Judas der verblendte Gesell suchet das wahre Licht mit Lichtern und Laternen.

[75] Daß solcher verrätherische Apostel mit so großer Mannschaft, mit so starken Kriegs-Waffen wider den Herrn Jesum ausgangen, gibt die Ursach der heilige Paschasius, sprechend: Es habe Judas Christum vor einen Zauberer und Schwarzkünstler gehalten, als der durch Beihülfe des Teufels Beelzebub sich leicht könne aus dem Staub machen, wie es dazumalen geschehen, als er sollte von der Höhe des Bergs gestürzt werden, er aber aus den Händen der Juden wunderbarlich entronnen. Damit dann Christus desto sicherer möchte gefangen werden, hat er ein so großes Volk mit sich geführt in den Garten; daß aber obbenannter Böswicht so viel Laternen und brennende Fackeln mit sich genommen, indem doch dazumal der Vollmond[75] gewesen; und solcher die ganze Nacht hindurch geschienen, war die Ursach, weil er geforchten, es möchte etwan er oder seine Kameraden in eine Gruben fallen, oder sonst etwan an eine Mauer oder Stock anlaufen. Also bezeuget es der heil. Cyrillus von Alexandria: timebant forsan, ne aut in foveas caderent, aut pedes lapidibus offenderent. O verblendeter Apostel und verruchter Gesell! so gilt bei dir der Leib, so bald hernach ein Galgen-Schlenkel seyn wird, vielmehr als die Seel? dann du mit Beihilf der Laternen und Lichter hütest, damit du nit in eine Grube fallest, unterdessen achtest du wenig, daß deine Seel in die Hölle fallet: deinesgleichen findet man leider viel bei dieser verkehrten Welt.

Der Trampel gilt alles, der Mistfink gilt alles, der Sautrog gilt alles, der Wurmkübel gilt alles, der Kothsack gilt alles, der Talken gilt alles, der Gestankkolben gilt alles, die Eiterbüchsen gilt alles, der wilde Mufti gilt alles, diese Lausweid gilt alles, der Leib, sag ich, gilt alles, und die Seel, dieses kostbare Kleinod, diese wertheste Braut Jesu Christi, gilt wenig, und muß diese fast gleich einem armen Lazaro hinter der Thür vorlieb nehmen.

Zu Cäsarea, schreiben die Evangelisten, ist ein Weib gewest, und nach Aussag Eusebii, eine gar ehrliche und wohlhabende Burgerin, welche darum bei so guten Mitteln sich befunden, weil sie in Kleider-Pracht das Ihrige nit also verschwendet, wie der Zeit bei etlichen zu sehen ist, die, des Bügeleisens und Schuster-Leists vergessend, einer halben Dame gleich, die krause Goglhöpf auf dem Kopf tragen wollen. Diese Burgerin[76] wurde von einem harten und sehr üblen Zustand überfallen, benanntlich von dem steten Blutgang, woran sie zwölf ganzer Jahre gelitten, unter solcher Zeit war kein Arzt, keine Arznei, die sie nit gebraucht, ja so gar hat sie all ihr Hab und Gut an die Doctores gewendet, nur, damit sie möchte zu der gewünschren Gesundheit gelangen.

Es war aber diese arme Haus nit allein also beschaffen, sondern ihres Gleichen findet man mehr, so gar keine Unkosten sparen um ihres Leibs Gesundheit willen. Manlius Cornutus, aquitanischer Legat, hat seinem Medico, weilen er ihn wiederum zu voriger Gesundheit gebracht zu einer Belohnung 4000 Dukaten verehret. Erasistratus, ein berühmter Doktor und Leibarzt, hat von dem König Antiocho allein 60,000 Dukaten bekommen, das heißt die Puls griffen! Thadäus, ein Medikus zu Florenz, hat von dem Papst Honorio dem IV. 20,000 Gulden empfangen, um weil er ihm wegen der Gesundheit beigestanden. Ludovicus der II., König in Frankreich, hat innerhalb 5 Monaten seinem Medico 54,000 Dukaten gegeben, dann solcher den König persuadiret, daß er ohne seine Hülf nit lange Lebensfrist haben werde.

Ein manches alte Weib greift ihr so lange Zeit hero verschlossenes Schatzgeld an, nimmt hervor die alten Thaler, so von Carolo Magno seynd geprägt worden, schickt und schenkt dem Doktor und Apothecker solche guldene Münz, die noch mit der Bildnuß Julii Cäsaris prangen, nur damit sie wieder zu der Gesundheit gelange. Eine ist gewest, die wegen ihres hohen Alters so häufigen Catharr und gesalzene Flüß[77] vom Kopf herab gelitten, daß ihr derenthalben die Augen völlig in Verlust gangen, darum sie den Medicum um Gottes Willen gebeten, mit Verheißung einer ziemlichen Summa Geld, er wolle und solle ihr das Gesicht wieder erstatten; worauf er ganz unwillig geantwortet, daß es sich nit schicke, in ein altes baufälliges Haus neue Fenster zu setzen. Alles und alles spendiret man auf den Leib, damit derselbe gesund bleibe oder gesund werde.

Man leidet das Brennen, man geduldet das Schneiden, man stehet aus das Brechen, man versucht das Schwitzen, man ergreift das Fasten, man nimmt allerlei grausliche Medizin, Pillulen von assa foetida oder Teufelskoth, sal volatile urinae den succum und Saft von Esels- und Saukoth, distillirte Würm, Stinkwurzen, sonsten Bigonia genannt, Saft von dem Roßmist, ja allerlei verzuckerten Wust und präparirten Unflath, nur damit der Leib, dieser grobe Limmel, wieder gesund werde. Wegen der Seele aber, wegen dieser unsterblichen Kreatur, wegen dieser so herrlichen Braut Jesu Christi, wendet man nit den vierten Theil so viel Mühe und Fleiß an. Bei allen Tafeln, auf allen Mahlzeiten, in allen Gesellschaften, aus Pütschen, aus Gläsern, aus Kandeln, aus Krügen, aus Tätzen, sogar aus Salzbüchslen und Pantoffeln trinkt man die Gesundheit dieser und dieses, bald in Wein, bald in Bier, bald in Meth, da wünscht man, ruft man, schreiet man, vivat! er soll leben! bei allen Zusammenkünften wird der Gruß seyn, ich erfreue mich seiner Gesundheit! in allen Beurlaubungen wird das Complement seyn, der Herr bleib[78] fein gesund! in allen Briefen wird der Zusatz seyn, ich bin, Gott sey Lob, wohlauf! Ihr limmelblaue Lackeien, ihr verbrämten Gassentreter, ihr regenbogenfärbigen Pagen, ihr indianischen hochzornleibfärbigen Diener, was ist euer vormittägiges Aus- und Ein-, Hin- und Her-, Auf- und Ablaufen und Schnaufen? was anders, als die Ordinari-Post; wie man geschlafen? wie man sich befinde? ob man gesund sey? je und allemal gedenkt man nur des Leibs, dieses tramplischen Wildfangs; der Seele aber, dieser nach dem Ebenbild Gottes erschaffenen Wesenheit, dieses so theuren Schatzes, ist man gar selten eingedenk, ja oft gar nie.

Im alten Testament war nichts wunderthätigers, als die Ruthe Mosis; Virga, im neuen Testament scheinet nichts wunderthätigers, als Virgo, verstehe die übergebendeite Mutter Gottes und glorwürdigste Jungfrau Maria; das siehet man zu Loretto in Welschland, das findet man zu Einsiedel im Schweizerland, das beobachtet man zu Altenötting in Bayern, das wundert man zu Zell in Steyermark; in allen diesen Orten hangen große Tafeln, kleine Tafeln, mittlere Tafeln, alte Tafeln, neue Tafeln, gemalte Tafeln, silberne Tafeln, guldene Tafeln; woraus zu sehen, wie die Leute ihre Hände aufheben zu der gnadenvollen Mutter Gottes in ihren Nöthen und Bedrängnissen; da siehet man vorgebildet einen Fallenden vom hohen Gebäu, einen Schwimmenden in einem tiefen Wasser, einen Geschleiften von dem Pferd, einen Verwundten von den Mördern, einen Hangeden an dem Mühlrad, einen Verschlossenen in der Feuersbrunst, einen[79] Liegenden in dem Bett, welche alle die gnadenreiche Himmelsköniginn angerufen in ihren Nöthen des Leibs; aber wenig Tafeln, ja fast keine wirst du antreffen, woraus abzunehmen, daß jemand in der Seelennoth hätte Hülf gesucht. Alles gilt der Leib, dieser plumpe Schlenkel, dieser garstige Sau-Narr, dieser talkete Schurk, dieser sterbliche Madensack, die Seele aber, welche Gottes Sohn mit seinem kostbaren Blut, mit seinem bittern Tod erlöset hat, dieses unsterbliche Geschöpf wird so wenig geachtet; es wäre noch leidentlich, wann man ihr nur halbentheil so viel erwiese, was man dem fleglantischen Leib gibt, O Gott! O Seel! O Ewigkeit! Ihr Juden seyd dazumalen verdammte Böswichter gewest, wie ihr den Barrabam, solchen öffentlichen Mörder und Aufrührer, habt frey und los begehrt, Jesum aber, als wahren Gottes-Sohn, zum Tod gezogen; wir aber seynd nit um ein Haar besser als ihr, die wir in den mehristen Begebenheiten den schlechten Leib der so kostbaren Seele vorziehen.

Unter andern Uebeln, wormit Gott die sündigen Adams-Kinder zu strafen pflegt, ist nit das mindeste die grassirende Pest und giftige Seuche, wie behutsam aber der Mensch dieselbige fliehet, ist sattsam bekannt, An. 1679 hat es die kais. Residenzstadt Wien genugsam erfahren, indem sich dazumalen ein Freund vom Freund abgesondert, ein Mann das Weib geschieden, ein Kind von den Eltern geflohen, in denen öden und sonst unbewohnlichen alten Schlössern, in hohlen Felsen und Steinklippen, in geringen von Gesträuß und Stauden zusammen geflochtenen Hütten, in tiefen[80] und salittersüchtigen Kellern und Gewölbern, sogar in wüsten und gestunknen Bocks-Ställen haben die Leute ihre Wohnung gemacht, damit sie nur von der Pest nit möchten angesteckt werden. Eine Edelfrau, nit unweit Wien, hat einen großen hohlen Kürbis, so mit lauter Pommeranzen-Scheller ausgefüttert war, stets über den Kopf getragen, damit sie die vergifte Luft nit anblase, die ganze Stadt Wien ist dazumal fast zu einem Nonnen-Kloster worden, dann durch und durch eine strenge Clausur, und schier alles durch Fenster und Winden ein- und ausgelassen worden, damit nur der Leib, dieser abgeschmackte Schliffel, die Pest nit erbe. Aber auf die Seele, so doch ein unsterbliches Kleinod, hat man wenig acht, Gesellschaften und Zusammenkünfte, Tanz- und Spielhäuser, Mahlzeiten und Haingarten seynd mehrmalen schädliche Pest, wodurch gar viel Seelen zu Grunde gehen, werden doch nit gescheut, sondern gesucht, werden doch nit geflohen, sondern angebetet, ist also mehr gelegen an dem Heil des Leibs, dieses groben Leimpatzen, dieses wurmstichigen Blocks, dieses ungeschlachten Flegels, als an dem Heil der unsterblichen Seele.

In einer vornehmen Stadt trieb einsmal ein Bauer einen wohlbeladenen Esel bei einem hochfürstlichen Hof vorbei, weilen er aber das langohrige Thier mit so heftigen Streichen und Schlägen geplagt, also hat ein Kavalier von der Ritterstube oder Hofsaal hinunter geschrien, und gegen den Bauren mit harten Worten verfahren, daß er so tyrannisch mit dem armen Thiere umgehe, worauf der schlaue Bauer geantwortet: gnädiger Herr, verzeihet mir's, ich habe nit[81] gewußt, daß mein Esel einen Befreundten zu Hof habe, der sich seiner so eifrig werde annehmen.

O wie viel gibt es solche Esels-Freunde! was ist anderst unser sterblicher Leib als ein Esel! also hat ihn allemal der heil. Einsiedler Pachomius benamset, und dieses Gesellen nimmt man sich doch allerseits an, damit nur ihm nichts übels begegne, damit nur er wohl gehalten werde, an die Seele gedenkt man wenig, auf solche Weise seynd die egyptischen Zwiefel besser, als das himmlische Manna, auf solchen Schlag gilt das Linsenkoch des Esau mehr als der Honigfladen des Samsons, auf solche Manier ist schöner der Misthaufen des Jobs, als der guldene Thron Salamonis, wann der Leib alles gilt und die Seele so wenig.

Daß Joannes Baptista im Mutterleib aus lauter Freuden wegen der Gegenwart Christi in dem Schoos Mariä aufgehupft, ist ein groß Wunder. Daß Benedictus im Mutterleib von freien Stücken hat angefangen zu psalliren und singen, wie ein Mönch im Chor, ist ein groß Wunder. Daß Vincentius Ferrerius im Mutterleib stark angefangen zu bellen wie ein Hund, ist ein groß Wunder. Daß aber Jakob und Esau beede Brüder im Mutterleib miteinander gebalgt und gestritten, ja sogar einer den andern hin- und hergestoßen, ist es nit weniger ein großes Wunder, dann sie hätten ja sollen aus Antrieb der Natur den Schoos der Mutter, als einen so hoch privilegirten Burgfrieden respektiren; es hat aber dazumal die verdammte Ehrsucht schon die zwei kleinen Kinder also kitzelt, daß sie um die Präcedenz und Vorgang nach Kräften gestritten, welches leider noch in der ganzen[82] Welt zu sehen. O was Fleiß und Unkosten wird allerseits angewendet, damit der Leib, dieser leimige Trampel, verehret werde! Signore, ich sehe euch schon ein halbes Jahr hindurch alle Tage bei Hof; ihr steigt, auf und ab wie eine Gems, ihr buckt und biegt euch mehrmalen wie eine Passauer-Kling, ihr sucht hin und her, wie ein Wachtelhund, ihr schmotzt wie ein Flecksieder nach der Fasten, ihr seufzet oft wie ein ungeschmierter Nüstwagen, ihr hupft bald da bald dort wie eine unruhige Bachstelze, ihr schmeichelt nit weniger als ein Kammerhündlein, ihr schleichet öfters wie ein Fuchs im Schwarzwald, ihr richtet such in alle Possen wie ein Aff eines Marktschreiers, ihr demüthiget euch wie das Geröhr im Teich, ihr stellet euch so züchtig, wie eine ehrbare Braut bei Ablesung der Verkündzettel, ihr thut aufwarten wie Koridon bei der Tafel, ihr tragt nit Last sondern Unlust, mehr als ein Müllneressel, ihr dissimulirt wie die Glocken am Charfreitag, ihr zwitzert in allen Winkeln wie ein Lockvogel, ihr klopfet allenthalben an wie ein Baumhackl, in Summa, kein Geld ist euch zu lieb, keine Zeit ist euch zu lang, keine Sorge ist euch zu groß, keine Bürde ist euch zu schwer, ihr spondirt und spendirt, ihr parlirt und burlirt, ihr advocirt und invocirt, damit ihr nur eine Ehr, ein Amt, eine Charge, eine Dignität mögt erschnappen, ertappen.

Fast lächerlich ist, was Cäsarius erzählet von einem Mönch und gemeinen Laienbruder in einem Kloster: dieser ward von dem Hoffarts-Teufel dergestalten angefochten, daß er in allweg getrachtet, wie er doch möchte ein vornehmer Prälat werden; weil er aber[83] mit dem Kochlöffel allein schreiben konnte, und nichts anders lesen, als Linsen und Arbes, also hat er sich von freien Stücken, obschon ziemlich bei Jahren, über das A B C gemacht, worin er aber wegen steter Klosterarbeit wenig erlernend, dessentwegen das Kloster quittirt, und wieder in die Welt gekehret, damit er desto füglicher und besser dem Lesen und Schreiben und fernerem Studio könne abwarten, es blieb aber der saubere Urian ein Doktorpüffel wie zuvor, dahero dann wieder in das vorige Kloster getreten, aber von dem vorigen Hoffartsgeist nie abgetreten, sondern auf ein Neues mit größtem Eifer sich mehrmal auf das Studiren sich begeben, Tag und Nacht speculirt, damit er nur möchte Bischof werden, früh und spat im Buch gelegen, damit er nur möchte Bischof werden, Vormittag und Nachmittag gearbeitet, damit er nur möchte Bischof werden, inwendig und auswendig gelernet, damit er nur möchte Bischof werden, in der Zell und außer der Zell gestudiret, damit er nur möchte Bischof werden, es hätten ihm mögen die Augen ausrinnen, es hätte ihm mögen das Hirn zerspalten, es hätte ihm mögen die Gedächtnuß zerklieben, vor lauter Lernen, damit er nur möcht ein Bischof werden. O Frater Narrciß! Einstmals erscheinet ihm der böse Feind, in der Gestalt eines glorrreichen Engels, und trägt ihm mit freundlichem Gespräch vor, wie daß Gott dem allmächtigen höchst wohlgefällig seye seine so heilige Meinung, solle demnach auf keine Weise von dem Studiren nachlassen, massen ihn schon Gott habe auserkiesen zu einem vornehmen Erzbischof. Wie solches der geschorne Knollius vernommen, da[84] war keine Weis' kein Fleiß, keine Zeit, kein Streik, kein Ort, kein Port, so er nit hätte zu dem Studiren angewendet, er schauete seine Nebenbrüder über Zwerg an, er resignirte alle Kuchenarbeit, und thät verachten seine vorgesetzte Obrigkeit, er weigerte allen Gehorsam, in Summa, er thäte dergestalten unaufhörlich dem Studiren obliegen, daß er mußte wie ein ausgelernter Schuhmacher mit einem großen Riemen den Kopf binden, wann er anderst hat wollen verhüten, daß ihm solche Strohhütte nit einfalle, was? sagt er, was meint ihr, was ich mit der Zeit werde werden? ihr grobe Brüder müßt noch einmal mir die Kniee biegen, und meiner Gnaden leben. Dem Teufel gefiel das Spiel, daß er solchen Lai- oder Heubruder in sein Garn gebracht, erscheinet ihm demnach das andermal wie ein englischen Botschafter vom Himmel, und deutet ihm beinebens an, wie daß in dieser N. Stadt der Erzbischof seye mit Tod abgangen, dessen Stelle er unverweigerlich solle antreten. Ho, ho, das war eine angenehme Zeitung unserm schmotzigen Baocalaurio, der macht sich bei Mitternacht aus dem Kloster, und reiset 3 ganzer Tag dahin, eine Meile aber von besagter Stadt entlegen, nimmt er die Nachtherberg bei einem Pfarrherrn, der ihn gar höflich und mit großer Liebe traktirt, nachdem der unzeitige Bischof sich in das Bett gelegt, machte er sich allerlei sorgfältige Gedanken, unter andern gedachte er, daß ihm die gesammte Stadt werde entgegen gehen, und den neuen Celsissimum mit sonderm Pomp und Pracht einbegleiten, es schickte sich aber zu solchem stattlichen Einzug gar nit wohl sein schmotziger Habit, den er[85] bereits ins dritte Jahr bei den Kuchgeschirren und Hackbrettl getragen, fällt ihm gleich ein, daß er kurz vorhero eine nagelneue Kutte des Herrn Pfarrers in der Kammer habe wahrgenommen, dann auch einen schönen Klepper in dem Stalle; besinnt sich darauf nit lang, sondern schlieft ganz still in den neuen Rock des Pfarrherrns, setzt sich auf das schöne Pferd, und reitet also wohl ausstaffirter nach der Stadt. Dem Herrn Pfarrherrn ist es seltsam in aller Frühe vorkommen, daß ihm das Pferd die Kutte, oder die Kutte das Pferd hinweggeführet, schöpfte also gleich einen wohlgegründeten Argwohn, der Herr Frater seye dieser saubere Gast gewesen, dahero er demselben unverzüglich nachgeeilet, und ihn gleich in Mitte der Stadt angetroffen, allwo er den großen Platz auf- und abgeritten, immerzu wartend, wann man ihn dann empfangen werde, weil aber der Pfarrherr dem Magistrat angedentet, daß dieser zweifelsohne nur in Mönchskleidern verhüllte Böswicht bei ihm solches Diebsstuck begangen, also ist er, unangesehen seiner vielfältigen Protestation und Vorwand des geistlichen Stands, so man ihm nit geglaubt, als ein rechter Dieb auf den hohen Galgen gehängt worden. Dieses schreibt Cäsarius und Valerius Venetus in seinem Prato Fior: und erhellet aus solcher Geschicht, was Fleiß, Mühe und Arbeit ein Ehrsüchtiger anwende, damit er nur hoch komme, damit man ihn verehre. Aber daß die unsterbliche Seele einen hohen Thron im Himmel bekomme, da gedenkt man nit viel, da arbeitet man nit viel, da spendiret man nit viel; auf daß aber der Leib, dieser wilde Kothfang, dieser garstige Lackendrescher,[86] dieser übelriechende Madenkoch hoch, sitze, in Ehren sitze, da sucht man alles, und versucht man alles, mit einem Wort, der Besti gilt alles.

Was jenem Hofbecken oder Pfisterer in der Keuchen geträumet, das erfährt man noch alle Tag, Tag und Stunde, Stund und Augenblick, ihm hat geträumt, als trage er auf dem Kopf 3 große Körb voll mit Brod, in dem obersten Korb waren die Mundsemmel vor den König, und dieser Korb stunde offen, daß die Vögel daraus gefressen und weggetragen, die andern zwei Körb waren zugedeckt, da doch nur das gemeine Gesindelbrod darinnen, die schwarze Laib vor die Kuchel- und Stallbursch, also hat man auf das schwarze Gesindelbrod mehr Acht gehabt, mehrere Sorg gehabt, als auf die Mundsemmel des Königs Pharao, also geschieht auch noch immer fort, daß man mehrere Sorg trägt auf den Leib und dessen Heil, auf den Leib, diesen gemeinen Kerl, diesen siechigen Tropfen, als auf die Seele, die noch mehr werth, als unendliche Wert, als unzahlbare Schätze

Sterblich ist der Leib, und ihm ist der Tod und Untergang unvermeidlich. Ein vornehmer Kavalier hatte einen sehr herrlichen Pallast aufgebauet, denselben auf das Allerprächtigste mobilirt, und alles mit allem so wohl versehen, daß auch ein naswitziger Vitruvius ihm nichts hätte können ausstellen, gleichwohl hat sich einer gefunden, welcher in diesem so adelichen Pallast und vollkommemen Gebäu einen Mangel vermerkt, der Patron de Kasa wollte kurzum wissen den Fehler des Gebäues, dem dann der andere mit gebührendem Respekt geantwortet, wie daß eine Thür[87] solle zugemauert seyn, massen diese Thür das ganze Werk schände, was vor eine Thür? die Thür antwortete er, durch welche einmal der Tod wird einschleichen, die Thür, durch welche einmal mein gnädiger Herr zum Grabe wird getragen. Das hat geheißen, du bist ein sterblicher Mensch, und wann du schon würdest alle Ziegelsteine von dem babylonischen Thurm abbrechen, so klecketen solche nit, das Loch und die Thür zu vermauern und schließen, wo der Tod einschleicht, ist also dein Leib sterblich, deine Seele aber unsterblich, und gleichwohl traktirest du den Leib weit besser als die Seele.

Der Evangelist Matthäus am 12. Kap. registrirt, wie der Herr Jesus an einem Sabbath durch ein Treid- Feld gangen, da waren die Apostel ziemlich hungrig, also zwar, daß sie angefangen die Kornähren auszuropfen und zu essen: der Zeiten ist man mit dem Leib viel heiklicher, und traktirt man ihn nit mit Korn, wohl aber mit lauter auserkornen Speisen. Im A B C gehet der Buchstaben E nur die Verheiratheten an, der Buchstaben G nur die Maulaffen, der Buchstaben O nur die Fuhrleute, der Buchstaben R nur die Zornigen, aber das S, Ss ist fast ein allgemeiner Buchstaben, Ss in der Frühe, Ss zu Mittag, Ss auf den Abend, Ss lauter gute Bißlein. In Summa, es finden sich Frißländer durch die ganze Welt: zu gedulden wäre es aber noch, wann man den menschlichen Leib mit gemeinen Speisen versehen thäte, aber den Limmel fütterte man mit allerlei fremden und kostbaren Schleckereien, und muß ein französsicher Suppenschmied oft eine ganze Nacht speculiren,[88] wie er den andern Tag mit fremden Trachten seine gnädige Herrschaft möge bedienen; da nimmt er mit aller Macht das Dominium, welches Gott von Anbeginn der Welt dem Adam noch im Stand der Unschuld gegeben, herrschet über die Fische des Meers, und über die Vögel des Himmels, und über alle Thiere, die sich auf Erden bewegen, da müssen alle Elemente ihre Inwohner in die Kuchel-Robath und Scharwerk schicken, es müssen die Schnecken gar auf der Post Paphlagonia kriechen, es müssen die Fische gar aus Mauritania berufen werden, es müssen die Vögel gar aus Asia citirt werden, es muß das Gewürz drei Meilen hinter Kalekut hergebracht werden. Unser lieber Herr Jesus hat zwar zu unserer Nachfolge die ganze Zeit, da Er auf Erden gewandert, den Tag nur einmal gessen, auch nie kein Fleisch ausser zu Ostern von dem Osterlamm, vermög des mosaischen Gesetz.

Der jetzigen Christen Wandel ist weil entfernet von Christi Wandel, massen das dermalige Essen in einem viel andern Esse stehet, dann fast alle Tag neue Fünde und Vortheil erdenkt, erdicht und erdacht werden, wie man auf eine besondere Weise dem Appetit und Freßgierigkeit könne Satisfaktion leisten, es koste was es immer, wolle. Die ersten Eltern im Paradeis, sobald sie die verbotene Frucht gessen, haben sich nackend und bloß erkennet, auf solche Weise hat sie das Essen entblößt; bey jetziger Welt ist es nichts mehr neues, daß sich gar viel, durch stetes und kostbares Essen und Mahlzeiten, aller Mittel entblössen, ja gar erarmen. Mit einem Wort, der Leib,[89] dieser Schurk, gilt alles. Entgegen die Seele, dieses so herrliche Ebenbild Gottes, dieses unsterbliche Meisterstuck der allmächtigen Hände, gilt fast nichts, ein ganzes Jahr hindurch was kost nit der Leib, dieser garstige Mist-Fink? der Seele aber oft vergönnet man gar nichts.

Das erste Kapitel in heil. Schrift, im ersten Kapitel die erste Zeil, in der ersten Zeil die ersten Worte lauten also: Im Anfang hat Gott den Himmel und die Erde erschaffen. Auf solche Weise ist der allmächtige Gott ein seltsamer Baumeister, um weilen Er anfangs das Dach aufführet, nachmals erst die Fundamenta leget, dann was ist anders der Himmel als ein Dach über die Erde? Es hat aber Gott der Herr, wie es andeutet der heil. Chrysostomus, derenthalben ehender den Himmel erschaffen als die Erde, damit wir sterbliche Adams-Kinder hierdurch eine Lehr nehmen, und auch allemal das Himmlische dem Zeitlichen, die Seele dem Leib vorziehen, aber leider es geschieht fast jederzeit das Widerspiel, und thut man hundertmal mehr bedienen den Leib, als die Seel.

Der Apostel ihre Netz, da sie noch arbeitsame Fischer waren, seynd nit so oft gewaschen worden, als da gewaschen wird ein Menschen-Gesicht, das muß alle Tag ins Bad, das muß alle Tag, ja oft alle Stund, vor dem gläsernen Richter erscheinen, wie dann Eine gewesen, die immerzu, und fast die meiste Zeit, vorm Spiegel gestanden, zuweilen aber ganz wehmüthig geseufzet, wessenthalben ihre Magd einmal die Ursach gefragt, warum sie also seufze? Ach! sagt sie,[90] das Gesicht gehet bey mir schon hin, wann ich nur Person halber nit so klein wäre, das betrübet mich. O! gibt hierüber das einfältige Dienst-Mensch die Antwort, Frau, thut euch derenthalben nit bekümmern, dann ob ihr schon Leib halber klein, so seyd ihr beinebens gleichwohl eine große et caetera etc. Den Spiegel dieses wahrsagerische Glas thut man immerzu befragen, wie das Gesicht stehe? Ob kein Mahl darinnen? darauf? darum? es muß sich das Gesicht mit allerlei Wasser putzen und reiben lassen, forderst bei denen Weibern; da müssen Schnecken-Häusel her, Adlers-Federn her, junge Schwalben her, Sauerteig her, Märzen-Schnee her, Katzen-Schweif her, Brodrinden her, Schild-Kroten-Bratzen her, Frauen-Glas her, Himmel-Thau her, Hahnen-Kämm her etc. warum nit auch Kuttelfleck-Unterfutter her? alles in gewissen Wassern gebeizt und gesotten, und distillirt, damit das Gesicht wohl gewaschen, auf daß es schön bleibe, oder schön werde.

In dem Leben des heil. Patritii wird gelesen, daß einsmals ein schneeweißer alter Tällt zu ihm kommen, sprechend: er habe viel vernommen und gehört von seinen großen Thaten und Wunder-Werken, und also versprach er, daß er wolle aus einem Helden ein Christ werden, und seinem allerseits ausgebreiteten Glauben nachkommen, wann er ihm seine Jugend wieder zuwegen bringe. Patritius fällt alsobalden auf seine Knie nieder, und verrichtet sein Gebet zu Gott dem allmächtigen; kaum daß er eine kleine Zeit dem eiferigen Gebet obgelegen, da ist mit höchster Verwunderung der alte Geck ein ganz junger Mensch worden,[91] die Haar sich verändert, die Runzeln sich verloren, das Maul mit Zähnen wieder versetzt, das ganze Angesicht sich verjüngert, und gäh aus einem Winter ein Frühling worden.

Wann sollte der heil. Patritius noch in dem zeitlichen Leben seyn, was würde er nit vor einen Zulauf haben? ein mancher alter Greis verlobte sich mit bloßen Füßen auf Kompostell zu wahlfahrten, wann er nur könnte wieder jung werden; eine manche alte Zibet-Katz thät sich hundertfältig, tausendfältig einstellen, wann sie nur der Falten möchte los werden; bin versichert, das ein jedes Spital-Weib mit Krucken und Stecken dem heil. Patritio würde zueilen, und von ihm ihre blühende Jugend wieder erbitten, der heil. Mann würde immerzu mit weißen Schimmeln umgeben seyn, und müßte Tag und Nacht geplagt werden, wie er die geschimmelten Waaren wieder möchte frisch machen. Aber Seelen halber ist wenig Sorg, es mag dieselbe eine Gestalt haben, wie sie will, derentwegen entstehet wenig Kummer, wenig, gar wenig bemühen sich dieselbe zu verjüngern, und in den ersten Unschuld-Stand zu setzen, in dem sie nach der heil. Tauf in der Kindheit gewest. Es gilt mit einem Wort der Leib alles, dieser garstige Puffer alles, dieser Zoten-Vogt alles, dieser Sau-Narr alles, die Seel aber, so mehr werth, als Himmel und Erde, mehr werth als ganze Berg von Gold, mehr werth als ganze Felsen von Diamanten, mehr werth als ein ganzes Meer von Balsam, die Seel, so mit nichts anderst, als mit dem theuren Blut Jesu Christi erkaufe worden, diese gilt so wenig, das sey Gott geklagt![92]

Sobald der Vater Jakob dem jüngern Sohn, benanntlich dem Joseph, einen schönen bunten Rock machen lassen, und folgsam besser bekleidet, als die anderen, sodann ist gleich ein Neid entstanden unter den andern Brüdern; aber ihr saubere Gesellen, ihr Limmel auf allen Seiten (Lemmel hinter sich und vor sich gelesen) ihr habt nit Ursach, den frommen Joseph zu beneiden und ihm des schönen Kleids halber mißgünstig zu seyn, weil er auch frömmer und tugendlicher ist, auch mit weit bessern Sitten und Gemüths-Gaben versehen, als ihr, warum soll ihn der Vater nit auch mit einem bessern Kleid ausstaffiren? Aber die Seele, diese so hochansehnliche Prinzessinn, hätte tausend Ursachen zu klagen, tausend Ursachen, den Leib zu beneiden, um weilen dieser so abgeschmache Trampl je und allemalen so stattlich bekleidet wird, sie aber mit einem alten schlechten zerfetzten Küttel muß vorlieb nehmen.

Anno 2544 von Erschaffung der Welk, seynd drei Millionen der Hebräer von der ägyptischen Dienstbarkeit durch die göttliche Hand wunderbarlicher Weise erlöset worden, und etliche hundert Jahr hernach haben die Hebräer zu einer Dankbarkeit scilic. Gottes Sohn eben in derselbigen Nacht, eben in derselbigen Stunde gefangen genommen. Diese seynd anfänglich von dem Mose aus Aegypten geführt worden in die Wüste Faran, allwo sie von dem Allerhöchsten wunderbarlich erhalten worden vierzig ganzer Jahr, unter dieser währenden Zeit ist ihnen weder Haar, weder Nägel gewachsen, wie es Salvianus Massiliensis bezeuget, auch sogar keinem ein Zahn ausgefallen,[93] mit den kleinen Kindern seynd die Kleider aufgewachsen, und den großen Leuten ist durch 40 Jahr nit ein Faden verletzt worden; vierzig Jahr nur ein Kleid tragen, das ist viel, aber alle vierzehn Tag ein anders Kleid tragen, das ist auch viel, alle vier Wochen anderst aufziehen, das ist auch viel, alle vier Zeiten des Jahrs eine andere Modi in Kleidern haben, das ist auch viel, und leider bei dieser bethörten Welt gänzlich im Schwung.

Es hat unser lieber Herr einst gesagt, daß kein Prophet angenehm seye in seinem Vaterland, ich und ein anderer sagt ebenfalls, daß kein Zeug, und Tuch und Band angenehm seye in dem Land, wo es gemacht, der jetzige Kleider-Pracht will nur mit ausländischen Waaren versehen seyn, aus Galiläa ist vor diesem alles Gute entsprungen, massen darinnen unser Herr und Heiland geboren, aber aus Gallia kommet der Zeit alles Uebel her, weilen darinnen alle Teufels-Modi in der Wiegen liegt, man achtet es nit, wann schon dergleichen Modi, Maden seynd, welche den Beutel durchfressen. Der Atlas, sagen und singen die Poeten, habe Vorzeiten die Welt getragen, jetzt könnte man schier sagen, der Atlas thue die Welt verderben, dann bereits auch eine rußige Kästen-Braterinn an einem Fest-Tag in Atlas daher prangt. Mit Kameelen seynd vor diesem die drey Könige aus Orient zu unserm Herrn kommen, jetzt will auch eine gemeine Fleck-Siederinn, in und mit Kammeloth zum Teufel fahren. Es haben dazumal die Hebräer sich verwundert und vergafft, wie sie gehört, daß die Apostel zu Pfingsten allerlei Sprachen geredet, ja etliche glaubten,[94] diese Fischer haben zu tief in die zinnerne Reussen geschauet, es ist sich dermalen nit viel weniger zu verwundern, wann man höret, daß die Schneider (cum pleno titulo) die auch vorhero das A B C nit durchbügelt, gleichwohl allerlei Sprachen reden, wann sie bald mit Kallamoko, mit Raßdizipre, mit Legratur, mit Sargedinim, mit Sarge di Roma, mit Sarge di Lill, mit Sarge di Drill, mit Trapdiparis, mit Scotsignoria herausbrechen, und seynd diese alle fremde kostbare Zeug, mit dem sie den Leib, diesen stinkenden Maden-Sack, bekleiden. Den Kapizoll der Teubel holl! O Terzennell wärst in der Höll! O Ferentin wärst du nur hin! O Zimmepon kei dich davon! O Scharlerin fall mir aus dem Sinn, Grüseth, Träpeth zum Galgen geht! Rättin, Krepan bleibt weit von dan, dann ihr der Untergang seyd so vieler tausend Men schen. So köstlich, so künstlich, so herrlich, so ehrlich, so mächtig, so prächtig verdeckt man, verhüllt man, und bekleidt man den Leib, diesen Flegelanten, und der unsterblichen Seele, dieser so adelichen Kreatur, vergißt man gar.

Jesus trat hinab, schreibt der Evangelist Lucas, an ein Ort in einem flachen Feld, und mit ihm die Schaar seiner Jünger, und eine große Menge des Volks aus dem ganzen Judenland, und von Jerusalem, und aus der Gegend am Meer, und bei Tyro und Sidon, welche kommen waren, daß sie Ihn höreten, und von ihren Krankheiten gesund gemacht würden: und alles Volk suchte ihn anzurühren, dann es ginge eine Kraft von Ihm aus, und machte sie alle gesund. Der Meister Daniel ist von etlich 20 Meil[95] zu unserm Herrn gereist, die Frau Esterl hat etliche Tag-Reisen, und mit nit wenigen Unkosten zubracht, damit sie den Herrn angetroffen, der gute Holzhacker Malachias, der ihm selbsten mit einer Hacken den Fuß zerspalten, ist mit zwei Krucken daher gehunken, die Jungfrau Sarl, um weil sie die Gelbsucht bekommen, und folgsam in der Forcht gestanden, sie möchte keinen Mann erhalten, hat sich lassen auf einem Kramer-Karren führen, damit sie könnte den Herrn anrühren. Die alte Ahnfrau Rebekka hat sich schier lassen von dem Volk zu todt drucken und treten, auf daß sie zu Christi Gegenwart gelange, viel tausend, und tausend haben alle ihre Geschäfte und Arbeit zu Haus verlassen, und zu unserm Herrn geeilet, warum? etwan damit ihre Seelen möchten in einen guten Stand gebracht, werden? das nit, das wohl nit, das gar nit, sondern damit sie die Gesundheit des Leibs möchten wieder erhalten. O Gott! so gilt halt allerseits der Leib vielmehr als die Srel, der Leib, so von Rechts wegen nit anderst soll titulirt werden, als ein Limmel, dann er von Limo herkommt, laut göttlicher Schrift, de limo terrae etc. Entgegen aber die unsterbliche Seel, welche Gottes Sohn mit seinem theuersten Blut erkauft, und gern vor eine jede Seel hätte so viel gelitten, was er hat ausgestanden, vor das gesamte menschliche Geschlecht, diese Seele wird fast allemal dem bachantischen Leib nachgesetzt, auf solche Weise ist eine Sau-Blatter in größerm Werth, als die Dukaten darinnen, auf diese Manier seynd die ganz guldenen Becher schlechter, als die hölzernen Futteral darüber, auf solchen Schlag gilt eine[96] Dienst-Magd Agar mehr im Haus, als die Haus-Frau Sara selbsten.

Sogar fällt uns nit ein, was der allmächtige Gott über den geduldigen Job verhängt, als er dem Teufel die Vollmacht geben über all sein Haab und Gut, über seinen Leib, und auch über seine Kinder. Nimm ihm, sagt Gott zu dem Satan, nimm ihm hinweg Schaf und Schaf-Stall, nimm ihm Haus und Haus-Rath, nimm ihm Geld und Gelds-Werth, sogar alle Kinder und Rinder, sogar die Leibs-Gesundheit, so über alles höchst geachtet wird, außer eines nit, die Seel, die Seel, die Seel soll mir verbleiben, veruntamen animam ejus serva. Gott schätzt alles geringer als die Seel, ja hundert tausend Welt, ja so es möglich wäre, unendliche Welt geringer als die Seel, den Himmel selbsten geringer als die Seel, wir aber verblendte Adams-Kinder schätzen alles höher als die Seel, zuweilen ein altes paar Hosen höher als die Seel, zu Zeiten einen Hund höher als die Seel, dann wir gar oft beweinen den Verlust, eines Kleids, eines Viehs, gar selten aber den Verlust einer Seel. Stengelius schreibt gar, daß einer dem Teufel seine Seel um sechs Kreuzer verschrieben, damit er könne eine Maaß Bier trinken. Es wäre zu wünschen, daß mancher Stockfisch mit ihm selbsten thäte umgehen, wie er pflegt umzugehen mit dem Häring, dann in den mehristen Orten des Teutschlands pflegen die gemeinen Leute zur Fasten-Zeit die Blasen von dem Häring, welche sie die Seel nennen, ober dem Tisch in die Höhe zu werfen, daß sie daselbst hangen bleibt;. zu wünschen wäre es, daß ein jeder Mensch mit sei–[97] ner Seel in die Höhe thäte trachten, aber leider, der Leib hat den ersten Sitz, und die Seel, diese so adeliche Kreatur, muß hinter der Thür stehen.

Mein lieber Herr Joannes, meine liebe Frau Joanna, mein lieber Meister Franziskus, meine liebe Meisterinn Franziska, hätt es bald vergessen, mein gnädiger Herr Ludovikus, meine gnädige Frau Ludovika, setzt euch in etwas nieder, und gehet mit euren Gedanken zurück, durchblättert eure Bücher, und schauet fein wohl, was ihr in 50 Jahren schon habt angewendet an den Leib, betrachtet fein wohl, was euch dieser Mistfink schon kostet, was manche gute Täg und Nächt habt ihr diesem Lotters-Gesellen vergönnt, 24 Stund hat der Tag, erwägt demnach wohl, ob ihr aus dieser Zeit nit alles dem Leib, und zu seinem Interesse gewidmet, der Seel aber hart eine halbe Stund vergönnt, wann ihr die Sach, wie es nit viel anderst ist, also befunden, so bitt ich euch doch um die Wunden Jesu meines Erlösers, folget nach, und tretet in die Fußstapfen des Jakob im alten Tastament.

Nachdem Jakob über 14 Jahr in des Laban Diensten gewesen, hat er erstgedachten seinen Schwähr-Vater also angeredet: Ihr wisset gar wohl, was Gestalten ich euch über 14 Jahr lang treue Dienst geleistet habe, Tag und Nacht, früh und spat, Sommer und Winter hab ich wenig Schlaf noch Ruhe gehabt, sondern je und allemal mit höchstem Fleiß und Sorgfältigkeit euren Nutzen und Interesse beobachtet, weil ich dann nun eure zwei Töchter zu Weibern hab, und mittlerzeit auch mehr Kinder zu gewarten, also hoffe ich, ihr werdet es mir nit vor ungut aufnehmen,[98] wann ich endlich auch auf das Meinige eine genauere Obsicht werde tragen, justum est, ut et ego aliquando provideam domui meae, es ist gar recht, daß ich auch meinem Haus einmal vorstehe.

Die Jahr meiner Kindheit im Stecken-Reiten, und Häusel-Bauen, meine ganze Jugend hab ich verzehrt in schnöder Liebe und Muthwillen, die Zeit meiner Mannheit hab ich angewendet zu lauter Negotien und Trafica, die Zeit meines Lebens weiß ich keinen Tag, an dem ich nit dem Leib hätte gedienet, und ihm in Allem gewillfahret. Ei so ist ja recht, daß ich auch meinem Haus einmal vorstehe, es ist ja recht, daß ich einmal einen andern Lebens-Wandel führe, es ist ja recht, daß ich einmal meine so theure Seel versorge, es ist ja recht, daß ich einmal durch eine General-Beicht alle meine Sünden bereue, es ist ja recht, daß ich die übrige und vielleicht gar kurze Zeit meinem Gott diene, und das unendliche Heil meiner Seele in Obacht nehme. Justum est, ut et ego aliquando provideam domui meae.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 5, S. 75-99.
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