Judä, dem Erzschelm, als seinem abgesagten Feind, gibt der mildreicheste Heiland noch so gute Wort, sprechend: [147] amice, ad quid venisti? Freund! wozu bist du kommen?

Gut ist die Erd, dann ob sie schon der Ackermann mit dem Pflug hart tractirt, auch über und über verwundet, so acht sie nit allein solchen Tort[147] gar nit, sondern stellt sich noch ein mit dem besten Getreid und Früchten.

Gut ist das Meer, dann unangesehen es allerlei große Last tragen muß, und man ihm mit den schweren Rudern eine Goschen über die andere versetzt, so spendiret es gleichwohl noch allerlei auserlesene Fisch, und beste Schleckerbißl.

Gut ist die Weintraube, dann solche gar nit rüget die angethane Schmach und Unbild, ob sie schon mit Füßen getreten, auch unter der schweren Preß liegen und leiden muß, so macht sie nit allein hierüber kein saures Gesicht, sondern gibt noch den süßesten Saft und Most zum Dank.

Gut ist der Weihrauch, dann wann er schon auf das Feuer und glühende Kohlen geworfen wird, so zeigt er sich derenthalben nit beleidiget, ja zum Dank läßt er noch einen lieblichen Geruch von sich.

Gut ist der Saffran, dann je mehr man ihn auf den Kopf tritt, je weniger erzürnet er, ja sogar vor die ihm zugefügte Schmach pflegt er noch besser und häufiger zu wachsen.

Aber gut und gut, und über alle gut ist unser Heiland Jesus, welcher nit allein den falschen Judas-Kuß gern und urbietig angenommen, auch sich derentwegen geneigt, um, weilen der Iscarioth nit gar groß von Person, wohl aber ein großer Schelm, sondern noch hierüber den verdammten Böswicht einen Freund genannt, wodurch er uns allen Adamskindern eine Lehr gegeben, wie wir unsern Feinden sollen verzeihen.[148]

Christus der Herr hat Teufel ausgetrieben, die Apostel in seinem Namen haben Teufel ausgetrieben, andere Heilige zu unterschiedlichen Zeiten haben Teufel ausgetrieben, und zwar durch allerlei heilige Mittel. Die Apostel durch den Namen Jesu, der heilige Gregorius durch das heilige Kreuzzeichen, der heil. Kolumbanus durch seine zwei Finger, die er dem Besessenen auf die Zung gelegt, der heil. Anatholius durch das bloße Anrühren, der heil. Dominikus durch einen bloßen Befehl, der heil. Maltonius durch den Weihbrunnen, Papst Joannes durch die Ketten des heiligen Petri, andere durch Reliquien und Heiligthümer, die Meisten aber durch Exorcismos und Beschwören, dergleichen Weis gar viel von der katholischen Kirche vorgeschrieben seynd. Ich soll, ich will, ich muß auch einen Teufel austreiben, und zwar einen harten, einen stutzigen, einen eigensinnigen, einen widerspenstigen, einen stolzen, einen hochmüthigen, einen trutzigen, einen zornigen, einen bissigen, einen rachgierigen, einen dürmischen Teufel; ich fürchte zwar, daß dieser höllische Spottvogel mich ohne Schimpf nit werde lassen, massen dergleichen einer aus der besessenen Person dem heiligen Bernardo auf eine Zeit vorgeworfen: Du Bernard wirst mich aus dem alten Weib nit austreiben, der du gut Kraut und Speck issest, worauf der heilige Mann die arme Person zu den Reliquien des heiligen Sypi geschickt, es hat aber auch allda der trutzige Geist sich hören lassen: daß ihm weder Sypus noch Bernardus werde die Herberg verbieten, wann dann, sprach der heilige Klarevalensische Abt, weder Sypus noch Bernardus[149] dich wird austreiben, so mußt du doch Gehorsam leisten dem Herrn Jesu Christo, auf welche Wort, samt einem eiferigen Gebet, der höllische Gast das bedrängte Weib verlassen, und sich in die Flucht geben.

Es mag mir nun dieser Teufel vorwerfen, was er will, und was die göttliche Allmacht ihm erlaubet, unangesehen dessen fang ich an, ihn zu beschwören: »Ich beschwöre dich in dem Namen Jesu, dich Satan, die alte Schlang, dich Erbfeind des menschlichen Geschlechts, dich Zunder aller Laster, du Ursacher alles Uebels, dich Tyrann und Peiniger dieses armen Menschen, und befehle dir anbei ganz ernstlich durch die Menschwerdung, Leiden, und glorreiche Urständ unsers Herrn Jesu Christi, daß du ohne Widerständ und Verweilung mir vor allen andern offenbarest deinen Namen,« dann hierin folge ich nach meinem gebenedeiten Heiland, welcher auch bei den Gerasenern einen Teufel ausgetrieben, zuvor aber befragt, wie sein Name seye? dem die verdammte Larve geantwortet, Legio ist mein Name.

Wohlan dann du unreiner Geist, ich beschwöre dich durch das Kreuz, und die fünf purpurfarbe Wunden Jesu Christi, sag an, wie ist dein Nam? Blam, Blo, Blis, Blurs, Blesch, Blombs, Blasch, Blinris, Blitzmotruefh, sagt er, faimt er, gront er, brüllt er etc. Ho ho verdammter Geist, ich laß mich anjetzo nit foppen, und bei der Nase ziehen, die Sprach ist mir unbekannt, sag an, ich beschwöre dich durch die allerhöchste Dreifaltigkeit, wie heißt du? Ich? o o o o o o, Q wehe, Ich, bu, bu, bu, bu, bu, Ich? ja du, wie hart kommts dich an, ich, ich, ich, ja ich, was[150] dann, ich heiß, ich heiß, so heiß ich, ich heiß, Auwe-e-e-e ich heiß Revantsch-Teufel, ich und meine Kameraden, plagen und besitzen die meisten Menschen, und können schwerlich ausgetrieben werden. Gott seye Lob, daß ich gleichwohl den Namen weiß. Revantsch-Teufel, das ist ein harter und wilder Teufel, da wird es schwitzen gelten, bis ich den Gesellen, aus dem Nest jage. O was höre ich!

Der Hund hat mir den Despekt angethan, das kann ich mein Lebtag nit vergessen, ich wollt lieber das Leben lassen, als ich es ihm sollte schenken, ich will mich revantschiren auch nach zehn Jahren, das leid ich nit, das kann ich nit leiden, das will ich nit leiden, ich wäre werth, daß man mich mit Eselsohren sollte krönen, wann ich es leiden thäte, aus, aus Revantsch du unreiner Geist!

O mein Mensch! ich halt es für gewiß, daß du in der heiligen Tauf widersagt habest dem bösen Feind und allem seinem Anhang, zugleich auch versprochen, daß du an Jesum Christum glauben wollest und seine Gebot und Gesetz halten, unter solchen aber ist nicht das Mindeste, daß wir unsern Feinden sollen verzeihen. Ja in dem Vater unser geschieht keine einige Meldung vom Revantschiren, wohl aber, daß uns Gott unsere Schulden woll vergeben, gleich wie wir vergeben unsern Schuldnern, aus welchem dann folgt, daß wir unsern Feinden verzeihen sollen, weilen es unser Heiland Jesus also befiehlt und also gebietet.

Ich muß mich revantschiren, sagst du, Gott verbietet es aber ausdrücklich, sage ich, Gott, der dich erschaffen, Gott, der dich erlöset, Gott, der dich richten[151] wird, dieser Gott verbietet das Revantschiren, und du sollest diesem Gott, dem alles, im Himmel und auf Erden, den Gehorsam leistet, du Schatten an der Wand, du geringer Erdwurm, du zerlumpter Kothsack, du Ebenbild des Elends, du, du sollst dich diesem deinem Gott widersetzen? Der Herr und Heiland trat einst mit seinen Aposteln in ein Schifflein, da erhub sich unvermuthet ein großes Ungewitter, der Himmel thäte sich also mit schwarzen Wolken überziehen, als wollt er völlig in tiefe Klag und Trauren gehen, die steten Blitzer und krachenden Donnerstreich droheten gleichsam, als wollte das runde Gewölb des Himmels einbrechen, die ungestümen Winde stürmten mit solcher Gewalt, daß sie auch den Grund des tiefen Meeres bewegt, und bald die Wellen wie ein Berg erhöhet, bald wieder in tiefes Thal erniedert, daß also das Schifflein einem Ballen gleich, durch trotzige Freiheit der Winde getrieben wurde, und folgsam der gewisse bevorstehende Untergang vor Augen schwebte, wie könnt es anderst seyn, als daß die fast todt erbleichten Apostel ihre Händ und Stimm erhebten, und den Heiland um schleunige Hilf ersuchten, worauf dann alsobalden der Herr dem ungestümen Meer, den tobenden Winden befohlen, daß sie sich in die Ruhe begeben, welches dann ohne Verzug, ja augenblicklich geschehen. Wind und Meer, merk es wohl, du lieber Christ, hören auf zu wittern, weil es ihnen Gott der Herr also befohlen, und du willst nit nachlassen, und ablassen zu wittern wider deinen Feind, sondern tausend Revantsch zu suchen, da doch der[152] Heiland Jesus so vielfältig geboten, du sollest deinen Feind lieben.

Paulus, der Apostel, schafft in der Insel Melita oder Malta den Schlangen und Nattern, daß sie nit sollen giftig seyn, und haben solche alsobalden den Gehorsam geleistet; und du Mensch, du, du, der du den Namen eines Christen trägst, willst nit lassen deinen Zorn, deinen Gift wider deinen Nebenmenschen, da es dir doch Christus so ernstlich. auferlegt.

Sieben wilde und ausgehungerte Löwen zu Babylon haben sich auf den Befehl Gottes enthalten, daß sie ihre Rachen nit eröffnet gegen den Daniel, und du suchest stete Rache, immerwährende Rache, unauslöschliche Rache an deinem Feind, unangesehen der Heiland der Welt es so hoch verboten.

Drei Knaben zu Babylon seynd auf Befehl des tyrannischen Nabuchodonosors in den angezündten Ofen geworfen worden, weil aber Gott dem Feuer geboten, daß es ihnen nit ein Härl solle schaden, also ist es dem göttlichen Befehl nachkommen, und seine natürliche Hitz entzogen; und du willst noch immerzu im Zorn wider deinen Nächsten ganz entzündet seyn, und nach Revantsch trachten, so doch wider das klare Gebot deines Heilands Jesu?

Auf den Befehl Josue läßt sich das große Sonnenlicht von seinem schnellen Lauf aufhalten, und vollziehet, was ihm anbefohlen wird; und du, auf den Befehl des allmächtigen Gottes, läßt dich nit aufhalten, Rache zu suchen an deinem Feind.

Gott der Herr gebietet einem großen Wallfisch daß er dem ungehorsamen Jonä eine Herberg vergönnen,[153] und ihn, gleich wie andere Speisen, nit verzehren: welchem dann der große Fisch urbietig nachkommen, und den Propheten ganz schadlos gehalten. Und du, wider so ausdrückliches Gebot Gottes, stellest dich also ergrimmet gegen deinen Nächsten, als wolltest du ihn fressen, ja sogar, da es möglich wäre, mit Zähnen zerreißen? Du, du willst ein Christ seyn, willst ein Christ genannt werden, willst wie ein Christ sterben, willst wie ein Christ begraben werden, und willst das Gebot Christi nit halten? welcher mehrmalen dir befohlen, du sollest deinen Feinden nit allein verzeihen, sondern ihnen noch alles Gute erweisen. Egredere, aus, aus, Revantschteufel, du unreiner Geist.

Was? der Kerl hat mir den Affront angethan, er hat mich in puncto honoris angegriffen, das kann ich nit ungerochen lassen, auch ein Wurm krümmer sich, wann er getreten wird, wann ich hiezu thäte stillschweigen, so würde ich als eine Lethfeigen von der Welt gehalten werden, ich getrauete mir nit mehr unter ehrlichen Leuten zu erscheinen. O verruchte verfluchte Red! so sollen dann alle diejenigen Lethfeigen seyn, welche sich an ihren Feinden nit revantschirt haben? Wie willst du dann nennen deinen Heiland Jesum? wie willst du taufen alle seine Apostel? wie willst du heißen alle heiligen Martyrer und Blutzeugen? wie willst du tituliren den hl. Pabst Gregor den Großen? wie willst du schelten den hl. Kardinal Borromäum? wie willst du benamsen den hl. Patriarchen Gregorium von Nazianz? was willst du für einen Namen geben dem hl. Bischof Thomä Villanovano? wie soll dann genennet werden der hl. Abt[154] Bernardus? wie der hl. Eremit Paphnutius? welche nicht allein sich nit revantschirt an ihren Feinden, Verfolgern und Widersachern, sondern noch vor dieselbige Gott gebeten, und die Uebelthaten mit Gutthaten bezahlt. So soll dann unter ehrlichen Leuten nit dörfen erscheinen, wie deine vermessene Zung ausgießt, der Weltheiland selber? O Gotteslästerung! der hl. Apostel Paulus, der hl. Martyrer Stephanus, der hl. Beichtiger Gualbertus, die hl. seraphische Jungfrau Theresia? welche die ihnen so häufig angethane Schmach und Unbild nit anderst gerächt, als mit Gutthaten. Die Welt wills haben, daß man sich revantschire, Gott will es nit haben, wer gilt nun mehr aus diesen zweien? wie wird es dir in deinem Sterbstündl um das Herz seyn, wann der göttliche Richter allda erscheinen wird, und dir vorrupfen, daß du höher gehalten die Gebot der Welt, und weniger geschätzt Gottes Gebot? auch folgsam nit um ein Haar besser gewest, als die boshaften Hebräer, welche einen öffentlichen Mörder und Uebelthäter den Barrabam Christo dem Heiland selbst vorgezogen.

Ich leide aber, sagst du, an meiner Reputation. Das Wort Reputation finde ich in der ganzen heiligen Schrift nit, weiß also nit, welcher Belzebub es auf die Welt gebracht. Wann aber Reputation nichts anderst ist, als Ehre, so wisse, daß eine weit größere Ehre erwachset aus dem Verzeihen, als aus dem Revantschiren. Nachdem der neidige Kain seinen Bruder Abel auf dem Feld zu todt geschlagen, sodann hat das Blut Rache geschrien, wie es Gott selbst dem Kain angedeutet; die Stimme des Bluts deines Bruders[155] schreiet zu mir von der Erde, es ist aber wohl zu merken, daß nur dasjenige Blut hat Rache geschrien, welches sich mit der schändlichen Erde vermischt hat, nit dasjenige, so noch in dem Abel geblieben, dann solches als ein redliches Blut sich geschämt hat, Rache zu begehren, ist also weit ehrlicher zu verzeihen, als sich revantschiren.

Die verdammte und in allem Guten umgekehrte Welt pflegt denjenigen einen braven und rechtschaffenen Kerl zu nennen, welcher seinem Feind die Zähne zeigt und sich revantschiret; aber sag her, welcher Name ist herrlicher und preiswüdiger? ein braver Kerl oder ein Sohn Gottes? Ein jeder verständige Mensch wird ohne Zweifel das letztere Prädikat vor allen hervorstreichen, nun aber titulirt die schmutzige nichtsnutzige Welt alle diejenigen rechtschaffenen Kerl, die ihren Feinden den Spitz weisen, Christus der Herr aber bei dem Evangelisten Matthäo nennet solche Kinder Gottes, welche ihren Feinden verzeihen, sprechend: »Liebet euere Feinde, thut Gutes denen, die euch hassen, und bittet vor die, so euch verfolgen, auf daß ihr Kinder seyd eures Vaters, der im Himmel ist.« So ist dann eine größere Reputation, wann du ein Sohn Gottes genennet würdest, als ein braver Kerl. Ja einem Christen ist nichts anständigers als das Verzeihen. Der heil. Christophorus, als er noch kein Martyrer und Blutzeug Christi war, hat auf eine Zeit, in Gegenwart sehr vieler und wackerer Leute, von einem frechen und boshaftigen Gesellen eine harte Maultasche bekommen, wessenthalben die Anwesenden ihn mit Worten angespornet, daß er sich solle[156] revantschiren, und dem Schelmen den Hals brechen, worauf er die Antwort gab: wann ich kein Christ wäre, so thäte ichs.

Exi immunde Spiritus, aus, aus Revantsch-Teufel du unreiner Geist, dann nit allein thut Gott verbieten den Revantsch, sondern er straft auch diejenigen, so wider sein Gebot die Rache suchen. Wie der Herr Jesus bei dem galiläischen Meer auf- und abgangen, hat er zwei Brüder wahrgenommen, welche ihre Fischernetze flickten, das hat dem Heiland dergestalten gefallen, daß er sie alsobalden zu sich berufen, und zur apostolischen Dignität promovirt, weil sie geflickt haben, und das Netz wieder zusammen vereinigt, hat sie der Herr zu sich gezogen, wann sie aber getrennet hätten, so hätte er sie etwan gar nit angeschaut, dann er, als ein Fürst des Friedens, nicht wenigers leiden kann, als die Zertrennung. Ich will dich gar nit weit in die hl. Schrift hineinführen, sondern gleich im allerersten Kapitel der Bibel zeigen, wie abhold Gott der Unreinigkeit seye, allda ist zu lesen, wie der Allmächtige das herrliche Gebäu des Himmels und Erde verfertiget, auch an einem jeden Tag etwas absonderlich erschaffen, daß er allen Tagen das Lob geben, und sie vor gut erkennet mit diesen Worten: »Gott sah, daß es gut war, ausgenommen den andern Tag, welchem allen allein er das Lob entzogen, alle Tag hat Gott kanonisirt, den ersten, den dritten, den vierten, den fünften, den sechsten, den siebenten, aber den andern Tag hat er ausgeschlossen.« Die Ursache gibt der heilige Hieronymus, wie daß am andern Tag bei Erschaffung der Welt eine Zertrennung[157] seye geschehen, dann Gott machte an diesem Tag das Firmament, und scheidete die Wasser, so unter dem Firmament waren, von denen, die über dem Firmament waren; bilde sich also niemand ein, der mit seinem Nächsten zertrennet ist, der ihn weder grüßen noch sehen will, daß er bei Gott in Gnaden stehe.

Zwei Weiber waren miteinander uneinig, eine war reich, und bei großen Mittlen, die andere aber arm und bei wenigem Vermögen, und diese hat doch den Groll bald fallen lassen, nit aber die Reiche, welche in immerwährender Feindschaft und Haß gegen der andern also verharret und verhartet, daß endlich der Pfarrherr und Seelsorger, nach etlichen ergangnen Ermahnungen, ihr die österliche heilige Kommunion geweigert, wessenthalben sie sich nit wenig vor den Leuten geschämt, und dem gemeinen Spott zu entgehen, sich gegen den Pfarrherrn verlauten lassen, daß sie ihrem Gegentheil von Herzen verzeihe, worauf sie gleich andern zu dem Altar und Kommunion gelassen worden, sobald solche aber aus der Kirche getreten, ist ihr die arme Haut eilends nachgefolgt, und vor der Kirchen-Thür besagte Frau angeredet, auch sich von Herzen erfreuet, daß sie nunmehr den schon lange gefaßten Widerwillen hab fallen lassen. Was? setzt hinwieder die andere, ich dir verzeihen? du Bestia, lieber sterben als dieß thun; kaum daß solche freche Wort aus ihrem Mund ergangen, ist sie in dem ganzen Gesicht wie eine Kohle erschwarzt, und jäh todt zur Erde gefallen, aus dem aufgesperrten Rachen aber die heilige Hostie in die Höhe geflogen,[158] und so lang in der Luft gestanden, bis der Pfarrherr kommen, und solche mit dem Kelch ehrenbietigst aufgefangen.

Mein lieber Jakob, warum beklagst du dich also wider den Laban? hat er dir dann einige Unbild angethan? wie soll dieselbige heißen? Ja freilich, sagt Jakob, er ist nit redlich mit mir umgangen, er hat mir anstatt der Rachel die Lia gegeben, und diese mag ich nit, diese will ich nit, warum? vielleicht versteht sie die Wirthschaft nit, und will die Säu wie die Gäns rupfen? darum nit; vielleicht kann sie das Maul nit halten, und ist in ihrer Redstuben die Thür aus dem Angel gangen? darum nit. Vielleicht kann sie besser mit Baccho, als mit Bachen umgehen, und ist nie zufrieden, als wann sie bei Krügen sitzet? darum nit. Vielleicht macht sie aus dem Haus einen Thurn, und thurniert immerzu, als hätt sie die Höll im Bestand? darum nit. Vielleicht ist sie beschaffen wie ein Rechen, der jedermann die Zähn zeigt? darum auch nit. Warum dann, willst die Lia mt? darum, sie hat gar schlechte Augen, wilde Augen, triefende Augen, rinnende Augen, garstige Augen, üble Augen, abscheuliche Augen, darum mag ich sie nit, darum wegen der Augen.

Ich kann den Menschen nit anschauen, sagst du, mir geht gleich die Gall über, wann er mir nur nit unter die Augen käme, so er mir tausendmal sollte begegnen, so wende ich die Augen anderstwohin, dem Kerl kann ich es nit verzeihen, was er mir gethan. O mein elender Mensch, so du also beschaffen bist, seye versichert und vergwißt, daß dich Gott nit mag,[159] du bist von seiner göttlichen Majestät gänzlich verworfen um deiner üblen Augen willen, gleich wie Lia von dem Jakob derenthalben veracht worden, übel und aber übel seynd deine Augen, wann du deinen Nächsten, von dem du etwan einige Unbild empfangen, nit kannst ansehen, nit willst anschauen. Merke, was der gottselige und heiligmäßige Thomas Kempensis schreibt von einem, der auf eine Zeit mit einem Geistlichen seines Klosters verreist, unterwegs aber, wie pflegt zu geschehen, allerlei Reden geführt, neben andern sagte der Weltliche dem Pater, er woll ihm etwas offenbaren, so er bishero allzeit in geheim gehalten; ich, sprach er, bin vor sechs Jahren fast in die 13 Monat nacheinander gleich andern frommen katholischen Christen in die Kirche gangen, zu den gewöhnlichen Gottesdiensten, eine lange Zeit aber niemalen gesehen das höchste Gut, die allerheiligste Hostie, von dem Priester aufwandeln, wohl zwar hab ich wahrgenommen, wie der Priester die Händ in die Höhe gehebt, aber doch die heiligste Hostie nit darinnen, welches dann mir erstlich die Meinung gemacht, als seye mein blödes Gesicht daran schuldig, dessenthalben mich ganz nahend zu dem Altar begeben, und zwar auf der Seite des Priesters, aber auch dazumalen den Heiland Jesum unter der Gestalt des weißen Brodes nit können sehen, welches mir dann billig allerlei Gedanken aufgewicklet, also zwar, daß ich mein Gewissen etwas genauer, als sonsten geschehen, durchsucht, und endlichen befunden, daß ich Jahr und Tag gegen einen meinen Nächsten eine Feindschaft getragen, und mich die rachgierige Sinnlichkeiten dahin veranlaßt, daß[160] ich mir gänzlich vorgenommen, dafern die Gelegenheit sich ereignete, mich an ihm zu revantschiren. Indem ich nun diesen meinen Gewissens-Zustand durch eine General-Beicht einem verständigen Priester entdeckt, hat solcher in allweg geurtheilt und erkennt, daß ich wegen meiner tragenden Feindschaft nit seye würdig geschätzt worden, das allerhöchste Gut, dieses sanftmüthigste Lamm Gottes, anzuschauen, dahero mir ernstlich auferlegt, daß ich nit allein allen gefaßten Groll solle sinken lassen, sondern mich mit ihm bestermassen versöhnen. Welchem heiligen und väterlichen Rath ich emsigst nachkommen, und nachdem ich mich mit gedachtem Menschen verglichen, auch von Herzen ihm verziehen, hab ich wieder die Gnad gehabt, gleich andern, unter der heil. Meß das höchste Gut in den Händen des Priesters zu sehen. Aus welchem ich dann sattsam habe können abnehmen, wie sehr es den göttlichen Augen mißfalle, wann man seinen Feinden nit verzeihe.

Die Müllner fast alle insgemein werden nächst oberhalb der Mühl ein hölzernes Gitter in dem Wasser haben, welches sie pflegen den Rechen zu nennen, und ist dieser zu nichts anderst, als daß er Prügel, Stecken, Stauden und Gesträußwerk aufhalte, damit hiedurch die Räder in ihrem Lauf nit verhindert wer den. Ich muß mich rächen, sagst du, ich will mich rächen, solls Leib und Leben gelten, solls hundert Jahr anstehen, ich schwöre ihms bei Verlust meiner Seligkeit, daß ich mich rächen will. (O Gott!) ein Bärnhäuter wäre ich in Ewigkeit, wann ich mich nit rächen thäte, der Degen ist ihm zu Diensten, dieß paar[161] Pistolen wart auf ihn, rächen muß ich mich, es mögen die Pfaffen sagen, was sie wollen, Gott hat leicht Gebot zu machen, es ist eine Frag, ob es sich halten lässet.

O vermessene Zung! als wann Gott etwas unmöglich thäte gebieten, welches doch er, und viel tausend andere gehalten; sag her rachgieriges Tiger-Gemüth und Schlangen-Brut, was findest du bei deinem Rächen? nichts anderst als was der Müllner bei seinem Rechen, nichts anderst als Prügel und Ruthen, mit denen die göttliche Gerechtigkeit dich züchtigen wird, hast du dann schon vergessen, was dem hl. Papst Gregorio widerfahren? Welcher für einen Verstorbenen das Amt der hl. Meß gehalten, und als er angefangen Requiem aeternam dona ei Domine etc. O Herr gieb ihm die ewige Ruhe, worauf er die Stimm von Gott vernommen: non faciam, ich thue es nit, und dieses das andere und drittemal, bis endlich dem hl. Mann von Gott offenbaret worden, daß er darum diesem nit wolle verzeihen, noch die ewige Ruhe geben, weilen er auch seinen Feinden nit verziehen, noch dieselbigen in der Ruhe gelassen.

Ist dir dann schon aus der Gedächtnuß entfallen, was Cäsareus schreibt von zweien Bauern, welche im immerwährenden Zank, Hader und Uneinigkeit gelebet, auch einer dem andern auf keine Weise verzeihen wollen; nachdem sie nun durch göttliche Verhängnuß beede an einem Tag ihr Leben beschlossen, auch alle zwei zugleich in ein Grab gelegt worden, da hat von freiem Stuck ein jeder in dem Grab sich umgewendet,[162] und einer dem andern den Rucken gezeigt, zum augenscheinlichen Zeichen ihrer ewigen Verdammnuß.

Denkst du dann nit mehr an dasjenige, was Speculum Exemplorum von einer Frau registrirt, welche sonsten dem äußerlichen Schein nach, einen sehr vollkommenen und heiligen Wandel geführt, im Herzen aber allzeit einen Groll und Feindschaft getragen gegen eine gewisse Person; nachdem nun besagte rachgierige Frau in das Todbett gerathen, und ihr der Priester das höchste Gut anstatt der Wegzehrung in die Ewigkeit darreichen wollen, da hat sie die Zähn zusammen gebissen, sich nach der Maner gewendt, und angefangen zu schreien, daß, weil sie ihren Feind niemals hab recht angesehen, also woll anjetzo auch Gott sie auf ewig nit ansehen, mit welchen verzweifelten Worten sie den verdammten Geist hat aufgeben! Es ist dann gewiß, und bleibt gewiß, so gewiß als Gott ist, und Gott bleiben wird, daß, wer seinem Feind nit verzeihet, dem werde auch auf ewig nit verziehen.

Exi immunde Spiritus, aus, aus mit dir Revantsch-Teufel, du unreiner Geist, ich beschwöre dich im Namen aller Heiligen Gottes, weicht von dieser Kreatur, die der Allmächtige zu seinem Ebenbild erschaffen, dann Gott der Herr nit will, daß man sich revantschire, auch hart strafet, die sich revantschiren, sondern belohnet auch ewig, die sich nit revantschiren.

Jakob auf der Reis' in Syrien nahm unterwegs einmal sein Nachtlager auf dem freien Feld, und als er in der besten Ruhe gelegen, massen das gerechte Gewissen, das beste Kissen, ist ihm ein wunderliches[163] Gesicht vorkommen, er sahe nämlich eine Leiter, die stund auf der Erde, und rührte mit der Spitz den Himmel an. Die Leiter muß viel Sprössel gehabt haben, er sahe auch die Engel Gottes auf- und absteigen etc. Warum aber dießmal, und an diesem Ort der Jakob die Leiter im Himmel gesehen, und sonsten nit, muß doch eine erhebliche Ursach seyn. Ich glaub keine andere als diese, ehe und bevor sich Jakob der fromme Patriarch niedergelegt, hat er etliche Stein zusammen geklaubt, und ihm solchergestalten einen Hauptpolster gemacht, tulit lapides etc. nachdem er aber erwacht, da hat er gefunden, daß die etlichen Steine sich also vereiniget, das nur einer daraus worden. Wo man sich dann vereinigen thut, und allen Zwiespalt und Feindschaft beiseits legt, da kann nit anderst, als eine gewisse Leiter in Himmel seyn, wer vergibt, dem wird auch von Gott vergeben werden, ist gewiß. Wer die empfangene Schmach nit rächet, dessen Sünde wird auch Gott nit rächen, ist gewiß. Wer das Herz mit seinem Widersacher theilt, mit dem wird auch Gott seine Glorie theilen, ist gewiß. Wer den Zorn wider seinen Nächsten läßt fallen, den läßt Gott nit in die Grube des ewigen Verderbens fallen, ist gewiß. Wer sich nit revantschirt, der ist von Gott schon prädestinirt, ist gewiß. Diejenigen, die da leben wie Hund und Katzen, die seynd, und werden seyn Kinder der Seligkeit, das ist gewiß. Aber sie müssen leben, wie Hund und Katzen in der Arche Noe, dann dazumalen war die größte Einigkeit unter ihnen, und hat eines dem andern nit einmal ein saures Gesicht gezeigt.[164]

In dem Thal Josaphat zwischen dem Oelberg und Jerusalem, nächst dem Bach Cedron, ist der heil. Stephanus versteiniget worden, an welchem Ort noch zu sehen ein großer Stein, worauf der heil. Erzmartyrer zuruckgefallen und sowohl sein Haupt als die Achseln eingedruckt; dazumalen hat er den Himmel offen gesehen, und darum den Himmel offen, dann er nit allein seinen Feinden verziehen, die ihn also verfolgt, sondern noch eifrig für dieselben gebeten. Nicht allein dem heil. Stephanus, sondern auch dir und mir, steht der Himmel offen, wann wir unsern Feinden verzeihen und ihnen noch Gutes thun.

Pelbartus schreibt, daß einer lang nach dem Leben gestellt demselben, so seinen leiblichen Bruder umgebracht, und wie er solchen auf eine Zeit an einer gewünschten Gelegenheit ertappt, auch ihm bereits den Rest wollte geben, ist dieser auf seine Knie niedergefallen und mit aufgehebten Händen gebeten, er woll es ihm doch, in Ansehung des theuren vergossenen Bluts Jesu Christi, verzeihen, durch welche Wort solcher ganz weichherzig worden und ihm die große angethane Unbild und blutigen Brudermord von Herzen vergeben; als er nun kurz hernach in die nächstentlegene Kirche gangen und daselbst die Wunden des gekreuzigten Christi begehrte demüthigst zu küssen, da hat das hölzerne Krucifix-Bild beede Händ und Arm von dem Kreuz herab gelöset, diesen Menschen umhalset und umfangen, sprechend anbei: »Weil du diesem heut wegen meiner verziehen, so vergieb ich dir auch alle deine Sünden.« Es ist halt kein bessers Handwerk, als wann einer dem andern bald verzeihet, und zu Bestätigung[165] der festen Freundschaft einander die Händ drauf geben. Es ist kein besserer Magen, als wann einer manche harte Brocken muß schlicken, und solche bald thut verdäuen. Es ist keine bessere Nase, als dieselbige, welche so bald nit die angethane Schmach rächen thut. Es ist kein besserer Rucken, als welcher die oder jene Unbild und Schimpf wegen Gott leicht ertragen thut. Es ist seine bessere Gedächtnuß, als welche alle empfangene Schmach leicht vergessen thut.

Wunderbarlich hat der Prophet Ezechiel die Todten erweckt. Gott führte ihn auf ein großes, weites, langes, breites und ebnes Feld hinaus, zeiget ihm allda eine fast unzahlbare Anzahl der ganz ausgedorrten Beiner, von todten Menschen, schaffte ihm zugleich, er solle in seinem Namen ihnen das Leben wiederum geben. Was thut Ezechiel? er braucht hierzu eine seltsame Ceremonie, er befiehlt so vielen tausend und tausend dürren Beinern, daß ein jedes sich solle ohne weitern Verschub zu seinem Glied verfügen. Da sollt jemand gesehen haben, was für ein Raffeln und Getös unter den Beinern entstanden, da seynd hin und her, da seynd links und rechts, da seynd oben und unten, da seynd untereinander die Beiner in der Luft geflogen, da ein Kopf, dort ein halber Kopf, da eine Hirnschale, dort ein Zahn, da eine Kniescheibe, dort eine Rippe, da ein Armbein, dort ein Fußbein, nit anderst, als thäten die Schneeflocken unter einander fallen, dann ein jedes suchte sein Glied, wo es hingehörte. Ezechiel, glaub ich wohl, seye bald auf diese, bald auf jene Seite gangen, zu sehen, ob sich alle an ihr voriges Ort begeben, und kann wohl seyn, daß,[166] wann er etwan ein Bein gefunden hat, so beym Kopf gelegen, da es unterdessen zu den Füßen gehört, er solches ernstlich angeredet, was das seye? Fort mit ihm, es soll dahin, wohin es gehöre; praesto, sein bald und ohne Widerstand. Gleich darauf wurden alle diese Beiner mit Sehn-Adern und Fleisch überzogen, und von vier Orten blies der Wind an sie und wurden alle lebendig, daß also ein großes Kriegsheer daselbst gestanden. Siehst du es, spricht über diese Geschicht der heil. Vater Augustinus, daß ehender die dürren Beiner haben müssen vereiniget werden, bevor sie das Leben erhalten, wer also verlangt das ewige Leben, dem ist vonnöthen, daß er sich vorher recht vereinige mit seinem Feind; wann solches geschehen, da kann er mit allem Fug bei der Himmelspforte antworten, da Petrus fragen wird: wer da? gut Freund. Trostreich ist die Sentenz des heil. Chrysostomus, welche also lautet: »Non est possibile, quod homo, qui dimiserit proximo, non áccipiat plenam remissionem a Deo.«

Es wird dem Leser ohnedieß bekannt seyn jene Begebenheit, so sich mit einer Wittib von Florenz zugetragen, dero einigen Sohn, den sie über alles liebte, ein anderer bei nächtlicher Weil ermordet hat, und gleich hierauf sich, zwar unwissend, in besagter Wittib Haus salvirt; als nun der todte Leichnam ihres Sohns in das Haus gebracht worden, wußte sie sich nit gänzlich zu entschließen, ob sie solle den Thäter dem Gericht überliefern oder aber demselben durchhelfen, weilen ihr aber eingefallen, wie wohlgefällig in den Augen Gottes seye das Verzeihen, also hat[167] sie hiermit die Barmherzigkeit vorgezogen und gedachtem Todschläger noch 20 Gulden gespendirt, damit er sich bei der Nacht in gewisse Sicherheit setze und sein Leben ferners salvire. In selbiger Nacht ist der Sohn seiner Mutter erschienen und ihr mit größten Freuden gedankt, sprechend, daß er, in Ansehung ihrer erwiesenen Gutthat seinem Feind, anjetzo von Gott seye auch völlig pardonirt, und eile bereits in die ewige Freud und Seligkeit.

Exi immunde Spiritus, aus, aus Revantsch-Teufel, du unreiner Geist, ich beschwöre dich bei demjenigen, der dich durch des Davids Harpfen aus dem Saul verjagt hat, ich beschwöre dich bei demjenigen, der dich samt deinem Oberhaupt aus dem Himmel gestürzt hat, ich beschwöre dich bei demjenigen, der dich und alle deine Gewalt mit dem einigen Kreuzbaum überwunden hat, bei diesem beschwöre ich dich, und in dessen Namen befehl ich dir, daß du von nun an diese Kreatur sollest verlassen etc.; hu, hu, ho, ho, hi, hi, ha, ha, wie tobt nit diese höllische Larve!

Vergeben will ichs ihm endlich wohl, sagt jemand, aber daß ich ihn grüßen soll, daß ich vor ihm den Hut soll abziehen, das laß ich wohl bleiben. Wohlan solche Wort geben mir schon gute Hoffnung, daß der verdammte Gesell die Herberg quittiren werde. Mein Mensch, deinem Feind verzeihen, deinem Feind Gutes thun, deinen Feind grüßen, lerne es von deinem Heiland Jesu selbst, lerne es von Christo, dessen Namen du trägst, und billig ists, daß du in seine Fußstapfen tretest. Wann man vor einem den Hut abziehet, so ist es so viel, als thue er ihn grüßen, nun[168] ist weder aus dem Evangelio, weder aus andern Büchern bekannt, daß unser lieber Herr die ganze Zeit, da er auf Erden gewandelt, einmal hätte einen Hut oder Kappe getragen, sondern allezeit baarhaupt dahergangen, aus welchem scheinet, daß er immerzu nit allein seine Freunde, sondern auch seine Feinde, deren überaus viel waren, habe wollen grüßen.

Was Gott einmal dem Mosi befohlen: »Mach es nach dem Vorbild, das dir auf dem Berg gezeigt ist,« dasselbige als eine heilige Lehr halt ich ebenfalls einem jeden Christen vor, ja ich nimm ihn mit mir auf den hohen Berg Kalvariä, und sag ihm, daß er es machen soll nach dem Vorbild, wie es auf diesem Berg gezeigt worden, auf diesem Berg nach tausend und tausend empfangenen Schmachen, Unbilden, Verfolgungen, Nachstellungen, Pein und Tormenten ist unser Herr und Heiland an den hohen Stamm des Kreuzes aufgenagelt worden, und dannoch hat er sich nit revantschirt, da doch alle Kreaturen, auch vernunftlose Geschöpf, sich urbietig anerboten, diese hebräische Unthat zu rächen, sondern hat noch kurz vor seinem bittern Tod die Augen gen Himmel gewendet, und vor diese seine Feind gebeten: »Vater vergieb es ihnen, dann sie wissen nit, was sie thun.« Kraft dieser Wort seynd dazumal acht tausend Juden bekehrt worden, und dessentwillen werden auch noch vor dem jüngsten Tag hundert und vier und vierzig tausend Hebräer aus demselbigen Geschlecht, so Jesum gekreuziget, bekehrt werden, wie es der hl. Methodius und Michael Palatius samt andern bezeugen. Ja die vier Soldaten, so Christum an das Kreuz geheftet[169] haben, seynd noch von ihm also begnadiget worden, daß sie nachmals sich bekehrt, und glorreiche Martyrer und Blutzeugen Christi worden, desgleichen der Hauptmann Longinus, so mit einer scharfen Lanze die Seite hes Herrn eröffnet, auch zu Cäsaräa in Kappadozia den 15. März die Marterkron empfangen. Sogar Malchus, welcher dem gebenedeiten Angesicht des Heilands Jesu einen so harten Backenstreich versetzt, solle zum Revantsch auch die Gnad von dem Herrn erhalten haben, daß er von Petro nachgehends getauft, und folgsam ein Kind der Seligkeit worden. So gehe dann hin, o Mensch, und mache es nach dem Vorbild, so dir aus dem Berg Kalvariä gezeigt worden.

Willst du deinem Feind zwar vergeben, aber nit vergessen, so siehe mehrmalen deinen Heiland an, als solcher in Gestalt eines Fremdlings mit den zwei Jüngern Lucas und Kleophas nach Emaus gangen, und diese eine lange Red führten von den erschrecklichen Peinen und grausamen Tod Jesu von Nazareth, wie nämlich die Hohepriester mit demselbigen verfahren etc. Worauf der Herr sich gestellt, als hab er schon alles vergessen, was er von ihnen gelitten, dessenthalben die zwei gefragt, was dann geschehen? Du rachgieriger Wensch, wann du noch nit den gefaßten Groll aus deinem Herzen fallen läßt, so erhebe noch einmal deine Augen auf den hohen Kreuzbaum, und lese daselbst die vier Buchstaben ober dem Haupt Jesu Christi geschrieben J.N.R.J., welche zwar insgemein nit anderst lauten, als Jesus Nazarenus Rex Judaeorum, aber du kannst gar wohl also lesen: Jesus[170] Nonvult Recordari Injuriarum, das ist zu deutsch also: »I. Jesus N. Nit R. Rächet I. Injuri.« Und du Hand voll Koth, o Mensch, du Speis der Würmer, o Mensch, du Vasall des Tods, o Mensch, du Kopei des Elends, o Mensch, du Wust und Unflath, o Mensch, willst die geringste Schmach rächen, mit dem Degen Revantsch suchen etc., da es doch dein Gott und Heiland nit gethan, auch noch nit thut, dann unangesehen, daß wir ihn täglich beleidigen mit unsern Sünden und so vielfältigen Ubertretungen, er gleichwohl uns noch tägliche, stündliche, augenblickliche Gnaden und Gutthaten erweiset, sowohl anlangend die Gesundheit unsers Leibs, die Fruchtbarkeit der Erde, das Heil des Hauses, als auch die innerliche Erleuchtung unserer Seelen. Ist also Gott nit anderst, als wie eine Blume, wel che von ihrem Stengel und Wurzel, als von ihrem Leben abgebrochen, sich gleichwohl nit revantschirt noch rächet, sondern noch darüber sich mit einem guten und lieblichen Geruch einzustellen pflegt.

Aus, aus dann Revantsch-Teufel du unreiner Geist; ich beschwöre dich das letzte Mal, und ich gebiete dir im Namen desjenigen, welcher in der Landschaft der Gerasener die bösen Geister aus zwei Besessenen getrieben, und in eine Heerd Schweine zu fahren erlaubt, in dem Namen dessen befiehl ich dir, daß du samt allem deinen Anhang sollest diese Kreatur verlassen, und zwar alsobald, da ich in dem Vater Unser, so ich anjetzo andächtig beten will, werde die Worte gesprochen haben: »Vergib uns unsere[171] Schulden, gleichwie wir vergeben unsern Schuldigern, Amen,« das werde wahr!

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 5, S. 147-172.
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