Judas Iscarioth wirket gleich anderen Aposteln große Mirakul und Wunderwerk.

[234] Obschon dieser verruchte Bösewicht in seinem unmenschlichen Herzen bereits die verrätherischen Gedanken gehabt, Jesum das unschuldige Lamm, auf die Schlacht-Bank zu liefern, so hat gleichwohl der gütigste Heiland, unangesehen solcher grundlosen Bosheit, ihm, wie andern Aposteln, ertheilt die sondere Gnad, allerlei große Mirakul und Wunder in seinem Namen zu wirken; wie er dann, nach Aussag Hieronymi und Anastasii, und vieler anderer heiligen Lehrer, nicht allein die Aussätzigen gereiniger, sondern sogar die Todten zum Leben erwecket hat: Ja andere wollen, daß er auch dem Petro gleich, mit seinem Schatten die Krankheiten gewendt habe.

Vielen kommt es sehr fremd, und zwar ungründlich vor, absonderlich den gemeinen Leuten, dero Witz durch die theologische Lehr nicht ist abgeschliffen, wann man ihnen vorträgt, was Gestalten auch ein lasterhafter und böser Mensch könne Mirakul und Wunder wirken, so aber gleichwohl ein wahrer Ausspruch ist bei allen Schriftgelehrten dann wohl zu merken, daß die Mirakul und Wunderwerk nicht anderst geschehen, als durch göttliche Kraft, und auf zweierlei Weis: Entweder zur Bekräftigung der evangelischen Wahrheit seines göttlichen Worts, und des allein seligmachenden Glaubens, oder aber zur Offenbarung eines Menschen Heiligkeit und Tugenden. Auf die erste Weis kann auch ein böser Mensch, wann er steif und wahrhaftig in Christum glaubt, und seinen allerheiligsten Namen anruft, bisweilen Wunderwerk wirken, welches doch[235] Gott gar selten zuläßt, und ist glaublich nach Aussag Petri Damiani, daß solches möchte von Anfang der katholischen Kirche geschehen seyn, allwo die göttliche Allmacht auch durch nicht heilige Personen oft Wunderwerk und Zeichen gewirket, damit der noch schwach gegründete Glauben desto festere Wurzel fasse.

Erstlich ist zu wissen, daß Niemand außer Gott des Allmächtigen könne Mirakul wirken; dann obschon aus den Geschichten und Lebens-Verfassungen der Heiligen kundbar ist, daß viel Heilige größere und mehrere Wunderwerk an Tag gebracht, als Christus der Herr selbst, zumalen Petrus sogar mit seinem Schatten Mirakul gethan, Gregorius Taumaturgus einen großen Berg von einer Seite zu der andern geschafft. Xaverius weit mehr Todte zum Leben erwecket, als der Herr Jesus, als welcher nur der Tochter des Fürsten der Synagog, dem Sohn der Witttib zu Naim, dem Lazaro einem Bruder Magdalenä und Marthä das Leben wieder ertheilet, und bloß diese drei von Todten erwecket. Wann schon diese und viel andere Heilige mit mehrern und größern Mirakuln geleucht, als Christus selbst, so ist doch zu wissen, daß sie solche Wunderwerk nicht gewirkt durch eigne Kraft und Vermögen wie der Heiland, sondern durch die Gewalt Gottes in dem Namen Jesu; dahero sie allemal, bevor sie ein Wunderzeichen sehen lassen, den allmächtigen Gott angerufen, wessenthalben nicht ihnen, sondern Gott dem Herrn allein die Gewalt und die Macht, Mirakul zu wirken, zuzumessen ist.

Die plumpe Welt, und etliche dero Witz-lose Menschen machen gar oft aus einer Sache ein Mirakul[236] und Wunder-Werk, da es doch in der Wahrheit nicht also sollt benamset werden, sondern trägt vielmehr den Namen eines Wunders, als eines Wunderwerks; Wie dann ein gemeiner Schmuzius gewest, dem in dem Wirthshaus, allwo er die Einkehr genommen, die Mäus fast die halbe Hose verzehrt, worüber frühe Morgens er sich nicht genugsam konnte verwundern, ja sogar überlaut aufgeschrien: Mirakul! Mirakul! wie da? fragt der andere, sein Mitgespan, die Mäus, antwortet er, haben mir die Hosen gefressen. Du Phantast, sagt er hinwieder, das ist kein Mirakul: aber wann die Mäus wären von Hosen gefressen worden, das wäre ein Mirakul, und sonders Wunderwerk. Also seynd nicht wenig, die eine jede seltame Sach, so ihnen fremd vorkommt, ein Mirakul taufen, da doch solches Ding von den verborgten Wirkungen der Natur herrühret.

Daß die Ruthen, so man insgemein, die Wünsch-Ruthen nennet, sich von freien Stücken neigen an demselben Ort, wo Gold- und Silber-Adern verborgen seynd, ist kein Mirakul, noch weniger eine Zauberei.

Daß grausame Wind, und ungewöhnliche Sturm-Wetter entstehen, wann sich Jemand selbst erhenkt, ist kein Mirakul, wie Majolus bestätiget in dieb. Canic. fol. 448.

Daß ein Magnet durch unbekannte Buhlerei also in das Eisen verliebt, und selbes so wunderlich an sich zieht, ist kein Mirakul, sondern eine Eigenschaft der Natur.

Daß einem wider alles Verhoffen das Blut[237] gähling aus der Nase schweist, und an beiden Händen viel gelbe Fleck oder Mail auffahren, wann sein Bruder oder Anverwandter in fremdem und weitentlegenem Land mit Tod abgehet, ist kein Mirakul.

Viel tausend dergleichen verborgene Griffel werden in natürlichen Wirkungen gefunden, die doch der gemeine Mann für Wunderwerke ausschreiet. Ich will selbst machen, daß in einem finstern Zimmer aller Anwesenden Köpfe wie die Eselsköpf mit langen Ohren behängt hersehen, wann ich nur eine Lampe anzünde, worin eine gewisse Materie seyn muß, so gar leicht zu bekommen, und ist doch kein Mirakel, sondern ein purer Effekt der Natur.

Natürlich ist es und kein Mirakul, daß ein kleines Fischel im Meer, Remora genannt, ein großmächtiges Schiff auch in dem stärksten Sturmwind aufhalten kann, wann es sich nur an das Schiff anhängt.

Natürlich ist es und kein Mirakul, daß ein Baum in Indien, Pudika genannt, die Aeste zu sich zieht, wann jemand denselben will anrühren.

Natürlich ist es und kein Mirakul, daß eine Leinwath, von dem Hanf Asbesto gemacht, im Feuer nicht kann verzehrt werden.

Natürlich ist es und kein Mirakul, wann man eine gewisse Wurzel in einen Hafen oder Topf wirft, wovon alles zerhackte Fleisch wiederum zusammen wachset.

Natürlich ist es und kein Mirakul, wann der Donner ein Kindlein im Mutterleib verzehrt, ohne Verletzung der Mutter; der Fischer Netze im Wasser zu Asche macht, und der obere Theil auf dem Wasser[238] ganz bleibt; das Schnürl durch den ganzen Rosenkranz verbrennt ohne Schaden der Korallen; alle Taufeln des ganzen Fasses vernichtet und doch der Wein nicht abrinne.

Natürlich ist es und kein Mirakul, daß ein Brunn in Sotia, wann man stillschweigt, und das Maul haltet, ganz klar verbleibe; so man aber anfängt zu reden, gleich wild und trübe werde, als mache er derenthalben ein finsteres Gesicht.

Natürlich ist es und kein Mirakul, wann zu Granobl im Delphinat ein gewisses Wasser brennende Dinge auslöscht, und hingegen ausgelöschte anzündet.

Natürlich ist es und kein Mirakul, wann man ein gewisses Kraut auf die Glut legt, bis ein Rauch davon in die Höhe steigt, so kommen einem alle Bäum und Träum im Zimmer vor wie die grausamen Schlangen, solches bezeugt selbst der hl. Thomas von Aquin.

Unzählbar dergleichen Dinge mehr, wovon ganze Bücher könnten verfaßt werden, zeugt die Natur in ihren heimlichen Wirkungen, worüber sich billig jedermann verwundert, aber denselben den Namen eines Mirakuls oder Wunderwerks gleichwohl nicht kann geben, doch aber anbei den allmächtigen Gott in seinen Geschöpfen preisen und loben, als der auch dem geringsten Sonnenstäubl eine gewisse Kraft und Tugend vergönnt hat.

Desgleichen verdient auch nicht den Titel eines Mirakuls alles dasjenige, was da der böse Feind, oder durch dessen Beihilfe die Zauberer und Hexenmeister wirken.

Wunderlich ist es gewesen, aber kein Wunderwerk,[239] wie Simon Magus mehrmals mit zwei Gesichtern erschienen, wie er den von hartem Stein ausgehauenen Statuen und Bildnussen das Leben ertheilet, daß sie gleich andern Menschen gangen, und gestanden und gesessen seynd; wie er sich gar oft in eine Gais oder Lamm verwandelt, wie er bei den Mahlzeiten gemacht hat, daß die Schüssel ohne eines einzigen Menschen Hilfe sich auf den Tisch gesetzt hat, die Teller sich selbst gewechselt, die Gläser sich selbst eingeschenkt, die Sessel und Stühle sich selbst nach Wunsch und Nothdurft gerükt, wie er sich nicht nur einmal in lauter Gold verkehrt hat etc. Und viel anders dergleichen mehr.

Wunderlich ist gewesen, aber kein Wunderwerk, wie der böhmische Zyto zu Prag gar oft in einem von zwei Gockelhahnen gespannten Wagen herum gefahren, wie er bei vornehmen Gastereien die Hände der Gäste in Ochsenfüß verkehrt, daß sie also nicht haben können in die Schüssel greifen, wie er etliche Büschel Heu in schöne gemästete Schweine verkehrt, und selbe um baares Geld verkauft, wie er vor dem König, so diesen Zauberer gar wohl leiden mögen, sich augenblicklich in eine andere Gestalt verstellt etc.

Wunderlich ist gewest, aber kein Wunderwerk, wie Michael Sicitisch, ein Hauptzauberer zu Konstantinopel, gemacht hat, daß ein Schiffmann alles erdene Geschirr, womit das Schiff ganz und gar beladen gewest, zu viel hundeet Trümmern mit dem Ruder zerschlagen, dann es gedunkte ihm, daß eine große Schlange hin und her krieche, ihn ums Leben zu bringen, wessenthalben er also hin und her geschlagen, daß endlich[240] kein Geschirr mehr ganz geblieben, worauf die Schlange verschwunden, und besagter Zauberer hievon nicht einen geringen Gespaß geschöpft.

Alle dergleichen Teufelspossen können nicht unter die Mirakul gezählt werden, zumal der Satan samt allem seinem Anhang eigentlich kein Mirakul wirken kann, massen solches allein der göttlichen Allmacht vorbehalten; wohl aber kann dieser verdammte Gesell die Augen der Umstehenden verblenden, oder aber gesellt er die natürlichen Kräfte der Geschöpfe also künstlich zusammen, daß sie einen wunderlichen Effekt an Tag bringen, und folgsam uns gar wunderlich vorkommt, weil wir nicht also kundig seyn der Eigenschaft der Natur, wie dieser verdammte Böswicht, als der alle und jede Menschen in natürlicher Wissenschaft weit übertrifft.

Man thut sogar den Namen Mirakul mißbrauchen, daß bisweilen auch die alten zahn- und zaumlosen Weiber wollen mit Mirakuln prangen, welches sie meistens mit ihrem abergläubischen Kram zuwege bringen. Ich habe selbst eine solche alte Hausdoktorin kennt, welche mit dem Zettel, worauf diese folgenden Worte geschrieben waren, und der Patient an den Hals gehängt, das Fieber gewendet hat.


Fieber hin, Fieber her,

Laß dich blicken nimmermehr:

Fahr derweil in eine wilde Au,

Das schafft dir eine alte Frau:

Sonst mußt du fahren in Kuttelfleck,

Siehe alsdann, wie dir die Herberg schmeckt,

Amen.
[241]

Daß zu Zeiten durch dergleichen abergläubische Mittel eine Krankheit könne gewendet werden wunderbarlicher Weis, will ich es dermal nicht widersprechen, aber solcher Effekt ist keineswegs diesen ungereimten Reimen zuzuschreiben, sondern vielmehr dem arglistigen bösen Feind und leidigen Satan, welcher zuweilen durch göttliche Zulassung den Menschen mit natürlichen Mitteln jedoch auf unsichtbare Weise den Zustand wendet, damit er nur hiedurch die unbehutsamen Adamskinder in ihrem Afterglauben stärke, und zuweilen gar in teuflischen Pakt und Bund einführe.

Viele Ketzer und im blinden Irrthum verdunkelte Leute wollen ebenfalls ihnen einige Mirakul zumessen, welche aber mehrentheils einen schlechten Ausgang genommen.

Der hl. Joannes Kapistranus hat viele Wunderwerke sehen lassen in unserm werthesten Deutschland, forderist in den österreichischen Erbkönigreichen und Ländern, wodurch er seine Heiligkeit nicht wenig bei männiglich bestätiget; es waren ihm aber derenthalben die Ketzer sehr hässig und aufsätzig, suchten auch anbei allerlei gottlose Mittel, wie sie doch möchten seinen Namen und Ruf, wo nicht gänzlich vernichten, wenigst schmälern und verschwärzen. Unter andern haben sich einige Hussiten zusammen gerottet, welche einen Böswicht aus ihrer Sekte dahin mit Geld vermögt, daß er sich für todt gestellt, und nachmals mit sonderm Pracht zum Grab getragen worden; zugleich aber auch den hl. Joannes ganz inständig ersucht, er wolle doch Kraft seiner großen Vermögenheit den todten Jüngling zum Leben wiederum[242] erwecken. Joannes durch göttliches Licht vermerkt alsobald dieser frechen Ketzer freche Bosheit, bricht derohalben in diese erschrecklichen lauten Worte aus vor jedermänniglichen: »Dieser habe seinen Theil mit den Todten, ewig! ewig!« Ueber welches die Hussiten schimpflich gelacht, mit vielen höhnischen Worten seine Heiligkeit beschnarcht, und sich verlauten lassen, daß unter ihrer Zunft größere Heilige gefunden werden, wie sie dann alsobald einem aus ihrer Gesellschaft den Befehl geben, er soll zu dem Todtensarg hinzutreten, und den Verstorbenen zum Leben erwecken, welches er ganz schleunig vollzogen, und mit heller Stimm aufgeschrien: »Peter, ich sage dirs, stehe auf!« Es wollt sich aber der Peter an diese Worte kehren. Der andere wiederholt seine Worte, schreit, daß ihm schier das Maul aus dem Angel gangen, aber der Peter zeigt sich stutzig, und wollte seine Person recht vertreten. Endlich zieht ihn der Gesell bei der Nase, da findet er bald, daß er ein rotziges Mirakul begangen, zumal der Kerl in der Wahrheit steintodt gewesen. Worüber jedermann mit aufgehebten Händen Gott und seine Allmacht gepriesen, die Rädelsführer aber dieser Tragödie haben sich ohne Verzug zu den Füßen des heil. Manns geworfen, den wahren allein seligmachenden Glauben urbietig angenommen, und nachgehends sich nach Rom begeben, daselbst die ganze Geschicht allerseits verkündiget. Die Stadt Breslau in Schlesien, wann sie will ihr altes Archiv durchblättern, kann hievon das beste Zeugnuß geben.

Dergleichen Mackel und nicht Mirakul könnte man die Menge beibringen, so aber allzu sehr bekannt,[243] oder etwan dem Leser möchten mehr Verdruß als Contento verursachen. Es ist schon sattsam hieraus abzunehmen, wie daß die wahrhaften Wunderwerke die göttliche Allmacht allein wirke durch die Rechtgläubigen, nicht aber durch den bösen Feind, noch durch dero gewidmete Zauberer oder hartnäckigen Ketzer.

Es fehlen aber auch viel fromme, auch anbei gottesfürchtige Christen, wann sie gleich eine jede seltsame Sach mit dem Mirakul-Kleid anlegen; dann zuweilen geschieht es, daß ein lächerlicher Ausgang erfolget, wodurch nachmalens unsere Glaubens-Widersacher in ihrem Irrthum gestärkt werden, und folgsam die wahren Wunderwerk einen kleinen Glauben gewinnen: Ich kenne selbst einen Geistlichen Medikanten-Ordens, welcher in seiner gewöhnlichen Treidsammlung von einer Bäurin etwas zu essen begehrt, die aber neben aller christlichen Willfährigkeit sich entschuldigt, daß sie ganz und gar nichts zu Haus habe: Er bittet ferner, wenigst nur um ein Eierschmalz: auch nicht ein Ei, sagt sie hinwieder, habe sie dermalen in ihrer Gewalt. Der halt weiter an, und zwar nur um einen Brocken Schmalz, welches sie auch gutherzig ertheilt; worauf er gleich das Schmalz in eine Pfann geworfen, selbe über das Feuer gesetzt, welchem allem die arme Haut wohl zuschaut, nur begierig des seltsamen Ausgangs. Der Geistliche verweilte nicht lang, sondern schrauft den Knopf von seinem Stecken hinweg, sagt zugleich, Gott werde schon helfen, und schütt eine Menge des Eierdotters in die Pfanne, daß ein häufiges, aufgebäumtes Eierschmalz daraus worden, welches der Bäurin so wunderbarlich vorkommen, daß sie[244] geglaubt, es sey eins aus den größten Mirakuln, konnte auf keine Weis fassen, wie der Dotter in den Stab kommen, mit dem er sich kurz vorhero proviantiret; und da man ihr doch die ganze Ursach umständig erwiesen, so hat sie gleichwohl nicht gelassen, daß sie nicht zuweilen die Pfanne ausgeleckt, das vermeinte Mirakul dadurch zu verehren.

Warum aber fragt ein Nasopodius, daß der Zeit so wenig Mirakul und Wunderwerk geschehen, da doch bei Anfang der Christenheit fast alle Tag und Stund an allen Orten große Wunderwerk zu sehen gewest? dem ist wohl nicht anderst; ja die Erstlinge des christlichen Glaubens haben fast alle Mirakul gewirkt; Schuster und Schneider, Tagwerker und Bauers-Leut haben solche Gnaden von Gott gehabt. Ein mancher heidnische Schmiedgesell und Ambos-Bruder, sobald er getauft worden, und den Heiland Jesum Christum geglaubt, hat alsobald den Aposteln gleich allerlei Sprachen geredt, und oft mit Auflegung der rußigen Hand die schwarzen Teufel ausgetrieben etc. Wie es mit mehrern bezeugt Justinus contra Triphon. Tertullianus in Apologia, etc. Sogar auch die Geschichten der Apostel.

Warum dann geschehen dermalen keine solche Mirakul zu Wien, wie zu Zeiten des heil. Severini zu Augsburg, wie zu Zeiten des heil. Udalrici zu Salzburg, wie zu Zeiten des heil. Virgilii und Ruperti zu München, wie zu Zeiten des heil. Marquardi zu Regensburg, wie zu Zeiten des heil. Emerammi zu Straßburg, wie zu Zeiten des heil. Solarii zu Würzburg, wie zu Zeiten des heiligen Burchardi etc.[245]

Allhier antworten die heil. Lehrer, worunter forderist gezählt werden Augustinus mein heil. Vater, Gregorius der heil. Papst etc. Daß bei Anfang der Christenheit solche Mirakul und Wunderwerk seyn vonnöthen gewest; dann durch das bloße Predigen waren die Heiden und Unglaubigen sehr schwer zum christlichen Glauben gezogen worden, wann sie nicht durch dergleichen übernatürliche Zeichen wären gestärkt worden; weil aber dermal der allein seligmachende Glaub fast allerseits der Welt fest gegründet, also seyen der Zeit dergleichen Wunder-Werk nicht mehr so nothwendig, gleichwie man pflegt den jungen und kleinen Pflanzen das öftere Spritz-Wasser zu spendiren, bis sie wohl gewurzelt seyn, nachgehends aber solches Begießen unterlaßt. Auf solchen Schlag wollte Anfangs der Welt-Heiland seinen Glauben, der bei vielen noch sehr schwach, und unkräftig war, mit vielen Mirakuln stärken, indem aber solcher nunmehr auf dem ganzen Erdboden fest und dauernd stehet, so zeiget er sich billig gesparsamer in den Mirakuln, auf daß anbei der Glaub höher und mehr in den Verdiensten steige.

Damit aber mein Nasopodius gleichwohl wisse, daß annoch bei diesen unsern Zeiten kein Abgang der Mirakuln sey, also zeige ich ihm noch fast täglich und stündlich Wunderwerk, welche ihm nicht allein den Glaubenswandel gänzlich benehmen, sondern ihn noch zu größerer Furcht Gottes und Nachfolg der Heiligen anspornen sollen.

Zu Kastilverd in Spanien ist eine schöne Kirch der Mutter Gottes zu Ehren auf einen hohen Berg gebauet, allwo alle Jahr in dem Monat Martio oder[246] Märzen am Freitag aus dem Meer drei Lichter empor steigen, nachmals in Gegenwart jedermänniglich durch die verschlossenen Kirchen-Fenster hinein dringen, und daselbst alle Lampen anzünden. Dieß geschieht noch alle Jahr.

Zu Attrebat in der Dom-Kirche wird eine Kerze aufbehalten, so von der Mutter Gottes ihren zweien nemlich Iterio und Normanio eingehändiget worden, welche Kerze, ob sie schon vielfältig brennt, ja von dero Abtropf-Wachs viel andere Kerzen gemacht worden, gleichwohl nicht ein Nadel-Spitz abnimmt, sondern immerzu in ihrer Größe und Gewicht verharret. Fereolus an M.C.V. Ein tägliches und ewiges Mirakul.

In Indien, allwo der heil. Apostel Thomas die Marter-Kron empfangen, ist ihm zu Ehren eine gar schöne Kirche aufgericht worden, darin durch ein immerwährendes Mirakul stets eine Lampe brennt ohne Oehr, auch sogar das Döchtel nicht im geringsten gemindert wird.

In Spanien ist ein Benediktiner-Kloster, allwo der Fr. Koch, sonst gar ein frommer Religios, urdrießig worden, daß er alle Tag mußte die Asche von so häufigem Feuer aus der Küche tragen; dahero die Sach der Mutter Gottes beßtermassen anbefohlen, sie wolle doch durch ihre große Vermögenheit solches vermitteln; worüber dann geschehen, daß nicht allein dazumal die Asche nicht mehr gewachsen, sondern noch auf heutigen Tag, da man auch sollt hundert Klafter Holz verbrennen, die Asche gleichwohl niemal zunimmt. Ein ewiges Wunderwerk.[247]

Die selige Kunegundis eine Königin aus Polen, nachmals eine Klarisserin, stieß einen Stecken in einen, nicht weit von dem Kloster entlegnen Fluß oder kleinen Wasserstrom, zoge nachmals den Stecken hinterwärts nach Haus den Berg hinauf. Siehe Wunder! das Wasser folgt dem Stecken nach wider seine Natur, und fließt noch auf diese Stund bergauf. Ein ewiges Mirakul.

Diejenige rothe Erd, aus welcher Adam unser erster Vater auf dem Damascenischen Feld erschaffen worden, wird von den Saracenern in der Menge ausgegraben, und in Egypten ums Geld verhandelt, gleichwohl durch ein immerwährendes Mirakul spürt man nicht, daß solche Erd auch eine Hand breit hätte abgenommen.

Dasjenige Ort zu Lär in Westphalen, allwo die zwei heil. Evvaldi aus England seynd ermordet worden, bleibt auf diese Stund noch allezeit grün, und kann ihm solche Farb weder große Hitz noch Kälte nehmen, auch so man diese Erd sucht umzuackern, so fließt allemal das helle Blut hervor. Ein ewiges Mirakul.

Zu Rom in dem mamertinischen Kerker hat der heilige Petrus wunderbarlicher Weis einen Brunn erweckt, womit er Processum und Martinianum getauft. Dieser Brunn ist noch auf diese Stund zu sehen in einem hohlen Stein, möcht über einen halben Eimmer Wasser nicht halten, gleichwohl kann er auf keine einige Weis ausgeschöpft werden; wie man dann es mehrmal probirt, ein ganz großes Faß Wasser daraus geschöpft, dannoch nicht ein Finger abgenommen, auch niemalen einen Tropfen Wasser übergangen, da er doch[248] über eine Spann nicht tief. Ein augenscheinliches ewiges Mirakul.

Es ist ein Ort in Irland mit Namen Ursenach, allwo der heil. Patritius von zweien Brüdern an seinem Kirchen-Gebäu verhindert worden, wessenthalben er alle Stein daselbst verflucht; wovon dann kommen, daß von selbiger Zeit an kein Stein allda zum Gebäu tauglich ist, ja so man heut eine Mauer von gedachten Steinen aufricht, morgen liegt solche wiederum auf der Erde, auch da man erstgemeldten Stein in ein Wasser wirft, so pflegen sie nicht gleich andern zu pflumpfen, sondern versinken ohne einigen Hall etc. Ein ewiges Mirakul.

Wie der heil. Bischof Nikolaus einmal auf der Reis' etliche Bauern angetroffen, so dazumal dem Acker-Bau abgewart, und selbe um den rechten und kürzern Weg befragt, da haben die guten Leut den heil. Mann gar höflich traktirt und ihm mit aller Lieb den rechten Weg gewiesen, welches dem heil. Bischof also wohl gefallen, daß er Gott dem Allmächtigen abgebeten, er wolle doch ihnen die ewige Gnad geben, daß ihre Pflug-Eisen nimmermehr verzehrt wurden. Siehe Wunder! solche Pflug-Eisen dauren schon etliche hundert Jahr, und ob sie schon alleweil gebraucht werden, so wird doch nicht eines Haars groß an ihnen verzehrt.

Zwei Meil von der königlichen Haupt-Stadt Prag liegt ein Cistercienser-Kloster, Königsaal genannt, allwo etliche Geistliche und Religiosen, dessen Ordens von den Kerzen auf einen Lindenbaum gehenkt worden; von derselben Zeit an trägt erstgemeldter Baum bis[249] auf diese Stund solche Blätter wie die Kapuccen der Cistercienser. Ein immerwährendes Mirakul.

In des großen Meisters Kapelle der Malteser wird ein Dorn aufbehalten aus der Kron Christi des Herrn, welcher alle Jahr am heil. Charfreitag von freien Stucken anfängt zu grünen und zu blühen. Ein ewiges Mirakul.

Wie der heil. Vater Benediktus sich auf den Berg Kassinum verfügt, da haben ihm 3 Raben das Geleit geben, welche nachmals in dem nächst beim Kloster entlegnen Wald ihre Nester gemacht, und vom Kloster ihre Unterhaltung gehabt. Auf den heutigen Tag seynd noch einige Raben von demselben Geschlecht vorhanden, so täglich aus dem Wald zum Kloster fliegen, und allda ihre Nahrung suchen. Ein ewiges Wunder.

Wo die heil. Jungfrau und Martyrin Katharina begraben liegt, fliegen alle Jahr noch an ihrem Tag allerlei Vögel zu ihrem Grab, und ein jeder opfert daselbst ein grünes Zweigel samt der Frucht, so er im Schnabel trägt. Ein ewiges Mirakul. Joann. de Mont. Villa. lib. 1. de Peregrin.

Zwei Meilen von der großen Stadt Bononien ist eine schöne Kirche unter dem Titel der Mutter Gottes Maria, in diese Kirche kommen jährlich eine große Menge der geflügelten Ameisen, und zwar an keinem andern Tag als in der Vigil unser lieben Frau Geburtstag zu der ersten Vesper. Solche Thierl begeben sich alle auf den Altar der Mutter Gottes, woselbst sie das Leben lassen, und dieses wird noch auf diese Zeit beobachtet. Ein augenscheinliches Mirakul.[250]

In dem Herzogthum Bayern ist ein Dorf mit Namen Haslach, worin eine Kirche der Mutter Gottes und der 14 Nothhelfer, welche von dem hl. Otto soll dedicirt seyn worden, um dieses Gotteshaus ist weder Mauer noch Zaun, dannoch wird auf etliche Schritte kein einziges Thierl hinzunahen, und sofern ein Roß, Kuh, Ochs oder Gais hinzu gehet, so wird es alsobald stockblind oder verreckt den Augenblick, welches schon viel hundertmal probirt worden. Ein ewiges Wunderwerk.

Zu Osem in Lusitanien ist ein Taufstein, welcher ganz leer und alle Jahre von dem Bischof daselbst in Gegenwart des ganzen Volkes am Antlas-Pfingsttag versigilliret wird, sobald man aber selben am Ostersamstag eröffnet, da findet man ihn voll mit Wasser dergestalt, daß sich das Wasser Spann hoch in die Höhe bäumt, wie man pflegt das Treid zu messen, und doch nie ein Tropfen herabfließt. Ein ewiges Mirakul. Nachdem die Leute solches nach Haus haufenweis getragen, sodann verschwindet es und weiß man nicht wie.

Zu Deggendorf in Bayern, aus dem hl. Berg Andechs, zu Brüssel in Niederland, zu Seefeld in Tyrol, zu Ferraria in Welschland, zu Augsburg in Schwaben, zu Paris in Frankreich, zu Florenz in Hetruria und in vielen andern Orten findet man durch ein ewiges Wunderwerk noch konsekrirte Hostien, worin das wahre Blut abnehmen kann.

Zu Neapel in der Kirche des heiligen Gregorii wird mit größter Reverenz aufbehalten in einem krystallenen Geschirr das Blut des heil. Joannis Baptistä,[251] und so oft man bei demselben ein heilige Messe liest, und der Priester in dem Kanon zu der Konsekrirung kommt, da fangt allemal durch ein ewiges Mirakul das Blut zerfließen, ja ganz gierig in die Höhe zu steigen, als wollte Joannes auf ein Neues sprechen: »siehe das Lamm Gottes, welches hinweg nimmt die Sünde der Welt.«

Was kann wunderbarlicher seyn, als das Blut der hl. Klara auf dem Berg Falko, welches, obschon ganz ausgedorrt, gleichwohl augenscheinlich zerfließt und sich bewegt, so oft dem Welschland einiges Uebel oder Unglück herzu nahet, so auch dazumal geschehen, wie der Türk das Kandia unter seine Macht bekommen.

Zu Barellus in Lusitania liegt ausserhalb der Stadtmauer ein Kirchel, so den Namen hat beim guten Jesu, alldort sieht man ein ewiges Wunderwerk im Sand; dann alle Jahr am Tag Kreuzerfindung und Kreuzerhöhung, wie auch am heil. Charfreitag erscheinen daselbst viel tausend Kreuz in dem Sand in Gegenwart eines unbeschreiblichen Volks, und seynd solche so gut und wohlgestaltet, daß sie auch der beste Maler nicht besser könnte zeichnen.

In der Kirche des heil. Sixtus zu Nom ist ein Bild der Mutter Gottes, so der heil. Lukas gemalen, dieses Bild verändert alle Jahr am Charfreitag die Farb und pflegt ganz zu erbleichen. Ein ewiges Mirakul.

Die Bildnuß unser Lieben Frauen zu Karbonarii in Welschland, zu Rottenburg in Teutschland, zu Grienthal in Sicilien, zu Czestochou in Polen, zu Kassiani in Apulien und auch in vielen andern GnadenOrten,[252] können durch ein ewiges Wunderwerk von keinem Maler renovirt oder erneuert werden, massen es vielfältig probirt worden und allemal die Farb nicht gehalten oder gleich verschwunden, oder wohl gar die Hand des Malers gänzlich erstarret und unbrauchbar worden.

Zu Venedig in der Kirche der Klosterjungfrau St. Klara zeigt man einen heiligen Nagel, womit die Füß unsers Heilands Jesu seynd an das Kreuz geheftet worden: in diesem Nagel seynd etliche rothe Makul abzunehmen, welche aber alle Jahr durch ein stetes Wunderwerk am heil. Charfreitag ganz frisch und gleichsam wie ein lebendiges Blut scheinen.

In Sabaudia ist ein Kloster St. Mauritii zu Agauni, in welchem ein kleiner Teich oder Weier, worin aber nicht mehr Fisch aufbehalten werden als Mönch im Kloster seynd. Nun ist bisher schon durch ein immerwährendes Mirakul geschehen, daß, so oft ein Fisch in der Höhe schwimmt und bereits abstehet, zugleich etliche Tag hernach ein Geistlicher mit Tod abgehe.

Wie der heil. Wenceslaus von seinem gottlosen Bruder Boleslaus ist jämmerlich ermordet worden, und das Blut häufig au die Wand gespritzt, so kann man noch auf heutigen Tag durch ein ewiges Wunderwerk besagtes heil. Blut auf keine Weis von der Wand bringen.

Aus dem Grab der heil. Jungfrau und Martyrin Katharina auf dem Berg Sinai etc. Aus dem Grab der heiligen Walpurga zu Eichstädt, aus dem Grab des heiligen Quirini zu Degernsee, aus dem Leib der heiligen seraphinischen Mutter Theresinä, aus[253] dem Kopf des heiligmäßigen Bartholomäi Villisponensis unsers Ordens fließet immerdar ein wunderbarliches Oel, welches allerlei Krankheiten wendet etc. Ein ewiges Mirakul.

Der Leib des seligen Ugolini, Joannis Chisii, Elisabeth Ardisi, Antonii ab Aquila, der seligen Zitta, Helena Utinensis, Christina Spoletena, Andrea in Monte Regala, Antonii Monticiani, Antonii de Amandula, Klara de Monte Falconis der seligen Ritta, und endlich unsers heiligmäßigen Joannis a St. Guilelmo zu Batiniani in Hetruria, alle unsers Ordens seynd so viel Jahr und Zeit durch ein stetes Wunderwerk unversehrt; zu geschweigen viel tausend anderer aus andern heiligen Orden und Ständen, deren Anzahl fast unzählbar scheint. Es muß jemand einen groben und gar ketzerischen Katharr haben, wann er zu Padua nicht riechet den übernatürlichen lieblichen Geruch, so da gehet von dem heiligen Grab und Leib des wunderthätigen Antonii Paviani etc.

So muß dann ein frecher Nasopodius nicht vorgeben, daß bei diesen unsern Zeiten keine Mirakul und Wunderwerk mehr geschehen, indem die Menge derselben könnte auf die Bahn gebracht werden. So will ich auch dermalen umgehen die großen Wunder, so immerzu gesehen werden zu Loreto in Welschland, zu Zell in Steyermarkt, zu Alten-Oetting in Bayern, zu Einsiedel im Schweizerland, zu Czestochou in Polen etc. Woraus sonnenklar erhellet, daß der allmächtige Gott noch nicht aufhört Mirakul und Wunderwerk zu wirken zu mehrer Glori seiner Heiligen, forderist seiner übergebenedeiten Mutter Maria.[254]

Wir Menschen aber und gesamte Adams-Kinder müssen ohne äußerste Noth von Gott keine Mirakul begehren, noch einige Wunderwerk hoffen, so lang die menschliche Hilf etwas auswirken kann, dann er gar nicht will, daß wir die Hände in den Sack schieben, und seine göttliche Allmacht uns solle durch lauter Mirakul erhalten; massen er ganz erbietig ist unserer Schwachheit beizustehen, nicht aber in uns die Faulheit zu züglen.

Noe der heil. Alt-Vater schickt Anfangs einen Raben aus der Arche, damit dieser schwarze Gesell solle den Aviso und Nachricht einholen, ob die Wasser der Sündfluth im Auf- oder Abnehmen seyen. Der hebräische Text lautet ganz klar, daß dieser Galgen-Stieglitz sey wieder zurück kommen, aber von dem Noe nicht mehr in die Arche eingelassen worden. Entgegen aber, sobald die ausgesandte Taube ihren Rückweg genommen, da hat sie der Noe mit den Händen ergriffen, und wiederum in das große Schiff logirt. Es scheint hierinfalls, als wäre der gute, fromme, alte Vater gar zu partheiisch gewest, daß er sich gegen die Taube so willfährig und gutherzig erwiesen, den Raben aber zu scharf und ungnädig: aber dem ist nicht also, sondern Gott wollte hiedurch zeigen, daß, wer durch seinen eignen Fleiß und Mühwaltung sich kann ernähren, ihn Gott durch kein Wunderwerk nicht wolle erhalten. Der Rab hatte Todten-Aas genug, so hin und her auf dem Wasser schwummen, dahero schaue er ihm gleichwohl um seine Nahrung, aber die arme Taub hatte nichts, womit sie sich konnte erhalten, dahero sie Gott wiederum durch die Händ des Noe in der Arche gespeist.[255]

Wer frische und gesunde Glieder hat, wer bei guten Leibs-Kräften ist, der muß nicht den ganzen Tag in der Kirche hocken, der muß nicht allen Weihbrunn ausschlecken und nachmals warten, bis ihm Gott durch ein Wunderwerk die tägliche Unterhaltung schicke, das nicht, das gar nicht, sondern er muß sich selbst um ein Stückel Brod bewerben, allen Fleiß anwenden, wie er sich ehrlich ernähre. Die Apostel selbst seynd von Christo dem Herrn in die ganze Welt ausgesandt worden, das heilige Evangelium auszubreiten, man weiß aber nicht, daß sie wären durch englische Händ, oder andere Wunderwerk gespeist und ernährt worden, sondern Paulus bekennt es selbst, daß, wann er habe wollen essen, habe er vorhero müssen arbeiten, und etwas verdienen, Opera manibus vestris etc.

Es ist nicht eine geringe Frag, wie sich doch der 12jährige Jesus die drei Tag zu Jerusalem erhalten, als er in dem Tempel gelehrt? Es ist gar nicht glaublich, daß ihn die Rabiner haben zu Tisch geladen: Dann die meisten aus ihnen schamten sich, daß ein solcher junger Knabe mehr verstehe als sie: deßgleichen sagt auch das Evangelium, daß die Anverwandten und Befreundten sich seiner nicht haben angenommen. Es geschieht wohl öfter, daß einer von Landfremden ehender eine Gutthat empfanget, als von seinen eignen Blutsverwandten. Die meisten Lehrer seynd der Aussag, daß er von Haus zu Haus habe das Brod gebettelt, und sich also erhalten. Freilich hätte er leicht können dem Himmel befehlen, daß er ihm ein Manna schicke, gleich den Israeliten in der Wüste, aber weil er sich natürlich konnte erhalten, so wollte[256] er zu keinem Mirakul schreiten, uns zu einer sonderen Lehr, so lang wir uns können durch menschliche Emsigkeit durchbringen, daß wir uns auf keine Mirakul sollen verlassen.

Hundert und hundert Exempel können beigebracht werden, wie Gott der Allmächtige durch sondere Mirakul und Wunderwerk die armen Geistlichen, Augustini, Dominici, Franzisci und andere Orden gespeist hat; es seynd mehrmals die Engel vor die Porte kommen, und ganze Körb voll Speisen abgelegt, es ist oft Kuchel und Keller für sich selbst angefüllt worden, es ist nicht selten das Brod gewachsen bei der Tafel etc. Aber dergleichen Mirakul seynd niemals geschehen ohne die größte Noth. Wie lang die Geistlichen haben können durch gewöhnliches Betteln das Allmosen suchen, und gute Patron aller Orten finden, so lang hat Gott keine Mirakul gewirkt; dann seine allerweiseste Vorsichtigkeit also der Menschen Wandel regiert, daß sie niemals unsere mögliche Mitwirkung ausschließt etc.

Der allmächtige Gott hat die Israeliter 40 ganze Jahr in der Wüste durch ein stetes Wunderwerk erhalten, der freigebige Himmel hat ihnen das herrliche Manna gespendirt, 40 ganze Jahre ist nicht ein Faden mirakuloser Weise an ihren Kleidern zerrissen etc. Sobald sie aber aus der Wüste kommen, und in ein gutes bewohnliches Land gerathen, da hat Gott mit seinen Mirakuln aufgehört, da hats geheißen, helft euch selber, anjetzo seynd menschliche Mittel schon möglich, jetzt flick sich ein jeder seine Joppe selbst, oder schaue gleichwohl, wo Schneider und Schuster[257] anzutreffen, jetzt treib ein jeder sein ehrliches Gewerb, und schaffe sich selbst das Brod ins Haus, dann die göttlichen Mirakul finden sich nur dazumal ein, wann Menschenhilfe unmöglich.

Dem großen Mann Elias hat Gott der Herr in der Wüste und Einöde einen wunderlichen Kostherrn bestellt, dann auf seinen Befehl mußten die Raben alle Tage ihm zweimal Brod und Fleisch bringen. Dieses war eins aus den größten Wunderwerken, massen der Rabennatur ist, lieber und ehender stehlen als geben, gleichwohl mußten die Galgenvögel dieses Contraloramt verrichten. Aber liebster Gott, weil deine Güte doch so groß, daß du deinen Diener Elias mit der täglichen Tafel versiehst, wofür tausend und abermal tausend Deo gratias, aber wo bleibt der Trunk? das Fleisch ist schon recht, aber wo bleibt die Flasche? naschen ohne Flasche gedäuet nicht wohl. Höre mich, Gott der Herr hat gesehen, daß menschlicher Weise Elias in dieser erschrecklichen Wüste, wo nichts als Bäume, Hecken und Steinklippen, keine Nahrungsmittel hat haben können, also hat er ihn durch ein Mirakul ernährt, aber um den Trunk hat er sich selbst können schauen, dann er war nicht weit von dem Bach Karith, da Wasser satt und gnug.

Wann also der Mensch durch eignen Fleiß, Arbeit und Mühe kann bekommen und erwerben, das muß er auf keine Weise durch Mirakul suchen. Ein solches Weib, welches scheint, als wäre sie mit lauter Heiligkeiten gefüttert, wann sie den ganzen Vormittag in der Kirche verharrt, und so eifrig betet, daß ihr die Zähn rogl werden, unterdessen aber glaubt, daß[258] die Engel werden die Stube auskehren und das Kraut einbrennen, thut unlöblich und unrecht, zumal sie ohne Noth Gott den allmächtigen will versuchen, und zu einem Mirakul zwingen.

Es hat bei erster Erschaffung der Welt Gott der Herr dem Erdboden befohlen, er soll augenblicklich allerlei Pflanzen und Früchte hervor bringen, so auch geschehen; diese seine Allmacht ist noch nicht ausgeschöpft, und was er dazumal gethan, daß in ihm allezeit möglich, allein er thut nichts, sondern will, daß auch der Mensch seinen Fleiß und Arbeit dazu geselle; noch hat er befohlen, daß wir durch lauter Pater noster und Ave Maria den Acker sollen bauen, sondern sein göttlicher Wille ist, daß wir auch den Pflug und harte Arbeit sollen an die Hand nehmen. Wann Gedeon hätte können mit Beten das Treid ausdreschen, so hätte er den Flegel oder Drischel wohl liegen lassen; wo Menschenmittel etwas richten können, da muß man bei Gott nicht um Mirakul anklopfen.

David hat sich bei dem Hofstaat des Königs Achis in der größten Gefahr befunden, was thut er, damit er das Leben salvire? Er hat sich ganz närrisch gestellt, und hat allen Mäuler gemacht, wie die griechischen Buchstaben, und hat Gesichter geschnitten, als wäre er 3 Jahre bei einem Maulaffen in die Schule gangen, er ist hin und her trampelt, als hätte er einen Bauernkirchtag celebrirt, er hat sich in allem närrisch und an brennt zeigt, und mit solcher Weise das Leben sicher durchgebracht.

Wie daß aber David, der in so großen Gnaden[259] und Ansehen bei Gott gestanden, ihn nicht gebeten, daß er ihn durch ein Mirakul aus der großen Gefahr errettet, und etwan einen Engel schicke, der ihn gleich dem Habakuk an ein anderes Ort übertrage? Abulensis antwortet hier gar weislich, daß David mit gutem Gewissen nicht hat können sich auf ein Wunderwerk verlassen, so lang er natürlicher Weise sich selbst hat können helfen.

Anno 1683 hätte Gott durch einen Engel, wie zu Zeiten des Sennacherib gar leicht können die ganze türkische Armee bei Wien erschlagen; er hätte können einer einzigen Wespe befehlen, daß sie einem jeden Türken nur einen Stich auf die Stirne versetze, wovon er unsinnig würde; er hätte können machen, daß alle ihre ausgeschossenen Kugeln und alle abgedruckten Pfeile in ihre eigene Brust wären zurückgekehrt; er könnte noch machen, daß wir gleich dem Petro das Wasser möchten treten, ja mit trocknen Füßen über den Saufluß passiren; er könnte gar leicht machen, daß alle Pasteten und Festungswerke zu Belgrad oder Griechischweissenburg thäten niederfallen, wie die Mauern zu Jericho; aber er macht ohne Noth kein Mirakul und Wunderwerk, sondern er will, daß wir die Waffen ergreifen, allen erdenklichen Kriegsernst an die Hand nehmen, eine bestens montirte Armee auf die Füß stellen, die erfahrensten Feldherrn und Kriegsobristen erkiesen, die Provianthäuser allerseits wohl anfüllen; in Summa, alle möglichen Mittel ergreifen. Wann wir dergestalten werden thun, was wir können, sodann wird Gottes Mithilfe nicht mangeln; wann aber die menschlichen Mittel und aller natürlich angewendter[260] Fleiß nichts wirken kann, sodann kommt Gott meistens mit einem Wunderwerk zu Hilfe.

Nachdem Lazarus als ein Bruder Magdalenä und Marthä durch Christum den Herrn vom Tode auferweckt worden, hat er sich alsobald zu den Jüngern des Herrn gesellt, und so lange er gelebt, nimmermehr gelacht, sondern allezeit mit größtem Eifer das Evangelium geprediget; wessenthalben er auch zu Massilien zum Bischof erwählt worden, daselbst einen sehr heiligen Wandel geführt, und nachgehends selig verschieden, daher er bei der katholischen Kirche als ein Heiliger verehrt wird etc. Bei dieses Lazari vom Todten Erweckung haben sich viele denkwürdige Sachen begeben. Unter andern ist sich nicht ein wenig zu verwundern, daß unser lieber Herr durch ein sonderes Mirakul ihn vom Todten erweckt, anbei aber seinen anwesenden Jüngern befohlen, sie sollen ihm, dem Lazarus, die Brandt und Leinwath, worein er gewickelt worden, nach Brauch der Hebräer, auflösen und gänzlich frei machen. Hat der gebenedeite Herr können ihm durch größtes Wunderwerk wiederum das Leben ertheilen, so hätte er auch und weit leichter ihn können losmachen von seinen Banden, aber solches darum nicht gethan, sondern es den Jüngern anbefohlen, uns zu einer sondern Lehr, daß man dasjenige, was den Menschen möglich ist zu thun, von Gott durch ein Mirakul nicht soll suchen.

Willst du ein gelehrter Mann werden, so thue neben deinem eifrigen Gebet auch fleißig dem Studiren obliegen und wart nicht, das dir Gott mirakuloser Weise die Doktorskappe aufsetze.[261]

Willst du dein Weib und Kinder ehrlich ernähren, so mußt nicht allein alle Tage eine heilige Meß hören, und dein ganzes Hauswesen Gott dem Herrn allein überlassen, sondern auch in deinem Gewerb und Arbeit keinen Fleiß sparen; dann mirakuloser Weise wird dir das Brod nicht in das Haus kommen, wann du dir selbst helfen kannst.

Willst du von deiner Krankheit wiederum genesen, und die gewünschte Gesundheit haben, so ist es nicht genug, daß du derenthalben etliche Wallfahrten versprechest, und bei Gott emsig anhaltest, sondern es wird auch erfordert, daß du natürliche Mittel ergreifest und nicht gleich die Mirakul im Bette citirst.

Willst du, daß dein Haus, indem des Nachbauern seines schon in völligen Flammen stehet, soll vom Feuer befreit seyn, so ist zwar gut und lobwürdig, daß du die Hände zu Gott hebest, aber du mußt zugleich die Hände anlegen, und dich nicht verlassen, daß durch ein Mirakul das Feuer die Kraft verliere, wie in dem babylonischen Ofen. Wohl spricht Rupertus: »Ibi tantum Divinam praestolemur Potentiam, ubi humanam constat deficere industriam, dazumal muß man durch ein Mirakul Gottes Macht erwarten, wo Menschen Hilf und Fleiß zu schwach ist.«

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 6, S. 234-262.
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