Judas hat den wahren Gott und Heiland an keinem andern Ort verrathen, als in einem Garten.

[51] Unweit von Jerusalem, gleich über dem Bach Cedron, waren vor diesem die allerschönsten und herrlichsten Gärten, worinnen die Vornehmen in der Stadt ihre Ergötzlichkeiten suchten; dieser Gärten stattliches Vorgebäu waren einander ganz ähnlich und gleich, also zwar, daß sie von einander nicht konnten unterschieden werden, als durch die Numero oder Zahl: dahero auf einem Numero I. gestanden, auf dem andern Numero II., auf dem dritten Numero III., und also fortan bis auf Numero VIII. In diesem hat der Herr Jesus öfters bei nächtlicher Weil sein Gebet verricht, besagter Garten liegt gleich unter dem Oelberg, allwo nachmals[51] der glorreiche Heiland gegen Himmel gefahren, und solchen, nach Aussag etlicher Lehrer, die ersten Eltern, Adam und Eva, nachdem sie aus dem irdischen Paradeis verstoßen, durch die Cherubin an diesen Ort seyn getragen worden, und zwar den ersten Fuß an denselben Ort gesetzt, wo so lang hernach der gebenedeite Heiland das so häufige Blut geschwitzt hat. Wie nun Christus der Herr mit denen eilf Aposteln bei der Nacht zu diesem Garten kommen, da ließ er achte derselben alldorten sitzen, und, sagt Moses Barcepha, daß es eben dieser Ort gewesen, wo der Abraham seine Bedienten hat warten lassen, wie er auf den Berg hinauf gestiegen, seinen Sohn aufzuopfern; von diesem Ort hat sich der Herr in den Garten begeben, und mit sich genommen den Petrum, den Jakobum und Joannem, und weil die Porten des Gartens versperrt und verschlossen waren, also haben sich selbige durch göttliche Gewalt selbst eröffnet; nachdem folgends der mit Todsängsten überhäufte Heiland so viel Blut geschwitzt, daß der ganze Erdboden daselbst benetzt worden, und, sagt der englische Lehrer Thomas, daß Christus allda durch ein Wunderwerk das Blut habe wieder zu sich genommen, damit er solches mehrmalen in der Geißlung und Krönung möchte vergießen. In dem vornehmen Benediktiner-Kloster, insgemein der heilige Berg genannt, in dem Herzogthum Bayern, ist ein halbes Tüchel oder Facilet, womit der Herr Jesus in dem Garten sein heiligstes Angesicht hat abgewischt; in diesem Garten hat der gewissenlose Judas, dieser verruchte Böswicht, die größte Unthat begangen, indem er den Weltheiland[52] verrathen, und ihn den blutgierigen Feinden übergeben. O was Uebel geschieht oft im Garten!

Der Evangelist Markus schreibt in seinem sechsten Kapitel, wie daß einmal fünftausend Personen der eiferigen Predigt zugehört, welche der Herr und Heiland in einer Wüste gehalten; nachdem aber solches große Volk etwas von Hunger geplagt worden, hat sich unser Herr ihrer erbarmt, ihnen allen mit einander befohlen, sie sollen sich in das grüne Gras niedersetzen; nachdem solches geschehen, hat der Herr alle diese mit fünf Brod und zweien Fischen dergestalt gespeist und gesättiget, daß noch mit dem überbliebenen Brod und Brocken zwölf große Körb seyn angefüllt worden; nach solchem so wunderbarlichen Traktament hat der Herr seine Jünger genöthiget, daß sie haben müssen in ein Schiff steigen, und gegen Bethania hinüberfahren: »Coëgit ascendere in navim, etc.« O mein Herr! warum lassest die guten Leut, die ohnedas matt und müde, nicht ein wenig ruhen? Es ist gar annehmlich nach dem Essen im grünen Gras sitzen, vergönne ihnen doch diesen kleinen Gespaß und kurze Ergötzlichkeit, coëgit fort mit euch, hats geheißen, nur sein bald, presto, presto, man hält sich umsonst auf, da ist euer Bleibens nicht. Aber warum Herr schaffest du sie hinweg? sie wollen wohl lieber bleiben; warum hat es müssen seyn, es waren auch sehr viel Weiber unter dem Volk, obschon Andächtige, die daselbst im Gras gesessen; daher der Herr sogar den Aposteln nicht zugelassen, daß sie sollten bei Weibern im Gras sitzen, also spricht der gelehrte Cajetanus. Wann man unter frommen Weibern[53] und Männern eine Uniform fürchtet in der Grüne, was soll man erst gedenken von frechen Leuten? O wie oft in der Grüne, im Garten muß das Gewissen ins Gras beißen. Malche! was hast du verloren in dem Garten? ich rede mit demjenigen Malcho, welcher in Gegenwart des Hohenpriesters Annä samt andern vornehmen Fürsten der Synagog dem gebenedeiten Heilland einen solchen harten Backenstreich versetzt, daß hievon die Zeichen der Finger in dem heiligen Angesicht geblieben, wie noch in dem Schweißtuch der heil. Veronicä zu Rom zu sehen ist; besagter Streich war so grausam und hart, daß der beschmerzte Heiland ganz zu Boden gesunken, und das Blut aus dem Mund, Nase und Ohren häufig heraus geschossen, ja sogar kein Bein im Leib, deren doch in einem jeden Menschen 270 gezählet werden, ist ohne Qual dazumal gewest, unangesehen dieser verruchten Vermessenheit soll, nach Aussag des heil. Methodii, besagter Malchus neben andern 8000 Juden, so bei der Kreuzigung Christi gegenwärtig gewest, sich noch bekehrt haben, und sey von dem heil. Petro getauft worden. Dich, Malche! frag ich, was hast du im Garten verloren? Malchus antwortet: er sey einer aus den ersten gewest, welcher dem Herrn Jesu gewaltthätige Händ hab angelegt im Garten, und da hat sich einer, mit Namen Petrus, der Sach angenommen, vom Leder gezogen, und ihm ein Ohr abgehaut, etc. So hat Malchus im Garten ein Ohr verloren? ja ein Ohr, und zwar das rechte Ohr; aber wie viel verlieren im Garten nicht das rechte Ohr, sondern die rechte Ehr! wie viel?[54]

Cypreßbäume gibts im Garten, aber die cyprische Göttin Venus ist auch nicht weit; Nuß gibts im Garten, aber die Aergernisse bleiben auch nicht aus; Rosen gibts im Garten, aber die Rosae mundae stehen auch daselbst; Castaneae wachsen im Garten, aber Castae nicht allzeit; Schatten gibts im Garten, aber der Schaden ist oft dabei; Salve gibts im Garten, aber gar oft Salva venia, auch etwas anders; Hornaus gibts im Garten, aber gar oft etwas, das fast gleich lautet; Nester gibts im Garten, und darum mangeln die schlimmen Vögel nicht, im Garten gehet es gar, gar seltsam her oft.

Eine ist gewest nicht gar eines niedern Stands, aber gar eines minderen Verstands, um weil sie nicht hat gewußt, oder etwan nicht hat wollen wissen, wann die Gelegenheit dem Menschen die Schnallen in die Händ gibt, daß er gar leicht die Thür aufmache zu allem Uebel. Erstgedachte Person war eine aus den wohlgestalten und von der Natur hübsch erschaffenen Weibsbildern, aber die schöne Gestalt macht mehrmal ein Schauspiel, bis zuletzt daraus wird ein Sauspiel; die schwarzen Augen auf den weißen Würflen haben schon öfter ein Unheil verursacht, an diesem Keder hat sich auch ein edler Fisch vergafft, und sie nach etlichen vorgehenden freundlichen Ansprachen in seinen Garten eingeladen, mit Versprechen, daß sie ein sonderes Begnügen werde haben an dem fremden Blumengewächs, an den mit allerlei Früchten prangenden Bäumen, an den buschenden und sehr schattenreichen Spalieren etc., ja er hat sich auch gar urbietig anerboten, den Wagen zu schicken, damit sie ihre Füß[55] möchte sparen zum Spaziergang des Gartens, weil der Weiber Vorwitz des Zügels und Zaums nicht wohl gewöhnt, also bedient sich diese der so guten Gelegenheit, den schönen Garten zu sehen. Wie sie nun der Kutscher wieder bei spatem Abend nach Haus geführt, und sie ihm ein Trinkgeld dargereicht, da wollt er solches auf keine Weis' annehmen, sondern er sagte öfters, er heiße Steffel. Er solls nehmen, Steffel heiß ich. Er soll nicht närrisch seyn, Steffel ist mein Nam'. Was seyd ihr für ein Phantast? wie ich sag, Steffel heiß ich etc. Diese wurde öfter mit dem Wagen in den Garten abgeholt; der Kutscher, anstatt des Trinkgelds, wiederholte öfter, daß er Steffel heiße. Endlich fragte diese den ihres Gedanken nach so seltsamen Gispel, warum er allemal diese Antwort gebe, daß er Steffel heiße? Darum, meine schöne Dama, darum, es wird einmal die Zeit kommen, und etwan gar bald, da werdet ihr sagen, in Erwägung der verscherzten Ehr: mich hat wohl der Teufel in den Garten geführt, ich wollte, ich hätte den Ort meine Lebetag nie gesehen, es hat mich wohl der Teufel in den Garten geführt. Ich aber, sagt der Kutscher, heiß Steffel, und nicht Teufel, denn ich hab sie geführt, und mein Herr hat sie verführt. – Es ist alles wahr gewest, was der Kutscher geredt hat, und wann er hätte lateinisch verstanden, so hätte er geschrieen: »Hortus, Echo, Ortus.«

Susanna, ein Spiegel aller Tugenden, ist allenthalben sicher gewesen, außer im Garten. Diese Rosen haben nirgends die Kothkäfer angetast, außer im Garten. Diesen Tauben haben nirgends die Geier[56] nachgestellt, als im Garten. Diesem Lämmel haben nirgends die Wölf gedrohet, als im Garten. Dieser Schnee hat nirgends sollen zergehen, als im Garten. Dieses Kleinod hat nirgends sollen ins Koth fallen, als im Garten. Diese Blume hat nirgends sollen verwelken, als im Garten. Susanna hat sich wollen abkühlen im Garten, aber wäre bald erhitzt worden. Susanna hat sich wollen waschen im Garten, aber wäre bald mehr bekothigt worden. Susanna hat wollen eine Luft schöpfen im Garten, aber sie hätte bald ihre Ehr in Wind geschlagen, wann sie nicht die sondere Gnad Gottes hätte behüt, kraft welcher sie die Schuldigkeit ihres Stands, die obliegenden Gebot des Allerhöchsten, den Verlust des Himmels, die Beleidigung des Erschöpfers, die Unbild ihres Ehebetts hätte betrachtet und erkennet. O ihr alten Schelme zu Babylon, ihr müßt öfter im Garten nichts Guts gestiftet haben, weil ihr auch dasmal an diesem Ort euer gottloses Beginnen suchet.

Im Garten thut man gar, gar oft einbüßen. Adam, der erste Mensch, ist aus einem reichen Herrn Dominamini ein armer und elender Schlucker worden. Adam ist aus einem so gesunden und wohlgenaturten Mann ein so müheseliger Krippel worden. Adam ist aus einem allerweisesten Menschen, aus einem Doktor, gar ein unverständiger Phantast worden, indem er sich hat eingebildet, er könne den allsehenden Augen Gottes entgehen, wie er sich in dem Paradies verborgen hat. Adam ist so arm worden, daß er und sein Weib nicht einen Fetzen haben, womit sie sich hätten können bedecken, bis sich endlich Gott ihrer erbarmt,[57] und sie grab schlechthin, wie sie es nicht besser verdient, bekleidet hat. Adam ist um alles kommen, ist verdorben wie die Kürbisblätter Jonä etc. Aber wo? aber wie? Frag nicht lang, das Comedit hat die Comoedi gemacht, weil Adam im Garten gessen, darum ist er so hart niedergesessen.

Viel seynd, bei denen es hergeht, wie es dem König Pharao getraumt, der hat im Schlaf gesehen bei einem Fluß sieben schöne ganz fette Rindstuck, die hätte kein übels Aug sollen anschauen, alle Metzger und Fleischhacker hätten sich darum sollen reißen; aber bald darauf hat er gesehen sieben andere, die waren zaundürr, an denen nichts als Haut und Bein zu sehen. Etliche Leut, meistens in vornehmen Städten, seynd Anfangs so wohl und gut gestanden, bei so trefflichen Mitteln gewest, und nachmals seynd sie in Armuth gerathen, vorhero eine faiste Wirthschaft, nachgehends eine zaundürre Unterhaltung gehabt.

Wie Herzog Friedrich IV., Herr in Tyrol, die Städt in Helvetien verloren, als die in ihrer eignen Freiheit gar zu fest erwarmet, sich niemand andern mehr wollten untergeben, also hat er bei dem übelgesinnten Volk den Namen bekommen: Friedrich mit der leeren Tasche. Da ihm einst dieß zu Ohren kommen, hat er, zu Trotz der Mißgönner, das Dächel zu Inspruck lassen vergolden, wobei zweihundert tausend Dukaten seynd aufgangen, ja nach seinem Tod hat man eine Million baarer Münz gefunden. Diesem Fürsten hat man unrecht solchen Schimpfnamen gegeben. Aber in mancher Stadt gibt es viel Ferdinand mit der leeren Tasche, viel Peter mit der leeren[58] Tasche, viel Paul mit der leeren Tasche, viel Andereä mit der leeren Tasche, viel Jakob mit der leeren Tasche etc. Viel gibts, bei denen die Wirthschaft wurmstichig worden, wie das Manna bei den Hebräern, bei denen das Geld verschmolzen, wie das Gold des israelitischen Kalbs, bei denen die Mittel verschwunden, wie die Glorie auf dem Berg Tabor. Mit einem Wort, sie seynd halt Leut mit der leeren Tasche, haben nicht mehr so viel, womit sie Weib und Kinder mögen unterhalten. Woher kommt es? woher? das Essen im Garten hat den Adam um das Seinige gebracht, die viefaltigen Mahlzeiten, das stete Tractiren, die so häufigen Fressereien in den Gärten haben schon manchen an Bettelstab gebracht, ein Burger, ein Handwerksmann, ein Handelsmann, der nicht Sonn- und Feiertag, sondern auch öfter in der Woche zur Sommerszeit die Gärten heimsucht, und in denselben mit der nassen Gesellschaft steif läßt aufgehen, wie kann es anders seyn, als daß nicht der Vogel Hab- ich hinweg fliege, und folgsam aus einem Fortunat ein Fort du Narr wird, welches dann mehrmal einen Anlaß gibt, daß oft Weib und Kinder in Verzweiflung gerathen.

In Aquitania hat ein Weib das unmäßige Leben und tägliche Schwärmen ihres Manns in eine so starke Melancholei gestürzt. Als ihr allerlei verzweifelte Gedanken eingefallen, forderst, weil sie gesehen und wahrgenommen, daß keine Lebensmittel mehr vorhanden, ja sogar der Hausrath um den Weinwechsel verschleudert werde; das muß ein Hals seyn, wo auch Stuhl und Sessel durchrinnen. In solchem trüben[59] Wasser wollte der böse Feind fischen, wie er dann besagter armer Haut in Gestalt eines reichen und sehr vermöglichen Herrn erschienen, mit dem Vortrag, daß er ihr wolle bestermassen an die Hand gehen, dafern sie ihm nur wolle folgen. Sie, die arme Tröpfin, begehrt hierüber einige Zeit, sich recht zu bedenken. Der verdammte Schalk kam das andermal wieder, führet sie aus der Stadt hinaus: und gibt ihr den Rath und Einschlag, sie solle mit ihm davon reiten, er wolle sie nach Begnügen unterhalten. Das stattlich gesattelte Pferd war allbereits vorhanden; das Weib thut solches abschlagen, und hat es darum geweigert, es möchte das so starke Reiten der Frucht, womit sie dazumal schwanger gangen, sehr schädlich fallen. Der Teufel, so bei den Melancholischen meistens seinen Gewinn suchet, hat ihr ferners anerboten, weil ihr doch das Reiten nicht wohlgefällig noch anständig, ob sie dann nicht zu Schiff mit ihm wollte fahren? welches sie dann alsobald zugesagt, auch den geraden Weg genommen zu dem Wasser, allwo schon das Schiff mit allen zugehörigen Sachen vor Augen gestanden, wie sie in solches bereits wollte einsteigen, da war augenblicklich alles verschwunden, massen es nur eine teuflische Verblendung gewesen, und ist sie bis an den Hals im Wasser gestanden, wäre auch unfehlbar zu Grund gangen, wofern nicht eine unweit davon gestandene Dienstmagd ihr zu Hülfe kommen wäre.

Dergleichen Begebenheiten weiß ich auch einige zu Wien, allwo das verthunliche Leben, das übermäßige Schlemmen des Manns in allen Winkeln, und[60] forderist in den Gärten ein und anders Weib in solche Verzweiflung gestürzt hat, daß sie ihr selbst den Tod angethan, mit Nehmung eines Gifts und auch auf andere Weis' etc. Dem Aman ist der Garten höchst schädlich gewesen, worin Aßverus spazieren gangen. Dem David ist der Garten sehr unglückhaftig gewesen, indem er die Bethsaba ergafft. Dem Jeroboam ist der Garten sehr nachtheilig gewesen, in welchem er die Götzenbilder aufgericht. O was Unkraut wachset oft im Garten!

Im Garten, ist Gar Gar oft nichts anders als Fluchen, Greinen, Raufen, Schlagen etc. Bruder, willst mitgehen? sagt einst der Kain; meinethalben, antwortet der Abel, ich bin wohl zufrieden. Der Abel geht mit dem Kain, der Kain mit dem Abel, beede leibliche Brüder, und zwar die ersten Brüder auf der Erde, beede leibliche Söhne des Adams und der Eva, und zwar die ersten Söhne auf Erden. Wer sollt sich haben eingebildet, daß bei diesen Zweien nicht sollte das Eins seyn. Kaum daß sie an den verlangten Ort kommen, da ergriff der boshafte Kain seinen Vorthel, und schlägt den unschuldigen Bruder Abel zu todt, welches Blut dann, wie billig, von der Erde hat Rach geschrien über die grausame Mordthat. Wo ist aber alles dieß geschehen? wo? im Garten, sagt der alexandrinische Lehrer Cyrillus, lib. 1. Glaph. Der Kain habe auf dem Feld einen gar schönen Garten gehabt, in demselben allerlei schöne Blumen, dazu er den Abel eingeladen, und kann wohl seyn, wie sich der Abel um eine Blume gebuckt, daß ihm hinterwärts der Kain mit einem Tremmel[61] zum Kopf geschlagen. Im Garten ist dieses Uebel geschehen.

Die größten Naufhändel und schädlichsten Zwietrachten entstehen oft in Gärten, und kommen daselbst oft die besten Brüder einander in die Haar, und zwar meistens wegen des Spielens. Lucä am 17. Kapitel wird registrirt, was gestalten einmal unser lieber Herr und Heiland zu einem Flecken hinein gangen, da seynd ihm zehn aussätzige Männer begegnet, die von fern stunden, und ihre Stimm erhoben: Jesu, lieber Meister, erbarme dich unser; als der Herr sie sah, sprach er: gehet hin, und zeiget euch dem Priester, und es begab sich, da sie hingingen, wurden sie alle rein. Einer aber aus ihnen, da er sah, daß er gereiniget war, kehrte wieder zurück, und lobte Gott mit lauter Stimm, und er fiel bei den Füßen des Herrn nieder, und danket ihm, dieser war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Seynd dann ihrer nicht zehn gereiniget worden? wo seynd dann die Neune? Keiner ist gefunden, der wiederkehrte, und Gott die Ehr gab, dann dieser Fremdling. Das seynd nun grobe Gesellen gewest, neun unmanierliche Schliffel, neun ungehobelte Gispel, neun schlechte Limmel, neun unsittliche Knöpf, neun vergessene Maulaffen, neun ungebärdige Schlampen, neun unerzogene Knollfinke, neun ungeschaffene Schlenkel, welche Gott die Ehr nicht haben geben.

Hin und her in dem Garten trifft man ebenfalls Neun an, bei denen Gott gar keine Ehr hat, neun Gesellen und nicht ein Lob Gottes; neun Kerl und nicht ein gutes Werk. Diese Neun sind die nenn[62] Kegel (hätte sie bald anderst genannt), mit denen manche Spielluder den ganzen Tag in dem Garten verzehren. Bei diesen Neun findet man so gar selten eine Ehr Gottes, wohl öfter aber eine Unehr, massen dabei das Fluchen und Schwören, und folgends darauf das Raufen und Schlagen meistentheils sich finden läßt. Ich bin vor vielen Jahren einmal außer der Stadt Wien spazieren gangen, hierdurch ein wenig eine frische Luft zu schöpfen, und als ich bei einem großen Garten vorbei meinen Weg genommen, da hab ich ein erschreckliches Schelten und Gottslästern wahrgenommen. Ich glaubte Anfangs, es wäre eine Disputation de Sacramentis in communi in diesem Garten, wie ich aber durch die Blanke den Augenschein genommen, da hat sich die Sach weit anders gezeigt, indem beede ganz grimmig einander angefallen, ein jeder anstatt des Gewehrs einen Kegel gebraucht, womit sie dergestalten einander gegrüßt, daß die Tippel am Kopf wie fast junge Scherhaufen aufgefahren; ein zeitiges Obst hab ich dermalen im ganzen Garten nicht gesehen, außer diese hölzerne Ohrfeigen und etliche blaue Zwespen um die Nachbarschaft ihrer Nasen. Dieß war meinerseits noch wohl zu verschmerzen, allermassen mir von diesem Schlagbalsam nichts zu Theil worden. Aber das allzu freche Schwören und Fluchen hat mir das Herz durchdrungen, in Bedenkung, wie hoch dadurch die göttliche Majestät beleidiget werde, und was großer Schaden es der Welt zufüge.

Jener rechte Schächer, so mit dem Weltheiland, zwar begangener eignen Missethaten halber, auf dem[63] Berg Kalvariä an das Kreuz geheftet worden, wie er vernommen und in seine Ohren gehört, daß sein Mitkamerad etliche gotteslästerische Wort ausgesprengt, gedachte bei sich selbst, daß er nicht könne solches verantworten bei Gott, und solgsam kein Kind der Seligkeit werden, wann er nicht seinen Mitgespan von solcher Unthat sollte abmahnen, und ihm seine verübte Frechheit verweisen. Die Wort des Evangelisten lauten also: Einer aber von den Uebelthätern, die aufgehenkt waren, lästerte ihn etc. Der andere aber strafet ihn, und sprach: Du fürchtest auch Gott nicht, der du doch in gleicher Verdammnuß bist! Und wir zwar seynd billig darinnen, dann wir empfangen, was unsere Thaten verdient haben. Mit was Gewissen kann dann ein solcher Wirth und Hausherr, der mit Gärten und Spielplätzen seinem Gewinn suchet, zulassen und zuhören, wann einer und anderer in so entsetzliche Gotteslästerung ausbricht? er schuldig, bei Vermeidung der göttlichen Ungnaden solche vermessene Gesellen möglichst abzumahnen, oder gar aus dem Haus oder Garten zu schaffen.

Mich wundert, daß dergleichen gewinnsüchtige Leut so wegen eines zeitlichen Interesse's alles Uebel zulassen und gestatten, daß Gottes Ehr und Glorie und seiner heiligsten Sakramente Werth und Kraft so sehr verschimpft werde. Mich wundert abermal, daß sie nicht betrachten, daß hierdurch ihre Wirth- und Habschaft mehr geschmälert werde, als daß sie in ein Wachsthum und Aufnehmen komme; dann ein einiger böser und lasterhafter Mensch kann oft einem ganzen Haus den Segen nehmen.[64]

Gott der Herr hat seinem auserwählten Kriegsfürsten Josue versprochen, daß er ihm wolle seine Waffen bestens siegreich machen, wie dann erstgedachter Kriegsfürst solches hauptsächlich erfahren bei der Stadt Jericho, allwo durch sonderliche göttliche Beihülf die starke, dicke, feste Mauer von freien Stucken selbst zu Boden gefallen, und er, ohne Verlust eines einigen Manns, die Stadt und Inwohner überwunden. Wie er aber nachgehends mit seiner Macht vor das kleine Städtel Hay geruckt, welches kaum mit einer ziegeldicken Mauer umgeben war, und fast mit Schneeballen oder Schlüsselbüchsen hätte können bemächtiget werden, da hat der Josue nicht allein diesen so schlechten Lumpenort nicht bekommen, sondern ist mit samt den Seinigen noch spöttlich in die Flucht gejagt worden. Es konnte sich dessen aus allen niemand genug verwundern, warum sie dasmal das Glück verlassen? warum sie dasmal auf hochdeutsch eine Sau aufgehebt? Josue fallt auf seine Knie nieder, ersucht Gott mit weinenden Augen um die Ursach dieses Unsterns; vernimmt endlich von dem Höchsten, daß ein einiger schlimmer Schelm die ganze Ursach sey dieses Uebels, einer aus der ganzen Armee, benanntlich der Achan, welcher wider das göttliche Verbot zu Jericho einige Leut habe niedergemacht. Gedenke jemand, ein gottloser Mensch hat so viel tausend ins Unglück gestürzt. Betrachte jemand, ein lasterhafter Judas hat gemacht, daß schier bei einem Haar das ganze Schiffel samt den Aposteln wäre zu Grund gangen. Siehe jemand, ein Jonas hat verursacht, daß ein Wetter und Ungestüm[65] schier alle im Schiff hätte zu Grund gericht. Einer! Einer.

Und also ist es gar nichts neues, wann ein Wirth oder Hausherr nur einen in seinem Haus, Garten oder Wohnung leidet, der da gottlos und forderist ein Gotteslästerer ist; nichts neues ist es, daß der Segen vom Haus weiche, das Unglück einziehe, die Wirthschaft den Krebsgang nehme, der Beutel wurmstichig werde, und auch das zeitliche Wohlergehen allerseits die Schwindsucht bekomme.

Wann das schwarze und trübe Gewölk den Himmel überzieht bei nächtlicher Weil, wann Sturmwind und Ungewitter die Wolken unter einander treiben, wann Blitze und Donner sich häufig sehen und hören lassen, da wird man wenig Stern am Himmel abnehmen. Also, wann in einem Haus nichts als Fluchen, Schwören, Gotteslästern, ja stetes Donnern und Hageln zu allen Worten gesetzt wird, so wird man wenig Glück und Stern erfahren. Robertus, König in Frankreich, hat einst mit gebogenen Knien, mit aufgehebten Händen ganz eiferig bei Gott dem Herrn angehalten um einen lieben und gewünschten Frieden in seinem Land; dem aber Christus der Herr sichtbarlich erschienen, und ihm, dem König Roberto, angedeut, daß in seinem Reich kein Friede zu hoffen sey, bis er neben anderen Sünden forderist das Gotteslästern ausrotte. Weder Fried, weder Glück, noch Segen, weder Nutzen noch Fortgang, weder Heil noch Wohlfahrt, weder etwas anders Gutes, was Namen es immer haben kann, wird bei demjenigen seyn, der das Fluchen und Gotteslästern zuläßt; dessentwegen[66] seyen gewarnet alle diejenigen, welche allerlei unnütze Bursch, absonderlich die Spieler in ihren Gärten aufhalten, bei denen das Gotteslästern fast niemalen ausbleibt.

Ungeacht daß in dem Garten viel Uebels mit dem Iscarioth gestiftet wird, unangesehen, daß in dem Paradeisgarten die böse Schlange allda ihr erstes Gift hat ausgossen, so soll man diese nicht gänzlich verwerfen, als die da dem Menschen zu einer nutzlichen und zuläßigen Ergötzlichkeit dienen, zumalen auch bekannt ist, daß Gott der Allmächtige selbst im Garten spazieren gangen, laut göttlicher heil. Schrift, dann wie Adam gesündiget, und wider den Willen des Allerhöchsten gehandlet, da ist Gott im Paradeis in kühler Luft spazieren gangen. Greg. Nazianzenus, ein großer heiliger Lehrer, hatte gar einen schönen Lustgarten, und darin einen annehmlichen Quellbrunnen, samt einem schattenreichen Wäldel, worinnen er zuweilen pflegte zu spazieren, und eine frische Luft zu schöpfen; als ihm solches etliche nasenwitzige Gesellen vorgeworfen, und fast ein Aergernuß hierüber genommen, in Erachtung, daß er in so großem Ruhm und Ruf der Heiligkeit sey, so gab er ihnen folgende kurze Antwort: »Quid? an ne respirare quidem, Christianis licet? Was meint ihr? soll dann ein Christ nicht auch ein wenig verschnaufen dürfen?« Es ist kein Tempel, der nicht einmal Kirchweih hat; es ist keine Woche, die nicht einmal Feierabend hat; es ist keine Musik, die nicht einige Pausen hat; es ist kein Acker, der nicht einmal ein Brach feiert; es ist kein Feldstuck, das man nicht[67] abkühlen läßt; es ist keine Zitter noch Laute, wo man nicht die Saiten nachlasset; hat doch unser lieber Herr selbsten, weil er matt und müd gewesen, sich bei dem Brunnen niedergesetzt, daselbst einige Rast und Ruhe genommen, sogar von der Samaritanin einen frischen Trunk begehret, sich damit ein wenig zu ergötzen.

Sehr viel Wundersachen haben sich ereignet bei dem herrlichen Eintritt Christi nach Jerusalem, welcher geschehen ist den 20. Martii, an einem Sonntag; erstlich ist ihm eine unglaubliche Menge der Leut, gegen eine halbe Stund lang, entgegen gangen, so alle mit unglaublichen Freuden ihn empfangen, worunter sehr viel kleine Knaben, welche den Weg mit Palm-und Oelzweigen bestreuet, und soll, nach Aussag Menochii, ein Baum, wovon sie dergleichen Zweige abgebrochen, auch nach der Zerstörung Jerusalems über hundert Jahr unversehrt geblieben, sogar läßt sich Gott von den Bäumen nichts umsonst thun. Mehr hat die Eselin, worauf der Heiland gesessen und geritten, ihre Fußstapfen sogar in die harten Felsen, Marmor und Kieselsteine eingedruckt. Madavil. cap. 8. Item, wie der Herr abgestiegen und in den Tempel eingetreten, da hat sich die Porte des Tempels, die von lauter Cypreßholz gemacht war, von freien Stücken selbst eröffnet. Villamont. Sect. 2. Item, so haben sogar die unmündigen Kinder, so etwan erst etliche Wochen alt, durch ein Wunderwerk angefangen zu reden, und überlaut aufgeschrien: »Benedictus qui venit, Gebenedeit ist, der da kommt in dem Namen des Herrn etc.,« worauf der Prophet schon längst gezielet hat: Ex ore infantium[68] et lactantium perfecisti laudem tuam. Neben vielen anderen schreibt der Evangelist, daß unser Herr ihm durch die Apostel habe zuführen lassen eine Eselin samt dem Füllen, und ist der meisten Lehrer Aussag, daß er auf beiden sey geritten, das ist, auf einem, und nachmals auf dem andern, aber warum dieß? indem der Weg von Bethania gar nicht weit von Jerusalem, also hätt ihn die Eselin gar leicht alleinig können tragen; freilich wohl, aber der Herr hatte ein Mitleiden mit dem armen Thier, und darum hat er es wollen verschnaufen lassen, und nicht zu stark übertreiben.

Wann nun unser menschliche Leib nach Aussag des heil. Pachomii und des seraphischen Francisci nichts anders ist, als ein Esel, der sich zu dem Dienst Gottes brauchen läßt, so ist auch billig, daß wir denselben zuweilen lassen verschnaufen, ist recht, ja nothwendig, daß wir ihm auch einige Rast und zuläßige Ergötzlichkeit vergönnen, legt sich doch zuweilen ein Hund nieder, und strecket alle Viere von sich, nachdem er eine Weil mit und vor seinem Herrn gelaufen, damit er nachgehends den übrigen Weg noch vollbringen möge; pflegt man doch einen Wagen, so bergauf gezogen wird, von hinterhalb mit einem großen Stein oder Prügel zu arrestiren und aufzuhalten, bis unterdessen die Pferd oder Ochsen verschnaufen. Warum soll sich der Mensch, dessen Leib von keinem Marmor oder Eisen, nicht auch einige Rast vergönnen, zumalen Gott selbsten, nachdem er die Welt und alles in der Welt aus nichts erschaffen, sich einen Rasttag gemacht hat, vermög der heil. Schrift, die da sagt,[69] und er ruhete am siebenten Tag von allem Werk, das Gott erschaffen hat.

Weil eine größe Theuerung eingefallen, also mußte nothwendiger Weis' der Isaak in ein anders Land gehen, wie er sich nach Gerara zu dem Abimelech begeben, weil aber seine Frau, die Rebekka, ein inniglich schönes Weibsbild war, also hat er solche für seine Schwester ausgeben, aus Furcht, wann er selbe sollt für sein Weib halten, daß nicht etwan ein oder der andere saubere Gesell daselbst ihm möchte den Rest geben, damit sie hernachmals er bekommen könnte; was ist doch für ein Elend mit einem Weib, ist sie schändlich, wüst und ungestalt, so möcht einem selbst davor grausen ob einem solchen Schmierkübel; ist sie schön und wohlgestalt, so ist er vor denen Accessisten nicht sicher. Indem sich nun Isaak eine Zeit lang zu Gerara hat aufgehalten, da hat der Abimelech zum Fenster hinaus geschaut, und wahrgenommen, daß der Isaak mit seiner Rebekka ganz freundlich gescherzet.

Lyranus schöpfet aus dieser Geschicht eine sittliche Lehr, und spricht: daß durch den Isaak der Geist oder die Seel, durch die Rebekka aber caro, das Fleisch, oder der Leib könne verstanden werden, weil diese beede zusammen gehören, benanntlich Leib und Seel, weil sie, wie Isaak und Rebekka mit einander hausen müssen, so gehet es schon hin, ja es geschieht recht und wohl, wann zuweilen der Geist dem Leib, gleichwie Isaak der Rebekka, auch schön thut, und ihn in etwas liebkoset, welches da geschieht durch eine zuläßige Ergötzlichkeit.

Wie die Apostel auf eine Zeit zu unserm Herrn[70] von ihren Verrichtungen wieder seynd zuruck kommen, und alles umständlich erzählet, was sie Gutes geschafft haben, da hat sie unser lieber Herr an einen einsamen Ort, wo alles schön grün und annehmlich war, geführet, und ihnen anbei befohlen, sie sollen eine Weil ruhen, pausiren, verschnaufen und sich erquicken: »Venite seorsum et requiescite pusillum.« Allzubekannt ist jene Geschicht mit dem heil. Evangelisten Joanne, welcher sich eine ziemliche Zeit in der Wüste und Einöde aufgehalten, und daselbst allerlei wunderbarliche Offenbarungen von Gott gehabt; zu diesem ist auf eine Zeit ein Edelmann kommen, welcher sich in dem dicken Gehölz wegen des Wildpräts vergangen, und als dieser bei seiner Ankunft wahrgenommen, daß gleich dazumalen dieser Eremit mit einem Rebhündel gescherzt, dasselbe etlichemal über den Rucken gestrichen, und allerlei Gespäß mit dem Thierl gehabt, also konnte er sich dessen nicht genugsam verwundern, fragt endlich den einsamen Waldbruder, wer er sey? und als er vernommen, daß er der Joannes, so kam ihm solches noch seltsamer vor; ich, sagte er, habe allezeit vermeint, Joannes sey ein eingefleischter Engel, sey eine pur lautere Heiligkeit, sey ein Abriß vom Himmel selbst, aber jetzt finde ich, daß er ein Mensch sey, gleich mir und andern, jetzt sehe ich, daß er nicht allezeit bete, betrachte, lese und verzuckt sey, sondern auch mit einem Gespäß die Zeit vertreibe; worauf Joannes, die gute Domination, den nasenwitzigen Junker befragt, was er auf dem Rucken trage? er antwortet einen Bogen; was er damit mache? er sagt, daß er ihn brauche zum Wildprät schießen;[71] warum er solchen nicht allezeit gespannet habe? bei Leib nicht, sprach er, er würde mir gar zu schwach, und folgsam untauglich, also muß ich ihn zuweilen nachlassen; gut, sagt der heilige Mann, gar recht, wiederholte der heilige Joannes, auf solche Art ist auch der Mensch genaturt und beschaffen, wann er allzeit und ohne Unterlaß sollt arbeiten, beten, betrachten, lesen, schreiben etc., so würde der aus Leim zusammen gepappte Leib so schwach, daß er inskünftige untüchtig, würde zu allen Sachen, also ist vonnöthen, daß man demselben auch einige Ergötzlichkeit vergönne, ihm zuweilen einen zuläßigen Gespäß nicht versage, und zu seiner Zeit in etwas verschnaufen lasse.

Unter andern aber ehrlichen Ergötzlichkeiten ist fast die beste und bequemste der Spaziergang in einem Garten, allwo man mitten unter den Grillen kann die Grillen vertreiben; mein heiliger Vater Augustinus nennet solche Unterhaltung in der Grüne Innocentes delectationes, in dem 40. Psalm, unschuldige und schuldige Belustigungen; so lang unschuldig, wie lang bei den Rosen keine groben Knöpf sich einfinden; so lang unschuldig, wie lang hinter den Spalieren keine Spolierer anzutreffen seyn; so lang unschuldig, wie lang die Blumenbettel zu keinem Mittel werden; so lang unschuldig, wie lang bei den Nußstauden kein Aergernuß geschieht; so lang unschuldig, wie lang der Calabri ohne Rabenvieh ist; so lang unschuldig, wie lang die Grotten ohne freche Krotten bleiben; so lang unschuldig, wie lang die Lusthäuser keine Lasterhäuser werden; so lang unschuldig, so lang die Stauden ohne Stucken sind; so lang unschuldig, wie lang der Garten[72] kein Irrgarten wird. Innocentes delectationes, solche unschuldige Erlustigungen können geschehen in dem schönen Garten zu Salzburg, in dem schönen Gatten zu Feldsburg, in dem schönen Garten zu Olmütz, in dem schönen Garten zu Berlin, in dem schönen Garten zu Dresden, in dem schönen Garten zu Darmstadt, in dem schönen Garten zu Pozau, in dem schönen Garten zu Durlach, in dem schönen Garten zu Weimar, in dem schönen Garten zu Schlackenwerth, in dem schönen Garten zu Eichstädt, zu Baireuth etc., absonderlich in so vielen schönen Gärten um die herrliche Wien Stadt; in allen diesen ist eine ehrliche Ergötzlichkeit, eine manierliche Zeitvertreibung, eine wohlgebärdige Unterhaltung zuläßig und erlaubt, wann man nur nicht darin Gott beleidiget, wie Judas in dem Garten.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ, oder eigentlicher Entwurf und Lebensbeschreibung des Iscariotischen Böswicht. 7 Bände, in: Abraham a St. Claraߣs Sämmtliche Werke, Band 7, Passau: Friedrich Winkler, 1834–1836, S. 51-73.
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