Leich – Predigt des verdammten Erzschelm Judä Iscarioth.

[205] Thema: Maledictus, vermaledeit. Gen. c. 3. Num. 22. Deut. 22. Josu. 6. Judic. 21. 1. Reg. 14 Eccles. 28. Jerem. 11. Malach. 1. ad Gallath. 3. etc.


Ihr Hebräer! wer ist Judas Iscarioth?

דאמ צדמ דםומה הדוהי


Jehuda hammoser meragh meodg.


Ihr Griechen! wer ist der Judas Iscarioth?

Ἴθδας ἔστι μοχϑηρότατος προδότης.


Ihr Lateiner! wer ist Judas Iscarioth?

Judas est pessimus Nebulo.


Ihr Araber! wer ist Judas Iscarioth?

Scherirelazli.


Ihr Persianer! wer ist Judas Iscarioth?

Hharamzade.


Ihr Türken! wer ist Judas Iscarioth?

Khara giii zlü.


Ihr Böhmen! wer ist Judas Iscarioth?

Gidass gest ten neg horrssy Sradce.


Ihr Polaken! wer ist Judas Iscarioth?

Jud iest nai Vlietki Sdraizu.


Ihr Ungarn! wer ist Judas Iscarioth?

Judas Dekilletlen em vver.


Ihr Kroaten! wer ist Judas Iscarioth?

Prokleti Judas mallo fridni Schlovik.
[206]

Ihr Italiener! wer ist Judas Iscarioth?

Giuda e gran Traditore.


Ihr Spanier! wer ist Judas Iscarioth?

Judas el Major Traidor.


Ihr Franzosen! wer ist Judas Iscarioth?

Judas est un archifripon.


Ihr Crainer! wer ist Judas Iscarioth?

Judash Scharioth, ie ta Vsrele Schellem.


Ihr Deutsche! wer ist Judas Iscarioth?

Judas ist ein vermaledeiter Erzschelm.


Vermaledeit sein Kopf; die Statue oder Bildnuß des Königes Nabuchodonosor hat ein guldenes Haupt, aber Judas hat einen Teufelskopf gehabt. Das Haupt des Menschen ist ein Sitz und Wohnung der vornehmsten Sinne, und wenn dieses wohl beschaffen, so stehen die andern Glieder auch Allegro, ist aber dieses mangelhaft und nichts nutz, so muß es der ganze Leib entgelten; in dem Kopf oder Haupt residiret das Hirn, welches so häufig bei dem Menschen, daß es doppelt so viel ist als bei einem Ochsen, es liegt in dreien Behältnissen oder Kammern, und ist in zwei Häutel eingewickelt, wodurch es beschützt und vertheidiget wird, deren eins heißt die harte, das andere die gute Mutter: bei dem Iscarioth aber finde, ich gar wenig Hirn und in demselben gar keinen Verstand, massen er wie der größte Narr das höchste und unschätzliche Gut um ein so Spottgeld verkauft, indem doch des Aßverus um zehn tausend Talent die Juden nicht wollt geben, der Stock – Narr hat die Salben Magdalenä um dreihundert Gulden geschätzt, und Jesum,[207] den Weltheiland, dessen so häufige Wunderwerk er gesehen, verkauft er um dreißing Silberling; dem Judä seynd alle diejenigen gleich, welche Gott und Gottes Gnad um eine zergängliche, schlechte, nichtige, verwerfliche, wilde, stinkende und falsche Wollust vertändeln, verschwenden, verscherzen.

Vermaledeit die Haar auf dem Kopf Judä. Die Haar werden von den Lateinern genannt Capilli, das ist so viel als Capitis Pili, diese seynd nichts anders als eine grobe natürliche Feuchtigkeit, welche aus dem Haupt heraus gehet, und auswendig in Haar verkehrt und ausgetrocknet wird; wenn aber die Feuchtigkeiten nachlassen, alsdann muß das Haupt nothwendig kahl werden, weil Judas einen ziemlichen Strobelkopf gehabt und gar oft des Kämpels vonnöthen, also steckte folgsam in diesem Unflath sehr viel Feuchtigkeit, wenigst finde ich in ihm die allergeringste Hitz nicht einer göttlichen Liebe. Ursula Benicasa, diese heiligmäßige Theatinerin, war also erhitzt in der göttlichen Lieb, daß ihr das Herz im Leib verbronnen und man nach ihrem seligen Hintritt kein Herz gefunden, sondern anstatt dessen ein leeres angebrenntes Häutel. In act. Aber Judas der Erzschelm hat weniger Hitz als der Monat Februarius. Der selige Joannes aus meinem Orden hatte unter dem heiligen Meßopfer eine solche Hitz der göttlichen Lieb empfunden, daß ihm mehrmalen ein großer Dampf und Rauch vom Kopf aufgestiegen. Auct. Fest. Aber Judas der Galgenvogel hatte weniger Hitz gehabt, als Moskau im Winter, allwo eine solche Kälte, daß mehrmalen der Speichel so aus dem Mund geworfen wird, ehender gefrieren thut, als er auf[208] die Erde kommt. Nicolaus Fator Ord. Minorum hatte eine solche Hitz der göttlichen Liebe, daß er oft deßwegen sich kühlen mußte, in ein kaltes Wasser springen, wovon aber das Wasser nicht anders worden als wäre es eine lange Zeit bei dem Feuer gestanden. In vit. Aber Judas der Stricks-Dieb hat noch weniger Hitz gehabt als die Insul Meta, allwo das Eis auf dem Meer gar oft zwanzig Klafter dick gefunden worden. Olaus lib. 7. O verruchte Kreatur, die so viel Gnaden und Gutthaten von dem Heiland Jesu empfangen, der dir gewest das, was ein Vater seinem Kind gewest ist, das, was ein Arzt dem Kranken gewest ist, das, was ein Hirt dem Schäfel, der dich gemacht hat zu einem Jünger, noch mehr zu einem Apostel, noch mehr zu einem Prokurator und vornehmen Beamten seines heiligen Kollegiums, der dich geliebt hat über alles, und du verstockter Tropf lässest gleichwohl nicht merken gegen ihm einen kleinen Funken der Gegenlieb. Es ist kein Wunder, daß dein Kopf voller Haar, zumalen in dir keine Hitz, sondern nur eine stinkende Feuchtigkeit, wie dann auf einem faulen Grund das Gras ohne das gern wachset.

Vermaledeit die Augen und das Gesicht Judä. Die Augen seynd die allerzartesten, edelsten und nützlichsten Glieder und seynd der Seele am allernächsten, zumalen man gar oft aus den Augen die Passiones des Menschen erkennen kann; mich wundert in der Wahrheit, wie der Herr und Heiland bei dem letzten Abendmahl sich verlauten lassen, daß ein Verräther unter seinen Aposteln sey; mich wundert, daß sie gefragt haben, wer derselbige sey, indem sie leicht dem[209] Judä an den Augen hätten können ansehen, daß er ein Schelm in der Haut sey. Vermaledeit aber seynd meistens seine Augen nur derentwegen, weil sie nicht einen einigen Buß-Zäher vergossen.

Magdalena wußte wohl, daß man zu Wasser gar leicht nach England komme, deßwegen hat sie so häufige Zäher vergossen, daß sie damit Christo dem Herrn ein Fußbad zugericht; sie zeigte sich fast wie ein Schnee, diese schneeweiße Dama, denn gleichwie der Schnee bei starker Sonnen-Hitz zu Wasser wird, also thäte sie auch vor großer Hitz der göttlichen Liebe fast ganz zerfließen; sie war nicht anders als ein Distillir Kolm, dem ein Tropfen um den andern herunter fällt wegen des untergelegten Feuers. Magdalena hat den Planeten Venus völlig verlassen und sich unter die Protektion des Wassermannes begeben; Magdalena hat dreißig ganzer Jahr keine trockenen Augen gehabt; Judas aber hat mehr gesündiget als Magdalena, und dennoch nicht einen einigen Zäher vergossen, o Schelm!

Petrus war ein kühler Tropf wie er beim Feuer gestanden, Petrus hat zu Hof einen schlechten Hof-Mann abgeben, wie er unsern Herrn verläugnet. Petrus hat nicht gehalten das Sprich-Wort: ein Mann, ein Mann, ein Wort, ein Wort, wie er mit dem Weib geredet, nachdem aber der gebenedeite Heiland ihn mit beweglichen Augen hat angeschaut, da ist Petrus Petra worden, auf welchen Moses geschlagen, und das häufige Wasser herausgeronnen, Petrus hat seine begangene Sünd dergestalten beweint, daß er die Zeit seines Lebens allzeit nasse Augen gehabt, ja die steten Thränen thäten ihm auf den Wangen zwei tiefe[210] Furchen herab machen, und waren seine Augen immerzu roth, wie das rothe Fleisch. Zu Rom bei St. Sebastian zeigt man noch einen Stein, der von den steten Zähern Petri völlig durchlöchert worden, er mußte allzeit ein Tüchel an seinem Arm tragen, damit er konnte die Thränen abwischen, wovon die Gewohnheit herrührt, daß der Priester in der hl. Messe das Manipel am Arm trägt. Judas hat weit größer gefehlt und gesündiget, als Petrus, und dannoch nicht einen einigen Zäher vergossen. O Schelm! Die Niniviter haben zwar einen liederlichen Wandel geführt, bei ihnen hat das Fleisch den Vorgang gehabt, der Geist mußte einen Leibeignen abgeben, das Fleisch war beim Tisch gesessen, der Geist, als ein ungeladener Gast, hinter der Thür; das Fleisch ist auf den Federn gelegen, der Geist auf dem Stroh. Diese saubern Leut haben in Summa einen unsaubern Wandel geführt, aber die Predigt Jonä hat dergestalten sie bewegt, dieser Prophet hat mit seiner Stimme dergestalten gedonnert, daß bald hierauf ein großes Regenwetter erfolgt, zumalen sie dermassen ihre Sünden bereuet, über dieselben so häufige Zäher vergossen, daß bereits auf der Gasse ein großes Koth worden vor lauter Weinen, nicht anderst, als wäre ein Regen vom Himmel gefallen. Judas hat weit ärger gesündiget, und gleichwohl nicht einen einigen Tropfen vergossen. O Schelm! du bist eine lange Zeit ein Erzvogel gewest, wenigst wärest du eine Ente gewest, und dich unter das Wasser der Buß – Thränen verborgen, so hätt dich der Teufel nicht ertappt. Pharao ist in dem Wasser ertrunken und zu Grund gangen, deine Sünden und großen Laster[211] wären ebenfalls zu Grund gangen in dem Wasser der Buß – Zäher, wenn du nur hättest wollen, aber deine Augen seynd trockener gewest als der Berg Gelboe.

Vermaledeit die Ohren und das Gehör Judä. Klein, aber sehr künstlich ist das Gebäu eines Ohres, und hat selbes einen engen, und zugleich einen krummen Eingang ins Haupt, nicht viel ungleich einer Meermuschel oder Schnecke; in dem Ohr seynd vier kleine Kämmerl, und in der andern Kammer oder Behältniß seynd gewisse Beiner, deren eins einem Amboß, das andere einem Hammer gleich ist, auch wird man in besagtem Ort zwei Fensterl antreffen, durch welche die Stimm oder Getös hinein gehet, und zugleich auch des Hirns Unflath heraus getrieben wird, zu welcher Arbeit meistens der kleine Finger herhalten muß. Vermaledeiet die Ohren Judä forderist darum, weil sie oft die Predigt des Heilands Jesu angehöret ohne Frucht und Nutzen, denn es hat geheißen bei einem Ohr hinein, beim andern wieder heraus.

Der Herr hat geprediget von dem Himmel und ewigen Belohnung, von dem gewissen vergelts Gott! und obschon Paulus sich verlauten lassen, in der vierten Epistel zu den Korinthern, daß er und andere Diener Gottes auf dieser Welt für Narren gehalten werden: »Nos stulti propter Christum,« so gestehet es doch dieser heilige Apostel, daß keiner Narr umsonst sey, sondern kein Aug hab es gesehen, kein Ohr hab es gehöret, in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denjenigen bereitet hat, die ihn lieben. Freuet euch und frohlocket sagt der Herr Jesus, denn eure Belohnung ist sehr groß in den Himmeln. Dieß[212] alles hat Judas gehört, aber bei einem Ohr hinein, beim andern wieder heraus.

Der Herr hat geprediget von der Höll und ewigen Verdammniß, hat ümständig erzählt den elenden Untergang des reichen Prassers, der so gäh von der Tafel zum Teufel kommen, so geschwind von den Pflaumen zu den Flammen kommen, so unverhofft von der Gasterei zur ewigen Kasteiung kommen, so bald vom Rausch auf den Rost kommen, so schnell von der Wurst zum Durst kommen, daß er auch dessenthalben den Abraham für einen Leutgeber oder Kellner begrüßt, prediget hat er, die Kinder des Reichs sollen hinausgeworfen werden in die äußerste Finsterniß, da wird Weinen seyn und Zähnklappern. Dieses alles hat Judas angehört, aber bei einem Ohr hinein, beim andern wieder heraus.

Der Herr hat gepredigt vom Geiz und Wucher, und daß leichter ein Kameel durch ein Nadel – Loch durch gehe, denn daß ein Reicher zum Himmel – Reich eingehe. Das Allmosen ist eine Leiter in Himmel, an die ser Leiter verlangt sich der Geizige nicht einen Sprössel, massen der Dativus bei ihm so fremd, wie in Norwegen die Schwalben. Das Allmosen ist ein Schlüssel in Himmel, der Geizige hält nicht viel auf diesen Schlüssel, ihm ist ein Dietrich lieber, den alle Dieb brauchen, denn das Fest St. Bonati in seinem Kalender nicht anzutreffen ist. Das Allmosen ist ein Wasser, welches die Sünden abwascht und reiniget, aber der Geizige acht dieß Wasser gar nicht, sondern er fischt nur gern auf der Bank, denn in seiner Karte wird man nie den Donari Do finden. Das Allmosen ist eine Brücke, worüber der Mensch kann passiren[213] in das Land der Seligkeit, aber der Geizige ist verblendet von Geld und Gold, darum hat er den Schwindel, getraut sich nicht über diese Brücke, denn das Geben bei ihm ist vergebens. Dieß alles hat Judas angehört, aber bei einem Ohr hinein, beim andern wieder heraus.

Der Herr hat geprediget vom Uebermuth und Hoffarth, sprechend, wer sich selbst erhöhet, der soll erniedriget werden, und wer sich selbst erniedriget, der soll erhöhet werden. Die Waag – Schaal, so in die Höhe steigt, ist schlechter, als die in der Niedere bleibet; das Ei, so in der Höhe schwimmt, wird minder geacht, als das, so in der Tiefe liegt; der Fisch, so in der Höhe schwimmt, wird ebender abstehen, als der, so in der Tiefe ist; die Höhe thut kein gut, sagt mit Icaro Simon Manus: »die Höhe thut kein gut,« sagt mit Icaro und Simon ein Rageth, »denn unser Steigen hat den Fall vor der Thür.« Bei Gott dem Herrn ist das Flectamus genua vor dem Levate; bei Christo oem Heiland ist das Hinuntersteigen in die Vorhöll ehender als die Himmelfahrt; bei dem Zachäo vom Baum ist das Heruntersteigen vom Baum ehender gewest, als die Einkehr des Herrn; gut ist für mich die Tiefe, sagt der Keller, und das ist wahr; gut ist für mich die Tiefe, sagt die Wurzel des Baums, und das ist wahr; gut ist für mich die Tiefe, sagt das Fundament eines Gebäuds, und das ist wahr. Ecce! was das Ecce ancilla Domini nicht gericht bei Maria der Jungfrau! dieß und dergleichen hat Judas gehört, aber bei einem Ohr hinein, bei dem andern wieder heraus;[214] dann er gleichwohl bei dem Fußwaschen der erste wollte seyn.

Vermaledeit die Nase und der Geruch Judä. Nares oder die Nase wird also genennt quasi Gnare, allweil sie von Natur abgericht ist, den Geruch zu unterscheiden, also daß die Nase eben das Glied ist, durch welches wir den Geruch unterscheiden, und den Geist und Athem an uns ziehen, und die Ueberflüssigkeiten des Hirns ausleeren, denn die Nase hat einwendig zwei Löcher, das eine reichet zu der Konkavität des Palati, daraus wird der Ueberfluß des Munds gereiniget; das andere reichet hinauf bis zum Hirn, auf daß von dannen die Luft geschöpft werde, und der Spiritus animalis zu Vollendung des Sinns und des Riechens vom Hirn herab gezogen werde.

Die Hebräer in dem 34. Kapitel Exodi schreiben, daß Gott eine lange breite Nase habe, welches sie durch das Wörtel Aph andeuten, so eben so viel thut lauten, als latis naribus; hierdurch wollen sie zu verstehen geben, daß Gott ganz gütig sey, und sich nicht bald zürne, massen diejenigen, so lange und breite Nasen haben, nicht leicht in eine Cholera gerathen; weil nemlich der Dampf von der Gall, so in das Haupt steigt, leichter durch eine große Nase ausraucht, als durch eine kleine, deßwegen diejenigen Leut, welche kleine gespitzte Nasen haben, meistentheils herb und gähzornig seyn. Niceph. Callixt. in Hist. S.l. 2. c. 23., schreibt von der Gestalt der Mutter Gottes, und folgsam von Christo, weil beide einander zum Beßten gleichten, daß sie keine kleinen Nasen, sondern mittelmäßige und länglichte haben gehabt, [215] »Nasus longior, digiti longiores etc.;« aber Judas Iscarioth hat eine kleine und gedruckte Nase gehabt, und eben darum vermaledeit, weil er ein giftiger und zorniger Gesell gewest, massen er damalen, als Magdalena mit ganz kostbaren Salben den Herrn Jesum verehrt, er dergestalten ergrimmt, und ihm die Salbe also in die Nase gerochen, daß, wenn es hätte seyn können, er ihr die leere Alabasterbüchse hätte an Kopf geworfen; von derselben Zeit an hat er den gefaßten Groll über Christum nimmermehr fallen lassen, sondern den gebenedeiten Heiland bei den Hohenpriestern und anderwärts sehr verkleinert, als wäre er ein Mann, der seine Haut Wohl versorge, und dem Leib keinen Stiefvater abgebe. Rubertus in Matth. lib. 11. schreibt, daß Judas in allweg gesucht habe, auch die anderen Apostel in die Gefängnuß und Händ der Henker zu bringen, und weil ihm solche Anstalt mißlungen, habe er sich dermassen hierüber erzürnt, daß er sich selbst das Leben genommen. Gewiß ist es, daß er ein zorniger Gesell gewest ist, unangesehen der Herr gesagt hat: selig seynd die Sanftmüthigen; ein giftiger Kerl ist er gewest, obschon der Herr gesagt: »Discite a me,« lernet von mir, weil ich sanftmüthig bin und eines demüthigen Herzen; ein grimmiger Böswicht ist er gewest, wenn schon der Herr gesagt hat: vergib uns unsere Schulden, gleich wie wir vergeben unsern Schuldigern; ein rachgieriger Mensch ist er gewest, da doch der Herr gesagt: »Diligite,« liebet euere Feind; ein Tiger ist er gewest, indem er doch an dem Herrn nichts als eine Lämmel-Natur wahrgenommen.[216]

Vermaledeit die Zung Judä, Lingua oder die Zung wird also genennt a lingendo, denn sie ist ein Instrument des Kostens und des Redens. Wenig Gutes hat Judas geredet, zumalen kein einiger Evangelist schreibet, daß er einmal etwas Gutes hätte gesagt; wohl aber war er der ärgste Gotteslästerer, denn also notiret Jansenius in Concord. c. 128., daß er so spöttliche Reden wider den Heiland Jesum ausgegossen, daß sogar die Evangelisten sich geschämt haben, solche aufzuzeichnen; absonderlich hat der verruchte Mensch übel geredt und Schandwort vorgebracht, um weil der Herr seine bloßen Füß hat lassen anrühren von Magdalena, welche dazumal bei jedermann in einem üblen Geschrei war.

O du vermaledeite Zung! du bist nicht ungleich einem Basilisk, welcher immerzu das häufige Gift gegen den Himmel ausspeiet; du bist nicht ungleich einem Berg Vesuvio, aus dem da stets die prasselnden Feuerflammen in die Höhe steigen; du bist nicht ungleich einem schmutzigen Hafen beim Feuer, der alleweil den garstigen Faim auswirft; die Scheer Dalilä, womit sie dem Samson die Haar abgeschnitten, ist besser als du; der Säbel Petri, womit er dem Malcho das Ohr abgehaut, ist besser als du; der Nagel Jahel, den sie dem Sisarä in den Schlaf geschlagen, ist besser als du; du bist ärger, ärger bist du, als die Schlangen, so dem Paulo an der Hand gehangen; du bist schlimmer, schlimmer bist du, als die Bären, welche bei Bethel die zwei und vierzig Kinder haben zerrissen; du bist grausamer, grausamer bist du, als der Löw, so den Propheten erwürgt hat auf dem[217] Weg. Vermaledeite Zung, wie trauest du dir, wider Gott zu reden? wider Gott, der dein Erschöpfer ist? wider Gott, der dein Erlöser ist? wider Gott, der dein Erhalter ist? wider Gott, der dein Richter ist? Er ist das Licht, du der Schatten, und du wider ihn? er ist das Leben, du der Tod, und du wider ihn? er ist der Reichthum, du die Armuth, und du wider ihn? er ist die Weisheit, du die Thorheit, und du wider ihn? er ist die Wahrheit, du die Lüge, und du wider ihn? er ist die Herrlichkeit, du ein Erdwürmel, und du wider ihn? er ist Gott, du nichts, merks wohl, du nichts, und du wider ihn?

O Feuer, warum rächest du nicht die Schmach deines Erschöpfers, weiß ich doch wohl, daß zur Zeit des h. Philippi Benicii auf dem freien Feld zwischen Bononia und Mutina das Feuer vom Himmel gefallen, und etliche Gotteslästerer samt dem Baum, unter dem sie gesessen, gänzlich verzehrt und in Asche gelegt.

O Wasser, warum rächest du nicht die Schmach deines Erschöpfers? weiß ich doch wohl, wie eine spanische Dama, mit Namen Beatrix de Lunea, etliche gotteslästerliche Wort ausgossen; nachdem sie vernommen, daß ihr Liebster im Feld umkommen, daß bald hierauf die Straf von oben herab kommen, und urplötzlich ein solcher Wolkenbruch und Wasserguß entstanden, daß die ganze Stadt, so ihr zugehörig, samt dem Haus, allwo sie residirte, jämmerlich zu Grund gangen.

O Luft, warum rächest du nicht die Schmach deines Erschöpfers? weiß ich doch wohl, daß Anno 1623 ein Ketzer mit Namen Michael Thomas Housslaii[218] wegen begangener Lasterthaten an das Hochgericht aufgehängt worden; weil er aber kurz vor seinem Tod etliche gotteslästerliche Wort hören lassen, also ist ihm auch die zeitliche Straf nicht ausgeblieben, denn kaum daß er von dem Scharfrichter von der Leiter herab geworfen worden, ist alsobald der Kopf von dem Leib gefallen, als wäre er durch ein Scheermesser abgeschnitten, die gotteslästerische Zung aber, so halb Ellen lang, herab gehängt, unversehrt geblieben.

O Erd, warum rächest nicht die Schmach deines Erschöpfers? weiß ich doch wohl, daß Anno 1239 etliche muthwillige und gewissenlose Bediente Friderici II. ganz gotteslästerlich wider Gott haben geredt; aber bald die Rach des Allerhöchsten erfahren, indem unverhofft die Erde sich bewegt, einen großen Thurm zu Boden geworfen, wovon alle besagte Gotteslästerer zerquetscht und begraben worden.

Vermaledeit das Maul und die Lefzen Judä. Es hat der allerheiligste Leib des Heilandes Jesu eine solche Kraft gehabt, daß er durch das bloße Anrühren die Krankheiten des Leibs sowohl als der Seele gewendet hat; darum, wie er nach Bethsaida kommen ist, da seynd etliche Leut mit einem blinden Menschen zu ihm getreten, und ihn gebeten, er solle ihn nur anrühren, denn sie wüßten schon durch die vorhergehenden Wunderwerk, wie kräftig bei ihm sey das Anrühren; sogar die bedrängte Matron, so etliche Jahr den schweren Blutgang gelitten, hat sich nur gewünscht, daß sie möcht den Saum seiner Kleider anrühren, wie sie dann hierdurch ihre gewünschte Gesundheit erhalten. Sein Anrühren der Todtenbahr zu[219] Naim hat so viel gewirkt, daß der betrübten Wittib einiger Sohn wieder zum Leben erweckt worden. Ja etliche seynd der Meinung, daß der rechte Schächer am Kreuz darum sey bekehrt worden, weil ihn der Schatten des gekreuzigten Jesu nur getroffen und angerührt. So muß denn kein redlicher Tropfen Blut, keine rechte menschliche Ader in dem Iscarioth gewest seyn, indem er den Heiland so vielfältig angerührt, ja viel hundertmal seine Lefzen in dessen heiligstes Angesicht gedrückt und geküßt, zumalen bei den Aposteln der heilige Gebrauch war, so oft einer zu dem Herrn kommen, oder aber von ihm gangen, daß er allzeit demselben einen Kuß geben, gleichwie die Religiosen und Ordenspersonen die Benediktion nehmen von ihrer Obrigkeit. O ihr vermaledeiten Lefzen, ihr seyd härter als die Stein, zumalen alle Stein in dem Bach Cedron, worauf der Herr Jesus getreten, sich erweichen lassen, daß man alle Fußstapfen darin wie in einem Wachs eingedruckt gesehen; ihr seyd härter als ein Marmor, zumalen der Berg Thabor vorher bestanden von ganz schwarzem Marmor, sobald aber der Herr selbigen mit seinen heiligsten Füßen betreten alsdann ist der schwarze Stein in einen schneeweißen verändert worden, wie er noch heutigen Tags zu sehen. Ihr verfluchten Lefzen Judä müßt von Eisen und Eisen zusammen geschmiedet seyn, weil ihr von der Liebsbrunst Christi nicht einen einigen Funken gefangen. O barmherzigster Jesu, was große Geduld hast du mit dem Sünder! Martha hat sich beklagt über ihren einigen Bruder, wie daß er schon schmecke und vier Tag im Grab liege; und du lässest dir noch die verruchten[220] Lefzen Judä in dein allerheiligstes Angesicht drücken, da doch von diesem verdammten Maul ein unleidentlicher Gestank gangen, indem wirklich sein Athem geschmeckt und gestunken nach dem höllischen Geist, als der nach Nießung des allerheiligsten Sakraments persönlich in ihn gefahren.

Vermaledeit die Zähn Judä. Dreierlei Zähn hat der Mensch im Mund, die ersten werden genennt Incisores, diese seynd breit und schneiden durch, und transchiren die Speisen; die anderen werden genennt Canini, und diese seynd schärfer als die ersten, aber deren ist auf einer jeden Seite nur einer; die dritte heißt man Molares oder Stockzähn, diese pflegen alles, was hart, zu beißen. Die ersten Zähn haben nur eine Wurzel, die anderen zwei, die dritten aber drei. Ob nun der Iscarioth zur Zeit seines Apostelamtes alle Zähn noch gehabt, ist mir unbewußt, aber das weiß man wohl, daß diesem Gesellen die Zähn allzeit gewässert haben nach guten Bissen, zumalen er mit der Mäßigkeit der apostolischen Tafel gar nicht zufrieden, sondern da und dort in bekannten Schliefwinkeln entweder geschmarotzet, oder aber als ein Propietatis die gemeine Kassa angegriffen und verbotene Jansen gehalten; denn zur selben Zeit waren die meisten Hebräer über diesen Leist geschlagen. Wie der Herr und Heiland das hebräische Volk durch ein absonderliches Mirakul und Wunderwerk mit Fisch und Brod gesättiget nach Contento, so war es ihnen gar recht, ja sie beschlossen unter einander, diesen Herrn für einen König aufzuwerfen, denn sie gedachten, es würde allezeit so wohl hergehen, und daß es[221] endlich eine leichte Sach sey, eine Predigt anzuhören, wenn man hernach so wohl mit Essen und Trinken traktire. Sie glaubten auch, daß inskünftig noch bessere Bissen werde absetzen; nachdem sie aber wahrgenommen, daß dergleichen Gastereien ausbleiben, alsdann hat sich ebenfalls das Blättel bei ihnen gewendt, und hat geheißen: »non habemus Regem, nisi Caesarem.« Ein solcher Freßnarr war der Iscarioth, und seynd wohl einige der Meinung, daß er darum zu dem Dienst des Herrn sey kommen, damit er sein gutes zeitliches Auskommen habe, und um seine tägliche Nahrung nicht viel Sorg dürfte tragen, wie zuweilen zu solchem Ziel und End etliche in ein Kloster gehen. Weil nun dieser verruchte Gesell seine Wampe wohl in Obacht genommen, also ist es mehr eine Wahrheit, als ein Argwohn, daß er keinen gar keuschen Wandel habe geführt, obschon die züchtige Feder der Evangelisten hierinfalls keine Meldung thun, denn gemeiniglich bei dem übermäßigen Traktament zuletzt das Kitzelfleisch wird ausgetragen.

Daß des Putiphars seine Frau dem wohlgestalten Joseph immerzu heftig nachgestellt, ihm öfters ganz zuckerige Wort geben, die freundlichsten Augen mehrmalen auf ihn geworfen, und gesucht, daß dieser Schnee möcht zerfließen, diese Lilie möcht verwelken, dieser Spiegel möcht anlaufen, ist es kein so großes Wunder, weil nemlich ihr Herr Obrist Kuchelmeister gewest zu Hof bei dem König Pharao, und folgsam die meiste Zeit die besten Bissen nach Haus geschickt, dort eine Pastete, da eine Torte, jetzt ein Fasan, bald etliche Rebhündel, daher der Tisch zu Haus allezeit[222] früh und spat wohl gespickt war, und die saubere Dama dem Naschen ohne das ergeben, auch ein Gläsel Wein nicht ausgeschlagen, ob sie auf die Letzt ein Rossolis, wie der Zeit bei vielen Herrentafeln gebräuchlich, auch getrunken, ist mir eigentlich nicht bewußt; weil sie dann das Traktament in Ueberfluß gehabt, und zugleich keine andere Arbeit, als etwan das Spielen, so ist es sogar kein groß Wunder, daß sie auch der unzuläßige Muthwillen angefochten, denn der Löffel beim Tisch ist dem andern Löffeln etwas anverwandt.

Vermaledeit der Bart Judä. Der Bart ist sonst eine Zierd des Angesichts eines Manns und ein Zeichen einer Stärke, dahero die Natur nur den Männern einen Bart vergönnt, gleichwie bei den Thieren dem Löwen, dem Hahn etc., wodurch ihre Mannheit und Stärk zu erkennen gegeben; den Weibern aber hat sie solche Zierde abgeschlagen, theils weil sie schwach und wankelmüthig, theils auch weil sie hart zu barbieren wären, denn sie sogar das Maul nicht können halten; obschon etliche unter diesem Geschlecht etwas bärtig seyn, so ist dieses ihnen mehr eine Unehr. Wenn nun der Bart von der Natur selbst für ein Zeichen der Mannheit und Stärke gehalten wird, so ist darum des Iscarioths Bart vermaledeit, weil er hierinfalls so grob betrogen, massen er die wenigste Stärke niemalen erwiesen; ob er schon Anfangs einen frommen und gottesfürchtigen Wandel geführt, so hat er sich doch bald von teuflischen Anfechtungen überwinden lassen, er war nicht viel anderst beschaffen, als wie die Bildnuß Nabuchodonosor, dero Haupt[223] zwar von schönem seinen Gold, aber die Füß von Erde und Hafnerarbeit. Judä Leben scheinet anfangs sein, weil er aber wie eine andere Lethfeigen von dem Satan überwunden, so ist zuletzt er gar ein Schelm worden. Judas ist eine Weil mit des Loths seinem. Weib von dem sündigen Sodoma ausgangen, ihr einen ziemlichen Weg das Geleit geben, aber nachmals spöttlich mit ihr zurück gafft. Judas ist eine Zeitlang gestanden mit dem Fluß Jordan, bis die Arche durchpassirt, aber bald hernach den vorigen Lauf genommen, und wieder hören lassen die alte Leier.

Die Türken halten sehr viel auf einen schönen und langen Bart, absonderlich die eines vornehmen Stands oder Amts seynd, daher wenn sie eine Sach wollen hochbetheuern und bekräftigen, so schwören sie bei dem Bart ihres Vaters oder gar des Großtürken. Auch zur Zeit des israelitischen Königs David seynd die großen Bärt in hohem Werth gehalten worden, denn wie Hanon denen Gesandten des Davids so spöttlich die Bärt halb abgeschnitten, da hat er ihnen einen eigenen Kourier entgegengeschickt, sie sollen derweil zu Jericho verbleiben, bis ihnen wieder der Bart wachse. Wenn dergleichen Schimpf jetziger Zeit einem geschah, da konnten die Barbierer gleichwohl noch ein Bärtel zusammen bringen, denn sie machens oft so klein, als wenn einem die Zwirnsfaden von der Nase thäten heraus wachsen, oder oft siehet man nur ein Tüpfel von einem Bart, als wann in diesem solle das Punctum honoris bestehen. Bei den Alten aber hat man sehr hoch geschätzt die großen Bärt, womit die Philosophi und Weltweisen nicht ein wenig[224] geprangt. Aber der Bart Judä ist nicht ein Haar zu schätzen gewest, denn nicht ein redliches Härl an demselben gefunden worden.

In Frankreich zu Gesede wird aufbehalten der Bart des heil. Apostels Petri, allwo sehr große Wunderwerk geschehen, ja wenn man mit demselben nur die besessenen Personen anrühret, so müssen alsbald die höllischen Larven weichen. Der Bart des heiligen Apostels Andreä wird in hohen Ehren gehalten zu Marsilien in der Kirche der PP. Dominikaner. Aber wo des abtrünnigen Apostels Judä Iscarioth Bart sey, weiß ich dermalen nicht; ich glaub, der Teufel Asmodäus hab einen Bartwisch daraus gemacht, womit er in der Höll die Bänk abkehret, wo die alten Hexen sitzen; oder aber der Teufel Leviathan hab einen Pinsel daraus gemacht, mit dem er der stolzen Weiber Angesichter überstreicht, die vorher auf der Welt den Anstrich gebraucht etc.; denn er ja ein vermaledeiter Bart, weil er an einem vermaledeiten Ort gestanden. Ihm hätte sollen das geschehen, was einmal einem andern Juden widerfahren.

Ein Christ und ein Jud ließen sich auf eine Zeit in eine lange Disputation ein, und gelangten endlich auf diese Frag, wer mehr Heilige könne zählen, das alte oder neue Testament? der Christ wollte das Neue behaupten, der Jud stund hartnäckig bei dem Alten; endlich gehen beide den Kontrakt ein, so oft einer einen Heiligen aus seinem Testament nennt, so soll er dem andern ein Haar aus dem Bart raufen. Der Jud macht den Anfang, und sagt Abraham ein Heiliger, reißt zugleich dem Christen ein Haar aus dem[225] Bart; dieser sagt Petrus, und thut deßgleichen dem Juden; der sagt wiederum Isaak, nimmt mehrmalen ein Haar dem Christen; dieser sagt Paulus, und thut nicht weniger; jener sagt Jakob, dieser sagt Andreas, und also weiter; der Jud war ein Schalk, und sagt die sieben Machabäer, reißt damit dem Christen ein ziemliches Schüppel Haar aus; der Christ war nicht weniger arglistig, und schreit St. Ursula mit den eilf tausend Jungfrauen, und reißt zugleich dem Schelm den ganzen Bart aus; das und noch mehr hätte der vermaledeite Bart des Iscarioths verdient.

Vermaledeit der Hals Judä. O wie oft hat dieser verschalkte Böswicht in seinen Hals hinein gelogen. Der Teufel hat Anfangs die liebe Wahrheit verfolgt, als er den ersten Menschen vorgeschwätzt: »nequaquam.« Ihr werdet nicht sterben, dieser ist ohne das ein Vater der Lügen. Die Hebammen in Egypten haben die liebe Wahrheit vertuscht wegen den hebräischen Knäbeln. Zwar die Weiber tragen die Lügen im Sack. Der Aman hat die liebe Wahrheit bei der Nase gezogen, als er bei dem König Assuero so spöttlich wider den Mardochäum geredet, das ist kein großes Wunder, denn bei Hof die Lügen Salvum conductum haben. Die alten zwei Mausköpf haben die liebe Wahrheit grob traktirt, indem sie so falsche Zeugniß geben wider die keusche Susanna, das ist aber nichts Neues, denn sie seynd Babylonier gewest, wo ohne das die Zungen verderbt worden. Die Juden und Pharisäer haben die liebe Wahrheit gar mit Füßen getreten, als sie bei dem Volk und allen andern Orten ausgesprengt, daß Jesus von Nazareth[226] ein Vollsauffer sey und ein Verführer des Volks, zwar der Neid handelt ohne das mit Lügen. Ananias und sein Weib haben die Wahrheit mit dem Mantel zugedeckt, daß sie schier erstickt, als sie dem Peter als ihrem Oberhaupt vorgeschwätzt, daß sie nicht mehr Geld um den verkauften Acker gelöst haben; das haben die Geizigen, daß sie die Lügen für den beßten Geld-Kuppler brauchen. Die Brüder Joseph haben die liebe Wahrheit durch große Schäfer – Hund lassen hinweg beißen, wie sie bei der Schaaf – Heerde die Lug erdicht, daß man ihrem Vater Jakob soll vortragen, ein böses Thier hat den Joseph zerrissen. Des Putiphars saubere Madama hat die Wahrheit gar die Stiegen abgeworfen, wie sie ihrem Herrn angedeut, daß der freche Sklav Joseph ihr habe wollen Gewalt anthun. Jene Ausspäher des israelitischen Volks haben der lieben Wahrheit ziemliche Nasen – Schneller versetzt, indem sie sich verlauten lassen, daß sie Leut haben gesehen so groß, daß sie gegen ihnen wie Heuschrecken gewest, da wärs Pfeiffen vonnöthen gewest. Die Hüter und Wächter des Grabs Christi, haben die Wahrheit gar ins Stock-Haus geschafft, wie sie bei dem Gericht haben ausgesagt, daß die Jünger den Leichnam des Herrn haben gestohlen. Aber Niemand, ich sag Niemand, hat der lieben und werthen Wahrheit einen solchen Spott angethan, als Judas Iscarioth, indem er mehrmalen dem Heiland Jesu selbst ganz unverschämt vorgelogen, denn dieser vermessene Böswicht gar oft zu dem Herrn getreten, ihm vorgetragen, wie daß er unterschiedliche Geschäfte habe zu verrichten; der Samuel seye sehr übel auf, und verlange[227] seine Person ganz inständig, der Zacharias auf dem Platz wolle ihm ein Allmosen für das Kollegium mittheilen, der Salomon in der Vorstadt habe ein wenig einen Zweifel an des Herrn seiner Lehr, und also mußte er ihm die Knöpf auflösen, etc. Dergleichen Sachen vielmehr hat er der göttlichen, eingefleischten Wahrheit vorgeschwätzt, so doch alles in Hals hinein nicht wahr war, sondern dieser verwegene Gesell ist in andere Schlief-Winkel hin und her gangen, allerlei Partiten gespielt, und das heilige Allmosen liederlich verschwendet.

Dem Pfleger Joszelino, weil er dem Abte Reinero vorgelogen, ist auf einmal sein großer Bart ausgefallen, und ihm die Zeit seines Lebens kein Härl mehr gewachsen. O wie recht! wenn dem Iscarioth nur allezeit ein einiges Härl wäre gewichen, so oft er eine Lug gethan, so hätt er bei Zeiten ein glattes Pergament um das Maul bekommen.

Vermaledeit die Händ Judä. Die Händ seynd sonst das Beßte und Fleißigste bei dem Menschen, die Händ des Adams haben geackert, die Händ der Eva haben gesponnen, die Händ des Gedeon haben gedroschen, die Händ des Samson haben gemahlen, die Händ der Sara haben gebacken, die Händ des Noe haben Wein gepflanzt, die Händ des Tubalkain haben geschmiedt, die Händ des Joseph haben gezimmert, die Händ des Nembrot haben gemauert, die Händ der Israeliten haben Ziegel gemacht, die Händ der Rebekka haben Wasser geschöpft, die Händ des Davids haben gestritten, die Händ Petri haben gefischt, die Händ Pauli haben Zelt gemacht, die Händ Lucä haben gemahlen,[228] und die Händ Judä haben gestohlen, wohl ein schönes Handwerk. Der erste Finger an der Hand heißt der Daum, der andere der Zeig – Finger, der dritte der Mittel – Finger, der vierte der Gold-Finger, der fünfte der Ohren-Finger, aber bei dem Iscarioth ist ein jeder Finger ein Gold und Geld- Finger gewest; denn am Sonntag hat er gestohlen, Montag hat er geraubt, am Erchtag hat er Beschores gemacht, am Mittwoch hat er ein Bein drehet, am Donnerstag hat er genommen, am Freitag hat er entfremdet, am Samstag hat er plündert, und folgsam die ganze Woche ein Dieb gewest.

Was hat Judas im Schild geführt? Noe hat geführt eine Taube emisit columbam. Genes. cap. 8. Elias hat geführt einen Raben. 3. Reg. c. 17. David hat geführt einen Löwen. 1 Reg. c. 17. Tobias, der jüngere, hat geführt einen Fisch, c. 6 v. 5. Abraham hat geführt einen Widder. Gen. 22. Herodes hat geführt einen Fuchsen. Luc. 13. Judas aber hat geführt einen Greiffen; ei so greif, absonderlich in einen fremden Beutel. So gehet es, wenn einer ein wenig ein Amt bekommt. Adam ist in das Paradies von Gott dem Allmächtigen gesetzt worden, jedoch nicht ohne Dignität, denn ihm der Titel ist geben worden: Kustos ein Verwalter, allein es ist kein Dienstel so klein (sogar dazumal hat diese Ceremonie schon angefangen), so nicht des Schenken werth ist. Adam, als der erste Beamte, hat einen Greiffen im Wappen geführt, denn er sich grob vergriffen, auf hochdeutsch gestohlen, das verbotene Obst, und folgsam aller Dieb Fundator gewest.[229] Judas ist doch über alle Dieb, über alle Diebs-Dieb, über alle Diebs-Diebs-Dieb ja ein Haupt der Dieb, ein Original der Dieb, ein Führer aller Dieb, ein Vater aller Dieb, ein Quint – Essenz aller Dieb, und ein Zunftmeister aller Dieb gewest.

Wo sich der verlorne Sohn, von dem das heil. Evangelium umstündig meldet, habe meistens aufgehalten, das weiß ich zwar nicht, ich glaube aber wohl zu Magdeburg, und zu Schweinfurt, ein Schlemmer, ein Dremmer ist er gewest, das ist wahr, ein Sauffer, ein Rauffer ist er gewest, das ist wahr, ein Vagant, Bachant ist er gewest, das ist wahr, ein Bruder voller Luder ist er gewest, das ist er gewest. Aber ist doch ehrlicher gewest, als Judas, denn wie er mußte aus höchstdringender Noth die Schwein hüten, dieselben aus- und eintreiben, und gehöriger Massen füttern, so ist er oft so hungrig gewest, daß er sich gewunschen, wenn er nur genug Trebern und Sau-Konfekt zu essen hätte, »et nemo illi dabat,« aber Niemand gab ihm solche, aber warum hat er diese nicht selbst genommen, er hätte ja können allzeit den Schweinen an ihrer Ordinäri-Portion abbrechen, und selbiges für sich nehmen, es hätte ihn dessenthalben kein Esau geklagt? Wahr ist es, aber er gedachte doch, ob er zwar dermalen ein elender zerrissener Lumpen – Hund, daß er von ehrlichen Eltern sey geboren, und ihm zwar einen liederlichen Wandel wohl können vorrupfen, aber kein Schelmen- oder Diebs-Stück, und also wolle er lieber sterben, als seinem Herrn das Geringste entwenden oder abstehlen. Dieser Meinung ist der heil. Hieronymus selbst cap. 2 ad Titum.[230]

Das hätte Judas wohl nicht gethan, dieser Haupt-Dieb, ich glaub sogar, daß er eins und das andere Schwein durch Partiten hätt verkauft, und zu Geld gemacht, und nachmals mit wohl gestudirten Lügen sei nem Herrn vortragen, daß ihm die Wölf solche hätten hinweggetragen. Da doch er, als der Fuchs, daran schuldig. Diesem Haupt – Dieb hat jener Zimmermann nachgefolgt, der wegen großem Diebstahl sollte gehängt werden, und wie in währender Gefangenschaft seine Freund zu ihm kommen, und einer gesagt: Mein lieber Hans Peter, wie kommst du doch dazu, und kannst ein so gutes Handwerk? Dem aber der Dieb geantwortet: freilich hab ich bisher ein gutes Handwerk getrieben, aber da ichs am Beßten zu treiben verhofft, will man mirs vertreiben.

Vermaledeit das Herz Judä. Cor, oder das Herz wird also genannt, a Cura, von Sorgen, weil nämlich alle Sorgfältigkeit in ihm verbleibt, auch liegt es nahe bei der Lunge, damit, wenn es im Zorn entzündet wird, durch die Feuchtigkeit der Lunge gemäßiget werde. So ist auch wie eine Herrschaft mitten im Leib, damit von dannen als von einem Cento die Lebens – Geister mögen allen Gliedern gespendiret werden. Das Herz ist von der Natur darum obenher dick und breit, untenher aber gespitzt formirt worden, damit selbes auf das Obere und ewige mehr gedenke, als auf das Untere, Zergängliche; aber das vermaledeite Herz Judä war gänzlich umgekehrt, zumalen in demselben nichts anders residirte, als der verdammte Geld – Geiz.

Judas hatte zwar das Vater unser gelernt, von[231] Christo dem Herrn, diesem seinem göttlichen Meister, ob er aber dasselbe öfters gebet', zweifle ich stark, gewiß ist es wohl, daß er in seinem Herzen nicht anderst gebet' hat, als folgender Gestalten: »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Nam, zukomme uns dein Reich, dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden, gib uns heut nicht unser tägliches Brod, nicht unser Brod, sondern das Brod meines Nächsten;« denn der verruchte Geiz hat sein Herz so eingenommen, daß er nur getracht hat, wie er einem andern sein Stückel Brod möge nehmen, das haben zwar alle Geizigen, als seine emsigen Nachfolger.

Der unmäßige Geld – Geiz in seinem Herzen hat so viel gewirkt, daß er auch ein Simoniacus worden, welches Laster bereits in der christlichen Kirche schon ziemlich gemein ist, also verliert es allgemach den Namen einer Sünd. Christus der Herr, so lange er auf Erden gewandelt, hat sich nur einmal erzürnt erzeigt, benanntlich dazumalen, wie er diejenigen zum Tempel hinaus gepeitscht, so darin Tauben ums Geld gekauft und verkauft haben. Der heil. Geist wird allezeit vorgestellt, die dritte Person, in Gestalt einer schneeweißen Taube, wie er denn bei der Tauf Christi im Fluß Jordan also erschienen. Aber glaubst du nicht, daß diese himmlische Taube gar oft auch ums Geld verhandelt werde? Ich sage nicht allzeit, aber oft, und biete in dieser Materie meiner Feder den Arrest an: aber anstatt meiner lese Jemand den heil. Ambrosius, und nachmals Petrum Damianum: »Videas in Ecclesia passim, quos non merita,[232] sed pecuniae ad Episcopatus Ordinem provexerunt.«

Was aber dieß für ein Laster seye, und wie dergleichen Simoniaci in den Augen Gottes stehen, höre derenthalben reden Petrum Damianum Epistol. 16 cap. 7. »Immanitate cruenti ac sceleratissimi criminis vestri vincitis homicidas, exceditis raptores Sacrilegos, Incestos, Paricidas, atque omnium pene reorum flagitia superatis, et adhuc parum est, nam si res digna, ut est, existimate perpenditur, omnis prorsus haenetica pravitas ipsaque Judaica perfidia vestris excessibus non aequatur.«

Ein solcher Simoniacus ist auch gewest Judas, als der Gottes Sohn ums Geld verkauft, seines verruchten Geizes halber, als der völlig über sein Herz das Governo geführt, wollte wünschen, daß hierinfalls Niemand thäte treten, in die Fußstapfen Judä, Mu, Sed, aber.

Vermaledeit der Magen Judä. Der Magen ist ein Mund und ein Thor des Bauchs, denn er nimmt die Speisen zu sich, den unreinen Theil aber verkehrt er in Humores, durch welche der Leib ernährt wird, denn er führet und leitet sie durch etliche Adern zu den Gliedern. O vermaledeiter Saumagen Judä, wie hast du dich also freventlich unterfangen, für eine Speis zu nehmen den Heiland Jesum, unter der Gestalt des Brods, bei dem letzten Abendmahl, indem doch dieser göttlichen Reinigkeit und reinsten Gottheit das allersauberste Ruhebettel gebühret? Wie die übergebenedeiteste Jungfrau Maria nach Bethlehem gereist, ob[233] sie schon die größte Liebhaberin der freiwilligen Armuth gewest, da hat sie sich gleichwohl mit den zartesten und schneeweißen Windeln versehen, worein sie nachmals den guldenen Jesulum eingewickelt; sie hat den neugebornen Heiland nicht gelegt auf wilde und garstige Lumpen, nicht auf schändliche zerrissene Zigeunersetzen, sondern auf schneeweiße Windeln; und du verruchter Judas, und du hast denselben in deinen stinkenden Saumagen einloschiret: wehe dir und allen denjenigen, so unwürdig kommuniziren.

Pfui, pfui, was für ein wilder und grauslicher Zustand ist der Aussatz, welchen wir in unserem Teutschland das Siechthum nennen! so schändlich und so entsetzlich ist er, daß wir dergleichen Spitäler und Siechhäuser so gar nicht in Städten und Märkten gedulden, sondern selbige von ihnen absondern, und gleichwohl, nach Aussag des heil. Evangeliums Matthäus, hat unser lieber Herr einen Aussätzigen angerührt, und denselbigen gereiniget, »extendent Jesus manum tetigit eum.« c. 8. Der gelehrte Origenes aber schreibt hierüber, und spricht, daß dieser aussätzige Tropf dazumal schon seye gereiniget worden, wie der Herr nur die Hand hat ausgestreckt und folgsam ist das Siechthum entwichen, ehe und bevor der Herr ihn angerührt, denn dieser abscheuliche Zustand gedachte, es gebühre gar nicht, daß der Herr Jesus etwas Unreines solle anrühren. Und du verdammter Judas, und du hast denselben gar in deinen wilden und entsetzlichen Sau-Magen hineingezogen, wehe dir und allen denjenigen, die da unwürdig kommuniciren.

Es ist die Frage, wo unser lieber Herr und[234] Heiland sich habe aufgehalten, nachdem er schon glorreich von den Todten auserstanden und noch 40 Tag auf der Erde geblieben, bis an die Zeit seiner Himmelfahrt, denn nach der Lehr der Evangelisten ist er öfters den Aposteln erschienen und zu ihnen kommen. Aus dem Meer oder aus den Wäldern? oder vom Berg? oder woher? Der heil. Vincentius sagt, daß der glorreicheste Herr Jesus sich hab mit den Altvätern in dem irdischen Paradeis unter dieser Zeit aufgehalten, denn es wäre auf Erden kein schönerer Ort und sauberere Bleibstadt als dieser Lustgarten, Vinc. Ferrer. Ser. 2. Dom. in albis, und du vermaledeiter Judas, und du hast denselben gar in deinen wilden Saumagen eingesteckt als in einen stinkenden Kerker, wehe dir und allen denjenigen, so da unwürdig kommuniciren.

Der heiligmäßigen Joanne de Cruce hat ein Engel eine konsekrirte Hostie gebracht, als sie in dem Gebet begriffen, damit sie selbige des andern Tags genießen solle, zu Trost und Nutz der armen Seelen im Fegfeuer; besagter Engel hat sich verlauten lassen, daß er diese Hostien gezogen aus dem Rachen eines Sünders, denn Gott nicht hat wollen wohnen in der Senkgrube des Satans. In vita hujus; und du lasterhafter Judas und du hast denselben gleichwohl in deinen verdammten Saumagen hinein genommen; wehe dir und allen denjenigen, welche da unwürdig kommuniciren.

Zu Wien, in dieser berühmten und volkreichen Residenzstadt, ist ein Ort, das heißt bei St. Salvator und wiederum ein anderes Ort, das heißt ein[235] Sauwinkel, aber diese zwei Ort seynd weit von einander entlegen; aber, du gottloser Judas, du hast St. Salvator und den Sauwinkel zusammen gesetzt, wie du in deinem verdammten und vermaledeiten Saumagen den Heiland Jesum, unter der Gestalt des Brods, am letzten Abendmahl genossen. Wehe dir und allen denjenigen, so da unwürdig kommuniciren!

Vermaledeit die Leber Judä. Die Leber ist ein hitziges, blutiges, hohles und schlüpferiges Glied, liegt an der rechten Seite des Magens und ist desselben Koadjutor und Mithelfer, ernährt die Glieder, verursacht die Hitz, macht eine vollkommene Dauung und erzeugt das völlige Blut. Vermaledeit die Leber Judä, dann ich sind nicht, daß ein guter und ehrlicher Blutstropfen in ihm gewesen, ja gar kein Blut, massen dieser gewissenlose Böswicht auch wegen seiner größten Lasterthaten und Bubenstücke niemalen schamroth worden. In demselbigen Augenblick, da der Heiland Jesus am bittern Kreuzstamm seinen Geist aufgeben, da ist der große rothe Vorhang in dem Tempel von einander gerissen, das ist, von oben bis hinunter, ohne einige Handanhebung eines Menschen, und glaubt Ephrem Syrus, daß solches der heilige Erzengel Michael gethan habe. Sobald dieser rothe Vorhang zerrissen, da hat man alsobald eine englische Stimm vernommen: »Eamus hinc, laßt uns von dannen weichen;« zugleich hat man auch wahrgenommen, daß der heil. Geist in Gestalt einer schneeweißen Taube von dannen geflogen. Sobald der rothe Vorhang zu Trümmern gangen, sobald hat der heil. Geist den Abschied genommen. O wie wahr ist,[236] wenn bei einem Menschen der rechte Vorhang der Schamhaftigkeit zerreist, daß Gottes Gnad von ihm weiche, und nichts guts Guts mehr zu zu hoffen seye, so lange aber das Angesicht sich noch verpurpuret, und schamroth wird, so lang ist noch die Krankheit zu kuriren.

Im Alten Testament hat Gott der Allmächtige befohlen, ihm allerlei Thier aufzuopfern, in dem Tempel zu Jerusalem, ausser der Fisch nicht, Tauben wohl, aber keine Fisch, Spatzen wohl, aber keine Fisch, sogar ein Gais – Haar, aber nur keine Fisch, neben andern Ursachen ist auch diese eine, weil nemlich die Fisch mußten weit hergebracht werden und also schwer möchten leben bleiben; aber wie kennt man, ob ein Fisch seye abgestanden? Koch wie? Köchin wie? beide sagen, man soll den Fisch bei den Floßen anschauen, wenn selbige schön roth seyn, so ist es gut, seynd sie aber bleich, und nicht mehr roth, so ist der Fisch abgestanden, pfui, auf den Mist mit ihm. So lang ein Mensch noch roth wird, so lang ihm die Aurora aus dem Gesicht scheint, so lang er unter dem Zeichen des Krebses ist, so lang er den Kalender – Feiertag über die Stirn hat, so lang er sich von Rothweil schreibet, so lang er die Rubrika citirt, da ist es noch ein Anzeichen seiner Unschuld oder aber wenigst eine unfehlbare Hoffnung seiner Besserung. Wie solches in Magdalena zu sehen war, als diese in dem Haus des Pharisäers zu Christo dem Herrn getreten und ihm mit ihren Thränen die Füß gewaschen, da hat sie sich aus Schamhaftigkeit nicht getrauet, unter dem Angesicht des Herrn zu erscheinen, sondern, nachAussag[237] des Evangelisten, Luk. Kap. 7. »Accessit retiro, stund sie von hinten an seinen Füßen;« entgegen der verwegene und treulose Apostel ist ganz unverschämt zu Christum getreten, ihn angeredt, ja sogar ihn geküßt, und nicht einmal roth worden. O Schelm nun bleibst du ewig schwarz geschrieben!

Vermaledeit die Lunge Judä. Die Lunge ist ein Windwächel und eine Abkühlung des Herzens, eine Werkstadt der Luft und ein Instrument des Athems, die Lunge muß derenthalben auch eine Mutter genennt werden der Seufzer; aber von dem Vermaledeiten ist nicht ein einiger rechter bußfertiger Seufzer vernommen worden. Wie unser Heiland aus den Gränzen Tyri nach Sidon an dem galiläischen Meer kommen, da hat man einen tauben und stummen Menschen zu ihm geführt, und gebeten, er wolle doch die Händ an ihn legen, worauf der Herr den armen Tropfen auf die Seite geführt, ihm die Finger in die Ohren gelegt und mit dem Speichel die Zung berührt, nachmals gegen Himmel geschaut und geseufzet: »Ingemuit,« Marc. cap. 7. Der gottselige Beda spricht, daß unser lieber Herr nicht dessenthalben habe geseufzet, als hätte er das Seufzen vonnöthen, wenn er etwas von seinem himmlischen Vater begehre, sondern uns zu einem Exempel und Nachfolg, wenn wir im Stand der Sünden uns befinden, daß wir unsere Augen sollen gegen den Himmel erheben und seufzen, sodann werde uns Gott auch die allerlasterhaftesten Adams – Kinder erhören. Gewiß ist es, wenn Judas hätte geseufzet nie Magdalena, hätte geseufzet wie der Schächer am Kreuz, daß er wäre zu Gnaden kommen, aber aus[238] dem verstockten Menschen kam nicht eine Unze eines Seufzers, der doch Centnerschwer Sünden auf sich gehabt.

Vermaledeit der Bauch Judä. Weil dieser ein Ueberzug alles Unflaths, und in den Gedärmen, welche siebenmal so lang als der menschliche Leib, nichts als Wust und Gestank, auch solches Ingeweid dem gehängten Judas aus dem Bauch gehangen, also mag ich mich in dieser Schinder – Grube nicht aufhalten, sondern ich schenk den Bauch mit Allem, was darin ist, als da ist Epigastrum, Hypogastrium, Peritonaeum, Epiploon, Ileon, Calon, Sphineter, Mezareon, Pancreas und mehrere dergleichen Lumpen-Wort und Ort, alles dieses schenke ich demjenigen wegen der Mühewaltung, der den Judam in die Höll geführt.

Vermaledeit die Füß Judä. Unangesehen der Heiland Jesus selbst mit seinen heiligsten Händen, mit denen er Himmel und Erde verfertiget, die Füß Judä gewaschen, und durch diese unermessene Demuth noch gesucht, den gottlosen Bösewicht zu bessern Gedanken zu bringen; unangesehen dieses ist der verstockte Mensch noch zu den Feinden des Herrn mehr gelaufen als gangen, ja eben dieselbigen Füß noch abgemattet, damit er Jesum in die Händ des Henkergesinds möchte liefern. O Bestia! der Hund des Tobiä ist besser gewest als du, die Eselin des Balaams ist besser gewest als du, der Rab Eliä ist besser gewest als du, der Ochs Elisäi ist besser gewest als du, die Füchs des Samsons seynd besser gewest als du, der Löw des Davids ist besser gewest als du, die Schwalben des[239] Tobiä seynd besser gewest als du. Bleibe dann Maledictus, und sey dann vermaledeit Judas in Ewigkeit!

Vermaledeit an Leib und Seele, vermaledeit vor Gott und der Welt, vermaledeit von Himmel und der Erde, vermaledeit von dem Element der Luft, in dem er sich erhängt; vermaledeit von der Erd, auf der er gewandlet; vermaledeit von Feuer, indem er nicht gehabt den wenigsten Funken einer Lieb zu Gott; vermaledeit vom Wasser, weil dieser hartnäckige Böswicht durch nichts sich lassen erweichen; vermaledeit von den Vögeln der Luft, weil er ein Erzvogel gewest; vermaledeit von den Thieren der Erde, weil er eine Bestie gewest ist; vermaledeit von den kriechenden Thieren, weil er sogar das Gift gegen Gott gebraucht; vermaledeit von den Fischen, weil er mit faulen Fischen umgangen; vermaledeit von allen Zungen, vermaledeit von allen Federn, vermaledeit von allen Sprachen. Maledictus![240]

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ, oder eigentlicher Entwurf und Lebensbeschreibung des Iscariotischen Böswicht. 7 Bände, in: Abraham a St. Claraߣs Sämmtliche Werke, Band 7, Passau: Friedrich Winkler, 1834–1836, S. 205-241.
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