Judas Iskarioth wegen der Leut ihrer Reden thut das Gute unterlassen.

Gewiß ist es, daß, wie dieser geldgierige Gesell am Mitwoch mit den Hohenpriestern wegen der Verrätherei schon paktiret hat, daß ihm der gebenedeite Heiland noch allerlei gute Gedanken eingeben, wodurch der gottlose Böswicht hätte sollen von seinem verdammten Vorhaben abstehen, daß er aber hierin so halsstarrig verblieben, hat solches der leidige Satan, mit welchem er, wie etliche davor halten, wirklich besessen war, auf mögliche Weise verhindert, unter andern ihm vorgemalt, daß, wofern er seinem Versprechen nicht sollte oder wollte nachkommen, so würde er bei den Leuten, forderist bei der gesamten jüdischen Klerisei in ein schlechtes Konzept gerathen, als die ihn für einen einfältigen Skrupulanten werden gehalten: ja etliche gar für einen schlechten Kerl, als der sein Wort nicht halte etc. In Erwägung dessen hat er die Bekehrung unterlassen, und ist der ärgste Böswicht worden.

Was leidet nicht wegen der Leut die Kirche? Was leidet nicht wegen der Leut die Tugend? Was leidet nicht wegen der Leut die Seel? Was leidet nicht wegen der Leut der Himmel? was leidet nicht[3] wegen der Leut Gott gleichsam selbsten? Job leidet vom Teufel, Pharao leidet von Fröschen, Schauer, Käfer etc. Herodes leidet von Würmern, die Knaben zur Zeit Elisäi leiden von Bären; Paulus leidet von Schlangen, aber unter den Leuten leidet fast ein jeder wegen der Leut. Es ist ganz gemein, daß man sagt, ich wollte gern so und so leben, aber mir ist nur wegen der Leut, was würden diese sagen? Ei so Leut!

Es ist wohl wahr, daß die Kleiderpracht den göttlichen Augen sehr mißfalle, wessenthalben Christus der Herr Joannem in der Wüste nicht ein wenig herfür gestrichen, um, weil er einen so schlechten Aufzug von Kameelhaaren gehabt, entgegen ist jene große et caetera in apocalipsi, verdammt worden, meistens wegen der Kleiderhoffart. Es ist wohl wahr, daß unsere ersten Eltern von dem allmächtigen Gott selbsten seynd gekleidet worden, nicht aber im Sammet und Seiden, welche doch dem Höchsten nicht gemangelt, sondern in schlechten Schaffellen. Es ist wohl wahr, daß auch gekrönte Häupter und große Monarchen die äußerliche Kleiderpracht gehaßt haben: Kaiser Aurelianus hat gar nichts von Seide getragen, wenig von Silber und Gole, auch solche zu tragen der Kaiserinn selbst verboten. Karolus Quintus, dieser unüberwindliche Herkules der Welt, ist in gemeinen wollenen Kleidern aufgezogen, dergleichen sich der Zeit etwan ein Bürger schämte. Ludovikus IX., dieser sieghafte König in Frankreich, hat sich so gemein in den Kleidern gehalten, daß man ihn fast nicht von dem Pöbel konnte unterscheiden. Es ist wohl wahr, daß eine vom Gold gestickte Schabracke oder Decke[4] das Pferd nicht besser mache. Es ist wahr, daß S.V. ein Misthaufen im Winter nicht darum mehr ist, weil er mit dem schönen weißen Schnee verhüllt ist. Es ist wahr, daß ein Buch nicht dessentwegen höher zu schätzen, weil es in Sammet eingebunden, und einen guldenen Schnitt hat, also folgsam dem Menschen nicht mehr Ehr zuwachse, um weil er in kostbaren Kleidern daherprangt.

Ich muß bekennen, der stattliche und theure Prokat thut dermal einem manchen armen Bettler einen guten Brocken abstehlen, wegen der überflüssigen langen Röcke kommt jetzt mancher Bettler zu kurz, die silbernen und guldenen Spitz stechen die armen Leut nicht ein wenig, der Ueberfluß der Kleider ist eine Ursach des großen Abgangs bei den Armen etc. Wie wird sich einmal die Seide schämen, wann am jüngsten Tag die armen Bettlerjoppen sie bei dem gerechten göttlichen Richter wird anklagen.

Ueber alles dieses muß ich auch gestehen, daß die zwölf Apostel, obschon zwölf Fürsten der Kirche, in ganz gemeinen Kleidern aufgezogen, ja sogar der hl. Bartholomäus, so von königlichem Geschlecht herstammt, ganze fünf und zwanzig Jahr ein Kleid getragen. Der hl. Eremit Paulus hatte keinen andern Mantel als von Palmenblättern geflochten, nach dessen Tod besagten Mantel der hl. Antonius in so großem Werth gehalten, daß er denselben nur an vornehmen Festtagen an Statt des Gallakleides gebraucht hat.

Ich weiß auch gar wohl, daß, wie der gottselige und sieghafte Kaiser Heraklius das hl. Kreuz, so lange Zeit in Persien gewest, wieder nach Jerusalem[5] gebracht, und selbes auf seinen Achseln wollen auf den Berg Kalvariä tragen in einer stattlichen großen und volkreichen Prozession, da hat der gute Monarch bei der ersten Porte müssen still halten, und konnte durch sonderliche göttliche Macht nicht einen Tritt weiter thun, bis er den prächtigen kaiserlichen Habit und Aufzug, so in Sammet, Seide, Gold und Kleinodien etc. bestanden, hinweg gelegt, und in einen rauhen härenen Sack geschloffen, mit welchem Kleid er nachmals ohne fernere Hindernuß das heilige Kreuz hinauf gebracht. Officium St. Cruc. Aus welchem Allem sonnenklar erhellet, daß die Kleiderpracht den göttlichen Augen höchstens mißfalle. Alles dieses ist wahr, alles dieses weiß ich, und wollt ich von Herzen gern in gemeinen Kleidern aufziehen, damit ich nur Gottes Gnade nicht verscherze oder verliere, aber wann ich nur sollte in einem gemeinen kräuerischen Zeug oder schlechten Kronrasch daher gehen, was würden die Leut sagen?

O läppische Furcht! laß die Hund bellen, laß die Gais gemecketzen, laß die Schaaf blärren, laß die Säu kürren, laß die Gäns schnattern, laß die Hennen gacketzen, laß die Tauben gurucketzen, laß die Katzen gemaucketzen, laß die Hühnl pipitzen und laß die Leut reden. Ihr Reden sticht dir die Augen nicht aus, wie der heil. Luzia. Ihr Neben schneidt dir die Nasen und Ohren nicht ab, wie dem heil. Martiali zu Korduba. Ihr Reden bricht dir die Zähne nicht aus, wie der heil. Apollonia. Ihr Reden reißt dir die Zunge nicht aus, wie der heil. Basilisse zu Rom. Ihr Reden schlägt dir den Kopf nicht ab, wie dem[6] heil. Paulus. Laßt die Leut reden, die Leut werden am jüngsten Tag für dich Antwort geben; die Leut werden für dich nicht in die Höll steigen; die Leut werden für dich nicht ewig leiden, und warum, willst du wegen der Leut das Gute unterlassen, und das Böse wirken? Wie der heil. Franziskus alle üppige Kleiderpracht hinweg geworfen, und einen rauhen spissigen Sack angelegt, auch zu allen Zeiten baarfuß gangen, da haben die Leut auch geredt, etliche sogar haben seinen Wandel ausgehöhnt und verlacht, aber dieser Leut halber hat sich Franziskus nicht lassen abwendig machen; sein rauhes Bußkleid hat er wegen der Leut Reden nicht ausgezogen, obschon solches dazumal von etlichen veracht worden, so ist es doch der Zeit in so hohem Preis, daß auch gekrönte Monarchen sich glückselig schätzen, wann sie nur etliche Faden von dem Kleid des seraphischen Vaters in ihren Händen haben. Laß die Leut Leut seyn.

Schändlich und sehr übel stehet es, wann man in den Kirchen und Gotteshäusern sich ungebärdig haltet, und unnützes Geschwätz verführet. Unser lieber Herr ist einmal, als es Kirchweih war in dem Vorhof oder Vorgang des salamonischen Tempels, hin und her spazieren gangen. Ambulabat in templo in porticu etc., könnt wohl jemand fragen und sagen: warum ist Christus nicht in den Tempel hinein gangen, und daselbst seine Andacht verrichtet? Aber höre diese Ursach, der gebenedeite Heiland hat schon, vermög seiner göttlichen Allwissenheit, vorgesehen, daß die Hebräer ihn werden anreden, und allerlei Geschwätz unter einander machen, darum hat er ihrer vor dem Tempel heraus gewartet,[7] dadurch zu zeigen, daß man in den Kirchen- und Gotteshäusern nicht soll unnützlich schwätzen und plaudern. Freilich stehet es nicht wohl, wann man in dem Haus Gottes von seiner eigenen Hauswirthschaft reden thut. Uebel stehet es, wann man in dem Tempel vom sauren Plempel einen Diskurs führet. Ungereimt stehet es, wann man unter dem Gottesdienst von Dienstboten schwätzen thut. Schändlich stehet es, wann man an dem Ort, wo das schneeweiße Lamm Gottes aufgeopfert wird, gar einen Bocksdiskurs führet, und buhlerische Reden vorbringt. Sündlich ist es, wann man von der Taberna redet, wo Gott seinen Tabernakul hat. Verdammlich ist es, wann man in der Kirche an Statt der Schlußgebetel die Augen hin und her schießen läßt, um zu sehen, wo ein und anderer Gallus und Galan stehet, mit dem man die Zeit vertreiben kann. Schändlich und mehr als schändlich ist es, wann einer nur ein Knie in der Kirche beugt, und gleichsam eine Postur macht, als wollt er einen Hasen schießen. Fürwahr bei dem Evangelisten Lukas lieset man, daß unser lieber Herr auf dem Oelberg, als er das Gebet zu seinem himmlischen Vater verricht, nicht habe nur ein Knie sondern alle beide auf die Erd fallen lassen, Positis genibus etc. Der heil. Paulus spricht sogar, daß zu dem Namen Jesu die verdammten und bösen Geister ihre Knie beugen in der Höll: Omne Genu flectatur, etc. Infernorum etc., ja nach Aussag des heil. Vinzentii Ferrerii hat zu Rom ein Teufel in sichtbarer Gestalt einem jungen Kerl in der Kirche einen harten Backenstreich versetzt, um weil er bei der Aufwandlung[8] des höchsten Guts nicht mit beiden Knien niedergekniet, auch anbei sich dieser verdammte Geist vernehmen lassen, wann Christus aus tausend und tausend Gutthaten, die er euch Menschen gibt und geben hat, uns nur eine einige mittheilet, so wollten wir ihm Tag und Nacht unaufhörlich auf den Knien aufwarten. Solcher Gestalt konnte der Teufel schon eine Kinderlehre halten.

Spöttlich und mehr als spöttlich ist es, wann einer sich schämt, einen Rosenkranz in der Kirche zu tragen; ein solcher hält wohl nicht so viel auf seinen Rosenkranz als der fromme und heiligmäßige Antonius de Robes, aus dem Orden des hl. Franzisci, als dieser auf eine Zeit nach der Stadt Vincenza gangen, unterwegs aber von einem Platzregen überfallen worden, und weder Haus noch Baum vorhanden, wo er konnte sicher unterstehen, da hat er seinen Rosenkranz auf den Kopf gelegt, und also in den größten Regen bis nach Vincenza kommen, gleichwohl von keinem einigen Tropfen berührt worden.

Wild und mehr als wild ist es, wann einer eine ganze Zeit in der Kirche herum gafft, und folgsam den ausschweifigen Gedanken mit allem Fleiß ein Ladschreiben schickt. Cäsarius schreibt, daß einem solchen ein Kruzifixbild, so vom Kreuz herunter gestiegen, einen so harten Backenstreich versetzt, daß er hievon den dritten Tag gestorben. O mein Gott! wann ein jeder, der sich ungebärdig in der Kirche haltet, sollt eine Goschen bekommen, wie viel würden mit blauen Augen gesehen werden. Der heil. Arsenius hat alle Samstag vom Abend an bis zur Sonne Aufgang auf[9] gebogenen Knien seine Augen stets gegen Orient gewendet. O lieber Gott! jetzt gibt es viel, die in der Kirche nicht ein Vater Unser lang den Altar anschauen.

Freilich soll ein rechter Christ in den Kirchen die Händ zu Gott aufheben, wie Moses auf dem Berg, er soll an das Herz klopfen; wie ein offener Sünder in dem Tempel; er soll zu dem Allerhöchsten seufzen wie die Anna, Samuelis Mutter; er soll sich auf sein Angesicht niederwerfen, wie Jesus der Heiland selbst, procidit in faciem suam; er soll mit ausgespannten Armen beten, wie Christus am Kreuz für seine Feind, dann wann das Gebet ein Pfeil ist, so gegen Himmel abgedrückt wird, so reimt es sich gar wohl, daß an Statt des gespannten Bogen die Arme ausgespannt werden.

Freilich ist alles dieses gut, ist recht, ist löblich, ist nutzlich, ist heilig etc., aber ich bin ein junger Edelmann, wann ich dergestalten mich in der Kirche sollt verhalten, was würden die Leut sagen? Sie würden sagen, ich seye ein lauterer Pfaff, ein lauterer Mönch etc., laß sagen. Wann der Mond voll ist, so pflegen gemeiniglich die Hund bei nächtlicher Weil denselben anzubellen, aber derenthalben lasset dieses Himmelslicht weder den Schein noch seinen Lauf: Wann du voller Andacht bist, und etliche derentwegen über dich schmählich reden, laß bellen, ein anders ist bellen, ein anders ist beissen; wann sie sagen, du seyest ein Pfaff, so sagt der Echo: Aff, ein anderer soll ein Aff seyn, und dir derenthalben nachfolgen; gesetzt, es sagt einer oder der andere, du seyest ein lauterer Betbruder; soll[10] dann dieß eine Schand seyn? Dem heiligen Franzisko von Assis, Franzisko Xaverio, Franzisko Borgia, Franzisko Sales, Franzisko Olimpio, Franzisko a puero Jesu, Franzisko Senensi, Franzisko Ticino, Franzisko Cicho, Franzisko Brixiensi, Franzisko Ovaris, Franzisko Fabriano, Franzisko Scoto, Franzisko Peräsio, Franzisko Alvaretio, Franzisko a Duratio, Franzisko a Canobio, Franzisko a Cruce, Franzisko de Stanno, Franzisko Mediolanensi: die da alle lauter heilige und heiligmäßige Männer gewest etc., es ist nicht allein keine Schand gewest, daß sie in den Kirchen und Gottshäusern inbrünstig ihr Gebet verrichtet, ja in denselben gar oft von der Erde verzuckt worden, sondern sie werden derenthalben in allen Büchern, in allen Chroniken, auf allen Kanzeln gelobt und hervorgestrichen, ist also dir Signor Franzesko mehr ein Lob, als eine Unehr, wann etliche aus den Leuten dich einen Betbruder oder Mönch tituliren.

Das höchste Gut, als eine göttliche Wegzehrung, helfen begleiten zu den Kranken, ist fürwahr ein schönes auferbauliches Werk; Matthäus hat 28 Kapitel geschrieben. Markus hat 16 Kapitel geschrieben. Lukas hat 24 geschrieben. Joannes hat 21 Kapitel geschrieben, alle diese in den meisten Kapiteln ihrer evangelischen Verfassung geben schriftliche Zeugnisse, wie der Herr Jesus auf Erden von einem Ort zum andern gangen, und das göttliche Wort allenthalben ausgebreitet, da seye jederzeit ihm eine große Menge Volk turba copiosa zuweilen etlich tausend nachgefolgt, und ihm das Gleit geben.

Nun mein Gott! derjenige, den der Priester unter der Gestalt des Brods zu den Kranken trägt[11] ist eben derselbe, der im alten Testament den Israelitern in feuriger Säule bei nächtlicher Weil, den drei weisen Königen aber aus Orient im neuen Testament ein Stern für einen Wegweiser geben hat: Ist ebenderselbe, der im alten Testament das Wasser in Blut: Im neuen Testament das Wasser zu Kana in Wein verkehret hat: Ist ebenderselbe, der die Israeliter wunderbarlich mit dem Manna im alten Testament, und im neuen Testament mit fünf Brod und zwei Fischen fünftausend Menschen gesättigt hat, ist ebenderselbe, der im alten Testament den Sohn der Sunamitin, und im neuen Testament den Sohn der Wittib zu Naim von Todten erweckt hat. Ist ebenderselbe, der den syrischen Naam im alten Testament, und zehn andere im neuen Testament, deren neun das Deo gratias vergessen, vom Aussatz gereinigt hat: Ist ebenderselbe, der im alten Testament den Daniel aus der Löwengrube, und im neuen Testament den Peter aus der Gefängnuß erlediget hat; ist ebenderselbe, der im alten Testament dem Wallfisch befohlen, daß er den Jonam soll geben, und im neuen Testament dem Fisch geboten, daß er dem ersten Papste Petro das Geld soll spendiren: In Summa, derjenige, den der Priester unter der Gestalt eines weissen runden Zirkels zum Kranken trägt, ist ebenderselbe, der die runde Welt aus nichts erschaffen, ist unser Gott, unser Schöpfer, unser Erlöser, unser Richter etc. Ach wie kommt es dann, daß nach Aussage der Evangelisten dazumal im Judenland eine so große Menge Volk turba copiosa, allezeit mit ihm gangen, und dermal zuweilen kaum acht oder zehn Personen ihm das[12] Gleit geben, worunter meistens etliche alte Mütterl, die so keine Prozession zieren.

Die Astrologi unter die Gestirne des Himmels setzen allerlei Thier, benanntlich: Löwen, Krebsen, Fische, Stiere, Widder, Steinböcke etc., ich glaub wohl, wann sie das gewußt hätten, wie Orlandinus schreibt, in hist. S. Je. 1. 2. n. 27. was sich zu Salzan, einem Dorf, unweit Tarvisi in Welschland zugetragen, sie hätten dem Esel auch einen Ort in dem Himmelskreise vergönnt: Es hat im obbenannten Dorf einmal der Priester oder Seelsorger das allerhöchste Altargeheimniß zum Kranken getragen, dem aber kein einiger Mensch das Gleit geben, als allein ist ihm ein kleiner Knab vorgetreten mit einem Glöckl und brennender Kerze in der Latern, wie solcher Pfarrer, mit Namen Laurentius, seinen Weg genommen über ein Feld, worauf eine ganze Heerd Esel ihre Weide suchten, hat sich dieses Wunder ereignet, daß sich diese langohrige Thier alsobald in zwei Schaaren ausgetheilet, und beiderseits auf die Knie niedergefallen, bis der Priester nicht ohne höchste Verwunderung in Mitte deren hindurch gangen, nachmals haben sie sich alsobald aufgericht, und das allerhöchste Gut begleitet bis zu des Kranken Behausung, allwo sie vor der Thür heraus stehen geblieben, so lang bis der Seelsorger den Kranken mit dieser Himmelsspeis versehen, auch sogar das Haus nicht wollen verlassen, bis der fromme Geistliche ihnen die Benediktion und Segen ertheilet, nachdem sie gleichsam voll mit Freuden zu ihrer vorigen Weide gelaufen. Ich muß bekennen, diese Esel konnten uns wohl eine Lektion vorschreiben, und dürfte[13] sich keiner schämen, wann er sie für Präzeptores und Lehrmeister thäte aufnehmen, da heißt es wohl, was Job am 12. Kap. V. 7. spricht: Interroga jumenta et docebunt te? Frag die unvernünftigen Thiere, die werden dich lehren. Andere pflegen sonst aus den Händen, aber ich wollt einem gar gewiß aus den Füßen wahrsagen; wann ich sehe, daß Jemand gar eifrig gehet mit dem höchsten Gut, so man es zum Kranken trägt, so will ich ihm gar gewiß sagen und wahrsagen, daß er künftig zeitliches und ewiges Glück habe zu hoffen, ich will dermalen nicht wiederholen, was gestalten das habsburgische Haus sein Aufnehmen, und der österreichische Stamm sein glorreiches Wachsthum von dieser Andacht genommen habe.

Es ist Alles wahr, sagt eine, daß es sehr unlöblich stehe, ja fast ärgerlich scheine, wann der Priester mit unserm wahren Gott in Begleitung nur drei oder vier alten Mütterl zu dem Kranken gehet, worüber unsere Glaubenswidersacher selbst gar schmählich reden, ich bekenne, ich hab gar oft Zeit und Weil genug, und hindert mich nichts, daß ich nicht konnte diesem meinem Heiland, den ich mir auch einmal barmherzig wünsche in meinem Sterbstündlein, auf etliche Schritt, das Gleit geben, aber es ist mir nur wegen der Leut, wie werden die Leut schauen, was würden die Leut sagen?

Sie werden etwan sagen, ich seye eine Gleißnerin, ich könnte unter der Zeit wohl auf die Wirthschaft schauen, und sehen, daß unter die Knecht und Mägd kein Ritscher komme etc, werden sie das sagen?[14] so laß sagen, dieß Sagen wirft dir Haus und Hof nicht zu Boden, wie dem Job geschehen, laß sagen: dieß Sagen verderbt dir nicht die Getreidfelder, wie denen Philistäern geschehen; laß sagen, dieß Sagen nimmt dir nicht Silber und Gold weg, wie denen Egyptiern geschehen: laß sagen, dieß Sagen stürzet dir nicht deine Schwein ins Meer, wie den Gerasenern geschehen: Was werden die Leut sagen? Die Frommen werden dich derenthalben loben, ja Gott wird dich dessentwegen lieben, die Engel werden dir darum besser beistehen, die Heiligen werden der Ursach halber dir mehr gewogen seyn, der Himmel wird dich dessenthalben besser segnen, deine Verdienste werden um desto mehr wachsen etc., so werden dann nur etliche, bei denen das Licht, wie den Nachteulen, zuwider ist, wider dich etwas sagen, so laß sagen, was achtest du etliche, seynd doch weit mehr, die dich derenthalben loben, ja viel, die etwan ungereimt von dir reden, denken weit anders im Herzen, und müssen über Willen bekennen, daß du einen rechten christlichen Wandel führest.

Was hat man geredt von dem jetzt regierenden König in Spanien, Karolo sekundo, wie er anno 1685 am Feste des heiligen Martyrers Sebastiani, wegen des dazumal annehmlichen Wetters, nach Mittag sich samt der meisten Hofstatt aus Madrid begeben, eine frische Luft zu schöpfen, als er wahrgenommen, daß ein Priester, samt einem Kleriko, das höchste Gut zu einem kranken Gärtner getragen, da ist er alsobald aus seinem Leibwagen herausgesprungen, dem Priester in allweg knieend seinen Wagen[15] anerboten. Nachdem solcher nach vielem Weigern hineingesessen, da hat Ihro Majestät der König selbst das Thürl zugemacht, neben demselben Wagen zu Fuß gangen, mit bloßem Haupt bis zu des Gärtners armer Hütte, allwo er mehrmals eigenhändig das Thürl aufgemacht, dem Priester herausgeholfen, mit ihm zu dem Bett des armen Gärtners getreten, allda so lang auf der Erde mit den Knieen verharret, bis der Priester sein Amt vollkommentlich vollzogen, alsdann hat er dem Gärtner ein reichliches Allmosen mitgetheilt, und ihm versprochen, nach dem Tod seine einzige hinterlassene Tochter mit einem ergeblichen Heirathsgut zu versehen, über solches den Priester wieder in seinen eignen Leibwagen begleit. Was haben dazumal die Leut gesagt? Sie haben nichts können sagen vor lauter Weinen, männiglich seynd die Augen im Wasser gestanden, einer hat mit aufgehobenen Händen sich theils verwundert, theils Gott gepriesen, daß sie einen so frommen und auferbaulichen König haben; viel tausend Personen haben diesem Eifer nachgefolgt, und auch dem unter der Gestalt des Brods verhüllten Gott das Gleit geben.

Was würden die Leut reden? Wie wurden die Leut schauen? Laß in Gottes Namen schauen, ihre Augen seynd keine Basiliskenaugen, die dich möchten vergiften; ihre Augen seynd keine Brenngläser, welche dir thäten eine Blattern aufziehen. Laß schauen; schaut doch eine Kuh auch ein neues Stadelthor an, laß schauen, dieß Schauen ist kein Schauer, welcher dir alle Erdfrüchte verdirbt; laß schauen, dieß Schauen ist keine Schaufel, die dich unter die Erde gräbt! laß[16] schauen, und lebe du also fromm, daß du nach deinem Tod magst Gott ewig anschauen.

Sich an seinem Feind, von dem man einen großen Affront bekommen, nicht rächen, ist freilich wohl ein großes und Gott wohlgefälliges Werk; wie der alte Isaak bereits wahrgenommen, daß sein Leben zu Ende gehe, da hat er noch seinen Sohn Esau ersucht, er wolle ihm doch die kindliche Lieb erweisen, und um ein Wildprät umschauen, er sey ohnedem ein guter Schütz, also kein Zweifel, daß er nicht bald einen Hirschen oder Rehbock erhaschen werde. Sey ihm wie ihm wolle, für alte und forderist kranke Leut ist das Wildprät gar nicht gesund, ein Pannätel, ein Gärstl, eine Suppe etc. taugten besser für dich, mein lieber alter Tättel, als ein Wildprät, aber Isaak verlangte halt ein Wildprät und nichts anders, dann er sich verlassen hat auf seinen guten Magen, und getrauete sich gar wohl ein Wildprät, was es nur für eines möchte seyn, zu verdauen.

Gut ist es, nützlich ist es, ja heilig ist es, mann einer einen so guten Magen hat, daß er kann nicht ein Wildprät sondern eine wilde Red verdauen, verkochen, und thut sich nicht rächen an demselben, der übel von ihm geredet hat, nach dem Exempel unsers gebenedeiten Heilands selbst, welcher noch den verrätherischen Judas nach empfangenem falschen Kuß einen Freund benamset hat, der hundertmal hätte sollen ein Schelm geheißen werden: Amice ad quid venisti?

Wie Moses, der große Mann Gottes, die Israeliter durch die Wüste geführt, da haben sie einmal[17] drei Tag keinen Tropfen Wasser angetroffen, welches dem Volk fast unerträglich, vorkommen, sie seynd zwar zu einem Wasser kommen, aber dasselbe war so bitter, daß es kein Mensch konnte genießen, wessenthalben ein so großes Murren und Schmähen erstanden wider den Moses, bis endlich dieser ein gemisses Holz bekommen, welches ihm Gott der Herr gezeigt, sobald er solches in das Wasser hinein gelegt, da ist solches gleich in das beste und süßeste Brunnquell-Wasser verändert worden, also, daß männiglich nach bestem Vergnügen konnte damit den Durst löschen.

Es geschieht nicht selten, daß einer von diesem und jenem schimpflich angegriffen wird, und eine große Unbild empfand, worüber er, wie es dann menschlich ist, sich erzürnt, und ganz erbittert wird, auch sich vornimmt, sich gänzlich zu rächen, wann aber ein solches erbittertes Gemüth gedenkt an das Holz, worauf der Herr Jesus selbst für seine Feinde gebeten: »Pater ignosce etc., Vater, verzeihe ihnen, dann sie wissen nicht, was sie thun.« Dieses Kreuzholz sollte billig ein verbittertes Gemüth dergestalt versüßen, daß alle Rachgierigkeit verschwinde.

Es sollte einen freilich schrecken jenes, was Cäsarens registrirt, daß einer habe wollen aus Andacht die Wunden eines Kruzifixbildes küssen, weil er aber eine große Feindschaft gegen einen getragen, und in allweg dahin gebracht, sich zu rächen, so habe das hölzerne Bild die Arm vom Kreuz herabgelöst, und diesem einen solchen Widerstand gemacht, daß er die heil. Wunden nicht küssen konnte.

Unter allen guten Werken ist keines in so großem[18] Werth, als seinem Feind verzeihen, dieses gilt absonderlich viel bei unserm Herrn. Sonst pflegen wir zu sagen, daß Christus der Heiland im Himmel sitze zu der rechten Hand seines himmlischen Vaters, aber wie der heil. Erzmartyrer Stephanus gelitten hat, da ist Christus im Himmel aufgestanden: Video Jesum stantem; und zwar darum, wann eine Komödie ist, pflegen die Leute gemeiniglich zu sitzen, so aber in derselben eine absonderliche schöne Aktion hervorkommt, welche den Zusehern besser gefällt, da stehen sie meistentheils auf. Wie dann Stephanus gelitten, und gleich dazumal er für seine Feinde, die ihn versteinigt, gebeten, dies hat Christus dem glorreichen Heiland also Wohlgefallen, daß er derenthalben im Himmel aufgestanden, der sonst auf der rechten Hand seines himmlischen Vaters gesessen ist. So weiß ich auch, daß im alten Testament der große Mann Elias durch sondere göttliche Vorsichtigkeit ist durch die Raben gespeist worden in der Wüste, es ist doch viel, daß ein Galgenvogel so freigebig ist. Als aber ein andermal der heil. Mann sich mußte in die Wüste reteriren, wegen Verfolgung der stolzen Jezabel, welche eine rechte Konvoi von einem Teufel gewest, er aber ihr, dieser höllischen Furie, vom Herzen verziehen, da wollt mehrmal ein Rabe den Elias mit Speis' versehen, aber diesem hat gleich ein Engel vom Himmel auf den Schnabel geschlagen, und an Statt seiner bei dem Elias einen Kontralor abgeben, in Erwägung, daß der Mann Gottes seiner ärgsten Feindin verziehen, und sich nicht gerächt, dem sonst gar gern alle Elemente wären an die Hand gangen, die Bestia zu züchtigen.[19]

Es ist sonst bei den Leuten eine Gewohnheit zu reden: »Verzeih mir's Gott!« Ich hab erbärmlich gescholten, wie mich der Kutscher umgeworfen, und ich wie ein Haas im Pfeffer gelegen, verzeih mir's Gott! Verwichen, als unser etliche beisammen gewest, da hab ich wohl zu viel gesoffen, verzeih mir's Gott! Vor diesem, weil ich bin jünger gewest, da hab ich wohl allerlei Ränd angefangen, und bin bald auf Magdeburg, bald auf Frauenhosen verreist, verzeih mir's Gott! Wie ich noch gestudirt habe, da hab ich zu Grätz in der Räubergasse eine Kondition gehabt, daß meinem Herrn oft der Beutel ist aus dem Leim gangen, verzeih mir's Gott! Die alte Rueppin hat mir vor diesem etwas gelernt, daß ich mich hauptsächlich gewußt gefroren und fest zu machen, verzeih mir's Gott! Wir wollten halt, daß uns Gott alle Laster und begangenen Missethaten soll verzeihen, und wann wir die geringste Unbild von unserm Nächsten leiden, da müssen alsobald Bastoni und Spadi beihanden seyn, da heißt es, ich kann es ihm nicht verzeihen, alle, alle, (es wäre immer schon genug) alle, alle führen mich hin, wann ich ihm das verzeih, wo ich ihn ertapp, da stoß ich ihm den Degen durch den Leib etc. Es ist wohl wahr, daß Gott hat befohlen, man soll seinem Feind nicht allein verzeihen, sondern demselben noch Gutes thun. Es ist wohl nicht weniger, daß die hl. Martyrer noch für diejenigen gebeten, die ihnen die größte und unendliche Pein und Qual angethan, ich läugne es nicht, daß nicht die Nachgier ein großes Laster sey in den Augen Gottes, und weiß auch, daß jener Edelmann von Korduba mit Leib und Seel zum[20] Teufel gefahren, um weil er im Todbettl seinem Widersacher nicht vom Herzen verziehen, aber wann ich sollt dies thun, und mich an dem Kerl nicht revangiren, was würden die Leut sagen; mir ist es das Meiste wegen der Leut. So höre ich wohl, der Leut Reden gilt mehr, als Gottes Reden? die Leut möchten mich für eine Lettfeige halten, so merke ich wohl, daß Adam durch einen Apfel das Paradies verscherzt, und du durch eine Feige den Himmel? Die Leut mögen sagen, ich hätte kein Herz, so vernimm ich dann, daß du durch die Herzkarten willst deine ewige Seligkeit verspielen? O höchste Thorheit!

Weislich über weislich hat jener arme Tropf gethan, bedacht und dreißig Jahr bei dem Schwemmteich zu Jerusalem krumm und lahm gelegen, endlich von Christo dem Heiland wunderbarlich die Gesundheit erhalten, der ihm aber auch anbei befohlen, er soll sein Bett mit sich tragen, welches er auch gethan. Sobald die Juden, absonderlich die Hohenpriester, wahrgenommen, daß dieser Mensch, so zuvor ein elender Krippel war, frisch und gesund daher gehe, und zugleich seine Matraze auf dem Rücken trage, da haben sie skrupulos scilicet gleich angefangen zu schmählen, und ihm einen ziemlichen Verweis geben, daß er am Sabbath arbeite, denen aber hat er keine andere Antwort widersetzt, als diese: »Qui me salvum fecit etc., der mich gesund hat gemacht, der hat es mir befohlen etc.« Er hat nicht ein Haar um die Leut gefragt, er hat sie lassen reden.

Wohlan dann, o Christ! folge nach dem Gebot deines Heilandes Jesu, verzeihe nicht allein deinem[21] Feind vom Herzen, sondern erweise ihm noch alle möglichen Gutthaten, wann etliche Leut derenthalben murren, und etwan ungereimt reden, daß du ein Hasenherz habest, und kein adeliches Blut in dir sey, so antwort du ihnen wie jener Mensch: »Qui me salvum fecit, ille mihi dixit, der mich erschaffen, der für mich Mensch worden, der für mich gelitten, der für mich gestorben, der mir so große Gnad und Gutthaten er zeigt: Ille mihi dixis, der hat mir dies befohlen: Ego autem dico diligite inimicos vestros etc.« Laß Leut, Leut seyn, Gott ist mehr, und gilt mehr, und gibt mehr als die Leut, laß reden, das Reden ist kein Rädern nicht, das Reden ist kein Recken nicht, laß reden, einmal am jüngsten Tag werden sie mit höchster Bestürzung weit anderst reden: Nos Insentiati etc. Diese seynd dieselbigen, die mich vormals verlacht, und mit schimpflichen Reden verhöhnt haben, wir unwitzigen Leut hielten ihr Leben für eine Thorheit und ihr Ende ohne Ehr, siehe aber, wie seynd sie unter die Kinder Gottes gerechnet, und hoben ihren Theil unter den Heiligen. Auf solche Weis' und nicht anderst werden sie im Thal Josaphat reden, da werden wir uns unendlich glückselig schätzen, wann wir dero Reden auf der Welt nicht geacht haben.

O wie gefällt es halt dem Allerhöchsten so wohl, wann man sich der armen Leut annimmt! Ein Reicher soll von Rechtswegen seyn wie der Himmel, Gott der Herr hat Himmel und Erd erschaffen, aber den Himmel weit mehr bereicht als die Erd, in dem Himmel hat er gestellt die guldene Sonne, den silbernen[22] Mond, die schimmernden Sterne, allerlei reiche Gestirn etc. Die Erd aber ist sehr schlecht, veracht, man tritt sie mit Füßen, man schütt ihr allerlei Unflath über den Kopf ab, sie muß die größten Gebäu auf dem Rücken tragen, daß ihr möchten die Rippen krachen, und hat anbei nichts, als was ihr der Himmel spendirt, dieser aber versieht sie reichlich mit heilsamem Regen, mit guten Influenzen, mit häufigem Himmelthau, und verläßt die arme bedürftige Erde niemals, ausser Gott verhängt solches zu einer sondern Straf, wie zu Elias Zeiten geschehen. Der Reiche ist gleich dem Himmel mit Silber und Gold wohl versehen, es schimmert Alles an ihm, Kisten und Kästen seynd voll; entgegen ist der arme Mensch wie die niederträchtige Erde, hat nichts, als wie er geht und steht, und wartet immer auf eine gnädige Influenz von dem reichen Himmel; freilich ein Himmel und kein Limmel soll der Reiche und Wohlhabende seyn, und seine Influenz und Hülf keinem armen Menschen weigern.

Jener reiche Prasser; von dem die Evangelisten Meldung thun, ist ein rechter Saumagen gewest, aber ein Reicher soll von rechtswegen wie ein Magen beschaffen seyn, dann obschon dieser alle Speis' und Trank zu sich nimmt, und die andern Glieder des Leibs niemals essen oder trinken, so ist er doch so gut, daß er fast den beßten Saft und Kraft ausklaubt, und allen andern Gliedern möglichster Weis' mittheilt. Desgleichen sollen die reichen Leut, so große Mittel von Gott empfangen, nicht alles für sich behalten, sondern allezeit auch mit dem Nothdürftigen theilen.[23] Wann bei dem Reichen das do ist, das do bleibt, das do gefunden wird, alsdann können sie für gewiß hoffen, daß am jüngsten Tag der göttliche Richter sie zu sich rufen wird, venite do her, wo die Auserwählten seynd, do her, auf die rechte Hand, do her, wo die Schafe stehen; ja der Psalmist David hat den Allmosengeber schon auf der Welt, wider den Brauch der katholischen Kirche beatifizirt und selig gesprochen: beatus qui intelligit super egenumet pauperem, etc.

In dem vornehmsten Stift Kloster Neuburg in Oesterreich, so denen Herren Kanonicis regularibus zugehörig, erhält man schon von des heiligen Leopoldi Zeiten hero etliche Hund zur ewigen Gedächtnuß, weil dieselben in der Jagd den Schleier seiner Frau Gemahlin noch unversehrt gefunden, der doch so viele Jahr im Schnee und Ungewitter gelegen, an welchem Ort nachmals der heilige Markgraf eine Kirche erbaut, samt erstgenanntem Kloster, in welchem es eine stete und je eine seltsame Gewohnheit ist, daß man nämlich das Brod, sobald es aus dem Backofen genommen wird, alsobald mit kleinen Stäblein prügelt, und zwar so lang, bis die Rinde allerseits herabfällt, wovon dann besagte Jagdhund erhalten werden: Es ist sich doch zu verwundern, daß verwichenes 1983ste Jahr, da die kaiserliche Residenzstadt durch die türkischen Waffen und große Macht mit einer schweren Belagerung ist beängstiget worden, und folgsam der Erbfeind alle umliegenden Oerter gänzlich verwüst und in Aschen gelegt, worunter auch gewest ist das Klosterspital obbenannten hohen Stifts; wunderlich ist es,[24] daß dieses Gebäu völlig in Rauch aufgangen, ausser des schlechten Stalls, darin die mehrgedachten Stifthund gewesen, dieses obschon von Holz ist unversehrt verblieben, nachmals seynd diese Hund, nachdem sie sieben Tag ohne Speis' waren, an ein anderes und sicheres Ort geführt worden. Es ist also ein uralterund auch löblicher Gebrauch in diesem vornehmen Stift, daß man die Hund mit Brod versieht.

Die nichtsnutzige Welt, so fast zu allen hellen Tugenden ein finsteres Gesicht macht, und nur die Bosheit anlacht, pflegt unter andern ungereimten Afterreden auch die armen Leut Bettelhund zu nennen, die doch sowohl als die Reichen und Wohlhabenden nach dem göttlichen Ebenbild erschaffen seynd, aber hört ihr, und glaubt, daß diese Bettelhund die beßten Jagdhund seynd, wie es pflegte der heilige Amadäus, Herzog aus Savoya, zu nennen, Jagdhund seynd sie, wann man dieselbe, wie die Herrn Kloster Neuburger zu thun pflegen, fleißig mit Brod versieht, so kann man zwar leicht Gott und den Himmel damit fangen: der einem armen krummen Bettler ein Allmosen gibt, der ist schon auf dem geraden Weg gegen den Himmel: der einem armen blinden Bettler eine Hülfe leistet, der hat schon die Hoffnung, daß er vor den Augen Gottes gut stehe: der einem armen stummen Beutel zu Hülf kommt, den wird Gott am jüngsten Tage mit dem venite anreden: der einen armen Aussätzigen nicht verachtet, der macht sich selbst einen großen Zusatz zu seinen Verdiensten: Der die armen Hungerigen speist, der hat schon ein Ladschreiben in Händen zu dem himmlischen Nachtmahl: Der die[25] armen Nackten bekleidt, der hat sein hochzeitliches Kleid stattlich verbrämt: Der die armen Fremden beherbergt, dem ist sein Quartier im Himmel angeschrieben: Der die armen Gefangenen erlöset, der ist von der ewigen Gefängnuß befreit.

Jener Weinschlauch und Wampenvogt, nachdem er vom Schlag getroffen worden, und von der Tafel den geraden Weg zum Teufel kommen, er hob seine Augen in die Höhe, und erblickt den Bettler Lazarum in größter Glori auf dem Schooß Abrahams, und weil ihn nichts mehrers quälte als seine feurige Zung, die zuvor stets in der Kandel geschwommen, also hat er wehemüthig aufgeschrieen, und nur um dieß bittlich angehalten, daß der Lazarus nur das Aeußerste seines Fingers in das Wasser tunke, und seine Zung in etwas kühle. O ewig unglückseliger Mensch! Etliche wenige Tropfen werden dir dein Uebel nicht wenden, aber zuvor hättest du mit einem Tropfen gar leicht können die Höll auslöschen; dieser Tropf ist gewest der Lazarus, ein armer Tropf, ein elender Tropf, ein verlassner Tropf, wann du dich seiner hättest erbarmet, so hätte sich auch gewiß Gott deiner erbarmet.

Alles dieses ist nur zu wahr, sagt einer, ich weiß, daß nach Numero 7 das achte folgt, daß auf die sieben Werk der Barmherzigkeit unfehlbar folgen die acht Seligkeiten, ich weiß, daß zu Wien der heilige Severinus sich der Armen stark angenommen: Merkts Wiener: Ich weiß, daß zu Prag der heilige Wenzeslaus den Armen viel Guts gethan: Merkts Prager: Ich weiß, daß zu Salzburg die heilige Erntrudis auf dem Nonnberg fast immerzu sich bei den[26] Armen aufgehalten, sie sogar gewaschen und gesäubert, merkts Salzburger: Ich weiß, daß zu Regensburg der selige Friderikus allezeit den Armen geholfen, auch nicht ohne Mirakul: Merkts Regensburger etc. Ich weiß, daß die armen Leut unsers Herrn seine Kommissarii seynd: Ich weiß, daß derselbe, so die Bettler auf seiner Seite hat, auch bei den Bethlehemitern in Gnaden stehen: Ich weiß, daß denjenigen, der den Bettlern ihre Säck füllt, der Teufel nimmermehr werde in Sack schieben: Ich weiß, daß der armen Leut vergelts Gott ein rechter Dietrichschlüssel im Himmel ist: Aber, wann sollt ich den Bettlern die Füß waschen wie mein heiliger Vater Augustinus, die Bettler zu meiner Tafel setzen wie der heilige Ambrosius, die Bettler auf dem Rücken tragen, wie der heilige Eduardus, was würden die Leut sagen? Wann ich sollt alle meine kostbare Spallier verkaufen, die umsonst die Wände bedecken, und dafür Zeug, Tücher, Leinwand einhandeln, womit ich die halb nackten Bettler thäte bekleiden: Wann ich sollte die übrigen Pferd im Stall, die umsonst das Futter verzehren, auf die samt denen Bedienten jährliche große Unkosten aufgehen, abschaffen, verkaufen, verhandeln, und anstatt derselben alle Monat einmal das Spital und arme Haus speisen: Wann ich sollte das Spielen meiden, auf welches ich alle Jahr eine ziemliche Summe Gelds spendire, und an dessen Statt den Hausarmen, Wittiben thät eine Hülf reichen, so wäre es freilich wohl ein Gott angenehmes Werk, und würde ich einmal in meinem letzten Stündlein mit sonderm Trost und beßter Hoffnung von dieser Welt[27] scheiden. Aber was würden die Leut sagen? Die Kavallier würden mich vielleicht für einen Phantasten halten; die Damasen würden mich einen Strumpflauser nennen; die Lakeien würden mich auslachen, und einen lautern Spitalmeister tituliren; die Pagi würden mich für einen Bettelrichter ausschreien; da thät ich mich freilich schämen etc. Schämen? Ach sollst du dich schämen, wegen des Schämen, thust du dich schämen des Heilandes Jesu Christi? der sich doch als höchster Gott wegen deiner nicht geschämt hat, alle erdenklichen Unbilden, Hohn und Spott und Verachtung auszustehen: Sollst du dich schämen, daß du auf dem rechten Weg gegen Himmel bist? bei Leib nicht.

Cäsareus Arelatensis neben andern Ursachen, warum man nicht könne in das irdische Paradeis kom men, setzt auch diese, daß nämlich vier Hauptflüsse aus dem Paradeis fließen und entspringen, Phison, Nilius, Tigris und Euphrates, obschon solche zuweilen anders genennt werden; wann nun die Flüß, gleich andern ihren Lauf thäten nehmen, so könnte man leicht so lang gehen, bis man dero Ursprung erreichen thät, gleich als wann Jemand von Wien aus neben der Donau sollt immerzu aufwärts gehen, so würde er mit der Zeit nach Donäsching kommen, allwo dieser Fluß entspringt, aber mit obbemeldten vier Hauptströmen hat es weit eine andere Beschaffenheit; dann sobald sie aus dem irdischen Paradeis hinaus quellen, so verschliefen sie sich gleich unter die Erde, und kommen erst in den asiatischen Landschaften wieder hervor, und dieß ist neben andern auch eine wichtige Ursach, warum Niemand in das irdische Paradeis[28] kommen kann. Paradisus enim inveniri non potest, quia nullum illorum fluminum manifeste fluit deorsum, sed a paradiso usque ad asiaticas regiones subterranneis absorbentur hiatibus, etc.

Wessenthalben aber verschliefen sich obbesagte Flüß gleich unter die Erd, wann sie aus dem Paradeis kommen? Ach lieber Christ, wie gern wollte ich, daß du gleich ihm beschaffen wärest! sie schämen sich, merk's wohl! sie schämen sich, und verschliefen sich sogar aus Schamhaftigkeit unter die Erd, weil sie nämlich vom Paradeis hinweggehen; also soll sich der Mensch nur dazumal schämen, wann er sündigen thut, und folgsam den Weg vom Paradeis vom Himmel wegnimmt, nicht aber hat er Ursach sich zu schämen, wann er gute und Gott wohlgefällige Werk thut, als wie da ist auch, den Armen möglichst beizuspringen, dann da geht er den geraden Weg gegen dem Paradeis.

Was werden die Leut sagen? Mein, was haben dazumalen die Leut gesagt, wie Margaritha Philippi des dritten Königs in Spanien, wertheste Frau Gemahlin auf eine Zeit einen halbnackenden Bettler auf der Gasse erblickt, da hat sie alsobald das beßte Tuch lassen herbei bringen, durch den Schneider für den armen Tropfen ein Kleid lassen zuschneiden, welches sie nachmals mit eigenen Händen hat ausgemacht. Was haben die Leut zu diesem gesagt? Alles Guts, männiglich hat sich darüber verwundert, und diese große Frau höchstens gepriesen.

Mein, was sagen die Leut? daß Ihro Majestät die jetzige römische Kaiserin Eleonora, Magdalena[29] Theresia mehrmal schon die armen Leut traktirt, ihnen eigenhändig die Speisen aufgetragen; auch solches schon öfters ist gesehen worden an Ihro Majestät dem römischen König, mit was Demuth er den Armen bei der Tafel gedient? Was sagen die Leut? Nicht viel, dann sie können aus Wehemüthigkeit des Herzens keine Red zusammen bringen, aber nasse Augen hab ich derentwegen schon bei den mehresten wahrgenommen.

Mein was haben die Leut gesagt, wie seliger Gedächtnuß der verstorbene obriste Burggraf im Königreich Böhmen, Graf Martinitz, wöchentlich ein- und mehrmal einen armen Mann, ein armes Weib samt einem armen Kind bei der Tafel wohl traktirt, ihnen die Speisen selbst vorgelegt, die übrigen in ganz neue Geschirre eingeschüttet, und ihnen samt einem Allmosen vom Geld eingehändiget? was haben die Leut gesagt? Ich, meines. Theils, hab nichts als alles Gute gehört, und hab mich glückselig geschätzt, daß ich zuweilen habe dürfen gegenwärtig seyn.

Sie lachen mich aber aus, laßt lachen, rechtschaffene Leut lachen dich nicht aus, und die andern muß man nicht achten. Gleichwie Christus der Herr, unser Heiland, gethan, wie er in des Obristen Haus kommen, da hat er dem Volk daselbst geschafft, sie sollen abweichen, dann die Tochter schlafe nur, und sey nicht todt, die aber alle lachten Christum den Herrn nur aus, und trieben ein römisch Gespött daraus, der Heiland hat aber derenthalben kein einiges Wort verloren, warum? darum, es war ein lauteres schlechtes Gesind, gemeine nichtsnutzige Kerl, Schallmeier,[30] und Spielleut und dergleichen Lumpengesellen, die hat er lassen lachen, er aber die Tochter des Obristen von Todten auferweckt. Sie lachen mich aus, laßt lachen, dies währet eine kleine, eine kurze Zeit, nachmals werd ich sie ewig auslachen, ja zu ihrem Untergang wird Gott selbst lachen: Ego quoque in Interitu vestro ridebo.

Sonntag und Feiertag in allen Kalendern werden roth geschrieben, und seynd dessen unterschiedliche erhebliche Ursachen, ich glaub aber, es sey meine wenige Meinung nicht zu verwerfen, indem ich dafür halte, daß derentwegen die Sonn- und Feiertag in den Kalendern roth gezeichnet seyn, weil sie sich schämen, daß man sie so schlecht hält, ja an denselben mehr Laster- und Sündthaten begangen werden, als an gemeinen Werktagen.

Moses, der große Mann, hat sich billig können erzürnen, wie er von dem Berg, worauf er die steinernen Tafeln der zehn Gebot bekommen, herabgestiegen, und zugleich wider alles Vermuthen gesehen, daß sein israelitisches Volk, an Statt, da es hätt sollen dem wahren Gott opfern, ein guldenes Kalb aufgericht, und muthwillig um dasselbe getanzt. Ei so tanz! da muß wohl der Teufel Spielmann gewest seyn. Bei jetziger verkehrten Welt hat der Menschen Bosheit also zugenommen, und ist der christliche Eifer also erloschen, daß man sollt die Sonn- und Feiertag im Kalender nicht mit rothen, sondern mit braunen Buchstaben drucken, dann allbereits die Leut es an denselben gar zu braun machen, und sich nicht um ein Haar besser halten, als die gewissenlosen Israeliter, dann[31] gleichwie diese an Statt der gebührenden Andacht haben einen lichtfertigen Tanz gehalten beim guldenen Kalb, also wird man der Zeit an den heiligen Festtagen, an Statt des Gebets und Kirchgang, mehrmals einen üppigen Tanz finden beim guldenen Ochsen, beim guldenen Rössel, beim guldenen Hirschen, beim guldenen Bären, beim guldenen Lämmel.

Die Wirth müßten nicht weit her seyn vermög des heiligen Evangeliums, worin umständig beschrieben wird das erste sichtbare Mirakul und Wunderwerk, so Christus der Herr auf Erden gewirket hat zu Kana in Galliläa auf der Hochzeit, allwo er nämlich das Wasser in den besten Wein verkehrt hat, worüber der Speismeister den Bräutigam zu sich gerufen, und folgsam also angeredt: Jedermann setzt zum Ersten den guten Wein vor, und wann die trunken worden seyn, alsdann setzt man einen geringern Wein vor etc. Der Bräutigam wußte eigenthümlich der Wirth ihre saubern Stückel, als die zu Anfang den Gästen den besten Wein auftragen, wann sie aber sehen, daß solche allbereits einen Tummel und Trummel im Kopf, und der Spiritus Vitrioli das obere Zimmer völlig eingenommen, da setzen, sie einen schlechten Darmbeißer auf, ja gar wohl einen abgestandenen Trunk für diese Trunkos etc. Aber mit der Zech und Bezahlung müßten beide Weinbrüder seyn, und wann der erste sechszehn Kreuzer gilt, so muß der letzte um 4 Batzen bezahlt werden, der Wirth hat hierin keinen Skrupel, obschon wider das Gewissen gehandelt worden, solche Leut seynd bisweilen die Wirth. Aber eins muß ich doch[32] von ihnen bekennen, daß nämlich niemand öfters auf Gott und seine Heiligen denke, als die Wirth. Wie da? Sie laufen immerzu über den Kalender, und schauen und schauen, wie lang es noch auf Ostern, auf Pfingsten, auf Maria Himmelfahrt, auf Martini etc. Sie schauen und schauen, ob Martini, Georgi, Jakobi, Michaeli auf einen Fleischtag fallen oder an einem Fasttag, damit sie hiezu die nöthigen Anstalten machen in Kuchel und Keller; dann sie wissen wohl, daß bei ihnen der Feiertag nicht feiern lasse. Sie wissen wohl, daß sie an dergleichen Tagen zu des Bachus Gottesdienst ministriren müssen, sie wissen wohl, daß bei ihnen die Festtag feiste Tage machen, sie wissen wohl, wann man in die Kirche mit allen Glocken läutet, daß bei ihnen auch die Kandeln werden steif kleschen, und das heißt die Feiertage heiligen.

So gottlos, so heillos, so gewissenlos, so ehrlos, so treulos seynd die verschalkten Hebräer gewest, daß sie sogar auch an einem vornehmen Festtag gesucht haben, den Herrn Jesum aus dem Weg zu räumen, und ihre Hände in sein unschuldiges Blut zu waschen, also zwar, daß er hat müssen, weil seine Zeit noch nicht vorhanden, sich an solchem Festtag in der Geheim halten: Quacerbat eum in die Festo. Der Zeit leider! geschieht solches auch, und zeigt es die öftere Erfarhrnuß, daß Gott an einem Festtag mehr beleidigt wird, als zu einer andern Zeit. In Kalendern wird man öfters finden, wegen der Influenz der Himmelsgestirn, die Andeutung der Zeit, da ist oft zu lesen, heut ist gut schrepfen, heut ist gut Nägel abschneiden, heut ist gut Pflanzen zu setzen.[33] Man thut fürwahr zu einem jeden Sonntag und Feiertag, wegen der bereits gar zu stark eingewurzelten bösen Gewohnheit auch hinzu setzen: heut ist gut fressen und saufen, heut ist gut tanzen und springen, heut ist gut spielen und galanisiren etc.; dann alles dieses hält man fest an den Festtagen.

O Pater! hat man doch auch bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa wohl gessen und trunken, und gleichwohl hat man ihnen die Zech nicht so hart aufgeschrieben, als wie uns, wann ihr die ganze Woche thät den Hobel in den Händen führen, so würdet ihr gewiß am Sonntag auch dort einkehren, wo die Hobelschatten am Zeiger hangen. Wann ihr die ganze Woche sollt zum Gießen, so würdet ihr am Feiertag auch nicht weit von der Kandel seyn. Wann ihr eine ganze Woche sollt Nägel spitzen, so würdet ihr euch auch meistens auf den Sonntag spitzen etc. Bruder Kallixt, du redest nicht übel, wahr ist es, daß mancher bei der Hochzeit zu Kana auf das Essen und Trinken keinen Spott hat gelegt, aber du mußt anbei wissen, daß auch der Herr Jesus bei derselben Tafel gesessen. Aber gehe du mir am Sonntag und Feiertag in ein Wirthshaus, und schaue unter den ganzen Burschen, so bei dem Tisch sitzen, ob auch allda der Herr Jesus zu finden? das selten, das fast nie, wohl aber an Statt seiner der böse Feind, dann wenig wird man hören, wo nicht der böse Feind citirt wird: der Teufel hol mich, der Teufel hol dich, der Teufel dank dir's, der Teufel traue dir, der Teufel glaub dir's, der Teufel spiel mit dir, der Teufel wart auf dich, der Teufel zahl so viel, der Teufel sauf[34] den Wein, der Teufel freß so theuer, der Teufel hol den Kellner etc. Da, da findet sich ja Gott nicht ein, wo sein abgesagter Widersacher so viel gilt.

Es hat sich einstmals zugetragen als die Kinder Israel in der Wüste waren, daß einer am Sabbath, welcher bei ihnen so viel war als bei uns der Sonntag, eine kleine Bürde Holz zusammen gesammelt, etliche schlechte Prügel für seine Hausnothdurft, worüber Moses sich dergestalt erzürnt, daß er denselben alsobald zu Verhaft genommen, und nachmals Gott den Herrn demüthigst befragt, wie man mit diesem Gesellen, der den Feiertag nicht gebührender Weis' geheiligt, solle verfahren, worauf Gott dem Moses ernstlich auferlegt, er soll den vermessenen Bös'wicht aus dem Lager hinaus führen, und daselbst ihn von dem gesamten Volk lassen steinigen, welches auch geschehen, nur weil er am Feiertag etliche wenige Prügel zusammen klaubet.

O mein Gott und Herr, hast du also scharf gezüchtiget der am Feiertag nur ein wenig Holz gesucht, wie werden erst deinen göttlichen Augen mißfallen diejenigen, so am Sonntag und Feiertag von Frühe an bis auf die Nacht mit Holz umgehen, und den ganzen Tag, auch mehrmals mit Verabsäumung des Gottesdienst, mit Kegelspielen umgehen, wie man es leider! an vielen Orten, forderist in großen Vorstädten, wahrnimmt.

Freilich, sagt mancher, ist das nicht recht, ich hab mich auch nicht nur einmal, sondern öfters bei dergleichen Muthwillen eingefunden, aber fast ohne meinen Willen, ich wär oft viel lieber in die Kirche[35] gangen, hätte dem heiligen Gottesdienst beigewohnt, ich wäre oft gern Nachmittag bei dem heil. Rosenkranz geblieben, aber mir ist nur wegen der andern gewest, was würden die Bursch gesagt haben? Sie hätten gesagt: ich sey ein lauterer Betbruder; sie hätten gesagt: ich sey ein fidimirter Karthäuser; sie hätten gesagt: ich hatte mir zu Berchtolsgaden einen Schein angefrümt; sie hätten gesagt: ich hielt um eine Supernumerari- Stell an in der Litanei aller Heiligen etc. Hätten sie das gesagt? Was wollt dann dies Sagen für einen Schaden bringen? und wegen solcher Reden hast du das Gute unterlassen, und das Böse geübt? O Thorheit! du willst lieber Gott, deinen Schöpfer, Gott, deinen Erlöser, Gott, deinen Seligmacher, beleidigen, auf die Seite setzen, als die Menschen? so willst du mehr die Leut fürchten, diese verwerflichen Erdwürml, als Gott, der da richten wird die Lebendigen und die Todten? so willst du blos wegen der Leut den Himmel verscherzen? und wegen der Leut zum Teufel fahren? und wegen der Leut ewig brennen? O – – auf ewig und ewig thut seine Thorheit verdammen und verfluchen jener unglückselige Soldat, von dem Valerius Venetus lib. 1 Kap. 90 erzählet. Dieser hat sich in unterschiedlichen Schlachten mit dem Feind allzeit ruhmwürdig gehalten, und seinen Heldenmuth überall bekannt gemacht also, daß er auch dessenthalben nicht einen kleinen aufgeblasenen Geist bekommen, und hat es ihm mehr als wohlgefallen, wann man mit Fingern auf ihn gedeut hat und gesagt: der Kerl trägt Blumaschi und Kouraschi beisammen etc. Auf eine Zeit ist dieser in[36] eine gefährliche Krankheit gefallen, auch bereits ihm von den Medicis die Wiedergenesung und ferrnere Aufkommen versagt worden, worauf die Geistlichen ihn zur gehörigen Beicht und Buß möglichst ermahnt haben, so aber keine andere Antwort erhalten, als Nolo (solches Nolo verdienet ein Nolam) nolo, beichten thue ich nicht, beichten will ich nicht, beichten kann ich nicht etc. Er soll aber erwägen, sagten die Umstehenden, er soll betrachten die unendliche Ewigkeit, zu der bereits die Schnallen in Händen etc. Er soll sich vor Augen stellen die immerwährende Pein, womit der göttliche Richter die Gottlosen zu strafen pflegt etc. Ich beichten? das thue ich nicht; ich beichten? das will ich nicht; ich beichten? das kann ich nicht. Warum? darum, was würden die Leut sagen, denen meine Tapferkeit und Kouraschi sattsam bekannt; was würden meine Kameraden sagen, die um meine Beherzthaftigkeit genugsam wissen; sie würden sagen, ich hätte kein Herz mehr, ich hätte die Schwindsucht bekommen an meiner Kouraschi, ich brauch einen Hasenbalg für einen Brustfleck; sie würden sagen, ich fürchte mich vor dem Tod, den ich mein Lebtag niemals gescheut, deßwegen beicht ich nicht. Worüber die bösen Feind und höllischen Larven ihm mit großem Getös den Hals umgerieben, und die unglückselige Seel in den höllischen Abgrund gestürzt.

Weiser und heiliger hat der gerechte Patriarch Noe gethan. Nachdem solcher den Befehl von Gott bekommen, daß er die Arche verfertigen soll, und alle gehörige Anstalt machen, zu salviren die acht Menschen und alle andern Thier, da hat man sollen hören,[37] wie die Leut und was die Leut geredt haben, wie er angefangen hat zu hauen, zu schneiden, zu zimmern, zu stempen, zu nageln etc. Einer sagte: der alte Geck mache sich selbst eine hölzerne Keuche. Ein anderer sagte: der alte Kürbiskopf woll ein Kaufmann werden, und mit Hobelscheitern handeln. Da war einer, der hielt den alten Tättel für ein Kind, so mit dilli dalli Häuselbauen umgehet. Dort stand einer, und hieß den Noe einen alten Grillenvogt, als mache er ein hölzernes Nest, worin Phantasien können zügelt werden. Etliche muthwillige junge Leut lachen ihn aus, daß er ohne Ursach einen so großen Wanzenkobel mache. Einige waren zu finden, die ihn gar für thöricht und verstandlos gehalten und glaubten, der Alte sey verrückt, und etwan rechte Holzwürmer im Hirn bekommen. Es werden wohl etliche freche Schleppsäck seyn gewesen, die um seine Bäume und Bretter getanzt, und allerlei muthwillige Lieder gesungen, auch anbei ihn ausgefoppt, daß er, als ein falscher Prophet, einen so großen Platzregen vorsage, indem noch nicht eine finstere Wolke am Himmel zu sehen etc. Tausend dergleichen Ding haben die Leut geredt, und das hat gewährt hundert Jahr an einander etc. Wie er, der Noe, endlich allerlei Thier in die Arche eingeführt, und sich zuletzt selbst mit den Seinigen eingesperrt, da hat das Reden und Lachen bei den Leuten noch mehr überhand genommen, da hat's geheißen: Schaut mir den alten Haberlimmel an, der sich freiwillig in diese hölzerne Pastete hat eingeschlagen; sehet mir den läppischen Glatzkopf an, der bei Ochsen und Esel sein Quartier gemacht. Viel[38] tausend dergleichen Schimpfwort und Ausspötteln mußte der gerechte alte Vater ausstehen, aber er ist wegen der Leut Reden, wegen der Leut Schauen, wegen der Leut Lachen von seinem Vorhaben und heiligen Werk abgestanden? Ja wohl nicht, ganz und gar nicht, bei Leib nicht. Laßt reden, was sie wollen, wie sie wollen, wann sie wollen, wo sie wollen, gedachte er, ich unterdessen unterlaß dasjenige nicht, was mir mein Gott und Herr hat anbefohlen und auferlegt; laßt lachen, es wird schon die Zeit kommen, da ich werde lachen, und sie werden weinen. Auf solchen Schlag sollen es wir Menschen machen.

Wahr ist es, und bleibt wahr, daß die Gelegenheit viel Uebels verursache, wir Menschen seynd gar nicht wie die drei Knaben in dem babylonischen Ofen, so da, gleich einer Salamandra, in den feurigen Flammen unverletzt geblieben. In dem Ofen zu Babylon seyn, und bei einer Bäberl seyn, und beiderseits vom Feuer nicht leiden, ist unter den großen Wunderwerken nicht das geringste. Wir Menschen seynd gar nicht wie das Purpurtuch im alten Testament, dazumalen haben die Israeliter in der Wüste das Feur, welches sie zum göttlichen Opfer gebrauchet, allezeit eingewickelt getragen, in Purpurtuch, welches doch von dem Feuer den wenigsten Schaden nicht gelitten.

Wir Menschen seynd gar nicht wie Pfann oder Kessel voller Wasser auf dem Feuer, solches Geschirr wird allemal kühl und kalt seyn unter sich, da es doch nächst beim Feuer ist: Wir Menschen seynd nicht stärker als die große Statua oder Bildnuß des Königs[39] Nabuchodonosor, welche ein kleines Steinel zu Boden geworfen, und gänzlich zu Pulver gemacht: Wir Menschen seynd nicht besser als das Manna oder Himmelbrod der Israeliter, so über Nacht wurmstichig worden. Wir Menschen seynd nicht beständiger, als die Kürbisblätter des Propheten Jonä, welche durch den Biß eines winzigen Würmels verdorret. Wir Menschen seynd nicht besser als jener Feigenbaum am Weg, dem der Herr und Heiland mit wenig Worten die grüne Livree ausgezogen. Wir Menschen seynd in statu naturae lapsae, und haben allezeit rebellische Bauern im Quartier, des Adams Erbportion, so wir von diesem Vater bekommen, bleibt immer frisch und ganz, dahero die mindeste Gelegenheit uns gleich einen merklichen Schaden zufügt.

Alexander ab Alexandro schreibt was wunderliches, daß auf eine Zeit zwei Kriegsheer an einander gerathen, wodurch eine so große Schlacht vorbei gangen, daß man nicht Platz genug gefunden, die so häufigen Körper zu begraben; dahero dieselbigen gleich den Scheitern aufeinander gelegt, und viele Holzscheiten und Stauden gesucht, zu verbrennen, es wollte aber das Feuer die blutigen Körper gar nicht angreifen, weniger verzehren, bis endlich ein erfahrner Offizier sich angemeldt, mit Versprechen, er wolle solches Alles nach Wunsch, und zwar ohne Verzug, vollziehen und werkstellig machen, wie es dann auch also geschehen, sobald er zu zehn Mannskörpern allezeit einen Weibskörper gelegt, weil dazumal sehr viel Weibsbilder auch niedergehaut worden, und etliche wenige Scheiten dazu angezündt, da ist gleich alles[40] in Feuer und Flammen gestanden, und bald zu Aschen worden.

Todte Mannsleiber voller Blut, voller Eiter, voller Feuchtigkeit, empfangen Hitz und Feuer, wann sie nahe seyn bei todten Weibskörpern, wie solle sich dann getrauen ein junger, ein frischer, ein gesunder Mensch immerzu in der Gesellschaft der Weiber zu seyn ohne Schaden? wo man noch mit den Augen spielt, mit den Worten scherzt, mit dem Maul lacht etc. Wer ist derjenige, so sich dessen berühmen kann? occasio est conscientae occasus; occasio. O wie viel seynd cassus, die durch dich, saubere Mutter, seynd an Tag kommen! den David, einen Heiligen, hat ein einziger Blick eines Weibes, und noch etwas weiters dazu gestürzt, und du willst dich noch für einen kalten Dezember ausgeben, wann du dich schon alle Tage fast bei der Gesellschaft einfindest?

Judas, nicht der Iskarioth, sondern ein Sohn des großen Patriarchen Jakobs, ging auf eine Zeit aus, seine Schaafheerd zu besuchen, unterwegs aber traf er ein Weibsbild an, auf der Straße sitzend, welche ihr Angesicht mit einem Schleier völlig bedeckt hatte, er, unwissend, daß es die Thamar, seines Sohns Weib seye, verliebt sich, vergafft sich, vergreift sich dergestalt an dieser Madam, concepit etc., daß sie nach neun Monaten Kindsmutter worden etc. Hat diesen eine Sonne, so doch mit Wolken überzogen gewest, können hitzen, hat diesen ein Weib, so doch das Angesicht bedeckt und verhüllt, können schaden, so solltest du ein Kaltenhauser bleiben, bei einer öftern Gesellschaft der Weiber, so nicht allein ihre polirten, possirten Gesichter[41] nicht bedecken, sondern noch den Hals und die halbe Nachbarschaft bloß tragen? Wann dem also wäre, so taugest du für großer Herren Tafel zum Weinkühlen, aber ich glaubs nicht.

Du wirst kaum heiliger seyn, als jener Einsiedler, der viele Jahre in der Wüste und Einöde einen vollkommenen Wandel geführt, endlich von dem Fürsten der Finsterniß hinter das Licht geführt worden, als er ihm wie ein alter betagter Eremit erschienen, und befragt, wie es ihm gehe? Der gute Waldbruder klagte seine Roth, daß er, aus Mangel einer Uhr, nicht wisse, wie viel es an der Zeit seye, und folgsam gar unbequem seine Betstunden thue austheilen. Dem ist leicht zu helfen, sagte der vermascherte Eremit, schaue dir um einen Gockel-Hahn, dieser ist der allersicherste Stunden-Ausrufer; solchem Rath ist der einfältige Klausner nachkommen. Ueber eine Zeit kommt der alte Schalk mehrmal, und fragt, wie es dann jetzt mit ihm stehe? Fast schlechter, gab er zur Antwort, als vorher; dann der Gockelhahn bleibt nie zu Haus, ist also zu fürchten, der Fuchs möchte mir einmal die Uhr aufziehen. Diesem ist gar leicht zu helfen, sagt der verhüllte Satan: dem Hahn ist halt die Weil lang, du mußt ihm eine Henne zugesellen, alsdann wird er das Ausschlenken schon unterwegen lassen; das ist auch geschehen, der Hahn aber hat mit der Henne so viel junge Hühnlein erzeugt, daß der gute Bruder wegen des immerwährenden Pi, pi, pi, fast nie Ruhe gehabt, und endlich bei dem Altvater, so ihn mehrmalen besucht hatte, sich dessen nit ein wenig beklagt, worauf der Alte eingerathen, damit[42] er dem heil. Gebet könne besser und eifriger obliegen, so solle er ihm eine Magd bestellen, die solchem jungen Geflügelwerk abwarte, welches auch geschehen, aber es ist nicht lang angestanden, da ist dem Bruder nicht so viel das Pi, pi, pi im Sinn gelegen, als das Pu, Pu, Pu, Puella. Er hat mehr gedenkt auf das Diendel als auf die Hühnl, zu der Uhr ist ihm der Buchstabe H gewachsen, dessen aber ist kein Wunder, dann die Gelegenheit macht einen Dieb. Dieser so heilige Mann ist gestolpert, ist gefallen wegen der Gesellschaft, und du sollst stets der Grammatica seyn, so da Gen. fem. und nicht an das Genitivum gedenken? und du sollst in Gesellschaft der Weiber allzeit jovialisch seyn, und dir soll nicht der Dies Veneris einfallen? und du sollst schon auf dieser Welt die vier Dotes oder Gaben eines glorreichen Leibs im Himmel haben? das glaubt dir niemand.

Unser lieber Herr vernimmt die Zeitung, daß Lazarus seye mit Tod abgangen; Lazarus, ein Bruder Magdalenä und Marthä, über solche Zeitung hat er sich im wenigsten alterirt, wie er aber zum Grab des Lazarus kommen, da hat er bitterlich geweint. Warum dieß? Darum, merk dieß Konzept, eine Sach, die vor Augen ist, bewegt heftiger, als die weit von einem. Jetzt laß ich dir selbst eine Lektion schmieden, was eine Gegenwart und Gesellschaft der Weiber thue. Der Teufel, dem fast nichts verdrießlicher fällt als das Fasten, hat Christum versuche in der Wüste; in der Wüste, und dieß soll er nicht versuchen in der Gesellschaft? wenn dem also, so bist du so gut als die Sonnen-Strahlen, so durch eine Kothlache gehen, und sich doch nicht netzen und besudeln.[43]

Ein heiliger Abt hat einen Jüngling von Kindheit auf in der Wüste und Einöde erzogen, in aller Heiligkeit und Unschuld, also daß solcher sein Lebtag keinen andern Menschen hatte gesehen, als seinen Abt. Dieser führte einsmals den unschuldigen Engel in eine Stadt, allwo ihm etliche Weibsilder unter die Augen kommen. Lieber Vater, fragt er, was seynd diese für Thier? Mein Sohn, antwortete der Alte, es seynd Gäns. Seynd das Gäns? Wie sie wieder in ihre Wüste angelangt, da ist der junge Bruder ganz melancholisch worden, ja sogar angefangen bitterlich zu weinen. Mein lieber Sohn, sagt der Abt, was ist dir? Was mangelt dir? Sags mein Kind. O mein lieber Vater, ich möchte halt gern eine Gans haben, eine Gans gehet mir ab etc. Dieser hat nur einmal ein Weib gesehen, und gleichwohl in seinem ausgemergelten Adams-Gebein schon Feuer im Dach verspürt, und du sollst in der steten Gesellschaft der Weiber seyn, und unversehrt bleiben, wie Daniel in der Löwengrube? Wann dem also, so halt ich es für ein größeres Mirakul, als mit der heiligen Katharina Senensis geschehen, welche einmal in einer Verzuckung auf einem Säckel voller frischer Eier gelegen da doch keines zerbrochen, da doch ein messinger Fngerhut, so ebenfalls in dem Säckel, wegen der Schwere ihres Leibs zu drei Theil zertrümmert worden.

Es ist wohl wahr, sagt einer daß man die Gelegenheit solle meiden, dann niemand gern sich in ein Gras legt, aus Furcht, es möcht eine Schlang darunter verborgen seyn. Niemand gehet gern auf einer untergrabenen Gestetten, aus Furcht, er möchte fallen.[44] Niemand scherzet gern mit Tigern und Löwen, aus Furcht, er möchte gebissen werden. Wie vielmehr soll man die Gelegenheit meiden, worin das Gewissen in großer Gefahr stehet. Jesus zog einsmals in Galiläam, spricht der Evangelist Joannis Kap. 7., dann er wollt in das jüdische Land nicht ziehen, weil ihn die Juden suchten zu tödten etc. Also sollen wir ebenfalls die Gelegenheit fliehen und der Gefahr nicht entgegen gehen, wo so viel schon einen schädlichen Schiffbruch gelitten. Ich muß bekennen, sagt jemand, so oft ich von dergleichen Gesellschaft komme, so finde ich allezeit, daß mehr Unkraut in meinen Waizen geschossen ist. Ich finde allezeit, daß mein Gewissen, wie des Jakobs Lämmel beym Brunnen, schwarze Fleck bekommen. Ich finde allezeit, daß zu meinen Sünden mehr Ziffer gesetzt seyn. Daher wollt ich gern die Gesellschaft meiden, und es wäre für mich und meine Gebrechlichkeit ein sehr heiliges Werk, aber mir ist nur wegen der Leut; was würden die Leut sagen? Sie würden sagen, ich seye ganz leutscheu; sie würden sagen, ich seye wie ein Kruzifix in der Charwoche, so ganz verhüllt und zugedeckt, sie würden sagen, ich seye wie ein Palm-Esel, so sich im Jahr nur einmal sehen läßt; sie würden sagen, ich seye wie eine Schwalm, so ihr Nest in der Stube macht; sie würden sagen, ich seye ein Duckendl, so sich immer stets verbergen thut; sie würden sagen, ich seye wie eine Schneck, die sich gar in sein rotziges Losament einmauret.

Ein frecher Spieler, nachdem er das Seinige verloren, hat aus unbändigem Zorn und Grimmen mit bloßem Degen ein lauretanisches Maria-Bildnuß angetast,[45] und dem Jesukindel die untern Lefzen völlig abgehaut, nicht lang hernach ist dieses Bös'wichts Weib niederkommen, und ein Knäblein geboren ohne die untern Lefzen, welches ihm nicht allein übel anständig war, sondern er hat noch bei jedermann keinen andern Namen gehabt als der Bub mit dem bösen Maul.

Freilich wohl gibt es nur gar viel dergleichen Leut mit bösen Mäulern, die würden sagen, wann ich nicht ordinari in die Gesellschaft thäte gehen, es wachse bei mir Stolz auf dem Holz, ich schätze mich besser als sie. Die würden sagen, ich führe meine Gedanken durch die Wüste, wie der Moses das Volk Israel. Die würden sagen, ich schmarotze die ganze Zeit bei der Freitafel Joannis des Täufers in der Wüste, wo man nur Heuschrecken aufsetzt. Die würden sagen, ich seye eine lautere Nachteul, so sich den ganzen Tag nicht sehen läßt, die würden sagen, daß ich vom Kaiser ein Prädikat bekommen, und heiße anjetzo Herr von Haffendeck, die würden sagen, so lateinisch kennen, ich sey ein purer Petrus Cellensis und also wegen der Leut ihrer Mäuler muß man öftermal etwas Gutes unterlassen.

Audi, exaudi, höre mich an oder schaue Magdalena an, diese war keine gemeine Köstenbraterin, keine schlechte Strumpfstrickerin, sondern eine hochadelige Dame von einem guten Haus und dannoch hat sie der Leut Reden, die bösen Mäuler wenig geacht, auch dessenthalben das Gute nicht unterlassen, sie ist nicht in einem Winkel, wo sie niemand gesehen, nicht hinter einer dicken Hecke oder Gesträuß, wo fast keiner konnte zuschauen, nicht bei finsterer Nacht, wo die Menschen[46] meistens schlafen, sondern bei hellem lichtem Tag, in dem Haus Simons, bei öffentlicher Mahlzeit, wo die Menge der Leut gesessen und gestanden, zu Christo dem Herrn getreten, die theure Alabaster-Büchse zerbrochen und die kostbare Salbe über sein heiliges Haupt ausgegossen, ungeachtet die Umstehenden mit Fingern auf sie gedeutet, die mehresten, ja fast alle wider sie gemurret und ihr derenthalben allerlei Spottwörter angehängt; dieß ist gar nichts Neues, wann jemand will fromm seyn und Gott dienen, und ein gutes Werk üben, daß derenthalben einige Leut über ihn werden übel reden; aber laß reden, seynd wir doch schon von dem heil. Paulo derenthalben gemahnt worden: Omnes qui pie volunt vivere in Christo Jesu, persecutionem patientur.

Der Leut Reden hat nicht geacht der fromme Job, welchen doch die Leut und mehresten seine Nachbarn und Anverwandten mit tausenderlei Schmachwort angetast, sogar haben sie ihm vorgeworfen, weil er voller Geschwär und Unflath, er handle mit leonischen Waaren und komme nicht anderstwoher, als weil er in seiner frechen Jugend stark depoussirt und luxuriose, id est, mit Luxen-Hetzen die Zeit vertrieben: Ossa ejus implebuntur vitiis adolescentiae suae. Aller dieser Spottreden halber hat der Job sein Gemüth nicht verändert, sein gut und heiligen Spruch: »der Name des Herrn sey gebenedeit,« nicht unterlassen, sondern in seinem frommen und unsträflichen Wandel allezeit verharret.

Wie der jüngere Tobias zu dem Fluß Tigris gangen, des Willens, daselbst seine Füß zu waschen,[47] da ist alsobald ein großer Fisch gegen ihn geschossen, und die Goschen erschrecklich aufgerissen, also, daß der gute Tobias heftigst hierüber erschrocken und zu dem anwesenden Engel Raphael überlaut aufgeschrieen, dann er glaubte, daß er ihn werde fressen etc., der Engel aber hat ihm ein Herz gemacht, er soll sich nicht fürchten, es geschehe ihm nichts.

Du mein frommer Christ! freilich, wann du den Fußstapfen der Heiligen folgest, wann du Wandels halber mit Engeln umgehest, wird mancher Stockfisch hierüber das Maul aufreißen, und über dich einige Spottwort ausgießen, aber fürcht dir nicht vor diesen und dergleichen Mäulern, laß reden, laß lachen, es gilt kein Kopfabbeißen; mach es lieber wie jener Blinde am Weg, als dieser gehört, daß Jesus vorüber gehe, da ruft er überlaut: »Jesu, du Sohn David, erbarm dich meiner«, das Volk aber schalt ihn derenthalben aus, und ist ihm nicht ein wenig über das Maul gefahren, aber was thut dieser? Er hat die Leut reden lassen und derentwegen von seiner Andacht und Zuversicht nicht gewichen, sondern noch viel mehr geschrieen: Magis clamavi.

Laß lachen, Gott wird sie dessenthalben schon finden, es ist bereits schon der boshaftigen Welt ihr Brauch, daß sie die Tugend aushöhnet und der Frömmigkeit einen Nasen-Schneller gibt. Laß lachen, dieß wird ihnen theuer genug werden.

Vor etlichen Tagen ist zu Metz in Lothringen ein Kalvinist in eine katholische Kirche gangen, und wie er daselbst wahrgenommen, daß ein armer Mensch nach vollbrachtem eifrigem Gebet etliche Eier auf den[48] Altar geopfert, hat er nicht allein über solches höhnisch gelacht, sondern noch besagte Eier mit sich nach Haus genommen, ihm selbst und seinen Mitkameraden ein Jausen zugericht, als er aber den ersten Bissen ins Maul genommen, da ist urplötzlich die Rach Gottes über ihn kommen, und ihn mit dem gähen Tod gestraft.

Laß lachen, dieses wird ihnen nicht Rosen tragen. Wie von Gregorio Magno, diesem so heiligen Pabste, Augustinus ist nach England geschickt worden, daselbst die evangelische Wahrheit zu predigen, und den Glauben Christi auszubreiten, da ist er in Dorotestria nicht allein schimpflich von dem Volk ausgelacht worden, sondern einige seynd gewest, die ihm, dem apostolischen Mann, an seinen Kleidern zu mehrerem Spott etliche Fuchsschweif haben angehest; aber Gott hat sie derenthalben schon gefunden, massen alle diejenigen, so aus ihrem Geschlecht herkommen, mit einem langen Schweif zu End des Ruckgrads geboren worden.

Laß lachen, dieß Lachen wird derjenige, so ober uns ist, schon revangiren. Als auf eine Zeit der heil. Bischof Remigius mit eignen Händen das Treid auf dem Feld zusammen gesammelt, damit er bei der herzunahenden Hungerszeit konnte den Armen beispringen, ist er dessenthalben von den berauschten Bauern nur ausgelacht worden; aber die Zech mußten diese Gesellen theuer bezahlen, forderist weil sie ihm das Treib in die Aschen gelegt; dann alle diese Bösewicht und alle ihre Nachkömmling, was männlichen Geschlechts gewest, haben Leibschäden bekommen, ihre Weiber aber alle, samt dero Töchter im ganzen Dorf, haben müssen[49] große, dicke, wilde Kröpf (wohl ungeformte Halsuhren) tragen.

Laß nur lachen, dieß Lachen wird ihnen Gott so wohl merken, als der stolzen Michal, wie sie ihren Herrn und König ausgelacht, als dieser aus Andacht vor der Arche Gottes getanzt hat. Ein Katholischer und ein Unkatholischer seynd auf eine Zeit mit einan der gereist, und als ein unverhofftes großes Donnerwetter entstanden mit erschrecklich- und entsetzlichen Blitzen, hat der Katholische das Zeichen des heil. Kreuzes auf die Stirn gemacht, worauf ihn der Unkatholische nicht wenig ausgelacht, und anbei hinzugesetzt, ob ihn dann die Mucken plagen, weil er also mit der Hand um das Gesicht haspelte? er hat aber kaum diese frechen Wort ausgesprochen, da hat ihn alsobald ein erschrecklicher Donnerkeil zu todt geschlagen.

Laß lachen, das Kapital eines frommen und gottseligen Christen hat auf der Welt kein anders Interesse zu hoffen, als das Lachen und Ausspöttlen der gottlosen Leut; wegen dieser soll ich das Gute unterlassen? das nicht; wegen dieser soll ich die Gnad Gottes verscherzen? das nicht; wegen dieser soll ich den Himmel verlieren? das nicht; wegen dieser soll ich zum Teufel fahren? das gar nicht. Laß lachen, daß ihnen auch das Maul möcht aus dem Angel gehen, laß lachen, daß sie auch die Augen in die Schwemm reiten, so unterlaß du, als ein eifriger Christ, derenthalben das Gute nicht, sondern schäm dich vielmehr des Bösen. In dem Fall soll man nicht nachfolgen dem Nicodemo, welcher nur bei nächtlicher Weil ein Discipel und Nachfolger Christi abgeben hat; hingegen[50] beim Tag hat er sich von der Gesellschaft des Herrn abgeschrauft, dann es ihm wegen der Leut und forderist wegen seiner Freundschaft gewest ist; wohl aber soll man treten in die Fußstapfen des Königs David, welcher sich ganz nicht gescheut, vor allem Volk seine Andacht zu verrichten. Vota mea reddam coram omni populo ejus. Psalm 15. In medio Ecclesiae laudabo te. Ps. 21. In medio multorum laudabo eum. Ps. 108.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ, oder eigentlicher Entwurf und Lebensbeschreibung des Iscariotischen Böswicht. 7 Bände, in: Abraham a St. Claraߣs Sämmtliche Werke, Band 7, Passau: Friedrich Winkler, 1834–1836, S. 0,51.
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