Judas Iscarioth, der bei Lebenszeiten mit faulen Fischen umgangen, wollte auch sein liederliches Ende nehmen vor dem Fischthor zu Jerusalem.

[329] Nachdem dieser lose Schelm die gefällte Sentenz über Christum Jesum vernommen, ist er theils aus nagendem[329] Gewissenswurm, meistens aber ob der grausamen Unthat, die er begangen, fast unsinnig und gleichsam von ihm selbst kommen, daher ganz rabiat die Zähne aufeinander gebissen, die Haar aus dem Kopf gerauft, die Kleider zerrissen und den graden Weg nach dem Tempel mehr geloffen, als gangen, allwo er den halben Theil der hohen Priester wie auch des Magistrats angetroffen, massen die andern Jesum bei Pilato noch mehr beklagten; diesen hat er rund ohne weitern Respekt unter das Gesicht gesagt: er hab gesündiget, er hab nit gehandelt wie ein redlicher Kerl, er nehme sein Wort zurück, und bekenne, daß Jesus ein gerechter und heiliger Mann sey, er aber vermeinte sich selbst, ein unverschämter Lügner, wenn also der Tod Christi noch könne hinterstellig gemacht werden, so sey er hiermit urbietig, allen Fleiß hierinfalls anzuwenden. Die verruchten Juden lachten ihn derohalben nur aus, und thäten ihn für einen Phantasien und albernen Limmel schelten, er soll sich ins Teufels Namen aus dem Tempel machen, oder sie wollten ihm etwas anders zeigen. Iscarioth, über diese so trutzige Antwort war noch heftiger erzürnt, nimmt also ganz rasend das Blut-Geld, um welches er das göttliche Lamm verkauft, wirft es ihnen vor die Füß, den Beutel aber hat er zu vielen Stücken zerrissen, und ohne weitere Aufhaltung sich aus dem Tempel hinaus gemacht, den Weg, als schon verzweifelt an der Barmherzigkeit Gottes, durch das Thor, so den Namen hatte Porta Piscium, das Fisch-Thor, hinaus genommen; dieses Thor hatte darum solchen Namen, weil man alle Fische durch dasselbe[330] in die Stadt hineingeführet oder getragen, auch ohnweit demselben auf dem Markt verkauft hat. In Erwägung dessen will ich den günstigen Leser zu einer Mahlzeit einladen, und ihn mit lauter Fischen bestens, und nach Vermögen und Vergnügen traktiren.

Die erste Tracht ist ein Stierl, dieser ist gar ein stattlicher Fisch. Die heil. Jungfrau Amelberga wird mit einem Palmzweig in der Hand abgemalt, bei den Füßen aber mit einem Fisch, und zwar einem Stierl; denn ihr hl. Leib ist in ein Schiff gelegt worden, welches hernach ohne Ruder noch Menschenhänd gegen den Fluß gefahren, das Schiffl aber wegen der hl. Reliquien hat eine unglaubliche Menge besagter Fische begleitet, bis es an das gehörige Ort gelanget, aus welchem genugsam zu schöpfen ist, wie hoch die Reliquien und Heiligthümer zu halten seyen.

Mädel, ich lob dich, ob dich schon der Teufel überwunden. Töchterl ich rühme dich, wann du schon in der Höll sitzest. Mademoisell, ich preis, unangesehen du verdammt bist, verstehe und meine ich dich, Herodias, als eine Tochter Philippi, des Herodis Bruder, dich lobe ich, rühme ich, preis ich darum. Wie diese so hurtig getanzt, und vor dem Hirco Herode so stattliche Kapriol geschnitten, hat sich der berauschte König also darein verliebt, daß er sich verlauten lassen, sie soll begehren, was sie immer wolle, wanns auch der halbe Theil des Königreichs seyn soll. O Phantast! der Wein thut halt das sein. Die üppige Tochter, die ohnedas nur gar zu stark gemütterlt, hat Zweifelsohne durch Anstiftung der saubern Mutter begehret das Haupt Joannis Baptistä. O Herodias![331] wo denkst du hin, was ist mehr, das Haupt Joannis oder das halbe Königreich? Basta, sagt diese, Königreich hin, Königreich her, mir ist lieber das Haupt Joannis. Ei du verdammte Tänzerin, ich lob dich, preis dich, rühme dich derenthalben, ob du es zwar nit also gut vermeint hast, so gefällt es mir dennoch wohl, daß du das Haupt Joannis als ein so großes Heiligthum hast höher und mehr geschätzt, als das halbe Königreich.

Freilich wohl ist eine heilige Reliquie über alle Schätze der Welt zu halten. Maria Lusitana, Herzogin zu Parma, ist in Begleitung des Grafen von Mannsfeld in einem sehr großen Schiff über das Meer gesegelt; als nun ungefähr durch Wahrlosigkeit der Bedienten ein Feuer entstanden, und der Schiff-Leute Aussag nach alles verzweifelt, so hat sich besagte fromme Herzogin alsobald in ein Neben-Schiff müssen salviren, welches sie auch schleunigst vollzogen; was aber mit ihr genommen? die sehr kostbaren Kleinodien, ihren fast königlichen Geschmuck? Nein, diese nit, diesen nit, sondern solches alles dem Feuer und Flammen zum Raub gelassen, und allein mit ihrer eignen Person salvirt ein Reliquiarium oder kleines Gefäß mit Heiligthümern angefüllt. Es wäre zu wünschen, daß der Zeit mehr dergleichen gottselige Gemüther würden angetroffen.

Sobald der Herr Jesus, als Heiland der Welt, an das Kreuz genagelt worden, haben die Soldaten seine Kleider zu sich genommen, und zwar das Oberkleid in 4 Theile zerschnitten, den Unterrock aber ganz gelassen. Anjetzo ereignet sich doch eine Frag, warum[332] diese Gesellen die Kleider Christi so begierig an sich gezogen, auch sogar um einen kleinen Theil derselben gewürfelt, entgegen aber sich um die Kleider der zwei Schächer gar nit angenommen, indem doch vermuthlich dero Kleider besser gewest, als des Herrn? dann sie manchen wackern Reisenden bis auf das Hemmet ausgezogen, und folgsam in dem Aufzug dem demüthigsten Jesu weit überlegen. Der hl. Chrysostomus löset diesen Zweifel auf, und spricht, daß besagte Soldaten gewußt haben, wie große Kraft in diesen Kleidern zuweilen sich gezeigt habe. Sonderlich dazumalen, wie die elende Tröpfin mit dem Blutgang behaft, durch das bloße Anrühren des Saums dieser Kleider wunderbarlich die Gesundheit erhalten. Derentwegen gedachten sie, daß sie auch den geringsten Faden können zu Geld machen, ja, etliche fromme Weiber zu Jerusalem werden es ihnen zehnfach bezahlen, wenn sie nur solche Reliquien bekommen.

Ich muß euch Schelmen doch auch loben, wie die vorige Tänzerin, loben muß ich euch deßwegen, weil ihr ebenfalls auf die Heiligthümer so viel haltet, ob es doch bei euch keiner Tugend zuzuschreiben. Freilich seynd die heiligen Reliquien hoch zu schätzen. Deßwegen hat der weltberühmte Kaiser Karl V von Pavia aus, keinen bessern Schatz wollen mit sich nehmen nach Prag, als den Leib des hl. Martyrers Viti. Deßwegen hat Fridericus I die vornehme Reichsstadt Cölln nit anderst wollen beschenken, als mit den Leibern der heiligen drei Könige, die er von Mailand dahin gebracht. Deßwegen schätzet Kaiser Leopold I den eisernen Nagel in seiner geistlichen Schatzkammer,[333] wormit Jesus Christus an den bitteren Kreuzesstamm geheftet worden, mehr als alle seine Gold- und Silbergruben.

Mich wundert doch, daß etliche so angebrennt mögen seyn, und dergleichen heilige Reliquien so wenig achten, indem sie doch das brennende Feuer anderst lehret. Zu Augsburg ist eine brennende Wachskerze auf das Grab des hl. Bischofs Udalrici gefallen, welches mit einem schönen Teppich bedeckt gewest, so ist aber die Kerze völlig verbrannt, an besagtem Teppich aber nit ein Härl verletzt worden.

Mich wundert doch, daß etliche ein so ungewaschenes Maul haben wider die heiligen Reliquien, indem sie doch von dem Wasser sollen lernen, wie man den Leib des hl. Emmerani, Bischofs und Martyrers nach Regensburg auf der Donau geführt, so ist das Schiff ohne wenigste Mühewaltung der Ruderknechte mit solcher Schnelle gegen das Wasser geloffen, als wollte es dem besten Segel-Schiff im Meer zu Wett rennen.

Mich wundert doch, daß etliche so aufgeblasen wollen seyn, und den hl. Reliquien so wenig Ehre erweisen, indem sie doch die aufgeblasene Luft weit anderst unterricht. Majuvias, der Saracener König, hat das hl. Schweißtuch Christi auf einen angezündeten Scheiterhaufen werfen lassen, welches aber die Luft alsobald unverletzt in die Höhe gezogen, allwo es eine lange Zeit gestanden, bis es sich endlich in die Schooß eines damalen anwesenden Christen herunter gelassen.

Mich wundert doch, daß etliche so irdisch mögen seyn, und sogar nichts Heiliges den Reliquien zulassen,[334] indem sie doch von der Erde anderst bericht werden. Zu Helphedorf, unweit Regensburg, allwo vorgedachter hl. Bischof Emmeranus gemartert worden, ist der Ort wegen des hl. Martyrers Blut dergestalten privilegirt, daß es weder im Winter mit Schnee bedeckt, weder von der Sonne und Sommer-Hitz verwelket, sondern in schönster und angenehmster Grüne immerzu verbleibet.

Mich wundert doch, daß etliche so harte Ochsenköpf anzutreffen, welche die hl. Reliquien so spöttlich verwerfen, indem doch hierinfalls ein Esel sich manierlich gezeigt. Der Esel, worauf der englische Lehrer Thomas zu reiten pflegte, hat sogar Strick und Halftern in dem Stall abgerissen, zu dem Grab des Heiligen geloffen, daselbsten auf die Kniee niedergefallen, dessen hl. Leib noch verehret, und auch an demselben Ort geblieben.

Aber warum sind wir katholische Christen also verbeint, daß wir die Beiner der Heiligen verehren? Der große Kaiser Theodosius hat mehrmal inständig angehalten um den Leib des hl. Joannis Chrysostomi, welcher vorhero bei Lebs-Zeiten von Konstantinopel unverschuldet ins Elend verschickt worden, konnte aber auf keine einige Weise denselben erhalten, denn so oft man zu Corusa in Armenien versucht, die hl. Reliquien nach Konstantinopel zu überführen, so ist besagter heil. Leib so unbewegt, und so schwer gewesen, daß er mit keiner Gewalt von dannen hat können gebracht werden. Wie solches erstgedachtem Kaiser zu Ohren kommen, hat er, durch Einrathung des Bischofs Proculi, ein Memorial verfertiget, worinnen er, der Unbill halber,[335] so von seinen Eltern dem hl. Mann seynd angethan worden, demüthigst um Vergebung gebeten, anbei mehrmalen unterthänigst ersucht, er wolle doch wieder zu seinem Sitz nach Konstantinopel kehren: nachdem gedachte Bittschrift dem hl. Körper auf die Brust gelegt worden, hat er sich ohne alle Mühe dahin überbringen lassen. Warum, o Theodosi? warum tracht man so eiferig um diese heiligen Reliquien? Darum, antwortet dieser große Monarch, diese meine Haupt- und Residenzstadt thut eine Trüb- und Drangsal um die andere ausstehen, Pest, Hunger, Hagel, Erdbeben und dergleichen Geißeln vom Himmel seynd ganz genügend über diesen vornehmen Ort verhängt, dann weiß ich kein bewährters Mittel, als daß wir eines solchen großen Heiligthums theilhaftig werden, zumalen vor allem Uebel nichts bessers schützen thut, als die hl. Reliquien. Darum, darum sind wir also verbeint auf diese heiligen Beiner, weil dero Verehrung uns zu Leib und Seel höchst heilsam und ersprießlich seyn.

Mein lieber und frommer Altvater Noe, ich sehe in der Arche, in diesem großen Vogel-Haus, in dieser großen Hühner-Steige, in diesem großen Schaaf-Stall, in diesem großen Küh-Stall, in diesem großen Sau-Stall, mit Ehren zu melden, in diesem großen Tauben-Kobel, allerlei Säck und Kisten, worinnen das Futter für alle diese Thiere; aber bei dir, in deinem Losament, thue ich wahrnehmen ein absonderliches Trücherl, und da mach ich mir tausend Gedanken, was doch möcht darin seyn? Viktualien seynd nit darin, das weiß ich, Geschmuck oder Kleinodien seynd[336] auch nit darin, denn solche für dein Weib nit geziemen, zumalen Gott der Baumeister war der Arche, du aber nur ein Palier und ein Ober-Zimmer-Gesell, warum soll denn dein Weib wie ein edler Götz daher prangen? Geld wird auch hart darin seyn, dann weil der allmächtige Gott dir den Namen geben eines Gerechten, Noe Vir justus, so mußt du das Geld nit hoch geacht haben, zumalen das weisse Silber gemeiniglich schwarze Gewissen macht. Was muß denn in diesem Trühel verschlossen seyn, wohin du öfters des Tags deine Augen wendest? Antwort: Er habe einen absonderlichen Schatz darinnen, was da? sehr kostbares Helfenbein, was für ein Helfenbein? es seynd die Beiner des ersten Vaters Adam, welche ich mit mir in die Arche genommen, diese Gebein verehre ich als Reliquien, weil ich weiß, daß sie einmal werden glorreich am jüngsten Tag auferstehen. Diese Gebeiner seynd mir ein Helfenbein, dann sie mir ungezweifelt in dieser größten Noth werden helfen. Also schreibet Jakobus Edessenus, so ein Magister war des heiligen Ephrem. Ja nach vollendtem Sündfluß hat der fromme Noe seinen Söhnen solche Heiligthümer ausgetheilt, einem jeden einen ziemlichen Partikel verehrt, das übrige samt dem Kopf aus Befehl Gottes, auf dem Berg Kalvari begraben.

Mein großer Mann Gottes Moses, ich sehe deine untergebenen Israeliten mit so vielen Kameelen, so alle sehr stark beladen, ja es ist weder Weib noch Mann, der nicht Bündel und Ranzen trägt, sogar die kleinen Buben haben gestrotzt volle Säck, ich weiß es gar zu wohl, daß nichts anderst darin,[337] als lauter Silber und Gold, die sie von den Egyptiern erhalten. Aber deine Beut, o Mann Gottes! möchte ich gern sehen, zumalen du der Vornehmste in dem ganzen Volk, und folgsam wirst du um ein merkliches größere Reichthümer mit dir tragen. Ich, sagt Moses, hab weder Silber noch Gold, wohl aber einen andern Schatz, was für einen? Ich hab bei mir und mit mir schöne Heiligthümer. Wie da? die Gebein des Josephs, dieses gerechten Manns Gottes, denn weil ich einen so weiten Weg muß reisen, so viel Gefahr muß ausstehen, darum hab ich diese heil. Reliquien mit mir genommen, der Hoffnung, diese heil. Gebeine werden mir seyn ein Helfenbein, das ist, helfen, helfen in aller Noth und Gefahr.

Wahr ist es, sagt Catana, wahr ist es, sagt Neapel, es hat der Feuer-speiende Berg Vesuvius, so vermuthlich ein Rauch-Fang oder Kamin der Hölle ist, mehrmal also getobt, daß er ganz feurige Platz-Regen ausgeworfen, und den gänzlichen Untergang gedrohet. Deßgleichen gethan der grausame Mongibellus, sobald wir ihnen aber entgegengehalten, die herrlichen Reliquien, das Blut des heil. Januarii zu Neapel, den Schleier der heil. Agatha in Sicilia, so haben sie alsobald ihre Höll-Goschen gehalten, ganz erstummt, und uns ohne fernern Schaden gelassen.

Wahr ist es, sagt die Stadt Genua, wahr ist es, sagt diese herrliche Fürstin des Meers, es geschieht zuweilen, daß der benachbarte Meer-Port also von den grimmigen Wellen angetast wird, daß es den Schein hat, als wolle dieses unersättliche Wasser uns alle verschlucken, wie der Wallfisch den Jonam, sobald[338] wir aber die winzigste Asche von den heil. Gebeinern Joannis Baptistä darein werfen, welcher ohnedas den Fluß Jordan geheiliget, so wird dessen Zorn eher gestillt, als der Zorn des David, wie ihm die verständige Abigail gespendirt hat.

Wahr ist es, sagt die Stadt Panormo, daß mich die grassirende Pest dergestalt meiner Inwohner beraubet, daß mir die Augen voller Wasser gestanden, wie jener Wittib zu Nain, sobald mir aber der Himmel geoffenbaret das Ort, wo die Gebeine der heiligen Rosaliä begraben, so An. 1625 geschehen, da hat augenblicklich in Ansehung dieser heiligen Reliquien der Tod müssen die Flucht geben.

Wahr ist es, sagt die ganze katholische Kirche, wahr ist es, sagen alle dero Lehrer. Eine Stadt ist nit besser versehen, ein Haus ist nit mehr bereicht, ein Mensch ist nit besser bewaffnet, eine Kirche ist nit mehr geziert, als durch dergleichen Reliquien und Heiligthümer; dann hat der Schatten Petri, die Schweiß-Tücher Pauli, da sie noch nit wirkliche Mitglieder der Heiligen gewest, die Teufel vertrieben, die Gesundheit wiedergebracht, was Wirkung haben dann erst die Reliquien derjenigen, deren Seelen schon in großer Glori das Angesicht Gottes anschauen.

Ich weine und traure, wann ich sehe, daß dergleichen Schätze so wenig geschätzt werden bei vielen, ich lache aber auch, und lach nit wenig, wann ich merke, daß solche Spöttler gerechter Massen gestraft werden.

An 1272 hat sich etwas absonderliches zu Krakan in Polen zugetragen, als die Königin Bona,[339] Gemahlin Königs Sigismundi I. einmal Andacht halber sich begeben in die Kirche der heiligsten Dreifaltigkeit, und daselbst besucht eine Kapelle, worin etliche Leiber der Heiligen begraben, hat sich unter andern Hof-Damasen eine befunden, welche nicht allein eines sehr üblen Gewissens war, sondern noch diesem heil. Ort mit allerlei muthwilligen Geberden eine schlechte Reverenz erwiesen, welches aber Gott, so allemal die Ehre seiner Diener schützet, nit ungerochen gelassen, dann in Gegenwart des großen Hofstaats, in Ansehung des häufigen Volks seynd besagtem frechen Fräulein alle Kleider augenblicklich vom Leib gefallen, daß sie also männiglich zum Spott s.v. im bloßen Hemmet dagestanden, und was das Wunder noch vergrößert, konnten die Kleider auf keine einige Weise ihr angelegt werden, bis sie von dannen sich an ein anders Ort retiriret; so unterstehe sich dann Niemand, die heil. Reliquien zu entunehren.

Ich laß nun die andere Tracht von den Fischen auftragen, und dieser soll seyn ein guter guter Karpfen. Menochius schreibt, daß ein Kloster. St. Mauritii genannt, unweit des Flusses Rhodani entlegen, allwo ein kleiner Fischteich oder Einsetz zu sehen, darein so viel Karpfen gesetzt werden, wie viel der Mönche im Kloster, nun geschehe es aber allezeit, so oft ein Fisch aus diesem abstehet, und in der Höhe schwimmt, so oft stirbt allemal gleich darauf einer aus diesem Kloster, wessenthalben diese Fisch-Behaltung jedermann, forderist aber die Religiosen daselbst, zu öfterer Ermahnung der Betrachtung des Todes ermahnet.[340]

Huß, Huß, ihr Menschen und Adams-Kinder. Huß, Huß, ihr Hoch- und Wohlgeborne. Huß, Huß, ihr Reiche und Wohlvermögende. Huß, Huß, ihr Stolze und Aufgeblasene. Huß, Huß, ihr Zärtlinge und Wollüstige. Huß, Huß! Was soll aber dieß bedeuten? Mit solchen Worten pflegt man sonst die Hunde zu hetzen, das sey aber ferne von mir, daß ich euch, die ihr nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen, soll den Hunden vergleichen, ob es zwar nit gar uneben stünde, wann mancher jene Hunds-Art hätte, die gehabt jener Pudel, welcher alle Tag dem Diener Gottes Rocho ein Brod gebracht. Dermalen aber ist dieß mein Vorhaben nit, sondern wiederhole es mehrmalen Huß, Huß, und derentwegen. Job, ein Exempel und ein Exemplar zwar forderist der Geduld, aber doch auch andern Tugenden, zumalen ihn Gott bei Lebs-Zeiten kanonisirt, und den großen Ausspruch gethan, daß keiner an Heiligkeit seines Gleichen auf Erden seye. Dieser war gebürtig in der Landschaft Huß, ihm hat zugehöret die große Provinz Huß, er hat sich geschrieben, Herr von Huß, etc. keiner ist in der Welt gewest, den also der Teufel durch die Hechel gezogen, wie diesen Mann Gottes von Huß; hat Felder verloren, hat Wälder verloren; hat Güter verloren, hat Gemüther verloren; hat Kinder verloren, hat Rinder verloren; hat Schaf verloren, hat Schlaf verloren; hat Haus verloren, hat Schmaus verloren; hat Grund verloren, hat Gesund verloren; hat alles Gute verloren, und das Beste ist ihm geblieben, nämlich sein Weib, die ihm stets die Planeten gelesen. Ach wehe, mein Job, du machst dir ja[341] seltsame Kalender über solche Planeten? O nit, sagt Job, ich hab mich in allen diesen Zufällen nit mit einem einzigen Wort versündiget. Non peccavi, wie kann aber das möglich seyn? wie? gar wohl und leicht, gar leicht und wohl! brauch du, braucht ihr, brauchen sie dieß mein Mittel, so werd ihr ebenfalls nit sündigen; ich hab allezeit den Tod betracht. Den Tod immerzu vor Augen gehabt, Breves Dies hominis, hab wohl erwägt, daß die Tage des Menschen kurz seyen, daß sein Leben einer Blume gleich, so die bald verwelket, daß ich nichts gewissers zu gewarten hab, als das Grab: Solum mihi superest sepulchrum, und das und das hat mich erhalten, daß ich nit gesündiget.

Huß, Huß, ihr Menschen insgesamt; Huß, Huß, ich hetz euch an, und reiz euch an, dem heiligen Job, so von der Landschaft Huß, nachzufolgen und öfters den Tod zu betrachten; kein Zaum ist, der besser kann von den Sünden abhalten, als die öftere Erinnerung des gewissen Todes. Der wird nit bald stolz und hoch seyn, wenn er gedenkt, daß er bald werde niederkommen unter die Erde. Der wird sich nit so leicht in die Geilheit einlassen, der betracht, daß er bald müsse mit seinem stinkenden Fleisch die Erde selbst geilen. Der wird nit so leicht nach Schlemmen und Fressen trachten, welcher gedenkt, daß er bald die Würmer zu Kostgehern werde haben. Der wird sich so bald nit in die Reichthümer und Silber vergaffen und vertiefen, welcher ihm selbst vor Augen stellt, daß er bald als ein armer Tropf seine Gold-Grube werde haben in dem tiefen Grab. Der wird[342] so geschwind nichts entfremden, welcher da gedenkt, daß der Tod wie ein anderer Dieb unversehen zum Fenster einsteige. Der wird sobald seinem Nächsten nit den ehrlichen Namen verschwärzen, welcher gedenkt, daß das schwarze Bahr-Tuch bald ihn bedecken werde. Der wird sobald nit faullenzen, welcher betracht, daß er bald werde unter der Erde verfaulen. Der wird sich sobald nit im Zorn erhitzen, welcher zu Gemüth führet, daß, er bald im Tod werde erkalten. Der wird so leicht nit die Augen an ungebührende Gegen-Wurf heften, welcher gedenkt, daß solches Kristall im Tod bald werde sich vergläsern.

Der gelehrte Manni bringt einige Geschicht vor, welche ihm selbst begegnet; es kam einsmals zu ihm in die Beicht ein alter langwieiger Sünder, welcher nit um ein Haar besser gewest, als jene zwei grauen Schimmel, die der Teufel zu Babylon geritten hat, dieser brachte nit zwar ohne sondere Zeichen der Reue vor, was gestalten er bishero einen lasterhaften Wandel geführet, und diejenige Uebelthat, welche David mit der Bethsabea begangen einmal, er mehr, als Haar auf seinem Kopf seyen, solches Laster vollzogen; worüber der Beicht-Vater von Herzen geseufzet, jedoch beinebens die unendliche Barmherzigkeit Gottes, so niemalen den büßenden Sünder verstößt, nit wenig hervor gestrichen, zugleich auch nebst kräftiger Ermahnung zum steifen Vorsatz sich zu bessern, ihm eine heilsame Buße auferlegt, als nämlich, er solle bis zur nächsten Beicht die Woche einmal in Wasser und Brod fasten, dann auf solche Wunden gehöre kein anders Pflaster. Wie Pater! sagte er, fasten ist mir[343] nit möglich, wann mir der Magen nit allzeit so voll ist, wie die angefüllten Krüg auf der Hochzeit zu Kana Galiläa, so kann ich nit schlafen. Nun so soll er in dieser Woche zweimal in seiner Kammer unwissend anderer, Disziplin machen. Was? sagte er mehrmalen, Pater, ich bin ja um ein Loth aufs wenigste besser, als die Eselin des Propheten Balaams, und hat sich doch diese beklagt, daß sie etliche Streich von ihrem Herrn bekommen. Wann dem also, so soll er wenigst ein Cilicium um den bloßen Leib tragen. Was ist das, fragt er, ein Cilicium? das Wort muß Arabisch seyn. Ein Cilicium, spricht der Pater, ist eine roßhärige Gürtel um die Lenden, damit die viehischen Begierden des Leibs hiedurch gezähmt werden. O Pater, Roß-Haar ist der Seide gar nichts befreundt, ich laß solches den Geigern über, womit sie ihre Fidelbögen können flicken. Was ist dann anzufangen, gedachte der geistliche Arzt, indem dieser Patient alle Medicin verweigert? Endlich und endlich, sagte der Beichtvater, indem er wahrgenommen, daß solcher einen großen und bereits Eis-grauen Bart habe, er solle öfters beim Tag, absonderlich Frühe und Abends, seinen Bart mit der Hand streichen, und solchen wohl betrachten. Fiat, das will ich thun! womit die Beicht, nach ertheilter Absolution, vollendet. Es seynd kaum 8 Tag verflossen, da kommt oft besagter Sünder zu dem frommen und hocherleuchten Mann, fällt ihm mit weinenden Augen und vielen Seufzern zu Füßen, thut sich in allen und jeden ehrbietig erzeigen, alle Buße zu thun, dann in Betrachtung meines grauen Barts, sagt er, ist mir jederzeit[344] eingefallen, daß ich gar nit weit zum Tod habe, und solche Erinnerung des Todes hat mir also das Herz bewegt, daß ich bereits einen Grausen und Eckel trage an allen Wollüsten der Welt, zumalen ich sehe, daß dergleichen Satans-Konfekt mir im Tod-Bett zu lauter Gall und Enzian verkehrt werden. Wohlan, so will ich die kurzen Jahre, oder Monate, oder Wochen, oder Tage, oder wie es Gott will, die wenigen Stunden also leben, daß ich mir nachmals durch Gottes Barmherzigkeit getraue wohl zu sterben. Auf solche Weise ist der Tod der beste Prediger.

Sobald Adam, samt seiner Eva, das göttlich Gebot übertreten, und durch solchen Ungehorsam dero Bloßheit an den Tag kommen, da hat sich gleichwohl der Allerhöchste ihrer erbarmet, und ihnen Kleider verfertiget, dero nackenden Leib zu verhüllen; aber was für eine dem Adam? vielleicht Hosen, wie mans vor diesem getragen, so weit die Hafner-Schürzel, zumalen er ohnedas aus dem Leim erschaffen? das nit. Vielleicht Hosen, wie mans vor Jahren getragen, untenher mit Bändern eingeflochten, massen er auch das gesamte menschliche Geschlecht verhaspelt? das auch nit. Vielleicht Hosen, wie mans Vorzeiten getragen, auf der Seite mit großen taffeten Rosen, weil er ohnedas seine Missethat wollte verblümeln, da er die Schuld auf andere gelegt? das auch nit. Vielleicht Hosen, wie mans schon längst getragen über und über mit Bändern versetzt, zumalen er ohnedem das ganze menschliche Geschlecht spöttlich angebunden? das auch nit. Etwan Hosen, wie mans vor diesem getragen, voller Knöpf, weil er ebenfalls einen solchen[345] harten Knopf gemacht, den Gottes Sohn allein hat können auflösen? das auch nit. Vielleicht Hosen, wie mans jetzt pflegt zu tragen, ganz eng und schmal, massen er sein Glück also geschmälert, da er sein Leben in lauter Aengsten muß zubringen? das auch nit, das auch nit, sondern Gott hat ihn gekleidet wie die Eva.

Was hat dann die Eva, die erste Mutter, für ein Kleid? etwan einen Rock von schönem Brokat? Ja wohl nit, weil sie den verbotenen Brocken hat gessen, also hat sie keinen Brokat verdienet. Etwan einen Rock von gewässertem Taffet? Ja wohl nit; dann ihr mehr gebührt gewässerte Augen, als gewässerte Taffet. Etwan einen Rock von Kapizol? Ja wohl nit, dann ihr ist gesagt worden, daß der Mann das Capo seye des Weibs, Vir Caput Mulieris. Etwan einen Rock von Scharset? Ja wohl nit, dann sie hätte besser sollen mit dem bösen Feind, so in der Schlange logirte, schargiren. Etwan einen Rock von Engelsatt? Ja wohl nit, massen sie dem Teufel gar zu großes Gehör geben. Etwan einen schönen Manto? Ja wohl nit, weil sie ohne das unrecht gethan, wie sie ihre Schuld wollte vermänteln, als habe sie die Schlange hinter das Licht geführt. Was hat dann Eva für ein Kleid? Eva war gekleidet wie der Adam, und Adam war gekleidet wie Eva. Gott der Herr machte dem Adam und seinem Reib Röcke von Fellen, und zog sie ihnen an. Da hat ihnen der Buckel gegraust, wie sie das erstemal den Tod gesehen bei diesem lieben Vieh. Die Häute todter Thiere ungegärbt, müssen Kleider[346] abgeben den zwei ersten Eltern. So oft nun Adam und Eva einen Schritt gethan, da hat das Fell ein Geräusch gemacht, und da hat sowohl er, als sie an den Tod gedacht. Solches hat der allmächtige Gott mit allem Fleiß gethan, dann er dachte, daß den Menschen nichts mehr könne vom Sündigen abhalten, als die Gedächtnuß des Todes. Tunicas pelliceas dedit illis etc. Worüber Isidorus also schreibt: »Tunica appellata est, quia in motu Incedentis Sonum facit, tonus enim sonus est, unde primis Parentibus tunicae pelliceae post lapsum sunt factae, ut perpetuum suae fragilitatis et instabilitatis monitorem haberent.«

Wann das menschliche Leben wär wie die Arche des Bunds, dero Holz nit hat können verfaulen; wann das menschliche Leben wär, wie der hölzerne Altar im alten Testament, der von stetsbrennendem Feuer darauf, nie verzehrt worden; wann das menschliche Leben allzeit bliebe, wie die Kleider der Israeliten durch 40 Jahr in der Wüste, da ihnen nit ein Faden zerrissen; wann das menschliche Leben wär, wie das Feuer der heidnischen Jungfrauen, so Vestales genannt waren, welches niemalen ausgelöscht, so wollt ich dir mit dergleichen melancholischen Gedanken von dem Tod nit viel überlästig seyn, dann ich weiß gar wohl, daß dir das Allegro im Leben weit angenehmer fällt, als das Adio in dem Tod. Aber weil das menschliche Leben nichts anders ist, als ein Licht, ein Letten, eine Lilie, ein Laub, eine Leinwath, eine Lug, eine Linde, ein Laufer, eine Leich. Eine Leich. Quis me liberacit de Corpore Mortis[347] hujus. Ein Laufer, dies mei velociores fuerunt cursore. Eine Linde, video homines velut arbores etc. Eine Lug, omnis homo Mendax. Eine Leinwath, dies mei velocius transierunt, quam a texente tela succiditur. Ein Laub, sicut defluit folium de vinea. Eine Lilie, Homo, qui quasi flos egreditur. Ein Letten, Luto vilior vita ejus. Ein Licht, Lucerna, quae superest, extinguetur. Ein Licht löscht bald aus, ein Letten verdorret bald, eine Lilie verwelkt bald, ein Laub fällt ab, eine Leinwath zerreißt bald, eine Linde verdirbt bald, ein Laufer fällt bald, das Leben ist bald eine Leiche, eine Leiche, vielleicht noch diese Stund. Eine Leiche, vielleicht noch diesen Tag; eine Leiche, vielleicht noch diese Woche, so hast du dann Ursach über Ursach, den Tod nie aus dem Gedächtnuß zu lassen.

Moses hat aus Befehl Gottes den hartnäckigen König Pharao in Egypten über alle Massen exerciret, weil er hart war, so hat er ihn mit Wasser geplagt, und alles Wasser in Blut verwandelt; weil er eine Bestia war, so hat er ihn mit allerlei Bestien geplagt, unter andern waren auch Mücken und Fliegen, deren eine solche Menge, daß sie fast das Sonnenlicht verfinstert; drei und vier Kammer-Diener mußten stets mit dem Fliegen-Wadel bei und um den König stehen, aber es half wenig, dann die Mücken also hartnäckig und halsstarrig, wie er, sie liessen sich von der Nase nit abschrecken, dieselbige aber mit einem Täschel zu vertreiben, war ihm auch nit gelegen, er konnte nit einmal einen Schlaf haben vor[348] Menge der Mücken, so klein solche waren, so hart haben sie ihm das Gesicht mit ihrem subtilen Stachel verletzt, daß er fast unsinnig worden. Viel Glossisten seynd der Aussag, daß gleichwie Moses zuvor aus dem Staub der Erde die Wanzen, die stinkenden Käfer hervor gebracht, also habe er auch aus demselben die Mücken gemacht. Seye dem, wie ihm wolle, gewiß ist es, wann du mit deinen Gedanken wirst in den Staub schlagen, wann du wirst öfter zu Gemüth führen, Staub und Asche, in welchen dein Leib wird verkehrt werden, glaub du mir, es werden artliche, jedoch gute Mücken herauskommen. Da wirst du Mücken haben, wegen deines Haab und Guts, da wirst du gedenken, ich hab etwas nit mit gutem Gewissen, wie wär es, wann mich der Tod hätte gäh übereilet, so wär ich ewig verloren, so ist dann besser und rathsamer, daß ichs bei Zeiten wieder zuruck gebe, und erstatte, was achten es meine Kinder, wann ich ihnen nur großen Reichthum hinterließe, ich möchte gleichwohl derenthalben ewig leiden. O ewig! Memento homo, quia pulvis etc. Dieser Staub wird dir Mücken machen wegen deines bishero so üblen geführten Wandels. O mein Gott, wirst du gedenken, es ist bald mit dem Menschen geschehen, wer weiß, ob ich nit in meiner Krankheit gleich von Sinnen komme, wie es öfter geschieht, so will ich ja lieber und sicherer jetzt mich mit Gott versöhnen, Zeit und Weil seynd ungleich. Memento homo, quia pulvis es. Dieser Staub wird dir Mücken machen wegen deiner bishero so viel gehabten Sorgen. Mein Jesu, wirst du bei dir sagen,[349] ich schaue Tag und Nacht, wie ich das meinige vermehre, sterbe ich einmal, da muß ich alles verlassen, oder, besser geredt, alles verläßt mich, da trag ich nichts mit mir als böse und gute Werke, so will ich anjetzo lieber Allmosen geben, und Gott mir zum Freund machen, dann mein Weib wird doch wieder heirathen, und das, was ich mit so hartem Schweiß zusammen gescharrt, wird sie mit andern Buhlern verzehren etc. O was gute Mücken aus diesem Staub. Memento homo, quia pulvis es, etc.

Wie unser Herr und Heiland an seinem bittern Kreuz-Stamm den Geist aufgeben, da haben sich zu Jerusalem die Gräber an unterschiedlichen Oertern eröffnet, Monumenta aperta sunt; seynd aber erst den dritten Tag hernach mit unserm Herrn auferstanden, warum aber seynd sie nit alsobald nach Eröffnung der Gräber hervorgangen, oder, wann sie erst haben sollen am dritten Tag auferstehen, weswegen seynd die Gräber so bald eröffnet worden? die Ursach ist vermuthlich diese, unser gütigster Erlöser, der da nur kommen ist, zu suchen, was verloren, wollte alle Mittel anwenden, die verbeinten Hebräer auf einen guten Weg zu bringen, unter andern glaubt er, daß solche verhartete Böswicht nichts mehr werde oder könne erweichen, als die Gedächtnuß des Tods, darum hat er wollen, daß die Gräber der Todten drei Tag sollen offen stehen, damit die Juden konnten sehen, die verfaulten Leiber, die mit Würmern und Schlangen überhäuften Körper, die von Eiter und Wust stinkenden Aas derselbigen, deren sie etliche noch bei Lebenszeiten gekennt, und folgsam in Ansehung[350] der menschlichen Mühseligkeit, andere und bessere Gedanken schöpfen, das verfluchte Interesse beiseits legen, wessenthalben sie meistens den Heiland Jesum zum Tod gezogen, dahero die Lateiner nit umsonst ein Todten-Grab nennen Monumentum, welches so viel monens mentem.

O Magdalena! du Spiegel der Büßenden, du bist so weit in der Gnade Gottes gestiegen, daß du auch gleich andern Aposteln, das Evangelium Christi allenthalben ausgebreitet; daß du auch durch Wirkung des heil. Geistes alle Sprachen geredt; daß du auch 30 ganze Jahr hindurch in der Wüste von allen Menschen zwar abgesondert, aber doch täglich von den Engeln besucht, und von ihnen in die Höhe, die himmlische Musik zu hören, getragen worden, daß du auch mit deinem Gebet aus einem harten und trockenen Felsen ein klares Brunnenquell erweckt etc. Aber sag her, wer hat dich so hoch gebracht? Sie antwortet, das Niedere. Wer hat dich so groß gemacht? Sie antwortet, das Kleine. Wer hat dich so weiß gemacht? Sie antwortet, das Schwarze. Wer hat dich zu so großem Schein gebracht? Sie antwortet, die Finsternuß. Wer hat dich in der Liebe Gottes also erhitzt? Sie antwortet, die Kälte. Wer hat dich gezogen zu einem so heiligen Leben? Sie antwortet, der Tod. Ich sahe in der Stadt Naim den Tod der Wittib einigen Sohn, der mein Galan gewest. Ich sahe denjenigen Leib ganz erstarrt und erkalt, den ich vorhero wie einen Gott angebetet, ich sahe das für ihn verfertigte finstere Grab, der das einige Licht war meines Herzens. Ich[351] sahe die schwarze Trauer der Frau Mutter und gesamten Freundschaft, welche alle in weit höherm Alter, und doch diese Blum überlebet. Ich sahe die kleine Todten-Truhe, in welche dieser gelegt worden, der vorhero Haus und Hof und Güter thäte besitzen. Ich sahe, daß dieser mein Liebster von so hohem Stand, unverhoffter Weise so niederkommen, daß man ihn sogar auf der Erde nit wollte gedulden, sondern bereits zum Thor hinausgetragen, denselben unter die Erde zu begraben; solche wohlbesonnene und reife Erinnerung des Todes hat mir gleich ein Grausen verursacht der zeitlichen Wollüste, hat mich neben der Gnade Gottes, so das meiste dabei gethan, zu einem bessern und andern Lebens-Wandel angespornt, daß ich nachmals meinem Jesu zu seinen heiligen Füßen gefallen, und ihm solche mit Buß-Thränen gewaschen. Dahero pflegt man fast allezeit diese heilige Büßerin mit einem Todtenkopf abzumalen. O was thut nit die Gedächtnuß des Todes.

Daß täglich, daß stündlich die Sünden bei den unbedachtsamen Adamskindern wachsen, ist die mehriste Ursach, die so seltene Erinnerung des Todes. Ein jeder meint, er werde länger leben. Abstemius bringt eine Fabel vor: daß auf eine Zeit ein Knecht sey in aller Frühe in Stall gangen, allwo er die Ochsen in vollen Freuden und Jubel angetroffen, er konnte sich nit genug verwundern über das Allegro dieser Ochsenköpf, fragt endlich die muthwilligen Kerl, wessentwegen sie so lustig und guter Dinge seyn? er habe sie eine lange Zeit nit so aufgeräumt gefunden, worauf sie geantwortet, es habe ihnen geträumt heute Nacht, daß sie heute[352] werden auf die gute, grüne, feiste Weide getrieben werden, ho! ho! sagt der Knecht, und mir hats geträumt, ihr werdet heute auf dem Acker draußen den Pflug ziehen. Nun ist der Menschen ihr Traum weit sicherer als der Thiere.

O wie viel gibt es Menschen dieses Gelichters, die sich auch mit leerer Hoffnung speisen, wie mancher meint, er sey noch bei den besten Leibskräften, und werde noch eine ziemliche Zeit leben, und auf der feisten Weide der zeitlichen Lustbarkeit sein Contento genießen, aber glaubt mir, dieses ist nur ein viehischer Traum bei euch, Gott der allerhöchste hat es weit anderst beschlossen und zwar in seinem göttlichen Rath schon die Anstalt gemacht, daß ihr noch dieses Jahr, noch dieses Monat, ja noch diese Woche sollt das Leben quittiren. Da heißt es, wer hat sich das eingebildet?

Ammon, ein königlicher Prinz, ein Herr von großer Hoffnung, auf den ihre Majestät, der König David, sehr viel gehalten, sitzt bei der Tafel, isset wohl, trinket wohl, lachet wohl, lebt wohl, aber stirbt übel, indem er zum besten bezecht, ist er von seines Bruders Bedienten unverhofft ermordet worden. Er hat sich das gar nit eingebildet.

Holofernes, ein berühmter Kriegsfürst, zu dessen Diensten und Willen ein ganzes Kriegsheer gestanden, sitzt bei der herrlichen Tafel, hielt ein stattliches Nachtmahl, wußte aber nit, daß es war das Letztemal, vivat, er soll leben, haben Hohe und Niedere geschrien, vivat, er soll leben, haben Junge und Alte getrunken; er geht endlich schlafen, oder besser geredt,[353] man hat ihn schlafen geführt, dann er ziemlich berauscht, indem er zum besten geschnarcht, schnitt ihm die beherzte Judith die Gurgel ab, den Kopf ab. Er hat sich das nit eingebildet.

In Egypten, als dazumal der König Pharao regierte, war alles in Wunsch und gutem Wohlstand, der König wohl auf, die Königin wohl auf, die Kavalier wohl auf, die Damasen wohl auf, die Burger wohl auf, dero Weiber wohl auf, die Bauern wohl auf, ihre Weiber wohl auf etc., um Mitternacht kommt ein Engel auf Gottes Befehl, und ermordet alle Erstgeborne des ganzen Königreichs. Das hat sich kein Mensch eingebildet.

Bertholdus de Betholiz, ein vornehmer böhmischer Edelmann, ritt einmal mit sonderer Pracht, mit stattlichen Kleidern, mit vielen Bedienten und Laqueien nach Prag über die Brücke, des Willens, sich zu Hof beim König sehen zu lassen, wie er gegen die kleine Seite zu dem Thor kommt, da ist ein Stein, welchen zwei Raben auf dem Dach losgemacht, um weil sie mit einander gerauft, ihm auf den Kopf herunter gefallen, und wohl recht steintodt geschlagen. Wer hat sich das eingebildet.

Was tausend und tausend dergleichen Geschichten, mit denen man ganze Bibliotheken könnte anfüllen, so mans alle schriftlich verfaßte. Ich war dazumal zu Wien in Oesterreich, wie eine herrliche Schlittenfahrt bei Winterszeiten gehalten worden, allwo alle erdenkliche Pracht zu sehen gewest; die Pferde waren mit Blumaschi also besteckt, daß ich geglaubt, sie werden über den Stephansthurm fliegen: die Schlitten waren[354] dergestalten gezieret, daß der Schnee vor Freuden selber gegurzt, weil so herrliche guldene Maschinen ihm über den Buckel rutschten, alle Fenster waren offen, ohne Respekt des Ofens, den nit wenig verdrossen, daß er seine Wärme hat müssen in Luft schlagen. Jedermann schauete dieser Schellenprozession zu, siehe aber gäh, ein vornehmer Minister, eines zwar untadelhaften Wandels, ein geheimer kaiserlicher Rath, wird vom gähen Schlag getroffen in dem Schlitten, und stirbt dahin. Das hat sich kein Mensch eingebildet.

Wir sollen es aber uns einbilden, und den Tod stets vor Augen halten, dann wir keine Zeit sicher, an keinem Ort sicher, keine Stund sicher, in keinem Alter sicher etc. Dahero wenn ein Heirathskontrakt verfertiget wird, da pflegt unter andern auch beigesetzt zu werden, wann er vor ihr, oder sie vor ihm soll sterben, so soll dieß und dieß dahin gehören, wann sie sollen Kinder erzeugen, und diese vor ihrer Vogtbarkeit mit Tod abgehen, so soll die Verlassenschaft da und da hinfallen. Wann mir einer etwas leiht oder bezahlt, so will er bescheint seyn, und darum, ach Gott, sagt er, wir seynd sterbliche Menschen, wir wissen nit, wann, wir wissen nit, wie, wir wissen nit, wo, aber das wissen wir, daß wir sterben müssen. So mach dir dann o Mensch zu aller Zeit ein NB., gestern sind mir gestorben NB. meine Brüder, die jünger waren als ich, seynd gestorben NB. meine Schulgespän, die vorzeiten mit mir waren, seynd gestorben NB. das Haus, worin ich wohne, hat schon viele Herren gehabt, so aber alle gestorben, NB. die[355] Schüssel, aus der ich esse, hat noch meinen Eltern zugehört, die aber auch gestorben, NB. die Bettstatt, in der ich liege, hab ich von meiner Schwester geerbt, darin ist sie gestorben, NB. so werd ich auch sterben, NB. dieser Gedanke wird verursachen, daß ich einen andern Wandel werde führen. Es ist gewiß, der wird nit als wie ein Mauskopf leben, der sich also das Mausoläum allezeit vor Augen stellt.

Die dritte Tracht von Fischen laß ich auf die Tafel bringen, diese seynd allerlei Sorten, der Fisch aber heißt abgesotten, und mit grünem Petersill überdeckt. Unser Herr erscheint auf eine Zeit dem Petro, welcher samt andern sehr viele Stunden aneinander gefischt. Petrus, fragt er, gibts was? Nichts mein Herr, nit einmal ein Schneiderfischl, darauf hat der liebste Heiland befohlen, sie sollen in seinem Namen das Netz rechter Hand einwerfen, welches auch geschehen, und haben sie eine Menge der Fische herausgezogen, hundert und drei und fünfzig Stück, und jeder Fisch war eine besondere Art, dann in dem Meer, nach Aussag des hl. Hieronymi, werden just so viel Sorten Fisch gezählt. Warum aber, daß sie aus einer jeden Gattung einen Fisch gefangen? dieß ist ein Geheimniß, spricht er, gedacht der heilige Lehrer, und bedeutet, daß er allerlei Standespersonen von dem Meer dieser Welt in das ewige Vaterland sollen gezogen werden.

Der hl. Paulus ist in den dritten Himmel verzuckt worden, ich bin noch weiter kommen, aber nur mit meinen Gedanken, ich bin droben gewest, wo Gott seine Residenzstadt hat, allwo die ewige Wohnung[356] ist der Auserwählten; die große Freud und Herrlichkeit des Himmels hab ich nit können abmessen, aber die Größe und Breite hab ich nach Möglichkeit abgenommen, der Umkreis erst erwähnten empirischen Himmels ist über 15000 Million der Meilen, und wann ein jeder Heiliger im Himmel so viel Platz wird haben, wie der allergeringste und mindeste Stern im Firmament, ist das schon genug, zumal der allerwinzigste Stern 18mal größer, dann der ganze Erdboden, das ist ja eine überschwengliche Größe des Himmels. In diesem hab ich gesehen eine unzählbare Anzahl der Heiligen und Auserwählten Gottes. Ich hab gesehen eine solche Anzahl aus dem Orden des hl. Benedicti, daß es nit möglich scheinte zu zählen, und habe mir eingebildet, daß am jüngsten Tag der göttliche Richter nit werde sagen, venite Benedicti, sondern venite Benedictini. Ich hab gesehen eine solche Schaar aus dem Orden des heiligen Franzisci, daß ich bei mir selbst gedacht hab, die Welt bei der Zeit sey meistens französisch, der Himmel aber fast ganz franziscisch. Ich hab gesehen eine solche große und schier überschwengliche Armee aus dem Orden des hl. Vaters Augustini, daß ich mich verwundert hab, wo man so viel Häut nehme, aus denen so viel Gürtel und Riemen geschnitten wurden. Ich hab gesehen eine solche Menge der Dominikaner, daß, wann auch die Heerde der gescheerten Lämmlein des Jakobs sollte zehntausend mal überzählt werden, gleichwohl die Zahl deroselben nit würde erreichen. Ich hab gesehen eine solche Menge der Jesuiten, daß mir vorkommen, es wolle Jesus in dem Himmel keine andern haben, als Jesuiten.[357] Deßgleichen aus allen andern hl. Orden und andern geistlichen Ständen, forderist der hl. römischen Päbste, deren etliche und siebenzig allein in der Zahl der Heiligen gezählt worden. Item, so viele Kardinäle, Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Prälaten, Domherrn, Pfarrer und andere Priester etc., daß ich fast in Gedanken gestanden, der Himmel sey nur für die Geistlichen gebaut; wie ich aber mich recht umgesehen, da war kein Stand in der ganzen Welt, der nit alldort die ewigwährende Kron besitzen thäte, worüber ich Ursach gehabt, meine Hände zusammen zu schlagen, und dem Allerhöchsten zu danken um diese grundlose Barmherzigkeit.

Ich hab mir eingebildet, daß ich alldort werde keine, oder gar wenig gekrönte Häupter und andere Fürsten antreffen, dann ich mich zu entsinnen weiß, daß ich gelesen hab, wie einmal ein hl. Mann von einem großen Fürsten ist befragt worden, ob auch die Fürsten in Himmel kommen? worauf er mit Ja geantwortet, ja, wann sie in der Wiege sterben, aus dem unschwer zu schließen war, daß dieser Stand sehr hart zur Seligkeit gelange. So hat auch Karolus VIII. König in Frankreich einen Tag vor seinem Tod seinen obersten Kämmerer befragt, warum doch so wenig Könige unter die Zahl der Heiligen gesetzt werden? weil er aber solches nit wußte zu beantworten, hat hinwieder der König gesagt, es sey keine andere Ursach, als dieweil ein König keine Leute um sich hat, welche die Wahrheit reden; als sey gleichsam ein hochfürstlicher Hof nichts anders als ein Nest der Schmeichler. So ist mir auch eingefallen,[358] daß unser lieber Herr davon geflohen, wie sie ihn zu einem König wollten erwählen. Deßgleichen hat er am hohen Kreuzstamm noch vor seinem Tod das Haupt herabgeneigt, um weil der Titel eines Königs ober seiner geschrieben stund, etwa dadurch anzudeuten, man soll so leicht eine königliche Kron nit annehmen, um weil dieselbe voller Gefahr. So ist auch wohlbekannt aus göttlicher Schrift, wie die Bäume einen König unter ihren hölzernen Mitgliedern wollten erwählen, daß sich nit Einer, sondern mehr dessen geweigert, und die Kron nit angenommen, in Erwägung des gefährlichen Stands, in welchem diese höchsten Häupter seyen. Dann fürwahr das Wörtl Rex ziemlich klein ist, aber entgegen eine große Verantwortung dabei, daß also ein König in Spanien sich verlauten lassen, er wollte wünschen, er wäre lieber ein Eremit in der Wüste gewest, als ein König in seiner Monarchie. Es ist aber auch dieser höchste Stand bequem genug, die Seligkeit zu erlangen. Man kann auch auf einen hohen Thron eine niedere Demuth tragen, ist schon oft geschehen. Man kann auch mitten unter dem Silber ein guldenes Gewissen haben, ist schon oft geschehen. Man kann auch unter so viel Aufwartern und Dienern gleichwohl Gott dienen, und dem Gewissen abwarten, ist schon oft geschehen. Man kann auch unter so viel Leibquardi und Hütern sich ebenfalls vor den Sünden hüten. Man kann auch bei so großem Herrschen über das üble Beginnen des Gemüths herrschen, ist schon oft geschehen. Man kann auch in diesem, dem Schein nach, glückseligsten Stand, das Kreuz mit Christo tragen, zumal ohnedas[359] das Wörtl ReX ein angeheftes Kreuz führet. Dergleichen seynd eine Menge in dem Himmel zu sehen gewest. Konstantinus, ein Kaiser; Karolus, ein Kaiser; Henrikus, ein Kaiser, samt vielen andern mehr. Helena, eine Kaiserin; Hildegardis, eine Kaiserin; Kunigundis, eine Kaiserin; Pulcheria, eine Kaiserin etc. viel andere mehr. Kasimirus, ein König in Polen; Stephanus, ein König in Ungarn; Ludovikus, ein König in Frankreich; David, ein König in Israel; Kanutus, ein König in Dänemark; Eduardus, ein König in England etc. Andere große Fürsten und Herren; gleichwie der hl. Leopoldus mit seiner Agnes 14 Kinder erzeugt, gleichwohl beide heilig gelebt, nit in rauhen Kleidern und verwerfliche Aufzugm dahergangen, sondern auch wohl in Sammet und Seide, in Silber und Gold, und gleichwohl seynd sie in den Verdiensten höher gestiegen, als viel Eremiten, viel Religiosen, die in der Wüste und Einöde ihr Leben zugebracht.

Ich hab schier in Zweifel gesetzt, ob ich im Himmel droben werde einige heilige Hof-Minister und vornehme Hofräthe antreffen. Dann bei dergleichen gar oft Ratio Status (ein Wunderthier ist dieß!) das Gewissen in die Schanz schlägt; das hat man genugsam wahrgenommen bei dem hohen geheimen Rath der Fürsten der Synagog und hat den Heiland Jesum nichts mehrer zu dem bittern Tod promovirt, als Ratio Status, dann der saubere Politikus Kaiphas in Erwägung, daß das meiste Volk der Hebräer von der Lehr Christi gezogen worden und seine Heiligkeit und Gutthätigkeit die Gemüther der mehristen an sich[360] gezogen, unangesehen er die Unschuld Jesu von Nazareth wohl erkannt, wegen Furcht aber, es möchten die Römer kommen und sie um ihr Reich und Freiheit bringen, hat er in allweg gesucht, daß Christus möchte aus dem Weg geräumt werden; es thäte zwar hierinfalls der gewissenhafte Nikodemus als auch ein Raths-Mitglied auf keine Weise zustimmen, um Willen man in diesem Nazaräer keine Schuld finden könne; Ei, sagt Kaiphas, Ratio Status bringts mit sich, Unschuld hin, Unschuld her, es ist besser, daß einer zu Grund gehe, als wir alle. O verfluchter Statist! so hat dann Ratio Status von dem Gewissen, von dem Gebot Gottes und der Kirche keine Dependenz? Warum seynd dermalen im römischen Reich durch ungerechte Waffen so viel tausend und tausend an den Bettelstab gerathen? so viel edle und uralte Städte, in welchen vor diesen so viel heilige Tempel, prächtige Gotteshäuser, uralte Stift und Klöster, zu einem Steinhaufen worden? O Gott! Ratio Status ist gar aus Frankreich heraus gereist, hat das Feuer selbst in solche heilige Oerter und Gottes-Wohnungen gelegt. Aber in der Wahrheit, ich fürchte, es wird die Zeit geben, daß Ratio Status, so die göttlichen Augen nit viel achtet, wird das eigene Reich zu Grund richten und nicht nach dero Meinung ein Grundstein dessen seyn. Zum andern ziehen bisweilen die Hofminister das Meiste an sich mit des andern seinem Verderben. Der gelehrte Manni erzählt von einem vornehmen Fürsten, welcher einen gar zu stark interessirten Hofherrn hatte, demselben einige Lehr zu geben, hat er ihn zu sich berufen samt den zwei Leib-Medicis, welchen Letztern er[361] sehr mitleidend vorgetragen, wie daß dieser gegenwärtige Kavalier einen sehr übeln Zustand habe, so seine hohe Person nit wenig bedaure, wollte auch nit gern eines so wackeren Manns verlustig werden, gebiete ihnen demnach, mit allem möglichsten Fleiß denselben zu curiren; der Kavalier erstummte hierüber und wußte nicht, wie viel es geschlagen; die gegenwärtigen Medici betheuerten beide, daß sie an erstgemeldtem Kavalier keine einige Ungesunde spüren, ja die beste Natur und Leibs-Komplexion, verspreche ihm nächst Gott ein langes Leben. Ja, ja, sagte mehrmal der Fürst, er hat das Milz-Wehe, und wißt ihr nit, in was das Milz-Wehe bestehet? Zweifelsohne war die Antwort von ihnen: das Milz-Wehe ist dies: wann selbiges die Nahrung, so es andern Gliedern zu geben schuldig, alles für sich selbst behält, so müsse nothwendig selbe mit der Weil verderben und zu Grund gehen. Diesen Zustand sagt der Fürst, hat dieser Gegenwärtige mein Hof-Kavalier etc. wollte ihm hierdurch sattsam unter die Nase reiben sein gewissenloses Interesse, wessenthalben er den Unteren und andern die Gebühr verweigert und abschneidt und alles, für sich behält. Dergleichen Sachen haben mir schier einen Gedanken verursacht, als würde ich keine, oder wenigst nit viel heilige Hofherren im Himmel antreffen; aber das Widerspiel: massen kein Stand in der Welt, der nit in der Glori triumphiret, als sahe ich deren eine Menge daselbst. Da waren der H. Severinus Boetius, der H. Pancarius, der H. Gaudiosus und andere mehr geweste obriste Hofmeister. Da war Gallocerus, ein gewester obrister Kämmerer; da waren der Heil. Eparchus, Bonitus, Thomas Morus,[362] geweste obriste Kanzler; da waren der H. Demetrius, Sergius, Viktorianus, geweste obriste Statthalter: da waren der H. Erastus, Adaucius und andere, geweste Kammer-Präsidenten. Da waren der H. Fulgentius und andere obriste Kuchl-Meister, da waren Waningus, Mautotontus, oberste Jäger-Meister, samt andern. Da waren heilige Sekretäre, Marcellinus, Menulphus und andere. In Summa, die Menge der Hofbedienten waren im Himmel anzutreffen, woraus zu schließen gewest, daß Gott allemal mitten durchgehe, wie Er dann allemal in der Mitte gesehen worden: bei seiner Geburt in Mitte der zweien Thiere: In dem Tempel in Mitte der Doktoren und Lehrer: In seinem Tod in Mitte der zweien Uebelthäter: Nach seiner Urständ in Mitte der Apostel, wie Er ihnen den Frieden angedeutet. Er gehet nämlich mitten durch und gibt einem sowohl seine göttliche Gnade, als dem andern.

Ich habe doch müssen umsehen, ob auch einige andere von Adel im Himmel seyen. Einen Skrupel dessen hatte ich dahero geschöpft, weil die heilige Schrift sagt Matth. 24. K. Ubi Corpus, ibi congregabuntur et Aquilae, wo das Aas seyn wird, da werden sich auch die Adler versammeln; nun von Adler soll, glaub ich, der Adel herrühren, aus welchem fast eine Schlußrede könnte gemacht werden, daß der Adler gern den stinkenden Aasen nachsetze. Magdalena war eine vornehme Dame von gutem altem Adel, es waren ihr auch dergleichen Aas nit zuwider; diese hatte einen Herrn Bruder, der da Lazarus genannt war, der gar ein wackerer Edelmann, auch eine ziemliche Zeit im Feld zugebracht, damit er nit allein mit dem[363] Blut, sondern auch mit dem Muth zu prangen habe. Dieser Edelmann Lazarus erkranket und stirbt. Vier Tage nach seiner Begräbnuß kommt unser lieber Herr nach Bethanien, allwo des verstorbenen Lazari beide Schwestern Magdalena und Martha ihm entgegen gangen, und nit ohne nasse Augen und viele Seufzer beklagten sich wegen des zeitlichen Hintritts ihres Bruders; ja wann Er, verstunden den Herrn Jesum, wäre da gewest, so wäre dieß Uebel nit geschehen. Christus der Heiland ohne Verweilung begibt sich zu dem Grab, erwecket wirklich den Todten wieder zu dem Leben, aber mit einer Ceremonie, die Er sonsten nit pflegte, Er weinte bitterlich, und mit großen Trauerzeichen hat Er ihm das Leben geben. Daß unser Herr allhier also geweinet, geben die heiligen Lehrer unterschiedliche Ursachen, unter andern spricht der heil. Abt Rupertus, daß Christus derentwegen so viel Zähren vergossen, daß er diesen Edelmann wieder zum Leben erwecken solle, indem er gleichwohl gut gestorben; so er aber wieder zum Leben komme, etwan möchte er nachmals einen schlimmen Wandel führen, massen der Adel tausend Seelen-Gefahren unterworfen. Dergleichen Dinge machten mir schier kleinen Glauben, als sollten viel Edelleute im Himmel seyn, aber ich sah gleichfalls das Widerspiel, ja es kam mir eine solche Menge der heil. Edelleute unter die Augen, daß unmöglich schien, selbe in eine Zahl zu bringen. Da waren H. Elzearius, Konradus, Grafen von Abensperg und viel und viel andere heil. Grafen mehr. Da waren Adelindis, Richardis, Klementia etc. und viel und viel andere heil. Gräfinnen mehr. Da waren Maximus, Klaudius, Alexander, Geminianus und viel viel andere heil.[364] Freiherrn. Da war eine Anzahl des gesamten Adels, daß ich mich selbst verwundert ob einer so unermeßlichen adelichen Heiligkeit oder heil. Adels.

Ob einige Soldaten droben seyen, habe ich dessenthalben nit viel umgeschauet, zumalen ich vorher schon gewußt die große Anzahl derselben, desgleichen auch wegen der Doktores und gelehrten Leute, doch aber hab ich wegen der Letzten schier einen Zweifel gefaßt, massen mir nit unbewußt, daß ein Wasser, so andere wäscht, selbst trüb wird; daß eine Raspel, so von dem Eisen den Rost nimmt, selbst Scharten bekommt, daß ein Kämml, das die verwirrten Haare wieder einrichtet, selbst wüst und lausig wird: also die gelehrten Leute, so andere unterrichten, nie sollten selbst in die Mängel fallen. Der Kopf des Loths seines Weibs ist voll Salz gewest, nachdem sie umgeschauet, ist gleichwohl nichts desto besser, sondern nur schlimmes gewest, also ist auch vielen die Doktrin nur ein Ruin etc. muß aber bekennen und anbei die göttliche Güte preisen und loben, wie ich meine Augen im Himmel hin und her gewendet, so ist ein solcher Haufen der heil. Doktoren und andern Gestudirten erschienen, daß mir schier vorkommen, diese füllen den Himmel halben Theils ein. Da waren Rechtsgelehrte, Ivo, Athanasius, Richardus und viel und viel andere mehr etc. Da waren Medici, Lukas, Kosmas Damianus, Panthaleon und viel viel andere mehr etc. Da waren Philosophi, Justinus, Sixtus, Aristides und viel viel andere mehr etc. Da waren Rhetores und Poeten, Damasus, Paulinus und viel viel andere mehr.

Wegen der Kaufleute, ich muß bekennen, stunde[365] ich in sehr großen Sorgen und hätte schier mit einem etwas gewettet, ich würde in der ewigen Freud wenig Handelsleute antreffen, zumalen dero Profession und Gewerb sehr vielen und harten Gefahren unterworfen. In dem Evangelio stehet geschrieben, daß einer von Jerusalem nach Jericho seye gereist, unterwegs aber unter die Straßenräuber gerathen, welche ihn nit allein tödtlich verwundet, sondern all das Seinige hinweggenommen und bis auf das Hemmet ausgezogen. Nun entstehet eine Frag, wer doch dieser müßte gewest seyn, ob er ein Handwerker, oder ein Soldat, oder ein Bauer, oder ein Student gewest? Einige glauben, es seye ein Kauf- oder Handelsmann gewest, der auf dem Markt seine Waaren verkauft und viel Geld gelöst. Es ist wohl zu merken, daß mehr Leute daselbst durchgereist, wie dann des Priesters und Leviten das Evangelium selbst Meldung thut. Wie daß sonst keiner von diesen Straßenräubern ist angegriffen worden? Meine Meinung ist diese, die saubern Straßenoffiziere haben sich eingebildet, der Kaufmann habe viel Geld auf dem Markt gelöst, und habe manchen übervorthelt, Mauspfeffer für gutes Gewürz verkauft, und also schadet es gar nit, wann sie ihm den Beutel in etwas laxiren. Sey dem wie ihm woll, Handel und Wandel der Kaufleute hat weit mehr Gewissensgefahr, als eine andere Profession, und wann die fünf thörichten Jungfrauen auf Einrathung ihrer weisen Gespannschaft hätten ein Oel einkauft, Emite vobis etc., so hätte ihnen vielleicht der Kaufmann ein altes schmecketes Oel für ein frisches geben, weil die Menschen ohnedas nit bei gutem Verstand waren. Hugo[366] Kardinalis ist der Aussag, daß diejenigen Publikaner und offenen Sünder, welche öfters zu Christo dem Herrn getreten, seyen meistens Kaufleute gewesen, erant Camptores, Mercatores et negotiatores, qui lucra saeculi per negotia sectabantur. In Erwägung dessen hab ich ja billig können umsehen, ob ich einige aus diesem Stand werde im Himmel antreffen, aber Gott sey höchster Dank, ich habe mit sonderm Trost eine großmächtige Anzahl derselben zu sehen bekommen, da hat es mich aber sonderlich gefreuet, daß kein Stand in der Welt, dem Gott nit auch genugsame Mittel gibt, die Seligkeit zu erwerben, es ist gar nit vonnöthen, daß wir alle in die Kutte schliefen, daß wir alle zwischen vier Mauern uns einschließen, und Tag und Nacht das Leben mit Singen und Psalliren zubringen, dann nit nur ein Weg in Himmel, sondern mehr. Gleichwie das Volk Israel durch das rothe Meer so wunderlich passiret an das gewünschte Gestad, nit aber durch einen engen Weg, sondern durch zwölf unterschiedene, also daß ein jedes Geschlecht einen besondern Paß gehabt; deßgleichen seynd ebenfalls unterschiedliche Weg in Himmel, als zum Gestad der Seligkeit. Einen Weg haben die Geistlichen und Gott gewidmeten Personen; einen andern haben die Weltlichen, unter denen auch die Kauf- und Handelsleute, dann ich derselben eine Menge habe im Himmel gesehen: da war der hl. Frumentius, der hl. Guido, und viel viel andere mehr, welche Handelschaft getrieben, und gleichwohl die Gnade Gottes nit vertrieben, warum soll es nit seyn können, daß einer Kienruß verkauft, und gleichwohl ein weisses[367] Gewissen behält? warum soll es nit seyn können, daß einer mit englischem Tuch handle, und gleichwohl daneben ein englisches Leben führe? warum soll es nit seyn können, daß einer mit Eisen und Stahl handle, und dannoch ein weichherziges Gemüth zn den Armen trage? warum soll es nit seyn können, daß jemand mit Bildern handle, und dannoch seine Seele als ein Ebenbild Gottes nit verscherze? warum soll es nit seyn können, daß einer Bernhäuterzeug verkauft, und doch daneben ein ehrlicher Mann verbleibe? es kaun gar leicht seyn.

Künstler und Handwerker hab ich auch im Himmel gesucht, dann ich habe mir eingebildt, daß sie werden beieinander stehen, ob zwar die Ersten den Vorzug billig haben, dann mehr ist doch gewest derjenige Goldschmied, welcher den guldenen Ring verfertiget, womit der alte Vater seinen verlornen Sohn beschenkt hat, als derselbige, der ihm ein neues Kleid hat gemacht und etwan die alten Lumpen ausgebessert. Es ist mir doch eins und das andere eingefallen, als wann dergleichen Ständ auch ziemlich in Haltung der Gebot Gottes können stolpern. Ja wann ein jeder Handwerker wäre, wie jener Gärber oder Lederer zu Joppen, bei dem der heil. Petrus seine Ordinari-Herberg hatte, von dem auch der Engel Meldung gethan, wie er dem Hauptmann Kornelio erschienen, so wäre leicht zu schließen, daß der Handwerker eine große Zahl im Himmel seyen. Aber deßgleichen, glaub ich, wird man nit viel finden. Jedoch hat unser lieber Herr diesen Stand absonderlich begnadet, indem Er keine Edelmann, keinen[368] Handelsmann, keinen Künstler, sondern einen gemeinen Handwerksmann für seinen Nährvater auserkohren, benanntlich den hl. Joseph, dem Er auch etliche Jahr in der Handthierung beigestanden. So hat auch der hl. Geist gleichsam den Stand der Handwerker beatificiret, als er durch den Psalmisten David geredt: »Labores manuum tuarum manducabis, beatus es, et bene tibi erit. Du wirst von deiner Hände Arbeit essen, selig bist du, und es wird dir wohl gehen.«

Im ersten Buch der Könige ist zu lesen, wie der streitbare David eine stattliche Viktori und Sieg erhalten wiber die Amaleziter, da ist ein Zank und Uneinigkeit entstanden, zwischen denjenigen, welche bei der Schlacht gewest, und zwischen denselben, so bei der Bagage geblieben, und Mattigkeit halber nit konnten folgen; was sagten dieselben, die bei dem Gefecht waren, weil uns eine so herrliche Beut zukommen ist, so sollten dieselbigen nichts davon haben, die nicht dabei gewesen, uns gehört solche allein zu. Holla, Holla, antwortet der gerechteste David, nit so gäh, meine so guten Leute; es soll einer das so wohl haben, als der andere: aequa pars erit etc. seynd also die, so bei dein Troß geblieben, ebenfalls theilhaftig worden der Beut.

Es möchten etwa die Geistlichen vermeinen, weil sie zum meisten streiten müssen wider die Welt, wider das Fleisch, und wider den Teufel, als ob ihnen allein die Beut der ewigen Seligkeit solle zugehören, das nit, das nit, meine frommen Leute, laßt es euch nit verdrießen; die Handwerksleute, und andere, so[369] zu solchem Streit etwas zu schwach, und dannoch nach Möglichkeit Gott dem Allmächtigen dienen, sollen auch von dieser ewigen Beut partizipiren. Darum, darum hab ich eine unbeschreibliche Menge und An zahl solchen Stands angetroffen im Himmel, daß ich schier der Meinung gewest, als ob die 9 Chöre der Engel sich unter solche gemischt hätten. Dort waren heil. Maler Lucas, Fölix, viel, viel andere mehr; heil. Goldschmied, Eligius, Bilfridus, viel, viel andere mehr etc. Heil. Buchbinder, Petrus Cölestinus, etc. viel, viel andere mehr. Heil. Barbierer und Bader, Hermoläus, Cänobius etc. viel, viel andere mehr. Heil. Apothecker, Aemilius, Athanasius etc. viel, viel andere mehr. Bildhauer und Steinmetzen, Antonius etc. viel, viel andere mehr. Maurer, St. Proculus. Metzger oder Fleischhacker, St. Thomas a Florentia. Bäcker, St. Donatus. Weber, St. Onuphrius. Färber, St. Meningnus. Gärtner, St. Paulinus. Glaser, St. Simon Salus. Müllner, St. Eugenius. Sattler, St. Gualfardus. Seiler, St. Posthumus. Messerschmied, St. Martinianus. Schuster, St. Crispinus. Schneider, St. Homo bonus. Tischler oder Zimmerleute, St. Joseph. Hufner, Justa und Justina zwei Schwestern; dergleichen allerlei heilige Handwerker hab ich daselbst angetroffen, dero Namen unmöglich scheinet, auf das Papier zu bringen. Gott verzeih mirs, um einen Kutscher, Reitknecht, und dergleichen Leute habe ich nit viel umgesehen, dann sie scheuen sich nit, auf öffentlichen Gassen die Leute übern Haufen zu fahren, wie es mir auch geschehen, seynd gute Leute (scilicet)[370] wann ihre Herrschaften in der Kirche sind, so pfeiffen sie vor der Kirche, auf den Pferden, nit viel anderst, als jene Vögel im Winter, denen die Natur dicke Schnäbel, einen rothen Brustfleck, und ein schwarzes Häubel hat aufgesetzt. Weil aber der gütigste Gott keinen Stand ausschleußt von seinen göttliches Gnaden, zumalen der Heiland Jesus der Samaritanin gesagt, bei dem Brunn, Er seye auch ein Brunn, und habe Wasser des ewigen Lebens. Weil nun ein Brunn vor jedermann, auch sogar vor das Vieh, also weigert auch der mildeste Gott keinem seine Gnaden; dahero ich auch daroben im Himmel Kutscher und Fuhrleute angetroffen, dergleichen der heil. Richardus, Vulmarus, und viel andere mehr.

Endlich und endlich wollte ich auch in Erfahrenheit bringen, ob ebenfalls Bauren im Himmel anzutreffen, dann was mir derenthalben einen Zweifel gemacht, war dieß, daß der erste Bauer in die Höll gefahren, dieser war der Kain. Cain autem erat Agricola, ob mir zwar ein Dorf-Advokat trutzig einschnalzet, daß es dem Bauren nit zu geringem Lob gereiche, um weilen Christus der Herr selbsten sich einem Ackersmann verglichen, der einen guten Saamen ausgesäet; dem begegne ich gleich in selbigem Evangelio; daß auch der Teufel eine solche Stell verricht, wie mans klar im Evangelio, sogar im Bild oder Kupferstich wird wahrnehmen, nun lasse ich es einem jedem reifen Verstand über, wem der Bauer mehr gleiche, unserem Herrn, oder dem andern Gesellen? Wer schilt mehr als die Bauern? wer wünscht übler als die Bauern? wer ist arglistiger als die Bauern? weil[371] ich aber weiß, daß mein Herr und Heiland nit gestorben, noch gekreuziget worden in der Stadt Jerusalem, dann wann das wäre geschehen, hätten sich etwan etliche freche und muthwillige Köpfe eingefunden, die sich getrauet hätten zu sagen, es wäre Gottes Sohn nur gestorben für die, so in der Stadt, als da seynd Edelleute, Handelsleute, Künstler, Handwerker, Burger etc. sondern dieser Heiland hat das Werk seiner Erlösung vollzogen ausser der Stadt unter dem freien Himmel auf dem Berg Kalvariä, und vermuthlich nach vieler vieler Lehrer Aussag, in der Mitte des ganzen Erdbodens, operatus est Salutem in medio terrae; also haben das Heil nit nur zu hoffen die Stadt-Leute, sondern auch die arbeitsamen Bauern und Ackers-Leute. Dergleichen hab ich fast mehr im Himmel gesehen, als alle andern Stands-Personen, da war St. Isidorus, ein heil. Bauer; Leontius, ein heil. Bauer; Kentignerus, ein heil. Bauer; Fortunatus, ein heil. Bauer; Lambertus, ein heil. Bauer; Delbertus, ein heil. Bauer; Theodulphus, ein heil. Bauer; Miro, ein heil. Bauer; Spiridion, ein heil. Bauer, und ohne Zahl und Ziel viel und viel andere mehr.

Weil ich nun bei mir gänzlich beschlossen, alle völlige Nachricht auf die Welt herunter zu bringen, waserlei Stands-Personen im Himmel ich angetroffen, also hab ich gleichfalls daselbst umgefragt, ob auch s.v. Säu-Hirten, Schaf-Hirten und Bettler zu finden seynd. Dann weil Gott der Herr nit ansieht die Personen, beinebens sich bei Joanne verlauten lassen, daß in seines himmlischen Vaters Haus viel[372] Wohnungen seynd, ja, nach Laut der hl. Schrift, der Bettler Lazarus den geraden Weg in die Schooß Abrahams von den Engeln getragen worden, so konnt ich mir leicht einbilden, daß solcher auf der Welt verachtetste Stand nit seye ausgeschlossen; allein stunde ich derenthalben an, ob viel dergleichen Sorten Menschen in dem himmlischen Vaterland wären, dieweil ich gar zu wohl wußte, daß sehr viel schlimmes, gottloses, und ungewissenhaftes Gesind unter solchen Leuten sich aufhalten. Was anbelangt die Hirten, war ich schon vergwist, daß solche in sehr gutem Kredit stunden bei unserm Herrn, massen Er ihnen zum allererstenmal seine gnadenreichste Geburt auf Erden hat lassen ankünden, welche Ehre weder gekrönte Häupter, noch die hohe Priesterschaft zu Jerusalem gehabt. Aber wegen der Bettler bin ich gleichwohl angestanden, dann solche nit allein zerlumpte Kleider, sondern auch meistens zerrissene Gewissen tragen. Aber Gottes Sohn, der mit 12 Jahren, die drei Tag, als er zu Jerusalem verblieben, unwissend seiner liebsten Mutter Maria, und seines Nährvaters Joseph, das Brod von Haus zu Haus gesammlet, hat sattsam zu verstehen geben, daß Ihm der Bettler-Stand gar angenehm.

Abstemius unter andern Gedichten bringt auch folgende auf die Bahn: Der Löw, als ein König der Thiere, wegen gewissem Zweitracht und Mißverständnuß mit den Vögeln, hat sich gänzlich resolvirt, die Sache mit Waffen auszutragen, zu solchem Ende er dem ganzen gefiederten Geschlecht den Krig angekündet. Der Bär, als kein schlechter Kriegsrath, fragte Ihre Majestät, den Löwen, was er dann vor eine[373] Charge wolle geben dem Haasen und dem Esel? Ich, sagte er, will den Hasen brauchen für den Kurier, so man gar nothwendig im Feld hat. Die Esel aber, weil ich ohnedas keine Trompeter kann haben, sollen mir dero Stell vertreten, wegen ihrer starken Stimm etc. Aus welcher Fabel abzunehmen, daß nichts so schlecht seye, so sich nit brauchen lasse.

Freilich wohl seynd die Bettler und andere armer Leute sehr verworfene Kreaturen auf dieser Welt, und müssen fast allemal solche mit dem armen Lazaro vor der Thür des reichen Manns liegen, aber getrost meine armen Tropfen, der allergütigste Gott, so auch einen armen Fischer zum Haupt seiner Kirche auf Erden hinterlassen, dem die gekrönten Häupter die Füß verehren, wird auch euch wissen so hoch in der Glori zu bringen, daß ihr werdet mit unendlichem Dank Gott benedeien und loben, um weil Er das Blättl so wunderbarlich kann wenden. Das hab ich selbst erfahren, und den Augenschein eingenommen, als ich eine gar große Anzahl derselben im Himmel gesehen, so von dieser betrangenden Armuth zu unendlichem Reichthum gelanget; dann ich sahe Alexium den heil Bettler, Servulum den heil. Bettler, und unzahlbare viel andere, daß mir schier eingefallen, das Himmelreich seye worden zu einem Bettler-Reich. Habe auch anbei die ällerhöchste Dreifaltigkeit nach Möglichkeit gepriesen, um weilen kein Stand auf Erden ist, hoch oder nieder, reich oder arm, geistlich oder weltlich, dem Gott nit genugsame Mittel gibt, die ewige Seligkeit zu erwerben.

Ich setze nunmehr die vierte Speise von Fischen[374] auf, hoffe, solche werden gar nit übel schmecken, weil sie in einer guten Brühe seynd eingemacht, es wird die Speis wohl etwas sper vorkommen, weil es gar ein großer Fisch gewest.

Der heil. Magutus fuhr einst auf dem hohen Meer, und weil dazumalen eingefallen der heil. Oster-Tag, also wünschten alle in dem großen Schiff, daß sie doch möchten von Gott die Gnade haben, an einem so heiligen Tag das heilige Meß-Amt zu hören, da sie nun eine kleine Zeit mit glücklichen Segeln fortgefahren, erblickten sie eine kleine Insel, allwo sie voll der Freuden angelandet, allda ausgestiegen, und alsogleich einen Altar aufgerichtet, zumalen sie alle hiezu gehörigen Sachen mit sich genommen. Magutus fängt mit größter Andacht das heilige Meß-Amt an, wozu seine Brüder, ihrem Brauch nach, gesungen, wie er aber nach Ordnung des Missalis oder Meßbuch zu dem Pater noster kommen, da bewegt sich die ganze Insel; dann zu wissen, daß erstgedachte Insul nur ein so großer Wallfisch gewesen, dessen Rucken mit häufigem Sand überdeckt, einer ganzen Insul gleichete; der hl. Mann aber verließe sich völlig auf Gott, vollzoge noch das heil. Meß-Amt bis zu dem Ende, nachmals hat er dem Wallfisch im Namen des Allerhöchsten befohlen, er solle so lang und so viel Stand und still stehen, bis alle in das große Schiff sich salviret, nach welchem sich dieser ungeheure Fisch mehrmalen bewegt, und aus den Augen gegen den Abgrund verschwunden, dieser Fisch ist ein lebendiger Entwurf der unbeständigen Welt, in dero alles, allwo man das beste Contento hoffet, unverhofft verschwindet.


[375] Lerne lesen.


5.
4.Lappen, die an ihr, als gwinnt, gleich
3.große nach der nichts lauter bei ihr wie der
2.seynd Welt so doch leeres einer Rauch
1.Das schnappen, ist Geschirr, was verschwindt.

Des Menschen schöne Gestalt hat große Gewalt auf Erden. Zu Rom war ein heil. Papst, mit Namen Formosus, dessen heiligen Leib durch sondere Schickung Gottes, die Fischer gefunden, worauf alsobald die gehörige Anstalt gemacht worden, damit solcher, seiner hohen Würde gemäß, in Begleitung einer Menge Volks, in die St. Peters-Kirche getragen wurde, welches auch alles mit sehr heiliger Pracht vollzogen worden, neben andern Wundern war dieß nit das Mindeste, indem die steinernen Bilder der Heiligen daselbst sich geneigt haben, und ihm Reverenz erwiesen. Was Formoso damalen geschehen, geschieht auf den heutigen Tag einer Formosä, was ehret die schöne Gestalt nit? wie ehret man die schöne Gestalt nit? wo ehret man die schöne Gestalt nit? Solche Gestalt hat eine Gewalt, die einem jeden das Herz bieget; solche Gestalt hat die Gewalt, die fast allen die Affekten raubet; solche Gestalt hat eine Gewalt, die fast über alle Gemüther herrschet.

Wie Abraham mit seiner liebsten Frau Gemahlin Sara in die Fremde mußte reisen, und bereits nit gar weit von der Stadt Gerara, allwo der König Abimelech regierte, gekommen war, da hat er die Sara in eine Truhe eingesperrt, und also, wie Lyranus beibringt, neben anderm Hausrath mit sich auf[376] dem Wagen geführt, wie er aber zu einem Paß kommen, allwo die Mautner und Uebergeher, Amts halber, alle Waaren durchsuchten, da haben sie unter anderm Hausrath auch gefunden die Sara, welche sie ohne weitern Verzug dem König angedeutet. Aber Abraham, warum dieß? Abraham, warum aber dieß? Warum ein hölzernes Futteral über dein Weib? das ist ja nichts anderst, als ein hölzernes Konzept. Darum, sagt der heil. Patriarch, hab ich solches gethan, weil sie gar, gar ein schönes Weib war, und wann ich sie öffentlich hätte daher geführet, so wäre ich an keinem Ort sicher gewest, einer oder der andere hätte mir schon längst den Hals gebrochen; dann ich weiß schon, wie die Welt schnappt und grabt und tappt nach schönen Gesichtern; ich hätte schon längst müssen den Kehraus tanzen, damit solche ein anderer überkommen hätte. So viel wird geschätzt ein solcher schöner Tanz.

Es grüßt mich eine alte Frau, ich weiß nicht, ob ich ihr danken soll, sie sieht aus wie des heiligen Michael sein Fußschemmel, sie hat ein ganz elendes mageres Quatembergesicht; die Stirn ist ein Modell von einem gefälkelten Judenkrös; das Gesicht ist zusammengeschnurft, wie ein nasses ledernes Hosengeschirr, so bei dem warmen gehängt; die Augen stehen so tief im Kopf darin, daß sie auch ein wohlerfahrner Bergknapp sobald nit würde füllen; die Nase tropft nit weniger als ein Birkenbaum im Mai; die Zähn lassen sich gar nit sehen, sondern nur die leere Herberg, wo sie vor diesem logiret haben; das Maul ist angeloffen, wie die Schlosserarbeit! wer ist die[377] Frau? Ich, sagte sie, (wohl eine edle Stimm, wie eine zerbrochene Feuerglocke) ich bin die Frau von Schöningen, Schöndorf, Schöneck und Schönhübel; sollst wohl lieber sagen von Schönübel. O Gott, o Gott, gab ich zur Antwort, das ist ja nit möglich, sie sieht ihr ja nimmer gleich, ich habs vor diesem gekennt, da sie eine andere Gestalt gehabt: Ihre Haare seynd gewest eine Waare, die auch der Absalon nit besser gehabt; ihre Stirn ist gewest ein Gestirn mit dem auch das Firmament hätte können prangen; ihr Mund ist gewest eine Kund, der einem jeden das Herz gestohlen, mit einem Wort in allem ist sie gewest ein Wunder, jetzt ist sie ein Plunder, wer hat ihr die schöne edle Gestalt also genommen? die Zeit, sagt sie, die Zeit, seufzet sie, die Zeit, weint sie. Dem Jakob hat mancher Wolf ein Lämml gestohlen, welches er dem Laban hat müssen gut machen, aber ich sehe wohl, die Zeit stiehlt noch mehr. Auf solche Weise ist die schöne Gestalt so beständig, wie das Manna der Israeliter, welches sobald wurmstichig worden. Auf solche Weise heißt es heute eine schöne Frau, bald aber wie der Wau, Wau! Auf solche Manier heißt es heute wie eine schöne Rose bald wie die Schweizerhose, auf solchen Schlag heißt es heute wie die schönen Korallen, bald alles zusammengefallen.

Auf dem Berg Tabor in der Erklärung Christi war alles glänzend, alles schön, alles weiß, alles herrlich; herrlich wie der Himmel, weiß wie der Schnee, schön wie das Gold, glänzend wie die Sonne, aber die Sonne ist bald erbleicht, das Gold bald verrost, der Schnee bald zergangen, der Himmel bald verdunkelt.[378] Also erbleicht bald, verrost bald, zergeht bald, verdunkelt bald die schöne Gestalt des Menschen; die Welt hat also nichts mehr als die Beständigkeit in der Unbeständigkeit.


Lerne lesen.


Narren. wer erfahren, Ein 1
für einen vieles schon Trampel 2
schätz ich auf dich hab ich bist du 3
den hält, das 5 Welt, 4

Ich hätte wohl vermeint, der Evangelist Lucas wäre anderst umgangen in der Beschreibung des reichen Mannes und des armen Bettlers Lazari, und wundert mich, daß er den reichen Schelm vorangesetzt, und den vor Gottes Augen gerechten Lazarum nach ihm thut. Die Historie lautet also: Es war ein reicher Mann, der kleidet sich mit Purpur und köstlicher Leinwath, und hielt alle Tag herrliche Mahlzeit. Es war auch ein Bettler, mit Namen Lazarus, der lag vor einer Thür, und war voller Geschwür etc. Ja, wann dieser reiche Limmel wäre gewest wie der Himmel, so vergönnte ich ihm den Vorzug, dann der Himmel so gütig und mitleidend ist, um weil ihn der allmächtige Erschöpfer mit einer guldenen Sonne, mit einem silbernen Mond, mit andern herrlichen Gestirnen stattlich bereichert, daß er die untere Erde, als ein sehr niederträchtiges und armes Element, läßt alle seine Reichthümer genießen, erhält, ergötzt, ernährt solche mit seinen gutwilligen Influenzen, und kommt ihr zuweilen in der größten Roth zu Hülfe mit einem fruchtbaren Regen etc. Auch deßwegen hat der vorsichtigste Gott dem Reichen so viel gespendirt, damit[379] er den Armen auch soll dessen theilhaftig machen. Aber der obere Prasser versah nur seine Wampe, nach Wunsch zu schlampampen, und vergönnte dem armen Lazaro nit ein Brösel von seiner Tafel, wobei so viel unnöthige Tischräth geschmarozet. Wundert mich also mehrmal, warum Lucas ehender Meldung thut von einem solchen, der da in der Höll begraben, als von einem Heiligen, den die Engel getragen in den Schoos Abrahams. Homo quidam erat dives etc. v. 19. Et erat quidam Mendicus nomine Lazarum. v. 20. Wer diese von Lucas verfaßte Historie recht entörtert, der wird finden, daß er solche mit den Umständen beschreibe, wie diese beide noch auf der Welt waren, dann allbekannt ist, daß auf der Welt die Reichen in allem den Vorzug haben, die Armen entgegen weit hinten gehen. Sobald aber erstgedachter Evangelist dieser beiden Tod und zeitlichen Hintritt beirückt, so gibt er dem Lazaro die erste Stell und der Reiche muß nachfolgen. Nämlich es begab sich aber, daß des Arme starb, und von den Engeln in den Schoos Abraham getragen wurde. Es starb aber auch der Reiche, und wurde in die Hölle begraben. O wie wunderlich wendet sich das Blättl! in jener Welt gilt bei Gott der Arme alles, der Reiche entgegen nichts; in dieser Welt aber gilt der Arme nichts, entgegen aber der Reiche alles. Es kommt mir schier vor wie ein Papagei und eine arme Henne, so lang der Paperl lebt, so hat er seine Residenz in der Tafelstube, man charesirt ihn mit Zucker, und hat das beste Leben; dahingegen die arme Henne auf den Mist muß hin und her mit vielem[380] Kratzen ihre Nahrung suchen, nach dem Tode wird die Henne gar auf die Tafel und Herrentisch getragen ja nit selten mit einem silbernen Unterbett bedienet, entgegen aber der vorhin angenehme papageiische Ploderer nach seinem Tod wird hinausgeworfen auf den Mist, als eine Freitafel der Galgenvögel der Raben. Nit viel anderst macht es der gerechte Gott mit den Reichen und Armen, nach dem Tod wird der Arme unendlich verehret, der Reiche aber wird den höllischen Raben zum Raub, aber auf der Welt, dieser abgeschmackten Welt, dieser betrügerischen Welt, dieser falschen Welt, dieser bethörten Welt, dieser umkehrten Welt gilt der Arme nichts, bekommt nichts, vermag nichts. Entgegen hat der Reiche alles, gilt alles, vermag alles; sagt aber her ihr Geldnarren! ist der Reichthumbe ständig? ist dann alles Geld zu Konstanz geprägt? daß ihr also nach demselben trachtet?

Es grüßt mich einer, und ich weiß nit, wer er ist, so viel ich sehe, so ist er ganz verdorben und zerrissen in Kleidern: sein Mantel braucht besser das Flicken, als damals das Fischernetz Jakobi und Joannis, wie sie es mit ihrem Vater Zebedäo nächst dem galiläischen Meere geflickt haben; sein Rock ist wohl ärger zugericht, als der Rock des gerechten Josephs, welchen seine Brüder zu dem Vater Jakob getragen, mit dem Vorwand, die wilden Thiere hätten ihn zerrissen; seine Hosen seynd nit um ein Haar besser, als die Kleider der davidischen Gesandten, denen Ammon die Hälfte wegschneiden lassen; in seinen Schuhen schauet der große Finger heraus, wie die stolze Jezabel[381] vom Fenster. Ich glaube auch, er habe duellirt mit den Bären, welche die unerzogenen Knaben, die den Elisäum ausgespöttelt, zu Stücken zerrissen. Wer ist der Herr? Ich muß doch ihm zur Vorsorg den Titul geben. Ich, sagt er, bin der Reichard von Pazenberg etc. Allmächtiger Gott! gebe ich zur Antwort, der Herr sieht sich gar nit mehr gleich, ist der Herr von Pazenberg? wie ich ihn vor diesem hab gekennt, da hatte er weit einen andern Aufzug; sein Vater hat ihm ein Ehrliches und ein Ziemliches hinterlassen, wie hat es anderst seyn können, er stund in seinem schönen kaiserlichen Dienst, und die lassen sich weit besser scheeren, als die Schaafe des Labans. Der Prophet Ezechiel hat vier wunderliche Thiere gesehen, da war aber der Adler nit weit von dem feisten Ochsen. Freilich wohl machen die kaiserlichen Officia einen feist, und spicken ihm seinen Beutel. Wie ist der Herr um das Seinige, kommen? Es ist eine schlechte Zeit gewest; so hats dann, gedenkt jemand, die Zeit gefressen, die Zeit verzehrt. So ist dann auch aller Reichthum der Welt unbeständig. Auf solche Weise seynd die Reichthümer der Welt wie der Feigenbaum an dem Weg, welchen der Herr und Heiland vermaledeit, dieser war so schön und angenehm, daß mancher Reisende unter seinem Schatten das beste Contento genossen, er trutzte bald mit allen daselbst benachbarten Bäumen, und glaubte, daß ihm keiner gleiche, und siehe, kaum, daß der Fluch des Herrn über ihn ergangen, da ist der Kerl völlig ganz und gar verdorben. Da hat es geheißen, vorhero einen grünen Schopf, bald darauf einen Kahlkopf; da hat es geheißen, vorhero sehr herrlich floriret, bald hernach[382] ganz ruiniret; da hat es geheißen, vorhero mit einem jeden getrutzt, bald hierauf schmählich gestutzt. Wie manchem gehet es wie dem Ammerling, dieser Gesell glaubt, es sey ihm keiner gleich an Glück und Reichthum, ja er trägt ein so kostbares von Gold gesticktes Kleid, daß er von allen Vögeln soll ein guter und reicher vom Adel erkennt werden; so ehrsüchtig ist er, daß er selbst bei lustiger Frühlingszeit und heissem Sommer auf allen Bäumen und Stauden singet: Edel, edel bin ich! edel, edel bin ich! es stehet aber kleine Weile an, der edle Sommer passirt vorbei, der fruchtbare Herbst vergehet auch, der rauhe Winter rückt herzu, die Lebensmittel seynd gar schlecht, der Ammerling wird so bedürftig, daß er mit seinen stolzen Muteten gänzlich still schweiget, ja dem armen Bauern noch so gute Wort gibt, daß er vor der Thür auf dem Mist nach den Pferden hupft, und immerzu Vetter, Vetter, Vetter wiederholet. Wie viel, wie viel hab ich schon gesehen, und du gesehen, und ein anderer gesehen dergleichen Leute, die vom großen Reichthum in äußerste Armuth gerathen, bei denen alles Silber ist zu Quecksilber worden. O wie unbeständig seynd die Reichthümer der Welt; ja in ihr, an ihr, um ihr läßt sich nichts mehr sehen als die Beständigkeit in der Unbeständigkeit.[383]


Lerne Lesen.


1 3 5 7 6 4 2
Von Welt nit singen, viel thue der
sie dient schlecht Lob es ein ver-
dann keit, all- Dingen en in Eitel-
das dich eig- Prob. ne die lehret

Nachdem der Adam gesündiget, hat ihn der gerechte Gott verdienter Massen samt seinem Weib aus dem Paradies verjagt, nit aber auf solche Weise, wie es die Maler pflegen zu entwerfen, sondern nach Aussag Abulensis, Kornelii etc. seynd in dem Paradies oder irdischen Lustgarten zwei Cherubin gewest, einer aus diesen ist mit dem feurigen Schwert bei dem Eingang des Paradies verblieben, der andere Cherubin aber hat in einer Hand den Adam in der andern die Eva getragen, gleichwie der Engel den Propheten Habakuk in die Löwengrube, solcher Gestalt seynd Adam und Eva über die tausend Meilen supra Zonam torridam über den ganzen Ocean getragen worden in das Judenland, und in demselbigen Garten Gethsemani, an demselbigen Ort, wo nachmals über viertausend Jahr Christus Jesus sein Leiden angefangen und allda Blut geschwitzt, niedergelassen worden, und da sey Adam allezeit geblieben, bis er endlich durch Offenbarung des Schutzengels die herzunahende Zeit seines Hintritts vernommen, alsdann habe er sich auf einen Berg retirirt, und allda sein Leben beschlossen, auch daselbst zur Erde bestattet worden, und eben dieser Berg sey gewest derjenige, auf dem nachmals nach viertausend Jahr Christus der Heiland ist gekreuzigt worden, dergestalten, daß der gespitzte Fuß oder untere Theil des Kreuzes in der Erde darin just auf dem Schädel oder Kopf des ersten Vaters Adam gestanden. O wunderliche Anordnuug Gottes! Sag aber her, o Adam, o Adam! und du Eva, meine Eva, sag mit ihm, was hat euch in dieses äußerste Elend gestürzt? Was hat euch diese überhäufigen[384] Drangsale auf den Buckel geladen? die Ehrsucht Eritis sicut dii. Die arglistige Schlange hat der Eva das Maul gemacht, wer von diesem verbotenen Baume wird essen, derselbe werde wie ein Gott seyn, ho, ho gedachte Eva, das ist ein Bissen für mich, mein Mann ist mir als ein Haupt vorgestellt worden, wann ich aber diesen Apfel werde kosten, sodann werde ich mehr seyn, als er etc. Wie solches ihr nit angangen, so ist durch sie auch der Adam also verführt worden, mit dem Vorwand, er werde wie ein Gott nachmals seyn, und folgsam sie auch wie eine Göttin, dann das Weib schreibt sich nach dem Mann, heißt er Lapp, so heißt sie Läppin etc. Die Ehrsucht der ersten Eltern ist noch bei uns, nistet noch bei uns, frißt noch bei uns! Die Apostel waren doch fromme und gottselige Leute, dannoch haben sie um das Majorat einen Streit angehebt. Jakob und Esau, Phares und Zara haben schon im Mutterleibe ein Duell gehabt wegen der Präcedenz. Noch alle Tag sucht man, daß die ehrsüchtigen Menschen auf Hasenart lieber bergauf als bergab trachten. Aber wie beständig ist dann die Welt in ihren Ehren.

Es grüßt mich einer und ich kenne ihn nit, dem Gesicht nach scheint er etwas adelich zu seyn, aber die Kleider spendiren keinen großen Herren, melancholisch ist er, er hab gleich Grillen oder Grollen, traurig ist er, und ist weder schön Wetter noch Scheinwetter bei ihm, höflich ist er, ob er aber ein Hofherr oder ein Höfenherr seye, das weiß ich nit. Freundlich ist er, aber die Gemüths-Bestürzung scheint den Vorschlag[385] zu haben und also mehr ausgeraumt als aufgeraumt. Leutselig ist er, aber es dünket mich, daß er mehr und lieber parliren wollen, als burbiren. Er woll mir vergeben, sag ich, daß ich ihn frag, wer er seye? Ich, gibt er zur Antwort, bin der sizilianische Dionysius, her ganzen Welt bekannt: Was Dionysius? dem das ganze große, reiche Königreich Sizilien zugehörig? Dionysius, der eine Armee von hundert tausend Mann zu Fuß ohne die Reiterei hatte? Dionysius, dessen Namen in Gold, Silber, Metall und hartem Marmel an, allen Orten gesehen wird? Dionysius, dem Hohe und Niedere, Reiche und Arme, Kleine und Große die Kniee biegen? Dionysius, der mit Armen und Armeen, mit Reichen und Königreichen, mit Ländern und Landesfürsten, mit Städt und Statthaltern zu befehlen, zu gebieten, zu schaffen hat? Dionysius? Ist er derselbe? Ich bin nit derselbe, sagt er, sondern bin bei demselben gewest, ich hab nit zu gebieten, sondern hab zu gebieten gehabt, mir beugt man keine Knie, aber man hat mir die Knie gebogen. Mein Name ist allenthalben aufgezeichnet, aber aufgezeichnet ist er gewesen. Ich habe keine Armee von hundert tausend Mann, aber eine hab ich gehabt; mir gehört das Königreich Sizilien nit zu, aber es hat mir zugehöret vor diesem, jetzt nit mehr. Vor diesem bin ich also gewest, jetzt nit mehr. Was dann jetzt? Ich sagt er, jetzt bin ich Schulmeister zu Korinth. O Wunder! Der ein ganzes Königreich so herrlich besessen, ein so großes Haupt gewest, ist ein Schulmeister worden, das ist ein Sprung, daß, daß ein Durchlauchtigster Monarch ein Schulmeister werden. Du wirst[386] zweifelsohne eine gute Handschrift haben, so schreib mir geschwind mit Fraktur die Wort Salomonis: Vanitas Vanitatum, alles ist Eitel und Eitel, alle Ehren und Hohheiten verschwinden wie ein Rauch, verwelken wie eine Blum, vergehen wie ein Schatten, zertrümmern wie ein Glas, verfließen wie ein Wasser, zernichten wie ein Traum, zerspringen wie eine Blase. Die Musici singen: ut re, mi, fa, sol, la; La ist die höchste Note, ist so viel La-psus, dann hoch gestiegen hoch gefallen. Wie Paulus zu Troada geprediget und solches gar in die tiefe Nacht hinein verzogen, ist ein junger Mensch, der im dritten Gaden unter dem Fenster gesessen, wegen des Schlafs herunter gefallen und gleich steintodt gewest; so hoch er gestiegen, so hoch ist er gefallen. Das ist wohl mehrern geschehen. Mir ist es geschehen bei dem päpstlichen Hof zu Rom, sagt Vitellius; mir ist es geschehen bei dem kaiserlichen Hof, sagt Serinius; mir ist es geschehen bei dem spanischen Hof, sagt Luna; mir ist es geschehen bei dem englischen Hof, sagt Essexius; mir ist es geschehen bei dem französischen Hof, sagt Bironius; mir ist es geschehen bei dem assuerischen Hof, sagt Aman; mir ist es geschehen bei dem justinianischen Hof, sagt Belisarius; mir ist ein Possen geschehen, sagt Primislaus, mir ist zugehörig gewest das ganze Königreich Böhmen, weil mich aber Henrikus der Kaiser also verfolgt, bin ich flüchtig worden und in einen so elenden Stand gerathen, daß ich gar zu Regensburg, wie man dazumalen die Kirche gebauet, einen Tagwerker hab müssen abgeben. Mir ist nit um ein Haar besser ergangen,[387] sagt ein König in Polen, ich bin mit meiner königlichen Hohheit so weit gestiegen, daß ich endlich etliche Jahr hindurch hab müssen in dem Herzogthum Kärnthen einen Kuchelratzen abgeben in einem Kloster daselbst, wie die Chronik desselbigen Lands mit mehrern bezeugt. O Welt, o Welt, in dir ist nichts als Beständigkeit in der Unbeständigkeit.


Lerne lesen.


In allen Dingen ich hab gefunden

daß nichts darhinter bald verschwunden

daß aller Muth daß alle Freud

sey nur pur lauter Eitelkeit.


Es ist sich zu verwundern über jenen Blinden, den der Heiland zu Bethsaida hat sehend gemacht. Nikasius von Wechlingen ist im dritten Jahr seines Alters stockblind worden, durch das pure Anhören aber in der Doktrin und Wissenschaft also hoch gestiegen, daß er zu Löven Doktor worden, nachmals die Jura mit männiglicher höchster Verwunderung öffentlich docirt. Das ist auch ein Wunder. Ropettus Wakopius, ein geborner Schottländer, war von Mutterleib stockblind, gleichwohl in der geistlichen Wissenschaft also weit kommen, Gesandter worden, daß er Doktor worden, Bischof worden, und in dem Konzil zu Trident sich höchst rühmlich gehalten. Das ist auch ein Wunder. Aber nit weniger verwundere ich mich über denselben Blinden zu Bethsaida, sobald ihn Christus der Herr mit dem Speichel die Augen berührt und nachmals gefragt, ob er sehe? Darauf gab er die Antwort, ja Herr, ich sehe die Menschen daher gehen wie die Bäume. Das wundert mich, daß dieser sein Lebtag, denn er war[388] von Mutterleib blind, keinen Baum gesehen und gleichwohl die Menschen den Bäumen vergleicht. Dann wie kann ich mit Wahrheit sagen, daß mein guter Freund Joannes Seyerl dem König in Japonien ganz gleich und ähnlich sehe, indem ich weder ihn, diesen König, noch seine Bildnuß gesehen. Also wundert mich nit unbillig dieser Blinde. Meines Erachtens hat dieser solche Gleichnuß aus göttlicher Eingebung vorgetragen, dann ja die Menschen eigentlich nichts andere seyn, als Bäume, diese tragen allerlei schönes Obst, auserlesene Früchte, angenehmes Konfekt; aber dieses hat eine schlechte Beständigkeit, massen alles, wann es nit von Menschen oder Vieh verzehrt wird, von sich selbst verfaulet. Bäume seynd die Menschen, die Wollüste seynd das Obst, mit dem sie überhängt, aber solches Obst fault und fällt bald, es ist nit gewichtig, fällt und fault bald, es ist flüchtig, fault und fällt bald, es ist nichtig Vanitas Vanitatum!

Es grüßt mich mehrmalen Einer ein alter Tättl, ein eisgrauer Mann, der hat einen hölzernen Klepper für sein Handpferd, er schüttelt den Kopf, wie eine Bachstelze den Schweif; er hust wie ein alter Bärnbeißer. Die Nase ist ihm verglassirt mit Schnecken-Fürneis; der Kopf sieht aus, wie ein gebutzter Kalbsschädel; die Füß so hübsch völlig, wie ein Besenstiel; der ganze Leib ein lebendiges Beinhaus. Ich konnte nach vielem und langem Nachsinnen nit finden, wer dieses alte Pelzquartier seye, frag ich endlich, wer er seye, wie er heißt? Ich, murmelt er, mit halb gebrochenen Worten, ich bin der Hilarion von Freuden-Egg, potz tausend! das ist ein großer Unterschied von[389] deinen jungen Jahren, vor diesem ist keine Bibliothek gewest, wo du nit gestudirt hast. Kein Spielmann gewest, der dir nit pfiffen hat: kein Tanzboden gewest, der dich nit tragen hat, keine Mahlzeit gewest, die dich nit gesehen hat, kein Gespaß gewest, den du nicht vermehret hast. Vor diesem auf allen Wiesen ist mein Hilarion gewest; vor Zeiten bei allen Freuden ist mein Hilarion gemest; vor Jahren bei allen Schaaren ist mein Hilarion gewest. Aber sag her, wo alles dieses hinkommen? alles, alles, alles ist gewest, und ist nit mehr. O Vanitas! dem Faß ist der Boden ausgangen. O Vanitas! die Saiten seynd auf der Geige abgesprungen.O Vanitas! der Blasbalg hat ein Loch bekommen, O Vanitas! der Wein ist zu Essig worden, O Vanitas! das Geschirr ist zu Trümmer gangen, O Vanitas! der Bach ist ausgetrucknet, O Vanitas! die Sonn ist untergangen, O Vanitas! das Kraut hat sich angebrennt, O Vanitas! die Laub seynd abgefallen, O Vanitas! der Degen ist verrost, O Vanitas! Alles ist hin, ist hin, ist hin, das ist der Welt Gewinn. O Vanitas!

Es seynd alle Wollüste nit anderst, als wie ein Traum, Somnia omnia. Ein Stallmistikus legt sich bei nächtlicher Weil nit weit von seinen Rossen, obschon ein Schäb Stroh sein Unterbett, so schmecken ihm doch diese Stallfedern besser als die besten Pflaumen; in Mitte der Nacht träumt ihm, als habe er einen herrlichen Schatz gefunden, da lacht ihm sein Herz, da erfreuet sich seine Seel, da erquickt sich sein Gemüth. Niemand ist fröhlicher als Herr Mistikus, da macht er alle Anstalt, wie er seine künftige Wirthschaft will einrichten, da müssen ihn seine Kameraden ihr Gestreng[390] heißen; er macht Anstalt, was für ein stattliches Haus er will bauen, was für ein schönes Mensch heirathen; nichts Rüben beim Tisch, sondern Brätel, nichts Zwillich beim Kleid, sondern Seide, nichts Bier trinken, sondern Wein; da woll er steif Mahlzeiten halten, sein Gevatter dabei, sein Vetter dabei, sein Schwager dabei, seine Nachbarn dabei; da woll er trutzen mit dem Kasper, der ihn so oft kasperlt: trutzen mit dem Hausel, der so oft grausam mit ihm gehaust, trutzen mit dem Christel, der so unchristlich mit ihm umgangen etc. Da träumt ihm, er find auf ein Neues wiederum einen großen Beutel Geld, streckt detenthalben die Hand aus, tappt nach solchem guldenen Fund, voller Freuden und allegro, trifft aber ungefähr die nächst ihm angebundene Stutte, welche derenthalben nit wenig erschrickt und ihm mit dem Fuß auf die Seite einen solchen Puff versetzt, daß er jäh erwacht, und er, dem so wohl bei seinem Schatz gewest, findt nichts anderst in der Hand, als eine ziemliche Stall-Marschelln, hiemit hatte sein Traum ein End. Somnia omnia.

Wann ich einen sollte anreden, der die Welt nit obenhin gekost wie die Hund aus dem Fluß Nilo trinken, sondern dieselbe wohl genossen mit dem Sardanapalo, wohl probirt mit dem Epikuro, wohl durchgangen mit Salomone, wie es anjetzo ihm seye, wegen aller Wollüste? Was er dermalen habe, wegen aller erdenklichen Ergötzlichkeit? was ihm übergeblieben von so vielem gehabten Muthwillen? so würde er mir nit anderst antworten, als seye es ihm, als hätte ihm geträumt, nichts mehr vorhanden, als die pure Gedächtnuß. [391] Dormierunt somnum suum, et nihil invenerunt omnes Viri divitiarum in manibus suis. O Vanitas. O Eitelkeit! In allen Dingen hab ich gefunden, daß nichts darhinter, bald verschwunden, daß aller Muth und alle Freud nichts sey als pure Eitelkeit. O ihr Weltmenschen, was habt ihr in eurem Todbettel von allem demjenigen, was euch erlustiget, was euch ersättiget, was euch ergötzet, was euch liebkoset, was euch verzuckert, was euch verblendt, was euch bereicht, was euch begnügt, was euch beherrscht, was euch wohlgefallen? Nichts, sags noch einmal Nichts; sage es allemal Nichts! Ja etwas bekenne es, etwas, jetzt fällt es mir ein, etwas, etwas findt ihr, nit in den Händen, wohl aber in dem Gewissen, was obgedachter Stall-Mistikus, das Koth, den Unflath, den Wust aller verlassenen Wollüste! das heißt mit dem Peter die ganze Nacht fischen und in dem Netz fangen das Fischel Nihil.

O was Phantasten sehe ich! Ihr seyd mir rechte buchsbaumene Narren, die im Sommer und Winter grünen, Ihr Ihr Philistäer seyd solche Trampel, wie ihr die Arche des Herren, diesen heiligen Bundskasten, in einen verfluchten Tempel habt eingeführt, allwo Dagon für einen Gott verehret worden, da hab ihr denselben des ander Tags gefunden auf der Erde, ein andersmal habt ihr denselben gefunden ohne Kopf, ohne Händ zertrümmert, und gleichwohl habt ihr denselben noch als einen Gott angebetet. O Thorheit, was zu Trümmern gehet, was zerfället, was zu Grund gehet, hochhalten, anbeten, verehren ist eine Narrheit über alle.[392]

Was ist in der Welt, was hat die Welt, das nit zu Trümmern gehet? Wo sind Alexander der Große, Pompejus der Große, Karolus der Große? sie seynd nit mehr. Sie seynd zu Trümmern gangen, nit mehr große, sondern bloße. Wo sind Ganimedes, Polidori, Narcissi, lauter schönste Zuckerkinder? wo seynd die Phantä, die Helenä, die Amalasontes, lauter Mirakel der Schönheit? Sie seynd nit mehr, sie seynd zu Trümmern gangen, nit mehr Mirakel, sondern Mackel; wo sind Plato und Strato, wo Anaxagoras und Pythagoras, wo Chrisippus und Aristippus? wo Isokrates, Demokrates? wo sind diese Weltweisen? sie sind nit mehr, seynd zu Trümmern gangen, nit mehr Weltweise, sondern Gott thät ihnen die Welt verweisen, nit mehr berühmt in der Kunst, sondern worden zu einem Dunst. Wo ist der Koloß, das Wunderwerk zu Rhodis? wo das Mausoläum? das Wunderwerk zu Karia? wo der Garten Cypri und Wunder-Säule Ptolomäi? Athen wo du? Karthago wo du? Jerusalem wo du? Ninive wo du? Altes und Erstes Rom wo du? Worms und Speier wo Ihr? Wir seynd nit mehr, sagen sie selbst, wir seynd zu Trümmern gangen; wo vor diesem ein Pallast gestanden, ist jetzt ein Morast, wo vor diesem die Mauern gestanden, wachsen anjetzo die Maurachen, wo vor diesem ein Thurm gestanden, ist anjetzo ein Turnierplatz etc. Wann die Welt, und alles in der Welt der Unbeständigkeit dergestalt unterworfen, daß alles zu Trümmern gehet, warum, o unvorsichtige Adamskinder, warum, o sterbliche Erdwürm! haltet ihr noch so hoch die Welt? vertieft Euch also in dir[393] Welt? vergafft euch also an der Welt? laßt Euch also bethören von der Welt? Sursum Corda, auf aufwärts mit euren Augen; auf aufwärts mit euren Gedanken, und betracht lieber das Ewige, tracht lieber nach dem Ewigen, gedenkt doch, daß Euch Gott der Allmächtige das Herz also erschaffen, daß es untenher zugespitzt, über sich aber ausgebreit, als solle der wenigste Theil des menschlichen Herzens gegen die Erd sehen, sondern das Meiste hinauf gegen den Himmlischen und Ewigen.

Ich hätte noch etliche Trachten von Fischen, weil sich aber die Mahlzeit zu weit hinaus erstrecket, also will ich für dießmal dem Traktament ein End machen, das alleine dem Leser zu einer Nachricht hinterlaß ich, um weil alles in der Welt hin und her, alles hinter sich und für sich in der Welt; alles in der Welt auf und ab, alles in der Welt umkehrt, also soll er auch auf solche Weis die obangezogene Reimenlesen, wodurch er an der läppischen Welt ihr nichtiges Wesen leicht erkennen wird.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 5, S. 329-394.
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