicht aus seinem äußerlichen Ansehen, und lobe einen Mann nicht um seiner schönen Gestalt willen! Zachäus war klein von Person, daß er auch dessentwegen das Baumsteigen zu Hilf genommen, damit er möchte über das Volk aussehen und nicht gar von dem groben Gesindel zertreten wurde; dennoch aber gibt ihm der heilige Geist den schönen Preis-Namen eines Manns, weilen die Mannheit, Tugend und Tapferkeit nicht von dem Leib, sondern von dem Gemüth abzumessen, welches so groß kann seyn in einem kleinen Leib, als in einem großen.

Kommt her, ihr überwachsenen Beschnarcher, ihr aufbäumte Hopfen-Säck', ihr goliathische Großschädel, die ihr allein auf das äußerliche Gesicht und Gewicht viel haltet! kommt her und beschaut viel kleine Leut', die euch im Ruhm und Glorie weit übersteigen! Alexander Macedo klein von Person, entgegen aber ein weltberühmter Held! Asineus, ein Kriegsfürst der Juden klein von Person, aber ein weltkündiger Soldat! David in Israel klein von Person, aber ein unbeschreiblicher[174] Monarch. Edgarus ganz klein von Person, aber ein glorwürdigster König in Britannia! Pipinus so klein von Person, daß ihm solcher Nam' schimpfweis' gegeben worden wegen der kleinen Hühnel, welche nur Pi Pi singen, aber ein erfahrnester Held und Herr! Bajazethes klein von Person, aber ein preiswürdigster Fürst bei den Türken! Wladislaus der dritte König in Polen war nur eine Elle lang – dessen wahre Abbildung in der kaiserlichen Schatz-Kammer zu Wien gezeiget wird – und dannoch ein guter König! Robertus der Pfalzgraf klein von Person war doch in größtem Ansehen bei dem böheimischen Reich! Galeaceus Gonzaga war klein von Person, und doch eines ungemeinen Heldenmuths! Viel andere mehr fast ohne Zahl und Ziel, welche klein von Person aber groß im Namen, werden allhier umgangen. Verwundert euch alleinig und einig über den heiligen tharsenischen Prediger Paulum! Paulus eine Angel, ein Engel, ein Engel, eine Angel, eine Ampel, ein Amper, ein Amper, eine Ampel, eine Feil', ein Pfeil, ein Pfeil, eine Feil', ein Agtstein ein Eckstein, ein Eckstein, ein Agtstein, ein Netz, ein Nutz', ein Nutz', ein Netz, ein Brunn', eine Brunst, eine Brunst, ein Brunn', ein[175] Vogl, ein Veigl, ein Veigl, ein Vogl; Paulus ein Vogel, der fast nichts anders gesungen, als den süßesten Namen Jesu; sogar auch wie er enthaupt' ist worden, ist das heil. Haupt dreimal in die Höhe gesprungen und jedesmal den allerheiligsten Namen Jesu ausgesprochen. Paulus ein Veigl, welches einen solchen lieblichen Geruch der Tugenden von sich giebt, daß es die ganze Welt nach sich gezogen: Christi bonus odor sumus. Paulus eine Brunst, zumalen er in den Liebes-Flammen zu seinem Jesu dermassen erhitzet war, daß ihn weder Stangen noch Zangen, weder Sabel noch Gabel, weder Noth noch Tod konnte von der Lieb' abhalten. Quis ergo nos separabit a caritate Christi? Paulus ein Brunn', aus dem die Welt die reinste Lehr' geschöpft. Paulus ein Nutz' der katholischen Kirchen, weilen er so viel' Seelen gewonnen, als Gott dem Abraham schimmernde Stern' gezeigt in dem Himmel; Paulus ein Netz, womit Gott große Sünder gefischt, welche im Grund' und Abgrund' der Laster und Irrthum gestecket; Paulus ein Agtstein: gleich wie dieser die Haarsplitter und andere leichte Ding' zu sich ziehet, also zog Paulus viel leichtsinnige, leichtfertige Sünder zu sich und bekehrte dieselbigen;[176] Paulus ein Eckstein, auf welchen Gott das Heil so unzählbarer Seelen gebauet hat; Paulus ein Pfeil', den Gott insonderheit abgeschossen in die Welt, so viel harte Herzen zu verwunden; Paulus eine Feil', welche den Rost der Sünder von den Seelen unabläßlich abzuwenden sich beflissen; Paulus ein Amper, mit dem wir aus dem Brunnen der göttlichen Weisheit so viel unbekannte Geheimnissen geschöpft; Paulus eine Ampel, durch welche die ganze breite Welt erleuchtet worden; Paulus ein Engel (oder besser gered't) ein Schutz-Engel der ganzen Christenheit; Paulus eine Angel, wormit so viel arme vertiefte Sünder zum Gestad' der ewigen Seligkeit gezogen worden. Paulus hat gepredigt und hat bekehret ganz Seleuciam, ganz Eypern, ganz Salamis, ganz Paphum, ganz Pergen, ganz Pamphyliam, ganz Antiochiam, Lystriam, Derben, Licaoniam, Phrygiam, Galatiam, Cappadociam, Macedoniam, Misian, Achaiam, Bithyniam, Asiam, Syriam, Tyrum, Ptolomaidem, Cäsaream, Griechenland, Spanien, Frankreich, ja fast die ganze Welt. Das muß ein Mann gewest seyn! Paulus sogar in den dritten Himmel verzuckt, sogar in der Insel Malta alle Schlangen in Stein verwandelt, sogar wie er enthauptet worden, ist anstatt des Blut's Milch geronnen, und mit seinem Schweiß-Tüchel Mirakul gemacht. Das muß ein Mann gewest seyn! Vielleicht bildet ihm ein jeder ein einen großen Mann mit krausen Haaren, mit völligem Angesicht, mit schöner großer, wohlgeschaffener Leibs-Gestalt? Nichts weniger als dieses: er war klein von Person, bucklet auf dem Rücken, glatzet auf dem Kopf, langnaset im Gesicht,[177] verächtlich im Ansehen – und dennoch Paulus ein Schatz, ein Schutz, ein Schütz, eine Schanz der ganzen Welt! Siehest du großer Melampodi, siehest du ausgefüllter Wampeluci, siehest du hochfüßiger Longine, daß man keinen Kleinen verachten solle: Non spernas hominem in visu suo! Veracht' keinen Menschen, wenn er klein ist, vielleicht ist er großmüthig, großverständig, etc.

Der heilige Gregorius, Bischof zu Turon, kam einst nach Rom, allda die Kirchen der heiligen Apostel zu besuchen, welchen dann der römische Pabst gleichen Namens Gregorius Magnus wegen bekannter Heiligkeit und großen Ruhm höflich empfangen. Und als gedachter hl. Bischof seine Andacht und Glaubens-Bekenntnuß in der Kirchen vollzogen, gedachte der neben ihm stehende Pabst, wie doch Gott in einem so schlechten Leib' und müheseligen Krüppel so große Gnaden habe einlogiret! (dann dieser Bischof war sehr klein[178] und verächtlich von Person) so hat sich alsobalden der heilige Mann gegen den Pabsten gewendet, mit lachendem Mund' seine stillen Gedanken entdeckt, sprechend: Dominus fecit nos, et non ipsi nos, idem in parvis, qui et in magnis: »Heiligster Vater und Statthalter Christi, Sie verwundern sich in Ihrem Herzen über meine schlechte geringfügige Leib's-Gestalt, daß ich ein so kleines buckletes Männlein bin. Sie wissen aber gar wohl, daß mich Gott erschaffen und ich mich nicht selbsten, und kann der allmächtige Gott seine Gnaden so wohl in ein erdenes Geschirrl gießen als in großes guldenes Gefäß.« Wahr ist es, daß die öde, schnöde und blöde Welt so gern nur das Aeußerliche bewegt und aus der Scheid' den Degen urthlet, dahingegen öfters der Menschen Augen hierinfalls betrogen werden.

Wo hat Moses die Tafel der zehn Gebot gebrochen? Antwort: beim guldenen Kalb, welches die unbändigen Israeliter als ihren Gott angebetet haben. Der Zeiten bricht man auch mehrist die zehen Gebot beim guldenen Kalb, beim guldenen Ochsen, beim guldenen Lämml, beim guldenen Bär'n etc., dergleichen Namen die Wirthshäuser tragen. Erstgenanntes guldenes Kalb war von reichem, schönem, glänzendem Gold – aber – was aber? aber – was denn aber? aber – es war einwendig hohl und leer, und folgsam nit lauter Gold, wie Viele vermeinten. Ein[179] mancher geht daher mit solcher langer Statur, als wann er dem babylonischen Thurm befreundet wäre, er spreizt die Füß' wie ein anderer Colossus zu Rhodas, er hat so viel Haar' auf dem Kopf, daß man drey Bauern Kummet damit schoppen kunnte, er hat ein rundes, feistes, fettes Gesicht, daß ihm die Butter-Backen schlottern wie eine schweinerne Sulz: – einer siehet, diesen Fleischthurn, sagt alsobalden, das sey ein wackerer Kerl, ein ansehnlicher Mann, der soll ein Oberster seyn, der soll ein Prälat seyn, der hab' ein Ansehen etc. O Simpl, Gimpl halts Maul! es ist an der Länge nicht gelegen, sonsten wäre ein Wiesbaum mehr als ein Scepter! es ist an der Größe nicht gelegen, sonst gält' ein Bachzuber mehr als ein guldener Pokal; es ist an der Dicke nicht gelegen, sonst wäre ein Saukürbiß besser als eine Lemoni; es ist an der Gestalt nicht gelegen, sonsten säng' ein Pfau lieblicher, als eine Nachtigall; sondern es ist allein das Gemüth, die Tugend, der Verstand zu schätzen. Diesen großen Hansen lobest du wegen des hübschen Ansehen; aber gib' Acht, ob er nit ist Vitulus conflatilis, wie das guldene Kalb, inwendig hohl und leer, lirum, larum, nichts im Hirn, sein Hirn ist beschaffen wie der fünf thörichten Jungfrauen ihre Ampeln, nichts darinn, sein Gedächtnuß ist wie die Kürbiß-Blätter des Jonas,[180] bald aufgeschossen, bald abgeschossen, sein Gewissen ist beschaffen wie des Elisäi Topf, bitter. Pfuy!

Entgegen begegnet dir ein Kleiner, dem die Natur gesparsam gewest ist, dessen Leibs-Statur geschmählert, der so feist, wie der Mondschein im ersten Viertl, der in Duodez eingebunden, der dem römischen Curtio anverwandt, so lache ihn nit aus dessenthalben! Portiuncula ist ein kleines Kirchel und doch der vornehmste Ablaß darein, Bethlehem ein kleines Städtlein und doch mit der Geburt Christi berühmt, Gott ist ein kleines Wörtlein, und ist doch alles über alles darinn; also ist öfters in einer kleinen Person ein groß Gemüth, große Wissenschaft, große Heiligkeit. Wer ist Augustinus gewest mein hl. Vater? ein Miracul der Welt, eine Fackel der Welt. Was hat er für ein Ansehen gehabt? ein schlecht's: er war klein von Person, wie er selbsten bekennt: Quaeso per Dominum, ne vos Homuncionis faeditas offendat. Wer ist Hieronymus gewest der hl. Lehrer? Ein Glanz der[181] Welt, eine Schanz' der Welt. Was hat er für ein Ansehen? Gar ein geringes, dann er gar klein von Person. Wer ist Cornelius a Lapide gewest? Ein Lehrer aller Wissenschaften, ein Vermehrer aller Wissenschaften, eine sondere Zierd' der ganzen Societät. Was hat er für ein Ansehen? Ja gar ein schlechtes, ein Männl kaum Spannlang: Cornelium à Lapide habuit Collegium Romanum hominem perpusillo corporis modulo ingentem animum et nullis studiorum laboribus fractum claudebat. Wer ist Carolus V. gewest? Fast über alle glorios, viktorios, generos, von Person aber nit gar groß. Wer ist Aristoteles gewest? Ein solcher Mann, der mit seiner Feder so viel Bücher, mit seinen Büchern so viel Schulen, mit seinen Schulen so viel Bibliotheken angefüllt, Aristoteles ein solcher Mann, dem Augustinus, mit Augustino Ambrosius, mit Ambrosio Anselmus, mit Anselmo Thomas de Uquino schier einen halb englischen Verstand zueignen; Aristoteles ein Licht der Weltweisen, ein Fürst der Weltweisen, eine Zier' der Weltweisen, der wird ja ein großer Mann gewesen seyn? Ja, ja, ja, ja, groß war er an Wissenschaft, nicht aber am Leib; denn er[182] ein kleines Männl, ein buckelt's Männl, ein großnasetes Männl. Und dennoch in einer so schlechten und niedrigen Herberg' hat logirt ein solches ansehnliches Gemüth! Nihil in homine magnum, praeter mentem, spricht gar recht Phaphotinus Philosophus: »die Größe des Menschen ist vom Gemüth, und nit vom Leib zu messen.« Alexander mit dem Zunamen Magnus, der Große, Theodosius mit dem Zunamen Maguns, der Große, Justinianus mit dem Zunamen Magnus, der Große, Agrippa mit dem Zunamen Magnus, der Große, Constantinus mit dem Zunamen Magnus, der Große, Carolus mit dem Zunamen Magnus, der Große, Otto mit dem Zunamen Magnus, der Große, Valerius mit dem Zunamen Maximus, der Größte, Fabius mit dem Zunamen Maximus, der Größte, Scipio Afrikanus mit dem Zunamen Maximus, der Größte etc. seynd nit derenthalben die Großen und die Größten genennt worden, weilen sie großer Leibsgestalt waren, sondern weilen sie große Gemüther hatten.

Gleicher Gestalt müssen auch diejenigen nicht verhöhnet und verspottet werden, welche von Natur eines schändlichen und ungestalten Leib's seynd! Es ist zwar der Jakob nicht allein, welcher ihm die schöne und holdselige Rachel auserkoren und der triefaugenden Lia einen Korb geben, sondern es ist bereits die ganze Welt also gesitt' und gesinnt, daß sie eine schöne Gestalt hoch achtet; und müssen nur Tischler und Bildhauer an holzernen Fratzen-Gesichtern ihr Wohlgefallen haben, worinnen sie nicht wenig Stemmeisen stumpf machen. Es wollte der große Assuerus, daß ihm die [183] schönsten Mägdlein aus dem ganzen Land' sollten nach seiner Residenz-Stadt Susa geliefert werden, aus denen er eine königliche Gemahlinn möchte erkiesen, und wurden die markolvischen Gesichter, die äsopischen Larven, die bubavischen Nacht-Eulen auf alle Weis' ausgeschlossen, er wollte eine erwählen, die sauber ist und nicht ein Sau-Bär ist. Führwahr in allem hat die Schönheit ihren Vorzug, und ist solche eine Portion der göttlichen Gnaden, welche der freigebige Gott dem Menschen spendirt: entgegen ist die Ungestalt verworfen, und mufft nicht wenig mit dem Lazaro: jam foetet. Abraham, schreiben die Rabbiner, hat auf der Reis' nach Egypten seine Sara als eine hübsche Dama sogar eingesperrt, damit selbige wegen ihrer Schönheit nicht angefochten wurde, ist aber dannoch gefunden worden: sogar ist die Schönheit ein Magnet der Augen und Herzen; aber ein übelgeschaffenes Gesicht achtet man weniger als einen Hackstock vor der Hausthür, welcher auch bei nächtlicher Zeit in Sicherheit stehet. In göttlicher Schrift wird nit wenig hervor gestrichen die Schönheit der Judith, der Rebekka, der Esther, des Davids, des Josephs, auch können Nicephorus und Antoninus nicht gnugsam preisen die schöne Gestalt und holdseliges Angesicht Christi Jesu: speciosus forma prae filiis hominum; des gleichen auch die Wohlgestalt des marianischen Angesichts, seiner übergebenedeiten Mutter. Die Ungestalt aber wird in der Welt und bei der Welt und von der Welt in gar so geringem Werth gehalten, daß auch Gott im alten Testament[184] die krumme, bucklete, blinde und mangelhafte Thier von seinem Opfer verbandisirt. Ja die Herrn Juristen sagen aus, daß, wo zween wegen einer begangenen Missethat im Argwohn seyn, solle man am allerersten denjenigen auf die Folter legen, welcher schändlich und ungestalt vom Gesicht; und wollen gar etliche, daß man sich hüten solle vor solchen Leuten, die Gott und die Natur gezeichnet hat; auch sey wahr, was der Poet zu einem Hinkenden geschnarcht hat:


Ut pede, sic animo es claudus, namque extera membra

Internae mentis sunt simulacra tuae:


»Du krummer Dieb, du Hinkeperz,

Ist nicht gerad' dein Fuß und Herz,

Der Leib von Außen zeiget frei,

Daß in dir seye Schelmerei.«


Ein schöner Ganymedes aber, ein hübscher Narcissus, ein krausthaariger Paris, eine wohlgeschaffene Helena, eine saubere Atalanta, wann sie den halben Tag unter den Fenstern stehen, oder vier Stund' auf dem Markt spazieren, oder eine Zeitlang mit fliegenden Augen in der Kirchen gaffen, pflegen nicht anderst[185] zu thun, als lachen, als kutteren, als spöttlen, so sie einen Menschen sehen, dem die Natur an Leibs-Gestalt sparsam gewest, ja es hat fast niemand eine Salva Quardia vor solchen Spottungen, dergleichen gehabt haben jene Raupen-Buben und Lotters-Fratzen, welche den Propheten Elisäum seines Glatzkopfs halber ausgelacht!

Jener einäugige Gesell spöttlete einen armen buckleten Tropfen, so fruh Morgens ihm begegnet, mit diesen Schimpfworten: Wo willst du so früh hinreisen, weilen du den Ranzen schon aufgeladen? Dem begegnet aber solcher gleich mit dieser Antwort: Ja, ja, es muß wohl sehr früh seyn, weilen du erst einen Fenster-Laden eröffnet hast! verstunde hierdurch sein Ein-Aug. – Ein anderer lachte gleichmäßig einen häßlichen Menschen aus, sprechend: Pfuy! du bist wohl ein garstiger, schändlicher, wilder Narr! Dem aber solcher absobalden widersetzte: ja ich bin ein garstiger, schändlicher, wilder Mensch; ich kann aber nicht darvor, denn meine Mutter hat sich an dir ersehen, wie sie mit mir schwanger gangen. – Dergleichen Spottreden fliegen herum, wie die Mucken in Egypten zu Pharaons Zeiten, und muß einer sich wohl in Acht nehmen, daß er keinen Stich ausstehen darf. Solche zaumlose aber nit zahnlose Mäuler machen es nit ungleich einer Schweizer-Kuh, welche eine ganze Wiese durchgraset und auch das schönste Blümlein nicht verschonet. O ihr zoilantischen Beschnarcher! fallt euch dann gar nicht ein, daß ihr durch solches Gott den Allmächtigen beleidigen thut, indem ihr seine Geschöpf also schimpflich durch die Hechel ziehet![186]

Anno 1540 war ein Edelmann zu Madrid Namens Franziskus Ramirez: dieser hat seinen Herrn Pfarrer, um willen solcher ein ungestaltes Gesicht, eine große rothe Nasen, dermassen veracht, verlacht, daß er zur österlichen Zeit sogar aus dessen Händen nit wollte communicirt werden, auch derenthalben sich zu einem andern Pfarrherrn begeben, allwo er seine schuldige Andacht verricht. Aber siehe, wie Gott für solche Spöttler so bald eine scharfe Laug siedet! Als obbenannter gestrenger Herr Franz Ramirez von dem Altar hinweg geht, vermerkt er einen unverhofften Schmerzen in seinem Angesicht, und gedunkt ihm, als wollt sich auch seine Nasen aufblähen, weilen er ohne das im Gemüth ein aufgeblasener Mensch war. Und als er derenthalben an die Nasen gegriffen, hat er alsbald gespüret, daß die ganze Hand voll mit Nasen, nimmt auch beinebens wahr, daß andere Umstehende ihn gar seltsam anschauen, auch seiner nit wenig lachten, welches ihm dann einen gnugsamen Anlaß geben, nach Haus zu eilen, woselbst er gleich den Spiegel um Rath gefragt, welcher ihm dann ohne Scheu das schändliche, das rothe, das mit rothen Rubin versetzte Angesicht des Pfarrherrn vorgestellet, und zwar so eigentlich, daß man die Copei von dem Original nicht unterscheiden kunnte. Dieß hat dem guten spanischen Junker dermassen das Herz getroffen, daß er hierüber tödtlich erkrankte und innerhalb acht Tagen mit sonderer Reu seines begangenen Frevels, nachdem er die heilige Sakramenta vom besagten Pfarrherrn empfangen, das Leben gelassen. – Indem du, mein Spöttler und Beschnarcher, zu lernen hast, daß man keinen Menschen[187] wegen seiner Ungestalt aushöhnen soll, weilen er so wohl unter die Geschöpf' der göttlichen Hand gehöret, als ein schöner, gerader und wohlgeschaffener Absalon. Ueber das, so mußt du aus der Scheid' nicht allzeit den Degen urtheilen! wie oft ist in einer schlechten zerrissenen Scheid eine ansehnliche Klingen! Es ist wohl öfter ein schöner Schatz in einer hölzernen Truhe, es ist wohl öfter ein Speck unter dem Kraut, es ist wohl öfter ein stattliches Buch in einem schlechten Einband, es seynd wohl öfter gut-gewichtige Dukaten in einer dürren Saublatter, es hat öfter schon ein großer Herr und König in einer Bauren-Hütten einkehret, es ist wohl öfter ein ungestalter, unförmlicher Mensch einwendig mit Wissen und Gewissen wohl versehen.

Ein gewisser König zu Babylon ist mit solchem Ernst wider die Christen verfahren, daß er ihnen gedrohet, alle zu köpfen, wofern sie nicht durch ihren Glauben einen großen Berg von einem Ort zu dem andern schaffen, laut ihres Evangelii: Wahrlich, ich sage euch, so ihr einen Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen: erheb' dich von hinnen dort hin! und er wird sich erheben und euch wird kein Ding unmöglich seyn! Weilen nun die Christen zu Babylon solcher Drohung halber sehr bestürzt waren und beinebens von Gott dem Allmächtigen ein so großes Mirakul zu begehren sich nit getraueten, also ist ein Engel vom Himmel dem Bischof daselbsten erschienen, ihme befohlen: er solle einen einäugigen Mann, Namens Arianum, zu diesem Wunderwerk erkiesen! welcher ungestalte einäugige Arianus nach vollbrachtem[188] dreitägigen strengen Fasten einem großen Berg befohlen: er solle von hinnen scheiden! welches dann alsobalden geschehen; wordurch die bedrängten Christen in ihrem Glauben gestärket, der König aber sammt Vielen bekehret worden. Siehe nun in einem einäugigen Ariano, siehe in einem buckleten, kahlkopfeten Elisäo, siehe in einem hinkenden Jakobo, siehe in einem langnasigen Bellarmino, große, herrliche und ruhmwürdigste Tugenden und Heiligkeit! So urthle hinfüro nit mehr aus einem mangelhaften Leib' ein schlechtes Gemüth!

Es hat öfters eine Beschaffenheit mit einem stattlichen Kerl wie mit einer stattlichen Perl'. Du siehest eine schlechte rauhe Muschel, eine knoperte Mißgeburt des Wassers, einen harten Meerfaim: wer soll sich einbilden, daß in diesem wilden ungestalten Geschirr soll etwas gutes seyn? eröffne aber solches: da wirst du finden eine kostbare, schöne, edle und stattliche Perl'. Wie die Perl', so mancher Kerl: Du wirst[189] zuweilen antreffen einen krüppelischen Menschen mit ungeformter Leibs-Gestalt, mit langen Ohren, fast schier wie ein Thier das heißt Esel, mit einer langen Nasen, als wäre solche auf der Folter gelegen, mit einem großen Maul, wie ein Affen-Gebieß, mit einem Buckel wie ein Cameel, etc. Du wirst dir gar keinen Gedanken machen, als ob in dieser Elend-Haut etwas Gutes stecke. Dennoch aber wirst du es erfahren, gleichwie in einer ungestalten Muschel eine stattliche Perl', also in dieser schlechten Menschheit ein stattlicher Kerl verborgen. Du wirst öfters antreffen ein treffliches Gemüth, eine lobreiche Frömmigkeit, eine ansehnliche Wissenschaft in einem so schlechten und Augenschein halber unachtbaren Menschen, gleichwie gefunden worden ein kostbarer silberner Becher in dem schlechten rupfenen Treidsack des Benjamin. Gedenke nur, daß ein krummes Holz so gute Hitz' gebe, als ein gerades! Der römische Galba hat einen Buckel gehabt fast so hoch, daß man hätte mögen ein Schilder-Häusl darauf bauen und er war dannoch ein unvergleichlicher Wohlredner. Aesopus hat ein solches Larven-Gesicht gehabt, daß auch die knoperte Rinde am Eichbaum seinem Fell fast an der Schönheit vorgangen; und gleichwohl war er der witzigiste Mann zu seiner Zeit. Rudolphus der erste römische Kaiser hatte eine so lange Nasen, daß ihm einmal ein Soldat auf die Seiten gewichen, sagend: er weiche auf die Seite, damit der Kaiser nicht mit der Nasen anstoße; und dennoch war er der vornehmste Ehrenzweig des weltberühmtesten österreichischen Stammen-Baums. [190] Quintius Fabius Maximus hatte eine so große ungestalte Warzen gehabt auf seiner obern Lefze, daß sie ihm fast wie ein Dächel über den Freßladen gehangen; und dennoch war er der allervortrefflichste Mann. Michael der römische Kaiser hat sehr stark mit der Junge angestoßen und mit der Red' gar hart fo- fo-fortkommen können; gleichwohl war er ein ansehnlicher Monarch. Philippus von Macedonien, Hannibal von Carthago, Sertorius von Spanien seynd einäugig gewest und doch waren sie die lobwürdigsten Herren. Henricus II. der Kaiser war krumm, Godefridus II. Herzog von Oesterreich war kropfet; und doch seynd sie beede die bravesten Fürsten und Herren gewest.

Weil denn öfters in einem mangelhaften Leib ein vollkommenes Gemüth; ideo non spernas hominem in visu suo; so verachte den Menschen nit nach dem äußerlichen schlechten Ansehen: wann er schon klein, ist schon genug, wann er ein groß Gemüth hat; wann er schon bucklet, ist schon genug, wann er einen aufrichtigen Wandel führt; wann er schon krumm ist schon genug, wenn er nur nit in große Sünden fällt; wann er schon schilchet oder einäugig ist, ist schon genug, wann er Gott allzeit vor Augen hat; wann er schon schwarz, ist schon genug, so er nur ein weiß Gewissen hat. Was hilft es, einen[191] gekrausten Kopf haben, der aber mit Stroh ausgefüttert? was hilft es, einen schönen guldenen Becher haben und darinnen nichts als ein schlechtes Stein-Bier aus Kärnthen? was hilft es, ein Paar wohlriechende römische Handschuh tragen, und darinnen krätzige Prazen? was hilft es, einen wohlgeschaffenen, wohlgenaturten, wohlgestalten, wohlgeliebten, wohlgeputzten Leib haben, worinnen aber alle Laster nisten? Weit rühmlicher ist es, einen ungestalten Leib tragen, als ein übelgestaltes Gemüth. Crates, Damon, Hippocrates, Sokrates, Agesilaus, Gellias, Philopoemon seynd lauter großkopfete Kappadocier gewest; lauter hinkende Claudiani, lauter schilchende und einaugige Cäcilii;[192] lauter großohrende Aureliani, lauter langnasende Nasones, lauter großmaulete Orestes; und doch, und doch, und doch die wackersten, die gelehrtesten Leut'! Entgegen Adonis, Atys, Cyparistus, Crocus, Aranthus, Amaracus, Hylas, Nisus, etc. seynd lauter schöne, wohlgeschaffene und hübschgestalte Leut' gewesen und beinebens Ehe vergessene, Ehr vergessene, Lehr vergessene Gesellen gewest. Solche Tölpel kommen mir vor wie die Tempel der Heiden, benanntlich in Japonien: allda der Tempel der Amida zu Meaco, der Tempel der Casunga, der Tempel Day, der Tempel Fachinam, der Tempel Tinchidai seynd auswendig von glattem Marmor, von kostbaren Jaspis, mit dem besten Gold auf das reichiste überzogen; einwendig aber – was? ein Hund, eine Katz', ein Teufel, ein großmaulender Uzlibuzli, ein abscheulicher Götz'!

Gar recht hat der allmächtige Gott dem Propheten Samuel, als er des Isai ältesten Sohn Namens Eliab vermeinte zum König zu salben, um weilen derselbe ein großer, wackerer Kerl war, diese Wort geredet: Samuel, siehe sein Gesicht nicht an, noch die Höhe seiner Person![193]

Siehe nur, meine schmutzige, nichtsnutzige Welt, merk's fein, du hinkende und stinkende Welt, gedenk, du läppische und täppische Welt, daß man den Menschen wegen des bloßen schönen Ansehens nicht soll erheben, noch weniger wegen des schlechten und geringen Ansehens verwerfen!

Wie hat des Moses Weib geheißen? Antwort: Sephora; was ist sie für eine Landsmänninn gewest? Antwort: eine Madianiterinn; wer ist ihr Vater gewest? Antwort: der Raguel; wie viel hat sie Schwestern gehabt? Antwort: sechse; wie hat sie ausgesehen? Antwort: fast wie der Teuchßl; denn sie war eine schwarze Mohrinn, wessenthalben des Mosis Schwester so stark gemurrt, daß ihr Bruder eine solche rußige Braut und cortabonische Haut geheirathet. Er hätte gar wohl eine andere und weit schönere können werben; aber ihm hat diese gefallen, nicht weißer Händ' halber, sondern unsträflichen Wandels halber; nicht gerader Seiten halber, sondern guter Sitten halber; nicht des äußerlichen Scheins halber, sondern der innerlichen Schöne halber; nicht Geburt halber, sondern Gebährden halber; nicht Geblüt halber, sondern Gemüth halber. Allermassen die Schönheit vergehet, aber die Tugend besteht. Merk's demnach wohl: das Achten und Verachten sich nicht muß gründen auf das äußerliche Ansehen! achte niemand dessenthalben, weilen er schön vom Leib ist; verachte[194] auch niemand derentwegen, weilen er ein geringes Ansehen hat!

Judas Iscarioth ist nit der Ursachen halber zu schimpfen, weilen er, wie etliche vermuthen, einen rothen Bart gehabt, noch darum zu schelten, weilen er klein von Person gewest; sondern weilen er ein boshaftiges, sündhaftes, lasterhaftes, neidhaftes Gemüth gehabt und ein Erz-Schelm gewest ist. Darum merk's! –

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 1, S. 159-195.
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