Judas Iscarioth hat nichts verschweigen können.

Wie unser gebenedeiter Heiland auf dem Berge Thabor seine überschwengliche Glorie wollte zeigen und offenbaren, da hat er niemanden andern mit sich genommen, als Petrum, Joannem und Jakobum, die andern Apostel mußten unterdessen unter dem Berge verbleiben, und seiner warten, welches dem Judas schier ein wenig verschmacht, als der sich stolzmüthig eingebildet, er sey der beste aus ihnen, und also soll ohne seiner nichts geschehen etc. Es hat aber derenthalben der göttliche Meister nur diese benannten drei zu solcher herrlichen Aktion gezogen, weil er wollte, daß solches sollte verschwiegen bleiben bis nach seiner glorreichen Urständ. Aus allen aber glaubt er, daß diese drei zum besten konnten das Maul halten. Gewiß ist es, daß der Iscarioth, dafern er wäre gegenwärtig gewesen, solches nicht hätte verschwiegen, sondern es allenthalben in den Gesellschaften und heimlichen Zusammenkünften der Hebräer geplaudert und ausgeschwatzt: auch eben der Ursach halber hat der Herr den Aposteln befohlen, sie sollen ihm einen Ort zu Jerusalem zurichten, allwo er mit ihnen könne das Osterlamm essen; die Behausung aber und den[5] Patron, bei dem er wolle die Einkehr nehmen, hae er nicht entdeckt; denn Judas, so dazu mal gegenwärtig war, solches ohne langen Verschub den Hebräern kundbar gemacht hätte, massen neben allen andern Untugenden und Lastern er nichts verschweigen konnte.

Dädalus, ein Künstler, Klaukus, ein Künstler, Polikletus, ein Künstler, Phydias, ein Künstler, Bonarota, ein Künstler, Xeuxes, ein Künstler, Parrhasius, ein Künstler, Albertus Dürerus, ein Künstler, Joannes Guttenberger, ein Künstler, und unzählbar andere mehr etc. Ist dann das nicht eine Kunst, so mit unsterblichem Lob erfunden hat Joannes Guttenberger ein Deutscher, durch dessen großen Witz die Buchdruckerei ist aufgekommen? Ist das nicht eine Kunst, die Albertus Dürer dazumal erwiesen hat zu Nürnberg, als er mit freier Hand einen Kreis gemacht mit einer Kohle, den man mit einem Zirkel nicht konnte besser verfertigen? Ist das nicht eine Kunst, wie der berühmte Xeuxes gamalen hat eine Weinbeere, daß sogar die Vögel zugeflogen, und darein gebeckt haben? Ist das nicht eine Kunst, wie Parrhasius einen Vorhang gemalen, also natürlich, daß sogar Xeuxes selbst verlangt, man soll den Vorhang hinwegziehen, auf daß er das Kunststück sehen möge? Diese und alle andere sind schöne Künste, herrliche Künste, berühmte Künste, aber Stillschweigen ist eine größere Kunst, als Malen, als Schnitzen, als Drucken, als Stechen, als Hauen, als Gießen, als Schneiden, als Prägen.

Man lehrt zwar den Menschen diese Kunst von der Kindheit an, aber der tausendste fasset sie nicht also, daß er dessenthalben könnte kunstreich genannt[6] werden; dann ein Kind in der Wiege, in diesem wankelmüthigen Bettlein, so es auch erst etliche Tage die Welt angesehen, wird von der Mutter oder Kindsweib, durch das Eja pupeja zum Stillschweigen ermahnt. Die Natur selbst vergönnet dem Menschen ehender das Sehen, das Hören, das Riechen, das Schmecken, das Fühlen, ja sogar das Gehen, als das Reden, zumal das Reden bei den Kindern fast die letzte Wirkung, wodurch wir von der Natur gleichsam zum Stillschweigen veranlaßt werden. Aber gleichwohl, Stillschweigen ist eine rare Kunst. Der Patriarch Abraham bekommt von Gott dem Allmächtigen einen Befehl, er soll ihm seinen einzigen Sohn Isaak auf dem Berg aufopfern; dazumal war Isaak 24 Jahr alt. Abraham ohne weitern Verzug reist bei nächtlicher Weil von seinem Ort Barsabea genannt, hinweg, und eilt den geraden Weg samt dem Sohne und den Dienern nach dem Berg Kalvaria, allwo ihm Gott durch eine feurige Säule hat angedeutet, daß daselbst der Ort sey, wo solches Opfer sollte vollbracht werden. Es hat ja der fromme Patriarch hievon der Sara, als seiner liebsten werthesten Frau Gemahlin alle Nachricht geben, und ihr seine vorhabende Reise und dero Ursach umständlich geoffenbaret? Nein, nein, sie wußte nicht im Geringsten etwas, er sagte ihr gar nichts von solchem hohen Geschäfte; denn er dachte, daß er eine geheime Sache Niemand soll vertrauen noch ausschwätzen. Aber der Sara wohl, dann sie ist dein Weib, mein Abraham, ihr sollst du es ja entdecken? Weib hin, Weib her; Sie ist gar fromm; fromm hin, fromm her. Es[7] wird sie nicht ein wenig verschmachen; verschmach hin, verschmach her. Warum aber dieses Abraham? Sie hätte es nicht können verschweigen, antwortete er, sie hätte das Maul nicht können halten, dann die Weiber verstehen sich nit auf die Opera Taciti.

O, mein heiliger Patriarch! du hättest ja ihr's scharf können auferlegen, daß sie solches keinem einzigen offenbare, da geredt, laß bei Leib nicht weiter kommen etc. Ja wohl da geredt, die Sara hätte es ihrem liebsten Sohn nicht können verbergen; aber da geredt, mein Kind, hätte sie gesagt; Isaak hätte es vermuthlich einem aus dem Gesinde im vertrautesten geoffenbaret, aber da geredt, mein Kerl, damit es nicht weiter komme, dieser hätte es in der Still einer Dienstmagd, etwa der Kammerjungfrau, die er vor andere gern sieht, diese neue Zeitung beigebracht, aber da geredet, meine Jungfrau, daß es nicht weiter komme; das Mensch hätte nicht können so lange schweigen, als die Glocke am Charfreitag, sondern hätte es allenthalben ausgebreitet, da wäre aus einem da geredt, ein allenthalben geredt, und folgsam unter der Nachbarschaft und Freundschaft das ganze Negotium ruchbar worden, welche dann in allwegen solches Opfer zu hintertreiben, Gelegenheit und Ursache gesucht hätten. Alles dieses Uebel zu vermeiden, wollte es Abraham keinem einzigen Menschen vertrauen, sondern die Sach mit Stillschweigen verhüllen, und dieß ist eine Kunst. Von dem hl. Aldebrando, von dem hl. Guthlara, von dem hl. Assisichen Franzisko, von dem hl. Gandolpho ist bekannt, wie daß sie mit den Schwalben zu gebieten gehabt, ihnen diese Vögel auch[8] den Gehorsam geleistet haben; aber Niemand hat von diesen Hausschwätzern also gelitten, als der Tobias im alten Testament, da er sich einmal vor lauter Mattigkeit in seinem eigenen Haus auf die Bank gelegt, ist ihm aus dem Schwalbennest der warme Koth in die Augen heruntergefallen, wovon er ganz stockblind worden ist. Ein so großes Unglück ist durch die Schwalben, durch diese Hausschwätzer, verursacht worden. Aber es werden noch täglich sehr viel Unheil allerseits in der Welt nicht durch die Hausschwätzer, wohl aber durch die Ausschwätzer zugerichtet und ausgeschmiedet. Samson war allein so stark, daß er mit einem dürren Eselskienbacken tausend Philister erlegt, und diese seine Stärke hatte er von Gott dem Allmächtigen, und nicht wie etliche, so ihre Stärke, jedoch nur auf eine Zeit, vpn dem Teufel zu leihen, nehmen; dergleichen anno 1626 sehr viele Bauern in Oestreich gewesen, deren an der Zahl über sechzigtausend sehr vermessenen Uebermuths, die größte Unruhe in diesem Lande gemacht, Klöster, Städte und Märkte mit ungezähmter Furie eingenommen und geplündert, sich allein verlassend auf ihre Stärke, massen der meiste Theil durch satanische Beihülfe sich also gefroren gemacht, wie man insgemein pflegt zu nennen, daß weder Pistollen- noch Musqueten-Kugeln sind eingegangen, bis man endlich geistliche Mittel erfunden, wodurch des Satans Mittel zu Wasser wurden, und der Bauern ihre Häute aus dem Leim gangen. Samson hatte also weit anders seine Stärke, massen diese von Gott und nicht von dem bösen Feind, der wegen keiner Stärke prahlen kann, weil[9] man ihn mit einem Blaser vertreibt und in die Flucht jagt, so unter andern Ceremonien bei der Taufe eines Kindes gesehen wird. Samson, ein Held, ein Obsieger, ein Schrecken der Philister, ein Kriegsfürst, ein Feldherr, eine Glorie des ganzen Volkes Israel ist worden, was? ein Gefangener. Was mehr? ein blinder Mann. Was mehr? ein elender Tropf. Was mehr? ein Sklav seines Weibes. Was noch? Es wäre das genug, aber dennoch mehr; was denn? ein Narr. Der ist weit gekommen. Vorhero ein Ueberwinder, nachmals ein Blinder. Pfui! Vorhero von Jedermann gelobt, nachmals von Jedermann gefoppt. Pfui! Vor ein Streiter, nachmals wie ein anderer Bärenhäuter. Pfui! Vorher Alles und Alles wegen seiner Haar, nachmals mußte er seyn gar ein Narr; dann nicht anders traktirten ihn die Fürsten der Philistäer. Pfui! und abermal Pfui! Woher denn alles dieses Uebel? Daher: er hat das Maul nicht können halten, er hat das Geheimniß wegen der Stärke seiner et Caetera Dalila entdecket und geoffenbaret, aber da geredt; mein Engel, laß bei dir allein; mein Herz, daß nicht weiter komme; mein Schatz, aber zwischen uns zwei gesagt; mein Leben. O Samson, wie thöricht! Weißt du denn nicht, daß ein Weib leichter trage einen Zentner Blei, als drei Loth Geheimniß? Weißt du denn nicht, daß ein Weib so viel Geheimniß halte, als ein reifloses Faß Wasser? Weißt du denn nicht, daß ein Mühlrad leichter zu arrestiren sey, als eine Weiberzunge? Sobald ein Wort bei einem Weibe zu den Ohren hineingehet, so klopft es alsobald bei der[10] Maulthür an, und verlangt den Durchpaß. Schweigen ist eine Kunst, die findet man bei Weibern sobald nicht. Nemini dixeritis. So sind geheime Sachen auch dem eigenen Weib, auch der Allerliebsten nicht zu vertrauen? Nemini, auch dem Nächstanverwandten nicht? Nemini, auch dem besten Freunde nicht? Nemini, auch dem sonst vertrautesten Bruder nicht? Nemini, dann wie willst du, daß es ein anderer soll bei sich behalten, der du es selbst bei dir nicht behalten kannst? Wie begehrst du, daß ein anderer dir soll treu seyn, da du dir selbst nicht treu bist? Wie glaubst du, daß ein anderer es soll verschweigen, indem du es selbst nicht verschweigen kannst? Nemini. Petrus hat die ganze Nacht gefischt, hat so viele Stunden an einander gefischt, hat oben, hat unten, hat in der Mitte gefischt, hat da gefischt, hat dort gefischt, hat hinum gefischt, hat herum gefischt, hat links gefischt, hat rechts gefischt, hat vor Mitternacht gefischt, hat nach Mitternacht gefischt, aber nichts gefangen, weder große, weder kleine, weder mittelmäßige gefangen, nicht ein Grädlein Fisch. Nihil.

Bei jetziger Zeit ist der Fischfang weit glückseliger, und gehet weit besser von Statten. Wenn ein Herr von dem Rath nach Hause kommt, da fängt die Frau bald an zu fischen, ob er schon kein Fasttag. Kind, sagt sie, wie lange seyd ihr heute nicht gesessen? mit der Meil wird man euch die Hosen mit Blech füttern, damit sie nicht also zerrissen werden; es sind gewiß mehr Hebammen-Chargen vacirend, daß ihr so langsam damit umgehet. Mein Herz,[11] fischt sie weiter, wie bist du so feindselig gegen mich; andere Männer haben ein weit größeres Vertrauen zu ihren Weibern, unser einer weiß weniger, als eine Köstenbraterin auf der Gasse, und bin doch eine Rathsfrau. Sie fischt nicht lang, sie fangt bald, was? Das und das. Bist nicht wunderlich, sagt er, es ist heut im Rath vorgenommen worden, was zu thun, (aber da geredt, als wie in der Beicht) weil ein hl. Mann prophezeit, daß heuer ein solcher grausamer Winter werde seyn, daß auch die Seufzer, so aus dem Herzen steigen, unterwegs werden gefrieren, da geredt, verstehst mich? Es stehet nicht eine Viertelstunde an, da hat man in dem ganzen Markt, welcher Größe und Schönheit halber wenigen Städten weichet, nichts anders geredet, als von Pelzen, dergestalt, daß in einem halben Tag zwei Kirschnern nicht eine Spanne lange Waare ist übrig geblieben; denn sie, diese Rathsfrau, solches ihrer Gevatterin im Geheim vertrauet, diese einer andern, aber Alles im Vertrauen; die dritte konnte auch nicht lang schwanger gehen mit diesem Geheimniß, daß also in einer so kurzen Zeit auf allen Plätzen diese so kühle Prophezeiung vorgenommen worden.

Zu wünschen wäre es, daß ein jeder Raths-Verwandter also beschaffen, und nicht gleich alle Sachen, so im Rath vorkommen, seinem Weib zu Haus thäte auf die Nase binden, sondern ihr vielmehr den Vorwitz mit einem dergleichen Gedicht dämpfte, weil nämlich so manigfaltige Schäden aus solcher Offenbarung entspringen; denn ihnen scheint eine Sache fast unmöglich, forderst wenn's für geheim gesagt[12] wird, zu verschweigen. Man weiß keine Festung, die so seltsam und wunderbarlich ist erobert worden, wie die Stadt unb königl. Residenz-Platz Jericho; denn diese hat der berühmte Kriegsfürst Josue nicht mit Karthaunen, sondern mit Posaunen eingenommen, da er 6 Tage nacheinander auf Befehl Gottes hat lassen alle Tage einmal die Arche des Herrn, oder den hl. Bundeskasten durch die Priester um die Stadt tragen; daneben waren 7 andere Priester, deren jeder eine Posaune geblasen, vor gedachter Arche daher gegangen; anbei aber war das scharfe Verbot, daß diese 6 Tage hindurch kein Mensch soll ein Wort reden, aber den siebenten Tag sollen Alle zusammenschreien. Bei diesem Volk Israel war eine große Menge Weiber und diese sollen 6 ganze Tage stillschweigen? 6 Tage kein Wort reden? Mein lieber Feldherr Josue, das scheint unmöglich, das wird kein Mensch, er sey wer er wolle, zuwegen bringen. 6 Tage? Wann sie 6 Stunden das Maul hielten, so könnte man es für ein Mirakel oder Wunderwerk ausschreien; 6 Tag kein Wort reden? Das ist mit einem Wort bei den Weibern nicht möglich. Es wird vonnöthen seyn, daß man vor ein jedes Maul ein Schloß lege, es werden die Wort gleichwohl auf der Seite in einen Ausfall tentiren. Sylvayra schreibt, daß nach Aussage der Hebräer, Josue habe alle Weiber von der Armee hinweggeschafft, und anbei die Ordre gegeben, daß sie am siebenten Tag sich wiederum sollen einfinden, massen derselbige Tag werde seyn Dies Vociferationis, ein Geschrei- und Jubeltag; denn er glaubte selbst un möglich zu seyn, daß die Weiber so[13] lang sollten schweigen; weil aber der siebente Tag mit allem Fleiß zum Schreien und Jubilierfest gestellt war, also hat er die Weiber dazu berufen, der Meinung, es werde solchen Tag Niemand helfen besser celebriren als die Weiber. Wann dann diesem Geschlecht das Stillschweigen so gar nicht natürlich, wie unbesonnen thun dann alle dieselben, so ihnen einige Geheimnisse vertrauen, wie ungeräumt scheint es, wann die Weiber ehender einen Rathschlag wissen, bevor die Sache werkstellig gemacht. Dahero mehrmalen geschieht, daß durch derlei Offenbarung viel Sachen den Krebs-Gang nehmen, ja von dem Gegentheil öfter hintertrieben werden. Nemini dixeritis. Sie ist aber, sagst du, meine beste vertrauteste Freundin. Das thut Alles nichts, sag ich; denn es kanns die Zeit geben, daß sie deine Feindin wird, sodann wird Alles an den Tag kommen, was du ihr ein und allemal hast anvertraut. Wer hatte den Joseph lieber, als des Putiphars Frau? Der war ihr einziger Augapfel, der war ihr einziger Zweck ihrer Gedanken, der war ihr einziger Aufenthalt ihres Herzens. Ihr Schauen war auf Joseph, ihr Reden war von Joseph, ihre Gedanken waren von Joseph, ihr Träumen war von Joseph. Nachdem sie aber auf ihr vermessenes Begehren eine abschlägige Antwort erhalten, und ihr der Mantel, nicht aber die Unschuld des Josephs in Händen blieben, da ist das schöne Wetter in ein trübes verändert worden, da ist die Ruthe Mosis in eine Schlange verkehrt worden, da ist sie die abgesagteste Feindin worden, und wann sie Mordthaten hätte gewußt von Joseph, so hätte solche Waare müssen auf[14] den Markt. Es geschieht wohl öfter, daß in Geheim anvertraute Sachen, die viel Jahr und Zeit verborgen, verdeckt, vermäntelt, verschwiegen gewesen sind, auf diese Weise entdeckt werden, wovon nachmals der größte Haß, ein unauslöschliches Grollen, eine unersättliche Nachgierigkeit und allerlei erdenkliche Uebel entspringen, dessentwegen entsprungen. Dahero eine große und nutzbare Kunst ist das Stillschweigen.

David ist von dem Schaf-Pelz zu dem königl. Purpur gelangt; das ist viel; hat den Hirtenstab mit dem Scepter vertauscht; das ist viel; hat die Schmerkappe in eine Krone verändert; daß ist viel. Wann einer kommt von den Schafen zu dem Schaffen, und zwar zu schaffen über ein ganzes Königreich, das ist keine geringe Sache; wann einer kommt von den Hütten zu dem Hüten, und zwar hüten Land und Leut, das ist keine schlechte Sache; wann einer kommt vos der Heerde zum Herschen, und zwar über Städte und Provinzen, das ist keine gemeine Sache. Vorher war er arm, und ist nachmals ein Herr einer ganzen Armee; vorher ein Hirt auf dem Feld, nachmalen gar ein Feldherr; vorher ein gemeiner Mensch, nachmalen ein Haupt der ganzen Gemeinde. Es kommt mir schier vor, als wenn ein Chemikus Kupfer in Gold verwandlet, als wann ein gemeines Schaffell zu Pergament wird, worauf päpstliche Bullen und kaiserliche Patente geschrieben werden; es ist schier nicht anders, als wann ein schlechter, tumperer und stinkender Nebel von der Erde aufsteiget, und nachmalen in eine schöne glänzende Wolke verkehrt wird, mit einem Wort: David ist hoch kommen, aber wenig ist[15] abgegangen, gar wenig, daß er nicht Alles wiederum verloren, Kron und Thron, Land und Stand, Leut und Beut, Alles ist auf dem Spitz gestanden. Er hat seine eigene Residenzstadt müssen verlassen, und zu Fuß davonlaufen, das ganze Volk war auf des Absalons, dieses ehrsüchtigen aber nicht ehrlichen Menschen, Seite, als der durch den Fuchsschweif bei einem Haar wäre zum Scepter kommen. Aber aus was Wurzel ein solches übles Kraut? Aus was Brunnen ein solches trübes Wasser? Von was Hammer ist ein solcher großer Jammer geschmiedet worden? Alles dieses Elend, und all dieser Gemein-Aufruhr hat keinen andern Ursprung gehabt, als die Offenbarung geheimer Sachen. Dann wie der David seinem Feldherrn Joab eine Stafette geschickt, worin er ihm in aller Geheim anbefohlen, er solle gewisser Ursachen halber den Uriam an die Spitze der Armee stellen, damit er bald den Rest bekomme, so hat Joab solchen Brief einem seiner vertrautesten gezeigt, doch aber er soll die Sach bei sich behalten; der andere hat wiederum einen guten Freund, doch sub Rosa vertrauet; dieser auf gleichen Schlag mehrmalen einem andern, doch aber, damit es nicht weiter komme. Es ist eine kleine Zeit angestanden, daß solches unter der ganzen Armee ist lautmährig worden, welches dem vermessenen Absalon ein gewünschter Handel gewesen ist; denn er hiedurch dem Volk gezeigt, was sie, für einen saubern König haben, und die Sache so weit gebracht, daß fast Jedermann ihm anhängig geworden, und den David verlassen.

Nemini dixeritis. In einer vornehmen Stadt[16] in Oesterreich ist eines wohlhabenden Handelsmanns Frau mit Tod abgegangen; das Dienstmensch, so eine geraume Zeit im Haus, wußte das schöne Vermögen ihres Herrn, und konnte beinebens leicht erachten, daß er zu einer andern Ehe schreiten werde, zumalen er in den besten Jahren, und der Hauswirthschaft allein vorzustehen nicht mächtig wäre; sie ließ ihr also einfallen, daß es nicht übel stünde, wenn sie auf diesem Markte könnte die beste Waare ertappen. Weil ihr aber die eigene Armuth alle Hoffnung abgeschnitten, also gedachte sie die Sache mit einem Fund und Arglist durchzutreiben, ist demnach da, und vertritt bei nächtlicher Weile die Stelle eines Geistes, macht zuweilen ein Getöse, lasset klägliche und tiefe Seufzer hören, welches dem guten viel frommen Wittwer mehrmalen den Schlaf benommen, und in nicht geringe Furcht und Bestürzung gestellt, so zwar, daß er auch die Sache weiter gebracht, und hierinfalls einen Rath gesucht bei den Geistlichen, welche dann ihn mit allerlei geweihten und heiligen Sachen versehen, auch anbei für gut und rathsam geschlossen, er solle nach verrichteter vollkommener Beicht und Kommunion ohne Scheu und Entrüstung den Geist fragen, wer er seye, was er verlange? welchem allem der gute Mann fleißig nachgekommen, und sobald hierauf bei der Nacht der Geist sich wiederum angemeldet, fragt er, ob zwar nicht ohne Zittern, wie leichtlich zu erkennen, wer er seye? Ach! war die Stimme und Antwort des Geistes, ach! ich bin deine unlängst verstorbene Ehegemahlin. Ob ihr zu helfen, und wie? fragt er weiter. Ach freilich! ich leide in jener Welt[17] unermeßliche Pein und Qual meiner begangenen Sünden halber, und könnte leicht durch die grundlose Gütigkeit Gottes aus diesem so peinlichen Kerker erledigt werden, wenn du in deiner künftigen Heirath nicht würdest ansehen die schnöden Reichthümer und das vergängliche Geld, sondern vielmehr die liebe Tugend, welche vorderst in deinem Dienst-Mensch gefunden wird, denn ihr wohlmeinendes Herz und gutes Gewissen steht bei Gott, dem Allmächtigen, in großem Werthe und Wohlgefallen. Ach! Ach! Hiemit verschwand der Geist. Dem frommen Mann war nichts mehr angelegen als die Erlösung seiner verstorbenen Frau, zumalen sie in großer Liebe und unzertrennter Einigkeit miteinander gehaust, hat sich also des andern, dritten und vierten Tages dahin resolvirt, daß er sein eigenes Mensch freien wollte, ließ sich auch durch keinen andern Widerrath überreden. Die Gewißheit war nun beiderseits, und hatte nun alles nach Wunsch auf Seite des Menschens ausgeschlagen, wann sie nur ihr Maul, so ein übler Gaul, hätte in Zaum gehalten. Diese geheime Sache druckte und ängstigte ihre Brust mehr, als ein starker Steck-Katarrh, es war eine Medizin, die nur über sich treiben wollte, das Herz konnte dieses so gute Bescheid-Essen allein nicht verzehren, sondern lud zu Gaste auch die Zunge ein. Es steht nicht lang an, sie vertrauet diese ihre geheime Arglist ihrer besten Freundin. Diese, obschon sie die Schwester Fidelitas selbst schien, konnte es gleichwohl nicht verschweigen, etwa aus Neid, daß ihre Mitgespannin zu so großem Glücke sollte erhoben werden, bringt die[18] Sache bei mehreren an, daß also die ganze Komödie an den Tag kommen, und sie nicht allein ihre so gewünschte Heirath verloren, sondern auch den Dienst verloren, den guten Namen verloren, Alles verloren. Das einzige Ach! Ach! womit sie ihren guten Herrn wollte übervortheilen, ist ihr für ihr Heirathgut zurückgegeben worden. So ist denn Schweigen eine Kunst, die wir sogar nit können erlernen, absonderlich die Weib er.

Es ist eine gemeine Aussage der Lehrer, daß unser lieber Herr hat wollen, daß seine glorreiche Auferstehung solle allenthalben ausgebreitet werden, und zwar bald und ohne lange Verweilung; dahero er zur Offenbarung dieses großen Geheimnisses keine Männer, sondern Weiber erwählt, benanntlich die h. Frauen, so das Grab besucht; denn er glaubte selbst, daß solche Zeitung nicht könnte ehender unter die Leute kommen, als durch die Weiber. Kaiser Sigismund, um weil seine Frau Gemahlin ein gewisse goldene Münz hat bereiten lassen mit einer ihm mißfälligen Ueberschrift, hat derenthalben ihr einen kleinen Verweis gegeben, welches einen nicht geringen Verschmach verursachet; daher haben andere Meineidige eine Hoffnung geschöpft, diese Kaiserin Maria auf die Seite zu bringen, auch dessenthalben derselben ihr Vorhaben entdeckt, zu dem sie nicht allein ihren Willen ertheilt, sondern noch mit Rath und That an die Hand gegangen, wie dasselbe bei nächtlicher Weise zum allerbequemsten den Kaiser, wenn er bei ihr schlafe, können aufreiben. Die vermessenen Rebellen waren derenthalben guten Muthes und glaubten auch, ihr böses Vorhaben[19] werde zu einem erwünschten Zwecke gelangen. Unterdessen war aber ihr Geheimniß der Kaiserin entdeckt, so gleich generis femini, und hat den ganzen Verlauf dem Kaiser (wie dann dießfalls gar recht geschehen) umständig geoffenbaret. Als nun bei der Nacht die gewissenlosen Gesellen ihr mörderisches Stück wollten vollziehen, da war der Kaiser nicht mehr im Bett, und sie sind bei anbrechendem Tage gleich zur gebührenden Strafe gezogen worden.

Obschon erst erwähnte Kaiserin sehr lobwürdig und gewissenhaft gehandelt in Offenbarung dieser geheimen Nachstellung, so erhellet doch klar, daß derjenige, so eine Sache will im Geheimen halten, er es keinem soll vertrauen; denn sobald ein Ding ihren Zweien bekannt ist, so stehet es schon in Gefahr. Wie der berühmte Kriegs-Fürst die Ausspäher nach Jericho geschickt, da haben sie ihre Einkehr genommen bei der Rahab, so da ein Weib de commune non virginum, so unehrlichen Wandel als sie geführt, hatte sie dennoch ein Mitleiden mit diesen Männern, und wenn sie nicht gewesen wäre, und mit ihrer Weiber-List die guten-Leute verborgen, so wäre es mit ihrem Leben aus gewesen. Wie sie nun durch dero Hülfe aus der Gefahr gestellt worden, und sie zuvor schon mit ihr den Pakt eingegangen, daß sie in Eroberung der Stadt diesem ihrem Hause, und allem, was darin ist, wollen verschonen, so haben sie es mehrmalen wiederholt: Im Fall du uns aber wirst verrathen wollen, und diese Rede unter die Leute bringen, Josue 2., so wollen wir unsern geschwornen Eid und Parola auch nicht halten.[20]

Es haben diese guten Leute sattsam erfahren die Treuherzigkeit der Rahab, die Liebe dieses Weibes, dero große Hülfe und sonderen Beistand in der größten Gefahr, warum fragen sie denn wiederum, ob sie die Sache wolle im Geheimen halten? Abulensis antwortet, daß, unangesehen sie so viel Gutes von ihr empfangen haben, so stunden sie gleichwohl noch an, ob sie es werde verschweigen können. Als wäre es schier unmöglich einem Weib, das Maul zu halten. Sey ihm, wie ihm wolle, besser ist es doch, wenn man ihnen geheime Sachen, an denen viel gelegen ist, nicht anvertraut. Joann. Herold in seinem Sermonario deßgleichen auch Valerius Venet. in seinem Prato Fiorito fol. 321 erzählt, daß in einem gewissen Jungfrau-Kloster einmal die Rede war von der Beicht, was Gestalten dieselbe ein sehr heilig- und heilsames Werk sey, aber beinebens eine Sache, die nicht gar leicht, und absonderlich bei den geistlichen und Gott gewidmeten Jungfrauen, wann sie alle dero Verbrechen und menschliche Schwachheiten einem Beichtvater müssen entdecken, wobei die angeborne und gleich-genaturte Schamhaftigkeit nicht wenig leide. Es wäre ja besser und rathsamer gewest, daß sie untereinander könnten beichten und Beicht hören, damit folgsam dero Mängel den Männern nicht würden offenbar; ja sie glaubten, wenn man die Sache ernstlich bei dem päbstlichen Stuhl solle vorbringen, daß unfehlbar unser heiligster Vater dero gerechte Bitte werde erhören. Die Sache wurde so lange unter ihnen getriffert, bis sie endlich einhellig beschlossen, daß zwei aus ihrem Kapitel sollen durch gesammte Stimm erwählet werden,[21] so da gedachtes Negotium zu Rom inständig sollen treiben; wie dann bald dergleichen zwei, bei denen mehr Verstand und Wohlredenheit gefunden worden, zu dieser Verrichtung erkiesen, welche dann ohne Verweilung ihre Reise nach Rom genommen, daselbst die Sache bei dem h. Stuhl angebracht, auch sogar Ihre päbstliche Heiligkeit das Negotium mündlich vorgetragen, woraus der Pabst leicht trachtete, daß solches eine Versuchung des Satans seye, und diesem Geschlecht angewachsener Vorwitz, gibt ihnen doch eine gnädigste Antwort und anbei eine versperrte und verschlossene Schachtel, mit dem Verbot, sie sollen diese bei Leibe nicht öffnen, sondern Frühe Morgens ihm wiederum versperrt überantworten; alsdann seye er willig und urbietig dero Begehren zu befördern. Die zwei frommen Schwestern nehmen nicht ohne sondern Trost ihren Weg nach Hause, wo sie seither logirten; aber es war dieß ein beiderseitiges Fragen und Fragen, Forschen und Fischen, was doch möge in der Schachtel seyn? Die Eine sagt, machen wir sie auf und lassen uns sehen, was doch darin ist, keine gemeine Sache kann's nicht seyn. Ach nein, wiedersetzt die Andere, läppische Schwester, die Sache lasse sich nicht thun, weil es uns der Pabst selbst verboten. Der Vorwitz treibt sie alle beide also lang, also stark, daß sie endlich die Schachtel eröffneten, und ein kleines Vögerl, so darin verschlossen war, augenblicklich ausgeflogen, worüber sie nicht ein wenig bestürzt wurden; mußten demnach Noth halber den andern Tag bei Ihro Heiligkeit die Schuld bekennen, welcher ihnen dann ihre Schwachheit und weiblichen Vorwitz genugsam unter die Augen stellte,[22] anbei ihr unbedachtes Begehren verlachte, wie daß sie nicht fähig seyen, Beicht zu hören, massen sie nichts könnten verschweigen, wenn eine der andern sollte beichten; nachmalen aber eine Uneinigkeit zwischen ihnen entstünde, da müßten alle Geheimnisse heraus, daß es nicht allein das ganze Kloster wußte, sondern auch durch die ganze Stadt lautmährig wurde. Mit solchem Bescheid wurden die guten Schestern abgewiesen, den sie auch ins Kloster zurück gebracht, die Eröffnung aber der Schachtel eine Zeitlang verschweigen, endlich doch auch solche zu ihrer eigenen Schande entdecket.

Nemini dixeritis. Es gibt aber ebenfalls auch viel Männer, die nichts verschweigen können. Consilium, hat sonsten den Namen von sileo oder Stillschweigen; aber leider werden nicht wenig Consiliarii angetroffen, welche zum größten Nachtheil und Schaden eines ganzen Königreichs, Landes und Provinzen, einer ganzen Gemeine oft die geheimen Sachen entdecken. Wie viel Unheil wäre etliche Jahre nach einander vermeidet worden, was glückliche Progressen in dem Krieg würden dieser Zeit bei uns gewesen seyn, wenn nicht dergleichen meineidige Zungen und Federn dem Feinde alle unsere Vorhaben und Anschläge entdeckt hätten. Es ist nicht allein schuldig der Beicht-Vater zu verschweigen alle ihm anvertraute Sünden; und kann sogar der römische Pabst, auch die katholische Kirche dießfalls nicht dispensiren, ja er ist schuldig ehender tausend und tausend bitterste Marter und Tod auszustehen, als nur das allerwenigste zu offenbaren. Dahero gar heilig gethan Johannes Nepomuk[23] zu Prag in Böhmen, welcher auf alle Weise von dem böhmischen Könige Wenzeslaus angestrenget wurde, daß er doch möchte offenbaren, was die Königin, dero Beichtvater er gewesen, ihm gebeichtet: indem er aber solches in allweg geweigert, ist er durch des gottlosen Königs Befehl umgebracht und in den Fluß Moldau gestürzt worden, welcher aber durch göttlichen Willen alsobald, wo der heil. Mann hineingefallen, ausgetrocknet und jedermann einen freien Zugang vergönnet, damit der heil. Leib nach Würde möchte begraben werden.

Nicht allein, sage ich, ist ein Beichtvater verpflichtet, in allen ihm entdeckten Dingen zu schweigen, sondern auch ein jeder Rath, und versündigt sich ein solcher schwer, wenn er eine und andere Sache, so im Rath abgehandelt worden, jemand ausser desselben offenbaret; ja aller Haß, Neid, Zorn, Grollen, Schaden und andere Uebel, so hieraus entspringen, werden einer solchen Schwätz-Zunge zugemessen, und muß ein solcher dem gerechten göttlichen Richter zu seiner Zeit genaueste Rechenschaft geben. Alle Sekretäre sind unter großer Sünde schuldig, die im Geheimen geschlossenen Dinge bester Massen zu verhüllen, und keinem hievon etwas zu sagen, wann sie sehen, daß durch dergleichen Offenbarung einem oder dem andern Theil einiger Schaden sollte zuwachsen. Nomine dixeritis. Schweigen ist eine Kunst, aber diese verdirbt gar oft der Wein. Das Wort Wein fängt mit dem Buchstaben W an, und ist nur gar zu wahr, daß das meiste Wehe von dem Wein entspringt, wann selber unmäßig gebraucht wird. Wie[24] der gute und gerechte Altvater Noe zu tief in den Krug geschaut und sich überweint, da ist er spöttlicher Weise von seinem vermessenen Sohn entblößt, und also was die ehrbare Natur selbsten zu verhüllen verlangt, schändlich entdecket worden. Es geschieht wohl öfter, daß der Wein schon lang verborgene Sachen entblößt. Wann die Muscheln und Austern eine Hitze vermerken, so sperren sie gleich das Maul auf. Wenn der Mensch von dem übrigen Weintrinken erhitzt wird, da stehet Herz und Mund offen. Wann der Wein in dem Faß anfängt zu arbeiten und zu gärren, da muß alles, was auch zu unterst am Boden, zum Spuntloch hinaus. Wenn der Wein anfängt in dem Menschen zu wirken, da treibt er alle Secreta und geheime Sachen zum Maul hinaus. Wenn das Mühlrad nicht naß hat, so stehet es still, wenn's aber stark drauf rinnt, so fangt's an zu gehen, und macht ein großes Klappern. So lang der Mensch nüchtern ist, so rührt sich die Zunge wenig, wenn man aber wacker Wein drauf gießt, so steht sie nicht still, und schweigt nicht still, klappert so lange, bis alle Geheimnisse heraus gebeutelt sind; daher keine bessere Folter als der Wein, wodurch die Leute ohne sondere Mühe zu jedem Bekenntniß gebracht werden. Es kratzt wohl öfter frühe Morgens einer hinter den Ohren, weil er des Tages zuvor beim Gläsl Wein zu viel geredt hat.

Vor diesem im alten Testament mußte auf Befehl Gottes Arca, die Arche des Bundes mit sehr viel Vorhängen im Tabernackel verdeckt seyn, damit sie nicht ein jeder könnte sehen. Bei den Zelten sollten[25] von Rechtswegen Arcana wie Arca auch bedeckt und verhüllt seyn; aber der Wein ist so vermessen und unverschämt, daß er auch hundert Vorhänge thut hinweg reissen. Samson hat in der Stadt Gaza die Pforten hinweg tragen, daß also die Stadt offen gestanden. Der Wein ist nicht um ein Haar schwächer, denn er nimmt nur gar zu oft die Thür vom Herzen und Maul hin weg, und beide stehen nicht ohne großen Schaden offen. Schweigen ist eine Kunst, und diese sollen forderist auch lernen die Religiosen und Ordens-Personen. Ein Kloster soll beschaffen seyn wie ein Bienenkorb, worin diese kleinen Honig-Vögerl immerzu in der Arbeit begriffen sind, und eine solche schöne Ordnung in ihrer Regierung haben, daß auch die beste Republik von ihnen noch könnte lernen. Ihrem König erweisen sie den größten Respekt, dergestalt, daß sie auch denselben, wenn er wegen langen Fliegens müde wird, gar auf ihrem Rücken tragen. Sie bauem ihm in Mitte des Korbes eine besonders schöne Residenz, welche an Größe und Zierde die Wohnungen der andern weit übertrifft; er hat stets etliche um sich, welche als eine wachsame Leibgarde seine Hohheit begleiten, und vor allem Uebel defendiren; ohne seine Erlaubniß darf keine extra Clausuram sich wagen, die meiste Zeit visitirt er die Zellen der andern, und gibt genau Achtung, damit sich keine dem Müßigang ergibt; findet sich jedoch eine unter seinen Unterthanen, welche die Arbeit flieht, oder selbe wenigstens saumselig verrichtet, so wird sie ohne Verweilung zur Strafe gezogen. Ihre Todten tragen sie in schönster Ordnung aus deren Wohnung, und begleiten dieselben mit einem Trauer[26] und Klaglied, so da besteht in einem Sumsen und Murren. Alle Bienen haben nach Aussage auch der heil. Lehrer, eine ewige Jungfrauschaft, massen unter ihnen weder Männl noch Weibl, wüßten auch von Natur um keine Vermischung, sondern ihre Jungen erzeugen sie ohne einige Befleckung, in Summa die göttliche Weisheit und Allmacht läßt sich fast in den größten Thieren nicht also sehen, wie in diesen winzigen kleinen Thieren. Absonderlich haben sie eine lobwürdige Manier und Gewohnheit unter ihnen, daß sie ihr Thun und Lassen Niemanden sehen lassen. Es hat sogar einer aus Vorwitz, dero Wandel zu sehen, lassen einen gläsernen Bienenkorb verfertigen, welchen aber die bescheidenen Thierlein inwendig mit Wachs überzogen, und also hier in diesem Fall ihm eine wächserne Nase gedrehet. Es wollen also diese auf keine Weise, daß andere sollen wissen, wie und was Gestalten es bei ihnen hergehe. Auf gleiche Weise soll ein jedes wohlgeordnetes Kloster und Konvent beschaffen seyn, und auch dero Thun und Lassen fein zwischen den vier Mauern verbleiben, und forderst die Mängel, deren zuweilen auch in Klöstern kein Abgang, sollen auf keine Weise unter Weltliche gebracht werden, massen hiedurch große Aergerniß entstehen, und ein Orden und Religion nicht ein wenig verschwärzt wird, wann dergleichen Klosterfehler unter die Weltlichen getragen werden. Es wäre zu wünschen, daß alle Religiosen eine Natur und Tugend hätten wie der heil. Aegidius, so sich öfter gewunschen, daß er einen so langen Hals hätte wie ein Kranich, damit ihm nur die Wort nicht so bald möchten ausbrechen.[27] Gut wäre es, wann die Religiosen und Ordensleute mit dem Moses könnten sagen: tardioris linguae ego sum. Schön wäre es, wenn eine jede Klosterperson könnte sagen, was einmal gesagt hat Euripides, als man ihn befragt, warum er so stark aus dem Munde schmecke? gab er zur Antwort: »weil viel Geheimniß in seinem Maul verfaulet.« Schweigen ist eine Kunst, und diese sollen nach Möglichkeit lernen die Dienstboten, welche nicht alles sollen aus dem Haus tragen, was sie sehen und hören, sondern vielmehr die Mängel des Hauses zu vertuschen. An einem Samstag hat unser lieber Herr einen stockblinden Menschen angetroffen, und hatte dieser elende Tropf den Zustand von Mutterleib; wie solches die Apostel gesehen, fragen sie gleich den Heiland, Rabbi, sprachen sie, wer hat gesündiget? dieser oder seine Eltern? daß er blind geboren? die guten Jünger haben verhofft, der Herr werde alles heraussagen, und offenbar machen den ganzen Wandel, den des Blinden Eltern geführt. Sie haben glaubt, er werde sagen, wie daß die Eltern dieses Menschen sehr lasterhaft gelebt, der Vater seye ein lauter Partitimacher, die Mutter eine lautere Kupplerin, der Vater seye zwar kein Fuhrmann, aber er könne gleichwohl jedermann hinter das Licht führen; die Mutter seye zwar keine Tischlerin, aber sie wisse gleichwohl den Nächsten aufs ärgste zu verläumden; der Vater seye zwar kein Soldat, aber mit Krüg gehe er allezeit um; die Mutter seye zwar keine gute Wirthin, aber sie wisse doch stattlich die Leut durch die Hechel zu ziehen; der Vater habe einen guten Stilum in anderer Leut Beutel,[28] die Mutter habe gar gute Inventiones auf ungekehrten Bänken; in Summa, der Vater seye nit weit her, und die Mutter habe nit weit heim; darum seynd sie mit einem stockblinden Kind gestraft worden.

Dergleichen Antwort hofften die Apostel auf ihre Fragen, aber der Herr hatte es nit im Brauch anderer Leut Mängel offenbar zu machen, und selbe in ein böses Geschrei zu bringen, gab demnach die Neque hic etc. Weder er der Blinde, weder seine Eltern haben gesündiget, sondern damit hiedurch durch die Werk Gottes offenbar wurden Joan. K. 9.

Deßgleichen hat er auch gethan, wie er mit der Samaritanin bei dem Brunnen geredt hat, und ihren lasterhaften Wandel unter die Augen stellt, da wollt er nit, daß die Apostel davon etwas wissen sollten; dahero dieselbigen in die Stadt geschickt, mit dem Vorwand, daß sie um etliche Lebensmittel sollen umsehen; unterdessen hat er ihr einen Beichtspiegel abgeben, die Wahrheit gesagt wegen des geführten schlimmen Wandels.

Was müssen ander Leut wissen, gedacht er, wie dieses Weib beschaffen. Joan. 4. Also sollen absonderlich beschaffen seyn die Dienstboten, welche niemalen sollen die Mängel und Unvollkommenheiten, so sie in dem Haus sehen, allenthalben kundbar machen, und folgsam ihre Herrschaft in ein übles Geschrei bringen, sondern vielmehr aus christlicher Liebe die Schwachheit des Nächsten, nach Möglichkeit verdecken; dann dergleichen Schwätz-Zungen, so alles aus dem Haus tragen, und nichts können verschweigen, mehrmalen eine Ursach seyn großer Uneinigkeiten.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 6, S. 0,29.
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