Was den Judas Iscarioth zum Rauben und Klauben veranlasset habe und die Ursach' gewest sey seines Diebstahls?

[450] Etliche Scribenten seynd der Meinung, daß dieser Erz-Schelm derenthalben habe aus der apostolischen Kasse gemaust und sich untreu verhalten, auf daß er mit dem entfremdeten Geld sein Weib und Kind erhalte; andere seynd der Aussag', als sey Judas nicht zufrieden gewest mit der armen Tafel der Apostlen, und habe er anstatt Kraut und Rüben zuweilen sich anderwärts um etliche Groschen eine gute[450] Jausen zurichten lassen; viele sagen – denen ich gleichfalls beistimme – Judas habe gestohlen aus Mißtrauen der göttlichen Providenz und Vorsichtigkeit: Euthymius, Theophilactus, Cyrillus in Juda: Paschasius lib. 6. Eusebius Emissenus, Hom 10. etc.; denn allem Ansehen nach konnt er leicht abnehmen, sonderlich aus dem Haß und Mißgunst der hohen Priester, daß Christus einmal unverhoffter Weis' werde aus dem Weg geräumet werden. Gedachte demnach, er wolle sich selbsten anjetzo ein Geld zusammen machen, damit er ins künftig mit nothwendigen Lebens-Mitteln versehe sey; dann er jederzeit große Sorg' tragte, und derentwegen nit wenig Kummer sein Herz beängstigte, wie er heut oder morgen sein Stuck Brod möchte gewinnen.

Von dem heiligen und honigsüßen Bernardo schreibet man, daß er auf eine Zeit ganz wunderlich die Mucken vertrieben: Er kam einst in die Abtei Fusniac; wollte daselbst beiwohnen der ersten Weih' einer neuen Kirche. Weilen aber eine so unglaubliche Menge der Mucken besagtes neue Gotteshaus dergestalten eingenommen, daß die Leut' von dero Schnurren und Stechen über die Massen beängstiget wurden, solches hat dem hl. Bernardo sehr mißfallen, daß so kleine Thier'l so großen Ueberlast sollen verursachen:[451] fasset dahero einen billigen Zorn gegen sie, und hat dieselbe allesammt excommuniciret. Was Wunder! der andern Tags hat man die Mucken alle verreckt gefunden. Aus welchem Wunder nachmals das gemeine Sprichwort entstanden: Zu Fusniac vertreibt man die Mucken. – Ich wollte wünschen, daß ich ebenfalls diese große Macht hätte über die Mucken, wie der hl. Abt. Bernardus, so wollt' ich nit allein die Mucken zu Fusniac, sondern in der ganzen Welt vertreiben – verstehe aber solche Mucken, welche Judas und seines Gleichen viel andere haben, die sich sogar auf die göttliche Providenz nichts verlassen. Ein mancher sieht so sauer aus wie ein Essigkrug, er kratzt hinter den Ohren wie ein Pudelhund im Julio, er seufzet die ganze Zeit wie ein alter Schanz-Karren, der nit geschmiert ist, er ist so maulhenkcolisch, daß man in dem Kalender seiner Stirn nichts als trübes Wetter liest, er red't nichts, und ist fast stiller als die Glocken am Charfreitag, er setzt sich an dem Tisch nieder, unterstützt den Kopf mit der Hand, um weilen sein Schädel gar zu schwer wegen schwermüthiger Gedanken: Der Esels-Kinnbacken, wormit Samson tausend Philister erlegt, hat Wasser geben, also rinnen auch die Thränen über dieses Esels-Kopf seine Backen herunter; der Schwemmteich zu Jerusalem, allwo so viel presthafte Tropfen gelegen,[452] hat gesund gemacht, wann er von dem Engel bewegt und trüb gemacht worden, aber diesen Lümmel macht seine Betrübnuß krank; die dreihundert Soldaten des Josue haben bei dem Fuß, allwo sie gemustert worden, aus der Hand getrunken, dieser Gispel aber sauft stets aus dem Angster, dann er in lauter Angst schwebet: Mit einem Wort, in Egypten zu Pharaonis Zeiten war eine unzählbare Menge der Mucken; aber dieser Phantast hat noch mehrere Mucken, er macht sich Tag und Nacht Mucken, früh und spät Mucken, Sommer und Winter Mucken, wie er sich doch mag erhalten! Was muß ich anfangen? sagt er, klagt er, fragt er, mein Gewerb ist unter dem Zeichen des Krebses, geht alles zurück; mein Maul ist unter dem Zeichen des Wassermanns, ich getrau' mir keinen Wein zu trinken; min Weib ist unter dem Zeichen des Zwillings, hat mir das Jahr zwei Kinder auf einmal gebracht; meine Freund' seynd unter dem Zeichen des Scorpions, sie lassen mich alle im Stich. Was muß ich denn anfangen? Es ist kein Geld in der Tasche, es ist kein Wein in der Flasche, es ist kein Treid in der Scheuer, es ist kein Hafen beim Feuer, es ist kein Brod im Haus, es ist alles aus. Was muß ich doch anfangen? Es wär kein Wunder, ich thät mich henken! Ich bin ganz verlassen! O Narr! verlassen? Freilich bist verlassen! aber nit von Gott, sondern von deinem Verstand! Kannst du betten? Ja. Wie betest du? Vater unser, [453] der du bist im Himmel. So hast du deinen Vater im Himmel. Für was machst du dann solche unnöthige Mucken? Du hast einen Vater, der der reichste ist; du hast einen Vater, der der mächtigste ist; du hast einen Vater, der der gütigste ist: der wird dich nit verlassen, laß ihm die Sorg über! Du bist ja besser als ein Luchs oder ein Fuchs, du bist ja mehr als eine Katz oder ein Spatz, du bist ja vornehmer als ein Pfau oder ein Rab; und dannoch – Gott erhält diese, warum soll er dich verlassen, der doch dein Vater und du sein Kind, der doch dein Erschöpfer und du sein Ebenbild, der doch dein Hirt, und du sein Lämmlein! Omnem solicitudinem vestram projicientes in eum, quia ipsi est cura de nobis. Hast kein Brod im Haus? Verzag nit, verlaß dich auf denjenigen, der mit wenig Brod so viel tausend in der Wüste gespeiset hat! haben deine Kinder hier keine Kleider anzulegen. Verzage nit, verlaß dich auf denjenigen, der den Israeliten 40 Jahr in der Wüste so wunderbarlich ihre Kleider erhalten! Trägt dir heuer dein Wein-Garten nichts? Verzag nit, verlaß dich auf denjenigen, der zu Cana in Galiläa aus dem Wasser Wein gemacht, laß die überflüssige Mucken seyn!

Vom Wiperto, Bischof zu Ratzenburg, ist bei Kranz zu lesen, und zwar nit ohne Verwunderung: Nachdem dieser als ein Jüngling durch einhellige Wahl und gesammte Stimmen zur bischöflichen Würde[454] erwählet worden, und derenthalben nach Rom gereist, von Ihro Heiligkeit die Dispensation wegen des Alters abzuholen, hat solchen der Pabst als einen jungen Menschen, welcher kein Härlein ums Maul, veracht' und alle Dispensation geweigert. Die folgende Nacht hierauf ist aus Wiperto dem Jüngling ein eisgrauer Mann worden, welches den Pabst dahin veranlasset, daß er unverweilend mit ihm dispensiret. So geschwind grau werden, ist viel, ist ein Wunder, sagst du, sagt er; ich aber sag', es sey bereits kein Wunder mehr, daß etliche vor der Zeit weiße und graue Haar bekommen. Bona dies, Meister Matthias! je! wie so weiß, wie ein alter Greis! und zwar vor der Zeit, wie kommts? Wie wollts kommen! von lauter Sorgen: ich schreib', ich treib', ich schnauf', ich lauf', ich gehe, ich stehe, ich sorg', ich borg', ich bau', ich schau', ich faß', ich haß', ich hüt', ich brüt', ich trag', ich jag', ich setz', ich wetz', ich wacht', ich kracht', ich ziech', ich kriech', ich schab', ich grab' Tag und Nacht, fruh und spat, es will doch nichts erklecken, ich kann nit einen Pfenning ersparen! was ich täglich einnimm, das verzehrt der Kuchelzecker wieder: die Kinder stehen nach einander, wie eine Orgel, die pfeifen mich stets an um ein Brod; es will so gar nichts ersprießen: ich thue sogar am Feiertag keinen Feiertag machen, und schau, wie ich etwas gewinnen mag, so will doch alles nit erklecken! Wann[455] ich einmal krank und liegerhaft werde, so komm' ich ins Bettl, und mein Weib an Bettel: das macht mir die graue Haar! etc. O Lettfeigen! ich wünsche, du wärest weis' und nit weiß, so würdest sehen und bestehen, daß du zu viel auf Menschen-Fleiß und Schweiß bauest, und zu wenig auf Gottes väterliche Vorsichtigkeit vertrauest! Wisse, daß kein einiger, der sich auf Gott verläßt, könne verlassen werden!

Es seynd auf eine Zeit ihrer zwei über Land gereist. Einer war ein melancholischer Muffianus, der sich stete Mucken gemacht, wie er sich und die Seinigen möcht' ernähren! der andere aber war ein lustiger Gesell, der sich weiter mit keinen Sorgen überladen, sondern stets gepfiffen und gesungen. Mein Kammerad, sagt der Melancholist, wie kannst du um Gottes Willen so fröhlich seyn? ich vermeine, in deinem Gemüth sey alle Tag Kirchtag; ich glaub', dein Herz speist sich mit lauter Alleluja; ich sehe, Dominica laetare ist bei dir ein einziges Jahr; wahrhaftig, du sollst Bruder Ju- Ju- Ju- Jucundus heißen. Ich meines Theils, weiß um keine fröhliche Stund', will geschweigen einen Tag; denn bei diesen schweren Zeiten sorg' ich stets, wie ich mich und die[456] Meinigen möge erhalten. Was, antwortet der andere, soll ich traurig seyn? die seynd Narren, fahren Dutzentweis auf einem Karren, welche melancholisch seynd; weißt du das nit, daß Melancholia des Teufels seine Amme sey? ich bin wohlauf, ich bin Allegro, ich bin guter Ding, verlaß mich auf Gott, per quem nec alles esurit, der verläßt keinen Deutschen nicht. Allein gar faullenzen thue ich auch nit; meinen Fleiß und Arbeit thue ich nicht sparen, auch wie billig die Hand anlegen; im Uebrigen lasse ich Gott walten, er ist ein guter Vater! Ich mein' schon, sagt der andere, wie viel weiß ich deren, die sich auf Gott alleinig verlassen, und nachmalens in das Spital kommen seynd beim heiligen Geist: es wird dir gewiß unser Herr alle Wochen einen Hafen voll Miracul durch St. Veit herunter schicken! wart' eine Weil, St. Nicola legt nit alle Tag ein! – Mit diesen und dergleichen Spottwörtern nimmt er seinen Weg fort, und macht sich stete Gedanken, wie er künftig seine Sach' möge anstellen. Fällt ihm unter andern ein: wann er einmal sollte blind werden – wie es gar leicht möchte geschehen – was er doch müßte anfangen? er könnte nicht einen Pfenning gewinnen, – da wär ich wohl ein armer Narr! Das ist wahr. Druckt also dieser Gispel beede. Augen zu, und probirt sich im Fortgehen, wie es um einen Blinden Beschaffenheit habe, der sein Gesicht[457] verloren. Indem nun der Phantast eine Weile mit verschlossenen Augen fortgangen, hat er einen großen Beutel Geld, so auf dem Weg gelegen, übersehen welchen sein lustiger Reis'gespann, der ihm auf dem Fuß nachfolgte, mit höchsten Freuden aufgehoben, und nachgehends hundert und hundertmal wiederholet: Gott verläßt keinen, der sich auf ihn verläßt!

Was seynd doch die Raben? Die Raben seynd Farb halber des Teufels seine Livre-Träger; die Raben seynd Gesang halber des Henkers seine Zeiserl; Raben seynd Speis halber des Schinders seine Kostgeher; Raben seynd Stehlens halber aller Erz-Dieb ihre Spieß-Gesellen; der Rab, welchen Noe aus der Arche als einen Curier gesandt, hat sich nit anderst verhalten, als wie ein meineidiger Schelm; aus allen Thieren ist eines nach dem Sündfluß Gott dem Herrn geopfert worden, ausgenommen die Raben: diese kohlfärbigen Dieb' haben das Deo Gratias vergessen. Nichtsdestoweniger trägt der allmächtige Gott eine sonderbare Sorg und Sorgfältigkeit über die Raben. Quid dat escam pullis corvorum invocantibus eum? Wann der schwarze Vater und die schwarze Mutter, beedes Rabenvieh siehet, daß anfangs ihre ausgeschloffenen jungen Raben weiß bekleidet seyn, und nit mit gleicher Schwärze prangen, so halten sie diese jungen Dieb' nit für ihre eigene Brut, sondern für Bankart, verlassen sie derenthalben zehen oder[458] zwölf Tag' ohne einige Speis'. Unter dieser Zeit seynd die jungen Tropfen Kostgeher der göttlichen Providenz, sintemalen sie Gott, wie etliche vermeinen, pfleget zu speisen mit sonderlichem Himmels-Thau, oder wie andere wollen, thut der mildherzigste Gott ihnen gewisse kleine Mucken in die aufgesperrten Schnäbel schicken, mittels derren die Raben erhalten werden. Thut nun Gott die jungen Raben so sorgfältig ernähren, erhalten, erquicken, versehen, verkösten, warum, um Gottes willen, soll ich mich also kleinmüthig erzeigen, als ob er wolle meiner vergessen! Thue ich einem rechtschaffenen wahrhaften Mann glauben, und auf sein Wort und Versprechen mich verlassen; warum sollt ich nicht mehr glauben ihm, der im 10ten Psalm versprochen, im 27sten Psalm versprochen, im 32sten Psalm versprochen, im 33sten Psalm versprochen, im 39sten Psalm versprochen, im 54sten Psalm versprochen, im 103ten Psalm versprochen, im 117 Psalm versprochen, im 138ten Psalm versprochen, im 140sten Psalm versprochen, im 144sten Psalm versprochen: daß er stete Sorge tragen wolle über die Seinigen, daß keiner solle verlassen werden, der sich auf ihn verläßt, und sollst du Gott nit glauben? du – Gott?

Der allmächtige Gott hat dem Mosi unterschiedliche Geschäfte und Ceremonien anbefohlen, die er in seinem götlichen Tabernakel soll vollziehen. Unter anderen hat Gott Mosi geboten: er solle einen guldenen Tisch nach seinem göttlichen Abriß verfertigen, und auf denselben jederzeit das Schaubrod legen: Et pones super mensam panes propositionis in conspectu meo semper. Versio [459] Hebraea sagt, daß obbenenntes Schaubrod fast sey gewest, wie bei uns die Lebzelten, auf welchen gemeiniglich unterschiedliche Figuren zu sehen: also habe gleichmäßig ein jedes Schaubrod die Abbildung eines Gesichts mit sehr viel Augen vorgestellt; wessenthalben es panis facierum das Schaubrod, genennet worden. Merke es wohl, mein kleinmüthiger Christ! unsers Herrn sein Brod ist voller Augen und heißt das Schaubrod; dann es schaut in der ganzen Welt herum, wer es von Nöthen habe! Der hl. Abt Gevardus hat Brod von Nöthen gehabt, und siehe! solches ist ihm im Ofen gewachsen. Der hl. Apollonius hat Brod von Nöthen gehabt, und schaue, solches ist ihm in der Hand gewachsen, daß er mit einem Stück 3000 Arme gespeist! Der hl. Onophrius hat Brod von Nöthen gehabt, und betrachte, solches haben ihm alle Tag die Engel gebracht! Der hl. Nicolaus von Tolentino, meines Ordens, hat Brod von Nöthen gehabt, und erwäge, solches hat ihm die Mutter Gottes gebracht. Der hl. Einsiedler Paulus hat Brod von Nöthen gehabt, und siehe, solches hat ihm ein Rab' gebracht! Der hl. Mann Capistranus hat Brod von Nöthen gehabt, und gedenke, solches haben ihm die Engel gebracht! Rochus, der hl. Beichtiger, hat ein Brod von Nöthen gehabt, und solches hat ihm Gott geschickt durch einen Hund!

Sagt her und bekennt solches zu größerer Ehr' Gottes, ihr Geistliche und Ordens-Leut', die ihr euch mit dem Bettelsack ernähret; wann ihr Brod von[460] Nöthen habt gehabt, ob euch Gott verlassen? Nie, nie, niemalen. Nie! sagt Vincentius Ferrerius ein hl. Dominicaner, Katharina Senensis eine hl. Dominicanerinn, Jordanus ein hl. Dominicaner; denn Gott wunderbarlicher Weis' unser Brod-Kasten und Speis'-Gewölber angefüllet. Nie, nie, nie – sagt Theresia eine hl. Karmeliterinn, Maria a St. Hieronymo eine hl. Karmeliterinn, Benedictus a Jesu Maria ein heiligmäßiger Karmeliter – hat uns Gott in der Noth verlassen, sondern entweder durch Engel oder andere übernatürliche Weis' uns gespeist. Nie, nie, nie – sagt der hl. Thomas Ariminensis ein Augustiner, der selige Joan nes Bonus ein Augustiner, die selige Christina eine Augustinerinn – hat uns Gott verlassen in der Noth, sondern allemal durch wunderbarliche göttliche Providenz versehen. Nie, nie, nie – sagt Bernardinus ein hl. Franziscaner, Didacus ein hl. Franziscaner, Luchesius ein hl. Franziscaner – hat uns Gott in einer Noth verlassen, sondern zu jeder Zeit hilfreich beigesprungen. Nie, nie, nie, und hundertmal nie, sagen alle Kapuziner, hat uns Gott in einer Noth verlassen. Solches Miracul und Wunderwerk haben wir erfahren Anno 1532 zu Nucera, Anno 1537 zu Thury, Anno 1539 zu Bevoloni, Anno 1540 zu Schy im venetianischen Gebiet, Anno 1558 zu Perus, Anno 1580 zu Mailand, Anno 1552 zu Bugell, Anno 1552 zu Leonissa, Anno 1554 zu Tiphern, Anno 1556 zu Polenz, Anno 1570 zu Genua. Ei, was nennt ihr solche fremde und weit entfernete Klöster, sagt lieber,[461] Gottes wunderbarliche Vorsichtigkeit haben wir erfahren öfters zu Wasserburg, zu Augsburg, zu Salzburg, zu Würzburg, zu Regensburg, zu Freiburg etc., allwo manchesmal Gott uns wunderbarlich ein Helfenburger gewest ist. Gott verläßt Niemand, den sich auf ihn verläßt.

Christus Jesus unser gütigster Heiland hat einst viel tausend Personen mit seiner Wohlredenheit in die Wüste gezogen, und weilen er vermerkt, daß solches eifriges Volk bereits schon den dritten Tag nit einen Bissen ins Maul genommen, also hat er ein herzliches Mittleid gegen diese guten Leute geschöpft, die beigebrachten fünf Gersten Brod also vermehret, daß nit allein viel tausend hierdurch ersättiget, sondern noch darüber zwölf große Körb' voll mit den übergebliebenen Stücken angefüllet worden. Was noch das Wunder vergrößert: nit allein wurden so viel tausend nach Vergnügen gespeiset, nicht nur allein wurden zwölf Körb voll Scherzl geübriget, sondern die mehrsten Männer nahmen ein Stück Brod mit sich in Sack, die mehrsten Weiber nahmen ein Stück Brod darvon ins Fürtuch, damit sie solches Kennzeichen des geschehenen Wunderwerks auch zu Haus konnten weisen. Schau, sagte mancher, mein lieber Vetter Jeremias, mein lieber Schwager Samuel, mein lieber Nachbar Abraham, schau, das ist auch ein Stück von dem Wunder-Wort! Was muß ich dir sagen, sprach manches Weib, du hast auch gehört von jenem Wunder, welches Jesus von Nazareth gewirket hat in der Wüste! Gedenke, meine liebe Schwester Sara, schaut[462] um Gottes Willen, meine liebe Frau Rebecca, siehe meine liebe Mitbürgerinn Rachel, das ist auch ein überbliebenes Scherzl von demselben Wunder-Brod!

O wie viel tausend und tausendmal ist solches Wunder schon geschehen, daß Gott in einem Haus das Brod so wunderbarlich und die menschliche Unterhaltung vermehret hat. Ich gehe in das Haus eines ehrlichen Manns hinein, von dem mir bewußt ist, daß er einen christlichen, gottesförchtigen Wandel führet, daß er täglich eine hl. Meß höre, daß er seine Kinder in der Furcht Gottes auferziehe, daß er seine Dienstboten in gebührender Zucht halte; mit diesem fange ich an ein freundliches Gespräch, sage unter andern: mein lieber Herr oder Meister, ich sehe, ich merke, ich spüre, es geht Euch im Jahr ein Merkliches auf. Freilich wohl, antwortet mir dieser, ich kanns mit meinem Gewissen betheuren, daß ich selbst nit weiß, wo ich es hernehme: mein Vater, am Maul lasse ich mir nichts abgehen, einem guten Freund setze ich noch einen guten Wein vor, aus meinen Kindern heißt keines Lazarus, mein Weib heißt Abundantia, ich kanns mit Gott bezeugen, daß ich einmal durch daß ganze Jahr die Ausgaben habe aufgezeichnet, und in der Wahrheit gefunden, daß solche mein Einkommen weit übersteige. Zudem weiß ich, daß ich keinen Menschen um einen Heller betrüge, und find' dannoch in allen den Segen. – Wißt ihr was, ihr habt auf eurer Tafel, in euren Händen, in eurem Haus auch ein Wunderbrod! Gott ernähret eure Habschaft und Wirthschaft, um weilen ihr ihm dienet,[463] und euch auf ihn verlasset. Das heißt promptuaria eorum plena, oves eorum foetosae, boves eorum crassi, non est ruina maceriae. Das heißt: Gott verläßt keinen, der auf ihn bauet und der auf ihn trauet.

Anno 1605 hat sich zu Neapel etwas zutragen, worin, woran, worbei, woraus sich alle Jungfrauen spieglen können. Eine manche Jungfrau Agnes hat lieber den Lambert als das Lämmel, eine manche Jungfrau Cäcilia hat lieber den Organisten als die Orgel, eine manche Jungfrau Barbara hat lieber den Thurner als den Thurm, eine manche Jungfrau Katharina hat lieber den Wagner als das Rad, eine manche Jungfrau Dorothea hat lieber den Körbelmacher als den Korb. O unbehutsame Weibsbilder, so ist euch dann Löffelkraut lieber, als Ehrenpreis! Wißt ihr so gar nicht, daß eine Jungfrau genennet wird Doncella, so viel laut, als Donum Coeli, eine sondere Gab Gottes. Gefallt euch denn besser die schnöde Farb', als die Schnee-Farb? Habt ihr dann nichts gehöret vom Ethall in Bayern, allwo ein marianisches Gnaden-Bild so schwer von Silber, daß es niemand heben kann außer ein kleines Kind oder eine unversehrte Jungfrau? Nehmt ein Exempel, ein Exemplar, erwäget einen Model oder ein Modell eurer jungfräulichen Ehren, was sich Anno 1605 zu Neapel ereignet: Allda hatte eine Mutter eine einige Tochter, welche aber beede ganz arm, außer daß die Tochter ganz tugendreich, im übrigen Fall ganz mittellos, nicht aber gewissenlos; welche dann desto höher zu achten, weilen sie weder Silber noch Gold und[464] dannoch das theuerste Kleinod ihrer Ehr' so fest erhalten, indem sonst gemeiniglich die Noth nit allein das Eisen, sondern auch die Ehr' bricht; und bleiben selten in beständiger Freundschaft Noth und Nothburga. Erstbenennte Tochter war über alle Massen eines wohlgeschaffenen Gesichts und Leibsgestalt, beinebens aber bettelarm. Ja sie sammt der Mutter, weilen auch keine Arbeit mehr vorhanden, womit sie sich konnten ernähren, seynd in solche äußerste Noth gerathen, daß sie auch den Strohsack, auf dem sie gelegen, verkauften. Weilen dann solche Armuth dem Weib gar zu schwer und unerträglich gedunkte, also seynd nicht wenige Gedanken in beide Gemüther geschlichen: sie sollen ihre Ehr' in die Schanz schlagen, und also den Leib feil bieten. Indem aber sowohl die Mutter, als die Tochter bishero nichts als einen ehrlichen, gewissenhaften und preiswürdigen Wandel geführt, so wollten sie annoch in demselben verharren, auch lieber vor Hunger sterben, als den gütigen Gott mit solcher Unthat beleidigen. Absonderlich aber stärkte die Tochter ihre bedrängte Mutter, und ermahnte sie stets, daß sie auf Gott sich soll verlassen, von dem sie auf keine Weis' können verlassen werden. Schneid't hierüber ihre eignen goldfarbnen Haar' von dem Kopf, gibts der Mutter, sie solle diese auf dem Markt feil bieten, und aus dem Geld nachmalens ein Brod in das Haus schaffen. Als nun besagte arme Frau die schönen langen Haar' auf den Markt tragte in den Händen, hat ein Bedienter eines vornehmen und großen Herrn sich über diese schönen Haar' sehr verwundert; derentwegen das Weib sammt ihrer hübschen[465] Waar' zu seinem Herrn nach Haus geführt, welcher gleichmäßig sich in diese Haar' verliebet, auch unverzüglich das verlangte Geld um erbotenen Preis dargezählt. Fragte aber beinebens, ob ihre Tochter sey eine Kloster-Jungfrau worden? Darauf sie nein geantwortet; sondern aus purer Noth und äußerster Armuth habe sie solche abgeschnitten, zu verkaufen, damit sie nun auf etliche Tag zu essen hätten. Solches ist dem reichen Edelmann dergestalten zu Herzen gangen, forderist wie er die gewisse Nachricht eingebracht, daß erstgemeldete Tochter ein so ehrliches Mägdl sey, daß er alsobald eine schöne Summa Geld ihr für ein Heirath-Gut dargeschossen, wordurch nachmals die Mutter sammt der Tochter reiche Lebens-Mittel erhalten. So ist dennoch wahr, und bleibt wahr, was Lucas am 12ten, was Jacob am 1sten, was Matthäus am 6ten, was Joannes am 46sten, was Jeremias am 17ten geschrieben: Der sich auf Gott verläßt, kann nit verlassen werden.

Mucken-Brüter, Grillen-Vögt', Sorgen-Kramer, Lettfeigen, Melancholei-Schmidt, Kummer-Hansen, Trauer-Nest, seyd ihr noch mit Aengsten angefüllt, wie das trojanische Pferd mit Soldaten? Glaubt ihr noch, ihr werdet euch ins künftig nit können erhalten? förcht ihr euch noch, euer Brod-Kasten werde die Schwindsucht bekommen? O Spott-Gesellen![466] derjenige Gott, welcher den Daniel in der Löwen-Grube, welcher den Elias in der Wüste, welcher die Israeliten in der Einöde gespeist hat, dieses Gott lebet noch! Warum verläßt du dich nicht auf ihn? Derjenige Gott, welcher durch einen Fisch dem Apostel Petro Geld hat geschickt, derjenige Gott, welcher Brod dem. hl. Einsiedler Paulo durch den Raben hat geschickt, derjenige Gott, der dem hl. Thomä Villanovano wunderbarlich die Scheuer mit Treib angefüllt, derjenige Gott, welcher der Wittib zu Sarepta ihr Geschirr mit Oel wunderbarlich angefüllt, derjenige Gott lebt noch: warum verläßt du dich nit auf ihn? Er verläßt nit den Wolf, warum soll er verlassen einen Wolfgang? Er verläßt nit den Bären, warum soll er verlassen einen Bernhard? Er verläßt nit den Adler, warum soll er verlassen den Adelbert? Er verläßt nit die Enten, warum soll er verlassen Antonium? Er verläßt nit den Basilisk, warum soll er verlassen Basilium? Er verläßt nit die Henn', warum soll er verlassen den Henrich? Er verläßt nit den Löwen, warum soll er verlassen einen Leonhardum? Er verläßt nit den Luchsen, warum soll er verlassen den Lucam? Ich will sagen: er verläßt kein einiges Thierl, sondern speist dieselbigen: implet omne animal benedictione; warum soll er dich verlassen, den du täglich für deinen Vater er kennst und bittest: Vater unser, der du bist im Himmel!

Wie Gott der Allmächtige die Welt erschaffen, hat er allerlei Bäume mit den edelsten Früchten und stattlichstem Obst hervor gebracht, ehender und bevor[467] er den Adam als ersten Menschen formiret: daß also der mildherzigste Vater schon das Essen, gute Bissel und das beste Konfect in die Bereitschaft gestellt, ehe der Mensch gewest, auf daß Adam Gott nit habe können nachsagen, er habe einmal einen Abgang gelitten: »Ut mundum ingressus, inopià minimè laboraret.« Er, her himmlische Vater, läßt sich den üblen Nachklang nicht zu, daß er einmal einen in der Noth solle verlassen, der sich als ein Kind auf ihn verläßt. Die Apostel waren einmal in großer Lebens-Gefahr, und hatten alle Augenblick den Untergang zu förchten; denn ihr Schiffel wurde dergestalten von den tobenden Wellen so grimmig angefochten, von dem ungestümmen Windbrausen also grausam getrieben, daß sie wegen des vor Augen schwebenden Todes wie das Wachs erbleicht. Mitten in dieser höchsten Gefahr erscheinet ihnen Jesus auf dem Meer; und als sie solchen ersehen, seynd sie noch mehr ertattert; denn sie kurzum vermeint, es sey ein Gespenst. Aber sagt her, um Gottes Willen, ihr Jünger und Apostel, sollt ihr denn Christum Jesum nicht kennen von Angesicht? Seynd erst etliche Stund', daß ihr mit ihm geredet, ist schon eine so geraume Zeit, daß ihr stets bei ihm, mit ihm, um ihn, und anjetzo schaut ihr ihn an für einen Wauwau, für ein Gespenst? Dicentes, quia phantasma est. Es ist wahr, antworten die Jünger, wahr[468] ist es, wir haben ihn für ein Gespenst gehalten, derenthalben: dann wir haben uns nicht können einbilden, daß er soll unser Herr seyn, weilen er uns in der Noth nit gleich Hilf geleist'. Es glaubten die lieben Apostel, daß es wider die Natur unsers lieben Herrn sey, daß er einem in der Noth nicht gleich beispringe. Was fristest du denn so viel Kummer, o Kleinmüthiger! was kochst du denn so viel Sorgen, du Hasenherz! was schnitzlest denn so viel betrübte Gedanken und schwermüthiges Nachsinnen, du mißtrauender Tropf, indem du vergewissert bist, daß dich Gott in keiner Noth läßt stecken, wann du deine Zuversicht zu ihm nimmst? O modicae fidei. Gott ist von Natur zum Geben, zum Schenken, zum Helfen, zum Ehren und Ernähren geneigt.

Der Allerhöchste pflegt zuweilen nicht gleich seine mildreiche Hand zu bieten in der Noth, sondern verweilet oft ein wenig, damit er hierdurch den Glauben der Menschen desto besser probire. Wie Christus der Herr ganz glorreich auferstanden von den Todten in aller Früh vor der Sonne Aufgang, da waren die Jünger des Herrn sammentlich bei einander, und haben erwartet die Ankunft ihres gebenedeiten Jesu. Da es nun gegen Mittagzeit war, wurden sie alle ganz kleinlaut, und sagte einer zu dem andern: der Herr werde hart mehr kommen, es sey schon über die Zeit. Wie aber der spate Abend herbei genahet – Cum serò esset – da ist ihnen der glorreiche Heiland erschienen, und in der Mitte sie alle im Kreis herum bewillkommet[469] mit dem fröhlichen Pax vobis! aus diesem ist eine heilsame Lehr' zu schöpfen, daß sich Gott bisweilen stelle, als wollt' er nit kommen zu helfen, und läßt zu Zeiten die Noth auf das äußerste gerathen; alsdann kommt er ganz spat, und zeigt, daß er keinen verläßt, der sich auf ihn verläßt.

Willkomm, Herr Balthauser, warum seyd ihr ein solcher Pfnauser? guten Morgen Herr Ruprecht, warum ist euch heut um das Herz nicht recht? guten Abend, Herr Wilibald, weßwegen macht ihr eine so traurige Gstalt? wie gehts? – Wie wollts gehen! hart gnug, es seynd nie so schlechte Zeiten gewest! es geschieht mir gar zu hart, ich kanns nit mehr erschwingen! Ei du linder Lapp mit deinen harten Zeiten und Zeitung! Der Teufel erscheint auf eine Zeit in der Gestalt eines alten Manns, den die weißen Haar' als einen lieben Tättl vorstellten. Aber geschieht wohl öfter, daß im Winter unter einem weißen Schneehaufen ein Mist liegt; also auch zuweilen unter weißen Haaren ein Mistfink verborgen. Dieser Satan in besagter Gestalt kommt zu dem Herrn Jesu in die Wüste und reichte ihm dar einen harten Stein, mit Meldung, er soll ein Brod daraus machen; denn diese höllische Larve nicht glaubte, daß Christus könne einen harten Stein in Brod verwandlen. Aber du plumper Teufel, sollst ja wissen, wer aus nichts kann etwas machen, der kann ja desto mehr aus etwas etwas machen! Ihr, lieber Meister Kilian,[470] was seyd ihr für ein seltsamer Mann, indem ihr wehemüthig klaget, daß es euch so hart gehe? Wann ihr glaubet, daß Gott der Herr aus einem harten Stein kann ein Brod machen, so glaubet auch, daß er auch aus einer harten Zeit und Begebenheit kann etwas Gutes schmelzen! Nur ein wenig Geduld gehabt! Die Biene oder Imme, dieses winzige Methsiederl, fliegt nit allein auf die schamhaftigen Rosen, auf die weißen Narcissen, auf die himmelblauen Veigerl, auf die hochträchtigen Rittersporn', sondern stiegt auch auf die bittersten Kräuter, auf den Wermuth, und saugt aus den bitteren Kräutern das süße Honig: Ex amaro dulce: Also regieret, guberniret, moderiret, ordiniret, reguliret, sustentiret der allmächtige Gott die Welt und Alles in der Welt mit solcher unergründlichen Weisheit, daß er manchsmal ein Uebel zuläßt, und weiß nachmals aus diesem Uebel etwas Gutes zu schnitzlen, aus Wermuth und Wehmuth etwas Süß, aus Noth ein Brod machen. Nur nit verzagt!

Es geschieht, daß ein gemeiner Mensch und einfältiger Bauer in eines vornehmen Fürsten seinen Hof-Garten kommt, allwo er sich also vergafft, daß er schier im Zweifel steht, ob er nit mit dem Enoch in das irdische Paradies verzucket sey. Er verwundert[471] sich in dem ersten Eingang, daß auf beeden Seiten ganz grüne Mauern aufgericht seyn, daß sich solcher Lustweg so weit erstrecket, daß auch die schärfsten Augen darüber matt werden. Er verwundert sich über das schöne und häufige Blumen-Gewächs, und hält die Erde für eine redliche Mutter, ob sie schon das ihrige allerseits verblümlet. Absonderlich aber kann er nicht genug maulaffen, wie er ansichtig worden in Mitte des Gartens des ganz seltsamen Wasserwerks. Er verwundert sich, daß ein geißbergischer Satyrus auf beeden Hörnern das häufige Wasser heraussprengt, als wollte gleichsam dieser wilde Waldmann mit seiner Parücke prangen. Er verwundert sich, daß neben diesem Zotfinken eine geißgestiflete Satyra aus dero ausgespannten Brüsten das Wasser also häufig herausquellet, als wollt sie eine allgemeine Saug-Amme seyn aller jungen Kitzlen. Er verwundert sich, daß in der Mitte ein krummschweifender Delphin das Wasser aus den Augen, Ohren und aufgesperrtem Maul mit großem Geräusch, jedoch annehmlichem Getös', herausspritzet. Er verwundert sich, daß ein altbarteter Wasser-Gott Neptunus eine Gabel in Händen halte, aus dero dreifachen Spitzen das Wasser in die Höhe spielet; und lachet der Bauer hierüber, daß dieser steinerne Garten-Götz die Gabel mit Wasser schmieren wolle. In Summa: der Einfalt kann sich nit genug verkreuzigen, daß man an diesem Ort so seltsam mit dem Element des Wassers haust, und solches in die Höhe treibt, da es doch Natur halber in die Tiefe[472] und Niedere trachtet. Ich, sagt er, wann ich zu Haus einen ganzen Zuger mit Wasser voll anschütte, so spritzet nit ein Tropfen in die Höhe, sondern solches laufet über, und dringt und rinnet herunter auf die Erde. Indem dieser Simplicius in solchen Gedanken steht, da tritt der Gärtner hinzu, und heißt diesen Acker-Doctor einen Narren. Narr schau! und zeigt ihm mit dem Finger auf den nächst entlegenen Berg, – dort fällt das Wasser herunter, und darum springt es allhier wiederum in die Höhe; denn wie tief das Wasser fällt, so hoch steigt es wieder. Merkts wohl! ich weiß nit recht, was Gott ist, ich weiß nit recht, wie Gott ist; aber das weiß ich wohl, was Gott macht, und das weiß ich wohl, wie es Gott macht in der Welt. Er machts öfter mit dem Menschen, als wie mit dem Wasser: Er läßt ihn fallen in Gfahr, in Unglück, in Trübsal, in Noth, und urtheilet mancher, dieser Tropf sey ganz per terra, sey völlig zu Grund gangen. O nein! nichts verzaget! Humiliat et sublevat: Er macht, daß dieser wie das Wasser wieder in die Höhe steigt, wieder über sich kommt zu Ehren, zu Mittlen und zum Glück gelangt, wann man sich auf ihn verläßt. Aus folgender Geschicht' ist merkwürdig abzunehmen, wie dir väterliche Vorsichtigkeit Gottes so wunderbarlich spielt auf der Welt, und zeigt, daß sie keinen verlasse.

Zu Rom war ein Paar Ehe-Volk eines guten Wandels, aber nit guter Mittel. Ich weiß nicht, hat[473] er Eugenius oder Egenus; ich weiß nit, hat sie Procopia oder Inopia geheißen; das weiß ich wohl, beede waren nit reich. Und weilen dazumalen eine große Theurung eingefallen, so seynd sie gar in die äußerste Noth gerathen, in welcher sie zwungen worden, Schulden zu machen und das Geld zu leihen nehmen. Weilen aber dergleichen Wucherer gemeiniglich eine gewisse Zeit zu bezahlen stellen, und aber gedachter armer Häscher zu bestimmter Zeit zu bezahlen nit hatte, ist er in die Keichen und Gefängnuß geworfen worden, welche Trübsal dem armen Weib ihr Elend zu Haus vergrößert, in Erwägung, daß sie weder Brod, noch Brod-Vater im Haus. Weßwegen sie ganz sorgfältig durch die Stadt hin und her geloffen und möglichsten Fleiß angewendet, wie sie doch möchte das Geld zusammen bringen, momit ihr lieber Mann auf freien Fuß könnte gestellet werden. Aber der Weiber öftere Gegenwart auf Gassen und Strassen ist schon mehrmalen vielen Gefahren unterworfen gewest. Darum nit umsonst der allmächtige Gott den Adam außer dem Paradies erschaffen, die Eva aber in dem Paradies, zu zeigen, ein Mann könne schon ausgehen und außer dem Haus denen Geschäften obliegen; das Weib aber soll in dem Haus bleiben. (Derenthalben ein jedes Weib an ihrem Namen ein in trägt: Heißt er Graf, so nennt man sie Gräfin, Doctor Doctorin, Müllner Müllnerin,[474] Bauer Bäuerin, Narr Närrin, etc. Vielleicht rührt auch daher der Weiber ihr gewöhnlicher Titul, indem man sie pflegt Frauenzimmer zu nennen: damit sie sollen im Zimmer verbleiben. Wann sie aber auf allen Gassen herumrutschen, so kann mans nit Frauen-Zimmer, sondern Gassen-Frauen benamsen. Wann die Weiber öfters ausgehen, so thut die Gefahr, eingehen. Nit anderst ist es ergangen ersterwähnter armen Haut, die allerseits in der Stadt herum gesucht, wie sie könnte Mittel finden, ihren liebsten Ehe-Konsorten zu erlösen. Welche aber gefunden, was sie nicht gesucht. Denn ein gewisser Bösewicht, weilen er sie gestaltermassen zu Haus ganz alleinig wußte, ist nächtlicher Zeit vor die Thür kommen und hinein begehret; welchem sie aber gar bald Bescheid und bescheiden geantwortet, sich entschuldigend, wie daß es ganz ungereimt scheine, bei solcher Zeit ein Mannsbild in das Haus zu lassen, zumalen sie ganz alleinig sey; dafern er aber einige Geschäfte hätte, soll er solche bis auf folgenden Tag unbeschwert verschieben. Dieser Nacht-Vogel aber durch ungestümmes Wüthen an der Hausthür drohet ihr ernstlich, wofern sie nit[475] wolle freiwillig die Thür eröffnen, so wolle er solche mit Gewalt aufsprengen, und nachmals ihr den Hals umreiben. Die arme Tröpfinn wußte in dieser Sache keinen Rath zu finden: Läßt sie ihn gutherzig in das Haus, so geräth ihre Keuschheit in die Gefahr; kommt er gewaltthätig herein, so stehe ihr Leben in Gefahr. Endlich als ein Weib und unerschrockene Creatur erwählt sie das erste, und läßt diesen unbekannten Gesellen in das Haus, worinnen er bald dasjenige gesucht, was sie starkmüthig geweigert, als welche lieber zu sterben, als sich dergestalten versündigen gänzlich entschlossen. Und hat fürwahr dieser keuschen Susanna tapferer Widerstand den Sieg erhalten. Weilen aber dieser gewissenlose Mensch die Lieb nicht konnte finden, also suchte und ersuchte er anstatt Lieb Dieb. Drohet ihr alsobald mit verstelltem Angesicht den Tod, wann sie nicht alsobalden ihr Gut und Geld hertrage. Nachdem sie mit vielem Weinen und kläglicher Entschuldigung bekennet, daß ihr ganzer Reichthum bestehe in zwei Dukaten, verlanget er von ihr einen Strick, Zweifels ohne die arme Haut damit zu erdroßlen. Welche dann im ganzen Haus um keinen wußte, außer den, womit ihr Esel im Stall angebunden. Mußte also hierüber das bedrängte Weib den Mörder in den Stall führen, woselbsten er den Strick mit eigenen Händen wollte herunter lösen. Weilen er aber etwas langsam mit dieser Arbeit umgangen, so fällt dem Weib ein, wie daß solchergestalten besser sey umbringen, als umgebracht[476] werden, forderist, weilen solche Begebenheit ohne Beleidigung der göttlichen und natürlichen Gebote, solches zulasse. Besinnet sich demnach nicht länger, und während daß er den Strick herunter löset, ergreift sie einen großen Prügel, der ungefähr an der Wand lehnte, und versetzt ihm hinterwärts einen solchen Streich auf den Kopf, daß er zu Boden gefallen. Da er aber wieder aufzustehen sich bemühete, wiederholt sie die erste Kuraschi, und gibt ihm also mit solchem dreidoppelten hölzernen Willkomm den Rest. Den Körper läßt sie selbige Nacht, bei dem Esel liegen, damit er einen gleichen Kompagno hätte, und dankt mit aufgehenkten Händen dem allmächtigen Gott, daß er sie in dieser Noth nit verlassen. – Aber dieser glorreiche Sieg verursachet nit wenige Aengsten in dem Herzen dieser Judith, in Erwägung, daß man ihr bei der hohen Obrigkeit keinen Glauben werde erstatten, aus Mangel der Zeugen und Zeugnuß, und also mehr für eine Mörderinn, als Obsiegerinn erkennt werden. Doch nit verzagt, gedacht sie, ich verlaß mich auf Gott, Gott wird mich nit verlassen! Gehet den anderen Tag ganz beherzet zu dem Magistrat, eröffnet demselben mit allen Umständen fein redlich und offenherzig die Begebenheit, wodurch es in der ganzen Stadt gar bald lautmaulig worden, und nicht eine geringe Anzahl zu diesem lebendigen und todten Esel sich verfüget. War doch niemand, der diesen Bösewicht erkannte, bis endlich einige hervor kommen, welche mit augenscheinlichem Beweisthum dargethan, daß dieser jene verruchte Gesell und Mörder sey, auf dessen Kopf vor wenig Jahren die Stadt Rom 300 Dukaten geschlagen. Und weilen solches sowohl schriftlich als mündlich bezeugt worden,[477] also hat man diesem Weib die dreihundert Ducaten ausgezahlt, um weilen sie diesen Bösewicht aus dem Wege geraumt: mit welchem Geld das preiswürdigste Weib ihren Mann auf freien Fuß gestellt, und nachmalens ihrer ehrlichen Lebens-Unterhaltung gepflogen. O wunderbarliche Vorsichtigkeit Gottes!

Die Poeten phantasiren viel von einem mit Namen Argus, daß er habe hundert Augen gehabt, welcher ein Hirt und Hüter war der Jo. Das heißt geflogen ohne F. Aber von Gott ist es die Wahrheit, daß er ein pures Aug sey, welches unaufhörlich wacht über alle Geschöpfe der Welt, forderist über den Menschen. Weßwegen die Apostel einen Verweis verdient, als sie Christum in dem Schiffel wegen Ungestümme des Meers haben aufgewedet, modicae fidei. Denn ob er schon Menschheit halber sanft geschlafen, so hat er aber Gottheit halber nit geschlafen. Zu was dienen denn, ô Vigilanti deine Mucken? warum verweißen dann deine Haar die Sorgen, o Sorgiane? weßwegen beladen dein Herz so viel Aengsten, o Simplici? indem du weißt, du hörst und glaubst, daß Gott der himmlische Vater über dich wache und sorge! Nisi efficiamini, sicut parvuli etc.: »mache es lieber wie die kleinen Kinder,« die scherzen auf der Gasse, reiten auf einem hölzernen Klepper bauen Dilli Dalli Häusl, führen eine Prozession von einer papiernen Fahne, halten ein Schießen mit Holder-Büchsen, richten eine Festung von einem Scheerhaufen; mit einem Wort: sie leben ohne Sorgen, und wann sie ein Hunger angreift,[478] so laufen sie zum Vater, Papn, Papn, Papn, wissen wohl, daß der Vater über sie Sorg trägt und sie väterlich ernähret. Ne solliciti sitis animae vestrae, quid manducetis, nequè corpori vestro, quid induamini: »Sorget nit für euer Leben, was ihr essen werdet, noch für eueren Leib, womit ihr euch bekleiden, sollt.«

Wann dem also, sagt mancher, so schieb ich die Händ' in Sack, hänge meinen Werkzeug an den Nagel, wirf die Hacke in einen Winkel, lege mich auf einen Strohsack, und erwarte, wie mich Gott wunderbarlicher Weis' werde erhalten, weilen ich mich nit sorgen darf um die Unterhaltung. Gemach, gemach, mein Christ! derjenige Fluch währet noch, welchen Gott dem Adam auf den Rücken geladen: In dem Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brod essen! Der hl. Paulus auch in seinem Apostolat hat sein Brod gewonnen mit Arbeit, und hat einen Zeltschneider abgeben, der hl. Joseph hat sich und sein armes Haus mit der Zimmer-Arbeit ausgehalten. Indem dann Christus der Heiland die Sorgfältigkeit verboten, wird hierdurch nicht alles Sorgen ausgeschlossen, sondern nur allein die übermäßigen Mucken, die gar zu ängstliche Kummernuß, die gar zu forchtsame Kleinmüthigkeit werden verworfen, wann jemand nemlich trachtet und wachet nach nichts anderm, als wie er sich und die Seinigen soll erhalten, und sogar der göttlichen Providenz nichts überläßt. Ein jeder soll zu Morgens, wann es Zeit und Gelegenheit zulassen, eine hl. Meß hören, in Abgang derer wenigst sich durch ein hl. Gebet dem allmächtigen Gott befehlen; nachmals gehe der Tischler zu seinem Hobel, der Kirschner zu seinem Zobel, der Schuster zu seinem Leder, der Schreiber[479] zu seiner Feder, der Schneider zu seiner Scheer, der Kramer zu seiner Waar', der Fleischhacker zu seinem Beil, der Schlosser zu seiner Feil, der Lederer zu seinen Garben, der Maler zu seinen Farben, der Buchbinder zu seinen Büchern, der Gwölb-Diener zu seinen Tüchern, der Maurer zu seiner Kehlen, der Weißgerber zu seinen Fellen etc. Ein jeder gehe zu seiner Arbeit, treibe sein Gewerbe, thue keinem Unrecht, lasse nichts ermanglen an seinem Fleiß; im übrigen mach er sich weiter keine Mucken, sondern laß es alles über seinem himmlischen Vater und seiner göttlichen Vorsichtigkeit, lache und singe, hupfe und springe. Juhu! sey allzeit guten Muths! Solchergestalten wird dich Gott zeitlich und ewig segnen. Aber ein Judas-Bruder, ein sorgfältiger Phantast, der stets hinter den Ohren kratzt, und sogar das Vater unser, und in dem Vater unser das Gib uns heut unser tägliches Brod vergißt, sondern nur auf Menschen-Fleiß, auf Menschen-Hilf, auf Menschen-Witz, auf Menschen-Vortheil traut und baut, der ist nit werth, daß er solle Gott seinen Vater nennen, auf dessen Obsorg er sich so wenig verläßt![480]

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 1, S. 450-481.
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