Christus der Herr rühret mit mehrmalen wiederholten Worten dem gottlosen Judas das Gewissen.

[39] Nachdem der gebenedeite Heiland mit größter Demuth den Apostlen die kothigen Füß gewaschen, und schon, vermög seiner göttlichen Allwissenheit, vorgesehen, daß der schlimme Iscarioth ihn verrathen werde, also hat er in allweg gesucht, dieses irrende Schäfel wieder auf den rechten Weg zu bringen, zu solchem End hat er ihm öfter mit fast deutlichen Worten[39] das Gewissen gerührt, und zwar zum erstenmal sagte er: »Ihr seyd rein, aber nit alle.« Merks, Tölpel Judas, das geht dich an! Das andertemal ließ er sich verlauten mit diesen Worten: »Der das Brod mit mir isset, der wird seine Fersen wider mich aufheben.« Merks, Büffel Judas, das ist auf dich geredt. Das drittemal gab er noch deutlicher zu verstehen: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, einer aus euch wird mich verrathen.« Merks, Erzschelm, das ist ein Stich auf dich. Zweifelsohne durch dergleichen Wort hat der lasterhafte Judas unschwer können abnehmen, daß seine vorgenommene Bosheit dem Herrn schon bekannt sey, dann sein Gewissen wurde hierdurch nicht wenig beunruhiget, und hoffte der liebste Heiland, daß durch solchen Gewissenswurm der elende Tropf sollte zur Buß und Pönitenz bewegt werden; vermuthlich ist es gar wohl zu glauben, daß Judas sey mit untergeschlagenen Augen allda gesessen, wie ein anderer Schelm, und sich nit getraut, einen andern recht anzuschauen, aus Furcht, man möcht ihms im Gesicht ansehen, daß er der ehrvergessene Mammeluck sey; dazumal hat der nagende Gewissenswurm bei dem Juda schon den Anfang genommen.


Die verfluchte Niederkunft.


Weil Robertus, König in Frankreich, ein Großvater Philippi, wider der Kirche und aller Bischof Willen sich vermählet mit einer nächsten Blutsverwandtinn, also hat ihm solche das erstemal einen Sohn geboren mit einem Gänskopf und Kragen, zu[40] augenscheinlicher Straf seiner begangenen Frechheit. Das war eine unglückselige Niederkunft.

Anno 1575 hat ein spanischer Soldat in Geldern eine adeliche Tochter zur Ehe genommen, und weil er wahrgenommen, daß sie groß Leibs sey, also hat er ihr aus angebornem Zorn gewunschen, sie möcht den lebendigen Teufel tragen; nit lang hernach ist solche niederkommen, aber nit Kinds-Mutter worden, dann sie eine Frucht auf die Welt gebracht, welche zwar an dem untern Theil des Leibs einem Kind gleichte, der obere Theil aber wie ein Teufel ausgesehen. Das war eine elende Niederkunft.

In Deutschland hat ein vornehmer Edelmann sich also in das Jagen und Hetzen verliebt, daß er auch solches, auf öftere Abmahnung seiner Frau, an den Feier- und Gott geheiligten Tägen nit unterlassen; endlich, aus göttlicher Verhängnuß, hat ihm sein Gemahl geboren ein Kind mit einem natürlichen Kopf eines Windspiels oder Jagdhunds. Das war eine gräuliche Niederkunft.

In Holland ist ein Weib drei ganze Wochen in Kindsnöthen gelegen, und als man ihr treulich eingerathen, sie soll ihre Zuflucht nehmen bei der gebenedeiten Mutter Gottes Maria, als einer sonderbaren Patroninn und Fürsprecherinn; sie aber sprach hinwieder diese gottlosen Wort, weil sie eine Ketzerinn war, was ihr dieses Kebsweib könne helfen, aber die schwere Hand Gottes ist nit lang ausgeblieben, dann nit lang hernach hat sie anstatt eines Kindes etliche todte Schweinl auf die Welt gebracht. Das war eine säuische Niederkunft.[41]

Anno 1625 zu Perdonan in Friaul hat ein adeliches Weibsbild eine arme Bettlerinn mit harten Worten angetast, als hab sie die zwei Knäbel, so sie auf den Armen getragen, nicht ehelich noch ehrlich erzogen; ist aber nicht lang angestanden, daß besagte Frau selbst in eine Hoffnung kommen, und aber ein Kind geboren mit sieben Köpfen, der mittere ein Aug auf der Stirn, und mit zweien langen Geis-Hörnern versetzt gewesen. Das war eine ungestalte Niederkunft.

Aber es ist noch eine andere Mutter, die hat eine verfluchte Niederkunft, diese ist eine ungestalte, eine garstige, eine schändliche, eine wilde, eine wüste, eine rotzige, eine stinkende, eine muffende, eine krätzige, eine schäbige, eine triefaugige, eine lausige, eine zerlumpte, eine bucklete, eine blinde, eine krumme, eine siechige, eine schiecklete, eine grindige, eine grobe, eine säuische, eine tramplische, eine schwarze Teufels-Mutter, die Sünd, und diese gebähret einen großen und langen, und dicken, und giftigen, und wilden, und schmerzlichen, und abscheulichen, und verdrießlichen, und beissenden, und nagenden Wurm in dem Gewissen. Das ist eine verfluchte Niederkunft.

Herodes, der König, ist sauber gewest, das kann nit widersprochen werden, sauber am Leib, sauber an der Seel, sauber vor Gott, sauber vor der Welt, sauber auswendig, sauber inwendig, sauber in Gedanken, sauber in Worten, sauber in Werken, und ist doch derjenige Herodes gewest, welcher seines Bruders Weib gehabt, ist der Herodes gewest, der so viel auf das Tanzen gehalten, ist der Herodes gewest, welcher so viel unschuldige Kinder erwürgen lassen, ist der Herodes[42] gewest, welcher Joannem Baptistam enthaupten lassen; dieser ist im Leben und Tod sauber gewest, man muß aber das Wort Sauber von einander lesen, nachmals heißt es so viel als Sau-ber, ein solcher ist er gewest wegen seines schändlichen und allzusträflichen Wandels, wessentwegen Joannes als ein beherzter und gewissenhafter Hofprediger ihm stets vor der Thür, auf der Gasse, heimlich und öffentlich, mit dem non licet eine scharfe Ermahnung gethan, es sey nit erlaubt, es sey nit recht, es sey die größte und schändlichste Aergernuß, daß er seines Bruders Weib habe; dieß so oft intonirte Liedel hat der et cetera dergestalten mißfallen, daß sie nit ausgesetzt, bis Herodes Joannem hat lassen aus dem Weg räumen; nach einer Zeit kommt dem König zu Ohren, es sey einer da, der sehr wunderbarlich in Wort und Werk, man haltet ihn bereits für den Messiam, dann er mache die Blinden sehend, die Krummen gehend, die Kranken gesund, treibe die Teufel aus, und weiß nit was dergleichen mehr, so bald solches Herodes vernommen, sagt er, Joannes Baptista surrexit a mortuis, der Joannes ist gewiß von Todten auferstanden? mein wer hat den Herodem an Joannem gemahnt? er hat ja gewußt, daß er schon längst durch das Schwert hingericht worden, weder sein Obrist-Hofmeister, weder sein Obrist-Kammerer, weder sein Obrist-Stallmeister, weder seine Kammer-Herren und Kammerdiener, haben ihn daran gemahnt, die Hofnarren noch weniger, wie hat dann der König unter so viel tausend Geschichten und Geschäften und Zeitungen an Joannem gedacht, dessen doch der ganze Hof schon[43] längst vergessen? frag nicht lang, der nagende Gewissenswurm in seinem Busen, das verletzte Gewissen hat ihn daran gemahnt, darum ist das böse Gewissen ein Prügel, was mehr? ein Igel, was mehr? eine Laus, was mehr? eine Maus, was mehr? ein Hahn, was mehr? ein Zahn, was mehr? ein Hund, was mehr? eine Wund, was mehr? ein Dorn, was mehr? ein Horn, was mehr? eine Regel, was mehr? ein Egel, was mehr? eine Sag, was mehr? eine Waag, was mehr? ein Sturm, was mehr? ein Wurm. Ein Wurm, der alleweil nagt, ein Sturm, der alleweil plagt, eine Waag, die alleweil wägt, eine Sag, die alleweil sägt, ein Egel, der alleweil beißt, eine Regel, die alleweil weis't, ein Horn, das da alleweil wetzt, ein Dorn, der alleweil verletzt, eine Wund, die alleweil blüt, ein Hund, der alleweil wüth, ein Zahn, der alleweil macht, ein Hahn, der alleweil kracht, eine Maus, die alleweil frißt, eine Laus, die alleweil nist, ein Igel, der alleweil hägt, ein Prügel, der alleweil schlägt. O eine verfluchte Niederkunft der Sünd! Bei dem Hündel des Tobiä hat es doch bisweilen geheißen: gusch! bei den Hunden des reichen Prassers, welche dem armen Lazaro das Geschwür geleckt, hat es doch zu Zeiten geheißen: gusch! bei den Hunden, welche der stolzen Jezabel die Beiner abgenagen, hat es doch zuweilen geheißen: gusch! aber bei dem bösen und bellenden Gewissen heißt es niemalen gusch! sondern spat und fruh, schreit immerzu, gibt nie eine Ruhe, was nur einer thue.

David, der König, nachdem er alt worden, hat er einen wunderlichen Zustand bekommen, operiebatur[44] vestibus et non calefiebat, es hat ihn stets und immerdar gefroren, daß er Tag und Nacht gezittert, man hat Fuchs-Pelz, man hat Mader-Pelz, man hat Zobel-Pelz, man hat Lämmel-Pelz über ihn gedeckt, hat gleichwohl nichts ausgeben, sondern er fort und fort gezittert, weder Better, weder Decken, weder Kotzen, weder Polster, weder Tuchet, konnt ihm das Zittern vertreiben, non calefiebat; im Juni, im Juli, im August, in der größten Hitz hat er nit können erwarmen, sondern allezeit gezittert, non calefiebat. Er hat Wein getrunken, er hat Meth getrunken, er hat gewürzte Speisen geessen, er ist beim Kamin gesessen, non calefiebat, es war halt die vorige Kälte, und hat er nit aufgehört zu zittern. Er ist gangen, er ist geritten, er ist gesessen, er ist gelegen, non calefiebat, beim Tag, bei der Nacht, Vormittag, Nachmittag, beim trüben Wetter, beim schönen Wetter, non calefiebat, hat er allezeit gezittert, in Summa, nichts wollt helfen für dieses Zittern. Es werden zwar dessen unterschiedliche Ursachen von denen Schriftgelehrten beigebracht, mir gefallt dießmal jenes, was etliche glossiren, die da sagen, daß David derenthalben stets habe gezittert, weil ihm das Gewissen immerzu habe geprediget von dem Todschlag, den er an Uria begangen. Ja einige wollen, daß ihm, dem König, sey vorkommen, als sehe er stets vor seiner den ermordten Uriam, dahero habe er bekennt, peccatum meum contra me est semper. Wie ist dir, großer König Alexander? mir ist nit wohl, sagt dieser, von der Zeit an, daß ich meinen besten Freund Clytum hab umgebracht, hab ich nie eine[45] Ruh, ja es wär kein Wunder, wann ich mir selbst das Leben nähme. Wie ist dir Orestes? mir ist gar nit recht, sagt dieser, dann seithero ich meine Mutter Clytemnestra hab ermordt, hab ich nie eine Ruhe vor meinem Gewissen. Wie ist dir Erice, König in Schweden? mir, sagt dieser, ist überaus übel, dann von der Zeit hero, daß ich meinem Hofmeister das Leben hab unschuldiger Weis' genommen, hab ich nit eine gute viertel Stund, ja das Gewissen plagt mich also heftig, daß ich gar muß von Sinnen kommen. Wie ist dir grausamer Blut-Egel und römisches Abendtheuer Nero? mir, sagt dieser, ist gar nit wohl, und seithero ich meine leibliche Mutter tyrannischer Weis' entleibt hab, hab ich nicht eine friedsame viertel Stund genossen, ja es dunkt mich, als sehe ich sie immerzu Tag und Nacht vor meiner. Wie ist dir Sünder, wann du hörest vom gähen Tod, von dem Teufel, von der Höll, von der ewigen Straf, von dem strengen Richter, vom Verlust der Seligkeit, vom tiefen Abgrund, vom jüngsten Tag? mir ist nicht wohl, mir zappelt das Herz, mir graus't der Buckel, mir stehen die Haar, sagst du, mich nagt, schlagt, jagt, klagt, zwackt, fragt, hackt, prägt das verletzte Gewissen. O verfluchte Niederkunft der Sünd mit dem Gewissens-Wurm!

Vor vielen Jahren hatte zu Wien in Oesterreich ein vermöglicher Becker einen Bedienten, seiner Meinung nach den allertreuesten, aber Gott allein hat den Schlüssel zu den Menschen-Herzen, und gleichwie uns im Sommer bei nächtlicher Weil mehrmalen vorkommt, als sehen wir strahlende Lichtel fliegen, da unterdessen[46] nichts anders ist, als schlechte Käferl und Würmel, also halten wir oft einen Menschen für gut Kordabon, da unterdessen derselbe mit Bernhäuter-Zeug gefüttert ist; ein solcher war erstgedachter Bösewicht, welcher aller Treu und Gutthaten vergessen, bei nächtlicher Weil, wider alles Vermuthen und Glauben, den Herrn, seine Frau und gesamte Familie jämmerlich ermordt hat, ein einiges kleines Töchterl war noch übrig, welches in aller Frühe mit seinen Docken spielte; als nun solches unschuldige Kind der blutbegierige Mörder auch wollte hinrichten, hat dasselbe auf möglichist schön gebeten, er woll ihrer doch verschonen, sie woll ihm alle ihre Docken und Bilder und Hausrath schenken; dieses hat zwar anfangs das unmenschliche Gemüth in etwas besänftiget, aber gleichwohl von dem rasenden Zorn dahin getrieben, daß er auch das arme Tröpfel grausam erwürgt, worüber er sich alsobald in die Flucht begeben, und samt dem besten Raub nach Passau kommen, allwo er durch gerichtliche Hand in Verhaft gezogen worden, und bald hernach auf ergangene Aussag solcher begangener Mordthat halber lebendig gespießt worden; weil ihm aber das Herz nit getroffen worden, hat er eine ziemliche Zeit in diesen großen Tormenten gelebt; indem nun viel, wie pflegt zu geschehen, hinaus geloffen, und ihn möglichster Weis' zur Geduld und Uebertragung dieser zeitlichen Straf ermahnt, gab er endlich mit wehmüthigen Klagen diese Antwort: ich, allerliebste Leut, ich leide zwar unbeschreibliche Schmerzen an meinem Leib, und weil mir der Spieß alles Ingeweid durchbohrt, aber alle diese Pein und Marter seynd nichts gegen diejenigen, die[47] ich in meinem Gewissen leide. Wann ich gedenke, wie inniglich mich das kleine kindische Mädel um Frist ihres zarten Lebens gebeten; diese Erinnerung ist mir weit über alle Qual und Tortur an diesem Spieß. O erschrecklicher Gewissenswurm! Es gibt Leut, die einen hart und scharf anklagen, wann man aber ihnen spendirt, remunerirt, gratifizirt, so schweigen sie still, aber das beleidigte Gewissen schweigt nit, man versprech ihm, was man will, wie man will, wo man will, sondern es schreit stets: »das hast gethan, das und das;« wann man einem Kind, welches da weint, schreit, kürrt, das a ja pupeja zusingt, oder einen rothen Apfel darreicht, so schweigt es, und schlaft; aber das verletzte Gewissen laßt sich nit einsingen, schlaft nit, sondern schreit immerzu: »das hast gestift, das und das, diese Straf liegt dir ob.« Wann ein Karren oder Wagen gurretzt und kürrt, und man ihn schmiert, so schweigt er still, und halt seine mit Eisen beschlagene Goschen, aber das böse Gewissen laßt sich nicht schmieren, nicht besänftigen, sondern schreit alleweil, Tag und Nacht. Ein Spiegel ist zwar ein solcher gläserner Prediger, der einem natürlich die Wahrheit in Bart reibt, hast eine krumme oder stumpfe Nase, so sagt er's, hast einen lux- oder fuchsfarben Bart, so sagt er's, hast feiste, weiche oder bleiche Wangen, so sagt er's, hast ein großes oder bloßes Maul, so sagt er's, verschweigt nichts, aber gleichwohl in der Finster halt er's Maul; aber das beleidigte Gewissen schreit ohne Aufhören, vermantlet nichts, verhüllt nichts, verblümlet nichts, verschweigt nichts, schreit nit allein beim Tag, sondern auch bei der Nacht:[48]

»das, das, das hast gethan.« Das sechste Gebot hast so und so oft übertreten, in deinem Amt hast so und so viel beuntreut, wann schon der Kaiser stillschweigt, und nichts begehrt, so schreiet dir doch das Gewissen in die Ohren, gib es wieder.

Ammon, der vornehmste Minister bei dem König Asuero, hat so viel bei Hof golten, als der Pamphili im Spiel, ist allezeit oben geschwummen, wie das Pantoffelholz, hat das Herz des Königs nach sich gezogen, wie der Magnet das Eisen; nachdem aber seine böse Tück und Untreue an Tag kommen, hat der verfolgte redliche Mardochäus die Kirschen bei Hof erhalten, der Ammon aber die Stängel. Nach diesem laßt die Königinn Esther ein stattliches Panquet zurichten, eine überaus herrliche Mahlzeit, worzu auch der Ammon eingeladen worden; aber hört etwas seltsames! die Trabanten und Lakei des Königs haben den Ammon gezwungen und genöth, er hat müssen kommen, compulerunt, nun hui Ihr Excellenz, hat es geheißen, die Speisen seynd schon fertig, der König wartet Ihrer; hui, geschwind, wir dürfen ohne Sie nit nach Hof, presto! presto! der Ammon weigert sich so stark, zu dem königlichen Panquet zu kommen, daß sie ihn endlich mit Gewalt dahin getrieben, compulerunt, ein anderer hielt es ihm vor die allergrößte Ehr in der ganzen Welt, und Ammon will nit; ja, gedacht der Ammon, der Henker geht mir vorn Augen um, ich hab so viel Uebels wider die Königinn und ihre Landsleut angestift, ich glaub lauter, ich werde bei dieser Mahlzeit harte Brocken müssen schlicken. Aber Ammon, wie weißt du daß?[49] hast du dann hiervon einige Nachricht, oder sonst anderwärts hero ein Licht? nein, sagt er, nein, aber es geht mir also vor, O Furbo, sags recht heraus, dein schlimmes und gottloses Gewissen sagt dirs, es ist dir vorgangen, aber durch Antrieb des nagenden Gewissenswurms, daß du werdest gehängt werden, das böse Gewissen ist ein solcher Wecker, ein solcher Richter, ein solcher Anklager, ein solcher Wahrsager, ein solcher Zeug, ein solcher Kalender, ein solches Protokoll, ein solches Register, ein solches Geläut, ein solches Wurmnest, eine solche Uhr, eine solche Kanzlei, eine solche Trompete, die immerzu hallt und schallt, keit und schreit, foppt und tobt, dupft und stupft, zahnt und mahnt, scherrt und beschwert, kurrt und murrt, buckt und druckt, rauft und zauft, blerrt und rehrt, bindt und schindt, daß nie eine Ruhe. O verfluchte Niederkunft der Sünd mit dem Gewissens-Wurm!

Was hier folgt, ist kein Gedicht, sondern eine gewisse Geschicht. Eine vornehme Fürstinn in Niederland hatte ein sehr köstliches Kleinod verloren, welches auf eine große Summa Geld geschätzt worden, und weil sie, nach allem angewendten Fleiß, solches nit mehr konnte erfragen, hat sie bei ihr gänzlich beschlossen, die Zauberer und Schwarzkünstler um Rath zu fragen, zu solchem End ein großes Geld öffentlich demjenigen verheißen, der ihr das entfremdte Kleinod wieder zuwegen bringet; nachdem solches ein frischer, junger Mensch erfahren, gedachte er, einmal ein Stückel zu wagen, und einen Studenten-Possen zu probiren; begibt sich dahero ganz muthig und unerschrocken[50] zu der Fürstinn, sein Name war Monsieur le Ratt, das ist, Herr Ratz mit dem Zunamen, und verspricht der Fürstinn ihrem gnädigsten Willen nachzukommen und das verlorne Kleinod einzuhändigen, jedoch mit dem Geding, daß sie ihn drei Tag nacheinander in ihrem Pallast öffentlich, daß jedermann kann zuschauen, lasse traktiren, welches alles die Fürstinn urbietig zugesagt und gehalten; unser Herr Ratz setzt sich zur Tafel, alle fürstlichen Bedienten warten auf, eine große Menge Volk schaut zu, worunter auch einer aus denjenigen, die das Kleinod entfremdt, unbekannt gestanden, dem Herrn Ratzen schmeckt das fürstliche Traktament nit übel, nachdem nun der Ratz den Ranzen ziemlich angeschoppt, steht er von der Tafel auf, schaut alle Umstehenden ernstlich an, und bricht endlich in diese Wort aus: »den ersten hab ich,« (er verstund aber den ersten Freßtag), der Dieb, so unter dem Volk gegenwärtig, glaubte gänzlich, (was das böse Gewissen nir thut?) er habe ihn durch das Anschauen vermerkt, und mit dieser Red getroffen, eilet demnach in aller Still zu seinen Diebs-Kameraden, Brüder, sagt er, der Diebshenker hol mich, der Kerl ist ein Zauberer, er hat mich ersehen. Des andern Tags wird mehrmal eine stattliche Mahlzeit zugericht, worbei Herr Ratz sich sehr wohl befunden, und war der Zulauf des Volks noch größer, als des vorigen Tags; es wollte aber die Fürstinn recht erfahren, ob dieser ein solcher Künstler sey, der die verborgenen Sachen wisse; zu solchem End ließ sie zu dem Confect eine verdeckte Schüssel auftragen, worunter ein lebendiger Ratz gesteckt, welches sonst niemand gewußt,[51] als sie und ein Bedienter, dem Herrn Gast wird auferlegt, er wollte rathen, was in der verdeckten Schüssel verborgen; Oime! schreit er auf, kratzt hinter den Ohren, und sagt: Ratz, Ratz, du bist gefangen; er vermeinte solches von seiner eigenen Person, weil er diesen Zunamen hatte, daß er dermal sey in seinem Possen-Handel ertappt; das Volk aber und die fürstlichen Bedienten glaubten, wie man die Schüssel aufgedeckt, er hab solches auf diesen gefangenen Ratzen geredt, und folgsam ihn für einen Zauberer gehalten, welches dem Herrn Monsieur le Ratt sehr wohlgefallen, dahero nach vollbrachter Mahlzeit mehrmalen aufgestanden, und noch kecker als zuvor alle Umstehenden angeschaut, endlich aufgeschrien, »ich hab schon den andern.« Er verstund den andern Freßtag; der andere aus den interessirten Dieben war auch dazumal gegenwärtig, avisirt deßwegen in der Still die anderen Mitdieb, es sey noch wahr, was sein Kamerad gestern gemeldt, der Kerl sey ein Zauberer, und er hab ihn mit allem Fleiß erschrecklich angeschaut, auch noch darüber gewußt, was in der verdeckten Schüssel verborgen gewest; was das böse Gewissen thut? Den dritten Tag ließ die Fürstinn sehr herrlich auftragen, und war überaus eine große Menge Volks vorhanden, weil allenthalben schon ausgeschrien worden, der Herr Ratz sey ein Wahrsager. Nachdem sich dieser listige und lustige Vogel nach allem Wunsch bei dieser Tafel begrast, hat er sich wieder aufgehebt, und alle um und um ganz genau angeschaut, endlich aufgeschrien: »gut, gut, ich hab den dritten.« Er verstund den dritten Freßtag.[52] Nach diesem begibt er sich von dem Saal in ein anderes Zimmer, und macht ihm Mucken, wie er sich möcht manierlich aus dem Staub machen; ihm aber ist in der Still einer auf dem Fuß nachgefolgt, und vor seiner auf die Knie niedergefallen, bittend, Herr, sagt er, ich hab's gestern und vorgestern meinen zweien Kameraden nit recht glauben wollen, aber heut hab ich es leider! selbst erfahren, daß ihr ein Zauberer seyd, und habt mich gleich gekennt, wie ihr umgeschaut, ich bitt demnach um Gottes willen, er verschon unser Ehr und guten Namen, wir stellen uns ein mit hundert Thalern; ja, antwort Herr Ratz, aber wo ist das Kleinod? da, da, und gibt ihm's mit Zittern und Weinen. Wer war damal getröster, als unser Herr Ratz, der ein so wunderlicher Rathsherr worden, er brachte das gestohlene Kleinod mit sondern Freuden zu der Fürstinn, bekommt eine sehr stattliche Remuneration, und bekennt anbei den ganzen wunderlichen Verlauf, hochbetheuernd, daß er die Zeit seines Lebens nichts um die schwarze Kunst habe gewußt; allein habe diese drei Kerl ihr eigenes böses Gewissen selbst geoffenbart und an Tag geben.

Es ist auf solche Weis' das böse Gewissen eine Uhr, die alleweil auf die begangenen Laster zeigt; es ist ein witterisch und wütherisch Meer, welches immerzu tobet! es ist ein Musikant, der alleweil auf der Zitter schlagt; es ist ein rother Apfel, der einwendig wurmstichig; es ist ein Hecken voller Dörner, die immer sticht; es ist ein Richter, der ganz unparteiisch; es ist ein Schmied, der mit dem Hammer der Furcht stets auf den Ambos des Herzens schlagt; wer ein[53] böses Gewissen hat, der zittert, wie ein eschpes Laub, wann er nur eine Maus hört rauschen; wer ein böses Gewissen hat, der fallt ineinander, wie ein kaltes Eierschmalz, wann er nur einen Wind hört sausen; wer ein böses Gewissen hat, der erbleicht, wie ein ungarischer Stiefelbalg, wann er nur von der Höll hört reden; wer ein böses Gewissen hat, der schaut mit den Augen aus, wie ein abgestochener Geisbock, wann er nur von Gottes Gericht etwas höret; wer ein böses Gewissen hat, dem thadert die Brust, wie ein Mühlbeutel, wann er nur einen Schatten an der Wand siehet; wer ein böses Gewissen hat, der schaut so sauer aus, wie ein Essig-Topf, wann er nur an die Straf denkt; eine Schlaguhr im Sack, ein Stroh im Schuh, ein Husten im Hals, eine Lieb im Herzen, ein böses Gewissen, und ein halb Dutzend Schergen, die lassen sich nit leicht verbergen.

Ein großer Hunger ist entstanden in dem Lande Kanaan, dahero der fromme Jakob alle seine Söhn, außer dem jüngsten, nach Egypten geschickt, daselbst Treid einzukaufen; wie solche aber angelangt, hat der Joseph, als ein bevollmächtigter Landesverwalter, sie mit harten Worten angeschnarcht, und gefragt, wer sie seyn? woher sie kommen? wir, sagten sie, seynd ehrliche Leut; ja ehrliche Leut, Schelm seyd ihr, setzt hinwider Joseph, ihr seyd gar gewiß Ausspäher und Verräther; das nit, mein Herr, sondern wir begehren um unser baares Geld ein Treid einzukaufen; ei, so kauft, daß euch etc., fort mit euch in die Keichen, vor solche Gesellen gehört kein anderes Futteral, fort mit euch, bis auf einen weitern Bescheid; die wurden[54] fein sauber in Arrest geführt, der erste ist voran gangen, die anderen hintennach, sobald sie in der Gefängnuß ganz allein gewest, da haben sie keinen andern; Diseurs geführt, als diesen, gelts, jetzt wird's uns eingetrenkt, gar gewiß ist dieses Uebel über uns kommen, weil wir so spöttlich mit unserm Bruder Joseph umgangen. Merito haec patimur, quia peccavimus etc. Wer mahnt euch an Joseph? diese Sach ist schon längst vergessen, denkt doch der Vater Jakob selbst nit mehr daran, es ist schon eine geraume Zeit, daß dieses geschehen, wer mahnt euch an diese alten Geschichten? wer? das böse, das nagende, das unruhige, das ungestümme, das verletzte Gewissen, dieser wilde, wachtsame, wüthende Wurm des Gewissens.

In einer gewissen Stadt des römischen Reichs wohnte ein burgrechter Schneider, bei guten Mittlen, und gar eines ehrbaren Wandels, dem auf eine Zeit sein eigener Gesell einen Fleck pr. dritthalb Ellen Tuch entfremdt; der gute Meister Nickel suchte solches Zwickel über und über, es wurde aber nichts gefunden; Weib, weißt du es nicht? nein; Gesell, wißt ihr es nicht? nein; Kinder, wißt ihr es nicht? nein; Bub, weißt du es nicht? nein; Menscher, wißt ihr es nicht? nein; ei das muß der Teufel seyn. Nach langem und vielen und emfigen Suchen fallet der gute Meister in den Argwohn, als hätte der Gesell den Griff gewagt, und weil ihn der Zorn in etwas übergangen, also hat er fein rund heraus gesagt, und den Gesellen des Diebstahls beschuldiget; worauf der Gesell geschworen, der Teufel soll ihn von der Bank herunter führen, wann er einen Faden entfremdt hab! bald auf diese[55] Red läutet jemand an, und weil das Glöckel gleich nahe bei dem Gesellen gehangen, also hat er, wie er öfters pflegte, das Fensterl eröffnet, zu fragen, wer da läute? dazumal hatte Zeit halber s.v. der Sauhirt eingetrieben, und bei dem Haus des obbenannten Meisters ein großes Schwein sich an der Mauer gerieben, und zugleich ungefähr das Strickel zum Glöckel ertappt; wie nun der Gesell gäh hinaus gafft, zu fragen, wer dann läute, er aber die große Sau wahrgenommen, gedacht er alsobald an seinen erstergangenen Schwur, der Teufel soll ihn holen, und glaubte, jetzt sey er da, dahero ganz bleich von der Bank hinunter gesprungen, dem Meister zu Füßen gefallen, und mit aufgehebten Händen um Verzeihung, gebeten, auch freimüthig bekennt, er habe den Diebstahl begangen, und sey urbietig alles wieder zu erstatten, was das böse Gewissen nit thut! O verfluchte Niederkunft des Gewissens mit dem nagenden Wurm!

Nachdem der Herr Jesus fünf tausend Mann wunderbarlich in der Wüste gespeist, hat er seine Apostel auf einem Schiffel voran geschickt, über das Meer nach Bethsaida zu fähren; wie nun diese in Mitte des Meers mit den widerspenstigen Winden ziemlich duellirten mit ihren Rudern, und war es bei nächtlicher Weil, so ist ihnen daselbst der Heiland erschienen, welcher sich zeigte, als wolle er vorbei gehen, die guten Apostel haben ihn nie erkennt, sondern sie seynd erschrocken, daß ihnen die Haar gen Berg gestanden, und überlaut aufgeschrien, dann sie haben nit anderst vermeint, als sey es ein Gespenst, der Bau, Bau: Putabant esse phantasma. Daß dazumal[56] die lieben und frommen Apostel ein böses Gewissen haben gehabt, das glaub ich nit, außer der Judas möcht schon ein Schelm seyn gewest; aber sonst seynd alle diejenigen, welche eines bösen Gewissens, nit anderst beschaffen, indem sie so voller Furcht und einwendigen Schreckens, daß sie ein jedes Getös bei der Nacht für ein Gespenst halten, putabant esse phantasma.

Es ist einer gewest nit gar eines niedern Standes und Verstandes, welcher frisch und gesund schlafen gangen, bei der Nacht aber ein jämmerliches Geschrei erhebt, als wollt ihn jemand erwürgen; sobald nun die Bedienten eilfertig zugeloffen, hat er sie um Gottes willen gebeten, sie sollen alsobald um einen Beichtvater gehen, ja nit gehen, sondern laufen, er schwitzte am ganzen Leib, und schlug ihm das Herz wie einem Landbetller an der Hausthür: die Ursach seiner Furcht und unerhörten Schreckens war dieß: unter seinem Bett stund ein Krügel voll mit Milch, worvon er denselben Tag etwas gebraucht zu einer Farb, dann er ergötzte sich bisweilen mit Malen: unwissend seiner war eine Katz hinein geschlichen, welche mit dem Kopf in das enge Krügel also hinein gedrungen, daß sie nachmals denselben nit mehr konnte heraus ziehen, derentwegen das Krügel allemal in die Höhe gehebt, und wieder aus die Erd geschlagen; so oft er geschrien, war alles still worden, so bald er aber vermeinte, eine Ruhe zu haben, so ist das Klopfen wieder angangen, welches er für ein unfehlbares Gespenst gehalten, und also ernstlich geforchten, es möcht ihn der Schwarze holen, dann das böse Gewissen ängstigte ihn[57] solchergestalten, daß er eilfertig um einen Beichtvater geschickt, auf solche Weis hat diese Katz wunderbarlich einen großen Mauskopf gefangen. Was das böse Gewissen nit thut!

In Spanien ist auf eine Zeit eine Mordthat begangen worden, allwo sehr viel gegenwärtig gewesen, die doch alle sich entschuldiget und geläugnet, und man also hinter den Thäter nit sonnte kommen, dahero der verständige Richter alle halb nackend ausziehen lassen, und einem jeden an die bloße Brust griffen, dem das Herz zum stärksten geschlagen, den hat er für den schuldigen Thäter gehalten; und gar wohl, nach ergangener Aussag zugetroffen, das böse Gewissen verschweigt nichts.

Der König Balthasar hat ein sehr kostbares Panquet angestellt, und dazu eingeladen seine Obristen, deren tausend waren; tausend Obriste können ein ehrliches saufen, es waren lauter solche fromme Offizier, von gemeinen Soldaten war gar keiner dabei, die armen Teufel haben dazumal auch schon müssen fasten, wie es jetzo der Brauch; nachdem die Gesund- Trunk, Mund-Trunk, Rund-Trunk, Schlund-Trunk, ziemlich herum gangen, und alles im besten Allegoro, da siehet der König Balthasar durch eine unsichtbare Hand an die Wand diese drei Wort schreiben: Mane, Thecel, Phares, der König ist hierüber also erschrocken daß er ganz erbleicht, an allen Gliedern gezittert, und ihm beede Knie, wie zwei Schlegel, stets zusammen geschlagen, was allhier das meiste zu verwundern ist, daß der König einen guten, dicken, starken, festen, faisten Rausch gehabt, und gleichwohl hat er ihm also[58] geforchten, da doch Bacchus und Mars befreundt seynd, und kein bessers Necept für die Furcht, als ein paar Viertel Wein, dann Wohlgemuth, Rittersporn und Weinrauten, wachsen gern beieinander. Da wird geantwort, daß solche unermeßliche Furcht sey verursacht worden von dem bösen Gewissen des Königs, welcher mit lang vorhero den Tempel zu Jerusalem ausgeraubt, und allerlei gotteslästerische Thaten begangen, das böse Gewissen geißlet einen mehr, als Christus der Herr die Hebräer in dem Tempel, das böse Gewissen schlagt einen ärger, als der Prophet Balaam seine Eslin, das böse Gewissen rauft einen stärker, als der Eichbaum den Absalon, das böse Gewissen nagt einen heftiger, als der Wurm die Kürbesblätter Jonä, das böse Gewissen beißt einen grausamer, als die elisäschen Bären die Knaben, das böse Gewissen hammert einen gräulicher, als der Tubalcaim das Eisen, das böse Gewissen foppt einen stärker, als die Philistäer den Samson, das böse Gewissen macht aus einer Mucken einen Elephanten, aus einer Arbes einen Berg Olympum, aus einem Tüpfel ein Stadelthor, aus einem jeden Getös etwas Bös.

Zu Neapel war ein gottloser Spieler, welcher alles das Seinige durch das mißgünstige Glück verloren, und hierdurch in solche Furi gerathen, daß er nit allein in allerlei gotteslästerische Wort ausgebrochen, sondern auch ganz rasend in die Kirche geloffen, und daselbst eine gemalte Bildnuß der Mutter Gottes an der Mauer mit bloßem Degen so übel zugericht, daß das häufige Blut allerseits herab gerunnen, wie man es noch sieht in der Jesuiter-Kirche daselbst, allwo[59] besagtes Bild mit vielen Wunder-Zeichen leuchtet; dieser gottlose Thäter ist gleichwohl entgangen, und ganz sicher bis nach Florenz kommen, allwo er sich eine Zeitlang aufgehalten. Nun hat es sich begeben, daß allda bei der Nacht ein großer Todtschlag und harte Mordthat begangen worden auf der Gasse; weil dann sehr viel, Leut um den Entleibten herum gestanden, wie zu geschehen pflegt, worunter auch obbenannter Thäter war, also haben die Schörgen und Gerichtsdiener den Mörder allenthalben gesucht, und sonderlich einem jeden aus den Umstehenden stark in das Gesicht geschaut, endlich von freien Stucken den neapolitanerischen Spieler angegriffen, sprechend: du mußt der Bösewicht seyn, dann wir sehen es dir im Gesicht an; dieser bekennt alsobald seine Schuld, ja, sagte er, ich bin ein Uebelthäter, unschuldig zwar an diesem Todtschlag, aber etwas anders habt ihr mir in Augen angesehen, und erzählt anbei den ganzen Verlauf samt allen Umständen, was er zu Neapel begangen. Was das böse Gewissen nit thut! welches den Menschen also einwendig quält und plagt und peiniget, daß man es auch in Augen und äußerlicher Gestalt erkennen kann.

Unter andern Plagen, die der gerechte Gott über den verstockten König Pharao geschickt, durch die Händ der zwei Brüder, nemlich Moses und Aaron, war nit die mindeste die große Menge der Frösch, dann es waren dieser Grünhösler eine solche Anzahl, daß fast kein Ort ohne Frösch, oder kein Frosch ohne Ort; sie hupften sogar dem König selbst auf die Tafel, und sobald man nur eine Schüssel aufgedeckt, da waren[60] schon ein paar Frösch hinein plascht, der Henker freß solche Brocken; in der Stuben, in der Kammer, auf den Bänken, auf den Stühlen, auf dem Bett, ja allenthalben waren diese Maulaffen, und hat einer fast sein eigenes Wort nicht gehört, so haben diese Pfundgoschen geschrien, früh und spat, bei Tag und Nacht, war das immerwährende quackitzen, acht, acht, gib acht, gib acht, acht, acht, gib acht, gib acht; das hat den König dergestalten verdrossen, daß er die zwei wundertätigen Brüder hintersich und fürsich gebeten, sie wollen doch machen, daß er dieser Froschmäuler los werde.

Ein jeder Sünder und gottlose Mensch leidet eben diese Plag in seinem Herzen, das verletzte Gewissen schreit ihm unaufhörlich zu: gib acht, gib acht, man kann ihm das Maul nit stopfen, es laßt sich mit keinem Gespäß besänftigen, es schweigt nie still, sondern fort und fort: gib acht, gib acht. Wann er auf dem Wasser fahrt, gib acht, gib acht, daß du nit ersaufst, und vom Wasser den geraden Weg zum ewigen Feuer kommst. Wann er zur heißen Sommerszeit ein Wetter im Himmel vermerkt, gib acht, gib acht, daß dich der Donner nit erschlag, und also unverhofft blitztodt werdest. Wann er bei einer alten baufälligen Mauer vorbei geht, gib acht, gib acht, daß dir nit ein Stein auf den Schädel fall, und dir den letzten Stoß in die Höll gebe. Wann er bei der Nacht einen Fall oder Getös hört, gib acht, gib acht, daß du nit des gähen Todes sterbest, und folgsam zum Teufel fahrest. Wann er siehet einen Todten begraben, gib acht, gib acht,[61] daß dir nicht auch bald solches widerfahre, wie schlecht wirst du bestehen bei dem strengen Richter. Wann er von einer grassirenden Pest oder Seuche etwas hört, gib acht, gib acht, daß dieses Uebel über dich nit komme, wie hart würde deine Verantwortung seyn; auf solche Weis schreit ihm das verletzte Gewissen ohne Unterlaß zu. O verfluchte Niederkunft des bösen Gewissens mit dem nagenden Wurm!

Der h. Corbinianus, Bischof zu Freising, hatte einen Esel samt einem kleinen Glöckel am Hals ganz allein auf der Weid gelassen; diesen hat auf eine Zeit ein gewissenloser Mensch hinweg geführt, und in seinem Haus verborgen; der gute Langohr hat ihm das Maul bald stopfen lassen mit einem Büscherle Heu, aber das Glöckel wollt nit schweigen, sondern immerzu kling, kling. Er verschoppt's mit Hadern, hat aber nichts geholfen, sondern alleweil kling, kling, kling; er bindt den Klächel mit einem starken Riemen, hat es aber nit verhindern können, sondern fort und fort kling, kling. Er grabt's gar in die Erd ein, es war aber umsonst, und blieb bei dem alten kling, kling, so lang und so viel, bis der h. Mann seine Esel wieder bekommen. Das verletzte Gewissen ist ganz natürlich also beschaffen, es schweigt nimmermehr still, bist beim Faß oder Gespaß, so meldt es sich, bist beim Brauß; oder Schmauß, so rührt es sich, bist beim Krug oder Pflug, so spreizt es sich, bist beim Bett oder Bret, so bewegt es sich, bist beim Lust oder Gust, so reispert es sich, bist bei Leuten oder Fröhlichkeiten, so gibt's doch keine Ruhe.

Laß dir erzählen etwas, so wohl lachenswerth[62] ist. In einem Kloster, so mir gar wohl bekannt, hat ein guter Geistlicher und einsamer Religios seine wenige Freud und kleine Ergötzlichkeit gehabt in dem Vögelfangen, welchen winzigen Gespäß er in dem Klostergarten vollbracht; einmal bei später Herbstzeit hat er in der Fruhe sehr viel Maisen gefangen, und weil er unterdessen keine andere Behaltnuß bei sich hatte, also hat er vorn in Busen etliche Maisen gesteckt. Nun hat es sich zugetragen, daß gleich dazumalen ein vornehmer Kavalier in die Kirche kommen, welcher gar bald und schleunig eine h. Meß verlangt, der Sakristan, damit er nicht weit herum zu laufen hab, ruft gleich diesen Pater, geschwind, geschwind, der und der Kavalier warte, nur geschwind; der gute Mann, als der sonst alles eilfertigen Gehorsams Liebhaber gewesen, eilt alsobald in die Sakristei, und vergißt die Maisen im Busen, wie er mit dem Kelch zum Altar hinaus gangen, da fingen die Maisen an zu pippen und schreien. O Gott! wem war äugster, als dem guten Geistlichen, das Gesicht wurde über und über mit der rothen Farb überzogen; er sucht in dem Buch die Meß auf, die Maisen melden sich in dem Busen alleweil; wie er endlich die h. Meß angefangen, und in dem Consiteor zu dem mea culpa komnen, da hat er mit der ganzen Faust auf die Brust geschlagen dreimal, und dadurch den wispelenden Vöglen den Rest geben.

Wer ein böses und verletztes Gewissen hat, der tragt solche Maisen im Busen, die immerzu zwittern und schreien, seynd's keine Maisen, so seynd's doch Masen, verstehe Mackel und Unflath in dem Gewissen, woraus[63] ein stets nagender Wurm erwachst, das hat erfahren der Adam, wie er vor dem Angesicht Gottes geflohen, und hinter dem dicken Gesträuß sich verborgen. Das hat erfahren der Kain, welcher die erste Stadt gebaut und aus einem groben Bauern ein verzweifelter Burger worden. Das hat erfahren der Saul, wie ihm der David einen Fleck vom Mantel gestutzt. Das hat erfahren der König Achab, wie er den frommen Naboth aus dem Weg geraumt. Das hat erfahren jener Hauspfleger in dem Evangelio, wie sein Herr die Reittung von ihm begehrt. Das hat erfahren Kaiser Domitianus, welcher das Zimmer, wo er wohnte, mit lauter Spiegel lassen verhängen, damit er allerseits sehe, ob ihm nicht einer nach dem Leben trachte. Das hat erfahren der gothische König Theodorikus, dem stets des entleibten Römischen Symachi Haupt und Todtenkopf vor Augen schwebte. Das erfahrt ein Jeder, der einige Sünd und Unthat begangen.

Der Job aus der Landschaft Hus, hat aufgebissen manche harte Nuß, indem er mit Erlaubniß der göttlichen Majestät von dem Teufel so stark ist geplagt worden; erstlich kam ihm ein Bot mit dieser schlechten Zeitung: Die Sabäer seynd eingefallen, und haben alle Ochsen und Esel weggetrieben, die Knecht alle niedergemacht; ich allein bin entronnen, dir solches zu verkündigen. Und als dieser noch redete, kam ein anderer, und sprach: die Chaldäer machten drei Haufen, und überfielen die Kameele, und nahmen sie hinweg, und die Knaben hauten sie nieder, und ich bin allein entronnen, dir solches zu verkündigen. Dieser hatte noch nicht ausgeredt, siehe, da kam ein anderer hinein und[64] sprach: als deine Söhn und Töchter im Haus ihres ältesten Bruders aßen, und Wein tranken, da erhub sich gähling ein heftiger Wind, und zerschütterte die vier Eck des Hauses, daß es zu Boden fiel, und erschlug deine Kinder; ich allein bin entronnen, dir solches zu verkündigen. Es kann einem billig seltsam vorkommen, warum der Teufel jedesmal alle ermordt, allezeit aber einen übergelassen, der dem Job das Uebel konnte ankünden.

Auf gleiche Art geht es mit dem bösen Gewissen her, in demselben bleibt allemal einer übrig, der das Böse ankündet, und dieser ist der nagende Wurm, der stets mit der Zeitung kommt, das und das, und das ist geschehen; es wirst dem König und Landsfürsten vor, daß er die Frau Justitia läßt in schlechten Bärnhäuter-Zeug kleiden; es wirst dem Adel vor, daß oft unter einem offenen Helm ein offener Schelm stecke, und aus dem nobilis ein stets nobis heißt, nobis ihr Bauern: es wirst der Geistlichkeit vor, daß sie oft genauer gehe auf den Zehent, als auf die Zehen Gebot, und befleißet sich besser, ein Wirth, als ein Hirt zu seyn: es ropft der Obrigkeit vor, daß sie oft weniger Augen haben, als eine Spital-Suppe, dahero wegen der Fahrläßigfeit das Gute abweiche und das Böse einschleiche. Es ropft dem Soldaten vor, daß der Martius mit dem Oktober so gut freund seye, dahero kein Wunder, daß das Wein-Faß so manches Nesas ausgebrüt. Es wirft den Kaufleuten vor, wie oft sie kurze Ellen in die lange Auszügl gebracht, und das alte Testament für das neue feil boten. Es ropft den Bürgervor, daß sie am Sonntag und Feiertag öfter den Weinzeiger, als Uhrzeiger anschauen, und ihnen die Bruder-schaften zum liebsten, wo auch die Schwestern darbei[65] sitzen. Es wirst den Bauern vor, daß sie zu geistlichen Sachen Esel, im Betrügen aber Füchs abgeben, und so ihnen schon viel Traid auf dem Acker wachst, so finden sie doch mehr Haiden im Gewissen. Es wirft denen Dienstboten vor, wie viel ihnen das Abtragen ein ganzes Jahr hab eingetragen, und haben sie so gut gewirthschaftet, wie der Bock im Kraut-Garten. Es wirst den Bettlern vor, daß ihnen oft ihr falscher Grind hab mehr genutzt, als manchem Bauern ein rechter Grund, und seye ihnen nie besser gangen, als wann sie gehunken. Es wirst den Weibern vor, wie viel sie mit Kuchel-Zecker und Kuchel-Zucker den Mann schon verschwärzt, und gleichwohlen das eigene Essen nit so viel kost, als das fremde Lefflen. In Summa, wie die Boten dem Job, alles was geschehen, verkündiget, also das verletzte Gewissen, alles was begangen, andeut und anzeigt.

Kein Pein noch Tortur kann grausamer seyn, als, welche der unmenschliche Tyrann Mezentius erdacht. Dieses menschliche Unthier ließ einen todten Körper, der schon etlich Tag im Grab gelegen, wiederum herausnehmen, welcher bereits voller Gestank, Eiter, Fäule und Würm war, den befahl er auf einen nackenden lebendigen Menschen zu binden, dergestalten, daß Brust auf Brust, Händ auf Händ, und Gesicht auf Gesicht gelegen, und also der Todte ein Henker und Peiniger müssen abgeben, zumalen dieser mit den vcrglasirten Augen, mit dem stinkenden Maul, mit der eiterigen Nase, mit der kalten Brust, unaussprechlich peinigte, und forderist die aus dem todten Aas hervorwimmelnde Würm den Unterliegenden lebendig verzehrt. O erschreckliche Pein!

Nit viel ungleich begegnet allen denjenigen, die eines[66] bösen Gewissens seynd: dann was ist die Sünd anders, als ein stinkendes Todten-Aas, welches das Gewissen immerzu dem Menschen vor die Augen stellt? Und was kann schmerzlicher seyn, als dieser Anblick? was kann peinlicher seyn, als dieser Gestank? wer kann beschwerlicher seyn als diese Last? was kann grausamer seyn, als dieser Wurm? was kann härter seyn, als diese Bürde? was kann erschrecklicher seyn, als diese Larve? eine Larve, so abscheulich, eine Bürde, so unerträglich, ein Wurm, so stets naget, eine Last, so immer drucket, ein Gestank, so allzeit frisch, ein Anblick, so nie verhüllt; der Anblick ist über alle Gespenster, der Gestank ist über alle Unflath, die Last ist über alle Berg, der Wurm ist über alle Thier, die Bürde ist über alle Aengsten, die Larve ist über alle Schrecken. O verfluchte Niederkunft des Gewissens mit dem nagenden Wurm!

Simon Majol. verzeichnet eine wunderliche Geschicht, daß nemlich ein alter, aber beinebens sehr reicher Mann seye gewest, mit Namen Pandochäus, dem eine einige Tochter war, welche ins künftig sollte seyn eine völlige Erbin aller großen Verlassenheit, weil nun eine solche Agnes, wie ein Magnes, gar leicht die Gemüther an sich zieht, also hat um solche geworben ein Jüngling, so bei obbemeldtem Pandochäo in Diensten war, diesem aber thät der Alte seine Bitt auf alle Weis' weigern, in Bedenkung, daß er gar bei geringen Mittlen, und niedern Herkommens, da nun auf eine Zeit der vermögliche Pandochäus samt seiner Frau und jungen Tochter auf etlich Tag ausgereist, hat er die ganze Haus-Verwaltung gedachtem Jungling bestermaßen anbefohlen, als der bishero eine löbliche[67] Treu allemal spüren lassen, unter solcher Abwesenheit des Pandochäi hat sich ereignet, daß ein sehr reicher Handelsmann daselbst die Einkehr und Nachtherberg genommen, dem der angesezte Hausherr bestermaßen aufgewart, durch das Geld aber dahin gelockt, daß er besagten Kaufmann bei nächtlicher Weil jämmerlich ermordt, den Körper im Stall begraben, und sich mit der spolirten Hab- und Baarschaft nit wenig bereicht; als Pandochäus wieder samt den Seinigen gesund nach Haus gelangt, hat er an der gehabten Verwaltung ein sonders Wohlgefallen getragen, der verstellte Böswicht aber gab vor, wie daß ihm unter der Zeit Brief seyn eingeloffen, wodurch er wegen; Absterben eines und des andern nächsten Anverwandten mußte zu Haus erscheinen, bitte demnach auf das Schönste, Pandochäus wollt ihm auf 4 oder 5 Wochen licentiren, verheiße aber beinebens, daß er sich wieder emsigst wollt einfinden, und zu mehrer Versicherheit gab er ihm seinem Herrn etwas von Geld aufzuheben: Pandochäus konnte es dem, wie er vermeinte, treuen. Dienen nit abschlagen, und ertheilt ihm hierinfalls alle. Willfährigkeit, mit welcher der Mensch abgereist, sich da und dort eine Zeitlang verweilt, und bevor 4 Wochen verflossen, mit sonderm Kontento zurück kommen, dem Pandochäo eine ziemliche Summa Geld, welche er als eine empfangene Erbs-Portion vorgeben, da es unterdessen ein geraubtes Gut war, aufzubehalten, anvertraut, wodurch des Alten Gemüth sich weit anders befunden, und also an der Heirath mit seiner Tochter, bald eine Richtigkeit geschlossen worden. Es stunden wenig Jahr an, ist dieser Glücks-Vogel also[68] weit kommen, daß er daselbst mit gesamter Gutheißung zu einem Stadtrichter erwählt worden, unter der Zeit aber litte er also von dem nagenden Gewissens-Wurm, daß er manchesmal seinem eigenen Weib bekennt, daß ihn bereits das Leben verdrießig gedunke, sagte aber die Ursach dessen nit; wie er einmal sollte auf das Rathhaus gehen, und denselben Tag das Urthl sprechen über einen armen Sünder, begehrte er zuvor etwas zu essen, dem seine Frau alsobald einen Kalbskopf, weil ihm sonst dergleichen Speis wohlschmeckte, in einer verdeckten Schüssel aufgesetzt, so bald der Herr Stadtrichter die Schüssel abgedeckt, da schreit er überlaut auf, erbleicht in dem ganzen Angesicht, beklagt sich, daß man ihm einen todten Menschenkopf auf die Tafel getragen, und wollt er ihm dießfalls, obschon alle das Widerspiel gesagt, an seiner Meinung nichts nehmen lassen, dahero ganz traurig und entrüstet von dem Tisch nach dem Rathhaus gangen, und nachdem er allda mit gewöhnlichen Ceremonien das Urthl gefällt über den gegenwärtigen Missethäter, hat er zugleich sich selbsten angeklagt, und ein gleiches Urthl über sein eigenes hartes Verbrechen gefällt, alle Umstehenden glaubten, es seye etwan der gute Herr durch waserlei Zustand etwas im Hirn verwirrt worden, und von der heftigen Melancholei der Verstand verkehrt, denen aber allen hat er umständig zu verstehen geben, daß er in aller Wahrheit seine Missethat bekenne, dann ihm nie mehr möglich seye, den bißhero so scharf nagenden Gewissens-Wurm länger zu leiden, zu mehreren Urkund sollen sie in seinem Haus an dem und dem Ort graben, und da werden sie den ermordeten[69] Menschen finden, welches dann alles, nach eigener Aussag, zugetroffen, und hat dieser nachmahls, laut eigener Bekanntnuß und Urthl, lieber enthaupt werden und sterben, als länger in dem elenden Stand des bösen Gewissens leben.

Wer das böse Gewissen vergleicht einem bösen Weib, der thut recht, ein recht bös Weib ist ein Teufels-Roß, ein Teufels-Rueß, ein Teufels-Thür, ein Teufels-Thor, ein Teufels-Leder, ein Teufels-Luder, ein Teufels-Handel, ein Teufels-Hund, eine Teufels-Zang, eine Teufels-ung, ein Teufels-Bret, eine Teufels-Brut, ein Teufels-Buch, ein Teufels-Pech, ein Teufels-Stamm, ein Teufels-Stimm, ein Teufels-Rad, ein Teufels-Red; eine solche Red thut nichts als klagen, ein solches Rad thut nichts als plagen, eine solche Stimm thut nichts als schreien, ein solcher Stamm thut nichts als keien, ein solches Pech thut nichts als beschmieren, ein solches Buch thut nichts als verführen, eine solche Brut thut nichts als wachen, ein solches Bret thut nichts als krachen, eine solche Zung thut nichts als reissen, eine solche Zang thut nichts als beißen, ein solcher Hund thut nichts als bellen, eine solche Hand thut nichts als stehlen, ein solches Luder thut nichts als grausen, ein solches Leder thut nichts als pfnausen, ein solcher Ruß thut nichts als schwärzen, ein solches Roß thut nichts als schmerzen, ein bös Weib murrt, kurrt, summt, brummt, stutzt, trutzt, platzt, kratzt, socht, pocht, siedt, wüth, rümpft, stumpft den ganzen Tag, gibt keine Ruhe, keinen Fried, keine Rast, keine Lust, keine Lieb, kein Lob, den ganzen Tag währt diese Plag, die ganze Zeit, ist man so keit, alleweil allarmo,[70] daß Gott erbarm, eben auf solche Weis' tobt und wüth ein böses Gewissen. Derjenige, so von Jerusalem nach Jericho gereist, und auf dem Weg unter die Mörder gerathen, ist übel zugericht worden, aber ein böses Gewissen ist noch mehr verwundt. Die Schwieger Simonis war mit einem starken Fieber behaft, und dessentwegen sehr gezittert, aber ein böses Gewissen macht noch mehr zittern. Bei dem Bett, und Haupt-Kissen des Holosernis ist ein scharfer Dolch gehangen; aber die Sünd hängt noch einen schärfern Dolch in das Gewissen. Die Egyptier haben bei ihrer erschrecklichen Finsterniß einen großen Schrecken gelitten, aber ein böses Gewissen jagt noch einen größern Schrecken ein. Jener Wurm ist scharf gewest, durch dessen Blut alle Stein zum Tempel Salomonis seynd gespalten worden, aber der Wurm, so das böse Gewissen nagt, ist noch schärfer. Das Meer hat sehr getobt, wie das Schiffel samt den Apostlen hat sollen zu Grund gehen, aber ein böses Gewissen tobt noch heftiger. Des David Igel hat sich in einen hohlen Felsen verschlossen, petra refugium herinaceis, aber in dem bösen Gewissen steckt noch ein gräulicherer Igel. Der Hahn hat dreimal krähet, wie Petrus den Herrn verläugnet, aber ein böses Gewissen krähet unaufhörlich. Absalon ist mit einer dreifachen Lanze durchstochen worden, aber ein bös Gewissen wird stets durch den Gewissens-Wurm durchbohrt. O verfluchte Niederkunft des bösen Gewissens mit diesem Wurm!


[71] Allegro!


Allegro! schreit hingegen ein gutes, ein frommes, ein unbeflecktes Gewissen. Drei Engel, in Gestalt dreier Männer, kommen auf eine Zeit zu dem Abraham, welchen der fromme Patriarch alle möglichsten Ehren erwiesen; Gesottenes und Gebratenes, so viel die eilfertige Sara hat können zurichten, aufgesetzt; endlich thut ihm einer eine neue Zeitung ankünden, wie daß er werde einen Erben erzeugen mit seiner Frau, und zwar einen jungen Sohn; wie solches die Sara gehört, konnte sie das Schmutzen nit erhalten, in Bedeutung, daß sie schon ein neunzigjähriges Weib, und soll erst ein Kind tragen, eine seltsame neue Zeitung für ein altes Weib. Es ist aber gleichwohl durch sondern göttlichen Willen geschehen, daß Sara groß Leibs worden, und wie sie eine glückselige Niederkunft gehabt, und einen frischen Sohn auf die Welt gebracht, hat sie solchen Isaak genennt, welches so viel heißt, als risus, ein Gelächter, ist also Sara mit einem Gelächter niederkommen.

Eine solche von Gott gebenedeite Sara ist das gute Gewissen, welches nichts anders gebäret, als ein Gelächter und unbeschreibliche Freuden. Das gute Gewissen ist ein Garten, worin nichts anders wachset, als Augen-Trost; das gute Gewissen ist ein Kalender, worin nichts anders stehet, als schönes Wetter; das gute Gewissen ist ein Brevier, worin nichts anders gelesen wird, als Dominica lactare; das gute Gewissen ist ein Tempel, worin die vornehmsten Patron: Hilarion und Gaudentius; das gute Gewissen ist ein Lämmel, welches nichts anders tragt, als Woll, Woll;[72] das gute Gewissen ist eine Schildwacht, allwo man nichts anders schreit, als gut Freund; das gute Gewissen ist eine Hochzeit, worauf das Herz vor Freuden tanzt.

Wie das verlorne Bürschel von Schweinfurt und Magdeburg wieder nach Haus kommen, vivendo luxuriose, das Seinige also durchgejagt, daß er nit ein gutes paar Hosen am Leib gehabt, weil solche Lumpenhund mit schlechten Fetzen umgehen, so müssen sie endlich zerrissen seyn; der liebe alle Vater ist ihm gleichwohl um den Hals gefallen, wo sonst ein Strick kätt hingehört, und ihn alsobald von Fuß auf hat lassen kleiden, auch eine sehr stattliche Mahlzeit zurichten lassen; damit aber an der Freud keinerseits ein Mangel sey, also hat man um wackere Spielleut geschaut, da ist das Geigen, Pfeifen, Blasen, Trommeln, Singen, Springen angangen, Juhei-Ju-Ju-Juhei, trararum-trararum-Ju-Ju-Ju; der andere Bruder, wie er nach Haus kommen vom Acker, gedacht, was tausend Veitl fangt der Alte an? es wird ja der Geck nit geheirath haben? endlich vernimmt er durch die Bedienten, daß sein sauberer Bruder wieder sey ankommen, deswegen sey solches Freudenfest angestellt; ich will glauben, daß eine große Freud und Fröhlichkeit sey damals gewesen, aber der Jubel in einem guten Gewissen ist unermeßlich größer, die Freuden in einem guten Gewissen seynd unsäglich häufiger, die Ergötzlichkeit in einem guten Gewissen ist unbeschreiblich besser. Ihr Luderer, all euer Essen und Vermessen, ihr Ueppige, all euer Singen und Springen, ihr Buhler, all euer Kussen und Bussen, haben nit ein Quintel Freuden, was da zentnerweis gefunden[73] wird in einem guten Gewissen. Dieses ist ein Paradeis der Wollüste, eine lustige Wohnung Gottes, eine göttliche Freud, eine freudenvolle Freiheit, eine freie Ergötzlichkeit; an diesem ist alles Guts, an diesem ist alles fröhlich, und dieses ist alles ring, aus diesem ist alles sicher, bei diesem ist alles glücklich.

Ein armer Geistlicher ist einmal über Land gereist, und auf dem Weg unter die Mörder und Straßenräuber gerathen, welche Raubvögel alsobald von ihm ein Geld wollten erpressen, weil sie aber wegen seiner freiwilligen evangelischen Armuth nichts konnten erhalten, also haben sie ihm auferlegt, entweder soll er ihnen in aller Eil eine Predigt machen, oder sie wollen ihm den Kehraus singen; der fromme Mann besinnet sich dessen nit viel, sondern steigt alsobald auf einen alten Stock, und fangt folgende Predigt an: In Nomine Domini vergleich ich euer Leben dem Leben unsers lieben Herrn (die Gesellen spitzten die Ohren hierüber, und hofften eine Lob-Predigt) unser Herr hat viel gelitten auf dieser Welt, ihr leidet auch nicht wenig; unser Herr ist von einem Ort zum andern gangen, ihr seyd auch flüchtig hin und her; unser Herr hatte nur einen Rock, ihr, glaub ich, habt auch nicht mehr, als diese Kleider; unser Herr hat sich in der Wüste 40 Täg aufgehalten, ihr seyd noch länger in diesem Wald und Wüsten; unser Herr ist vom bösen Feind versucht worden, euch reit der Teufel eine ganze Zeit; die Juden zielten täglich dahin, wie sie unsern Herrn möchten fangen, auch der Land-Profoß lauert euch stets auf, wie er euch mag ertappen; unser Herr ist mit Geißlen und Ruthen hart geschlagen[74] worden, ihr habt vermuthlich auch schon einmal einen Gang durch die Stadt gewagt, und ausgestrichen worden; unser Herr ist unschuldiger Weis verurtheilet, und zwischen zwei Schächern ans Kren; gehängt worden, ihr werd't auch einmal, doch schuldiger Weis', gerädert oder gehängt werden; unser Herr ist gestorben, und in die Höll gestiegen, daselbst die Altväter zu trösten, ihr habt nach dem Tod einen Vorthl, daß ihr nicht dürft in die Höll steigen, sondern der Teufel wird euch selbst holen, Amen. Die Predigt war aus; wie? sagten die Bösewichte, trauest du uns so keck dieß in das Gesicht zu sagen, sollst du uns nit mehr gelobt und erhebt haben, damit du dein Leben konntest salviren? fürchtest du nicht, daß wir jetzo gleich dir werden den Rest geben; gar nichts, antwort der Geistliche, nit ein Haar, dann ich hab Gott bei mir, in meinem Gewissen bin ich mir nichts Böses bewußt, also hab ich nicht Ursach zu fürchten, nit Ursach zu traueren, sondern zu lachen und frohlocken, dann laßt ihr mir das Leben, so kann ich noch länger Gott dienen, und meine Verdienste vermehren, nehmet ihr mir das Leben, so befördert ihr mich in die Seligkeit, und thut mir die Thür auf in Himmel; diese Wort hat der fromme Mann mit Lachen geredt, und mit Reden gelacht, dann ein gutes Gewissen kann nie traurig seyn.

Der ein böses Gewissen hat, der wird wohl melancholisch aussehen, der wird em Gesicht haben, wie eine sauere Kraut-Brühe, der wird nichts anders seyn, als ein Angst-Haas, der wird zu Haus hocken, wie eine Bruthenn, der wird eine Stirn machen, wie ein[75] Holzäpfel-Krämer, der wird eine Quintessenz seyn des Unlusts, der wird sich weniger spreizen, als ein gestumpfter Kehrbesen, der wird dem Tod sein nächster Schwager seyn, dann des Tods Schwester heißt Melancholia; aber wer ein gutes Gewissen hat, der wird zu allen Zeiten fröhlich seyn, in allen Begebenheiten ruhig seyn, in allen Gefahren sicher seyn, in allen Drangsalen getröst seyn, an allen Orten aufgemuntert seyn, in allen Sachen unbekümmert seyn; zu allen Sachen wird er lachen, zu allen Dingen wird er singen, zu allen Brocken wird er frohlocken, zu allen Keiereien wird er sich erfreuen, und allezeit seyn allegro.

Nachdem der tyrannische Herodes den heil. Jakobum aus dem Weg geraumt, und hierdurch merklich gespürt, daß solches dem jüdischen Volk angenehm und wohlgefällig, also hat er auch den ersten Papst in die Gefängnuß geworfen, in Willens, denselben nach dem hochfeierlichen Osterfest hinzurichten. Petrus war also an zwei eiserne Ketten augeschmiedt, mit vielen Soldaten stark verwacht, und gleichwohl hat er dieselbe Nacht sehr wohl geschlafen, da er des andern Tags sollte geköpft werden: Erat Petrus dormiens etc., um Gottes willen, sagt ein jeder, und denkt ein jeder, wie konnt ich doch die Nacht lang schlafen, wann ich wußt, daß ich zu Morgens um einen Kopf zu kurz käm? wie konnt mir doch bei der Nacht der Kopf so schwer seyn, wann ich wüßt, daß ich des andern Tags sollt um einen Kopf ring er werden? wie konnt ich doch hei der Nacht Bretter schneiden, wann ich wußt, daß man mir sollt zu Morgens den Kopf abschneiden? Erat Petrus dormiens. Ungeacht alles dieß ha[76] Petrus gut, sanft, ring, ohne Sorgen, ohne Angst, ohne Kummer, nichts Mucken, nichts Zausen, nichts Grillen, bei der Nacht in der Keichen, bei der Wacht in den Ketten geschlafen, und gut geschlafen. Es ist sich aber über solches so stark nit zu verwundern, dann er hatte ein guts Gewissen, und ein guts Gewissen ist das beste Kissen, worauf der sanfteste Schlaf. Der ein gutes Gewissen hat, der hat keine Furcht, fürcht keine Trübsal, betrübt sich niemal, sondern stets allegro.

Thomas Morus, dieser engelländische und englische Kanzler, hat vor dem Tode und bei dein Tod immerzu ein fröhliches Gesicht gezeigt, und Scherzwort hören lassen; als er in dem Thurm verhaft gelegen, und der König nochmal zu ihm geschickt, und fragen lassen, ob er in voriger halsstärriger Meinung verbleibe, so hat er dem König lassen andeuten, wie daß er sich anderst resolvirt; als man aber verlangte, er wolle solches schriftlich geben, sagte Morus mit lachen, dem Mund, er sey bishero des Willens gewest, ihm lassen durch den Barbierer den Bart wegzuschneiden, nunmehr sey er anderst gesinnt, und wolle warten, bis der Bart mit samt dem Kopf werde abgeschnitten, und folgsam in einer Arbeit. Als eben dieser an das Ort hinauf gestiegen, wo er sollte enthaupt werden, hat er einen Beistehenden gebeten: mein lieber guter Freund, reich mir deine Hand her, und hilf mir hinauf, herunter will ich dir keine Ungelegenheit machen; wie ihn der Scharfrichter um Verzeihung gebeten, dem gewöhnlichen Brauch nach, so hat ihm Thomas einen Kuß geben, und zugleich ein engelländischcs Goldstück,[77] meldend, es habe ihm kein Mensch solche Gnad erwiesen, als er.

Diesem tapfern Kämpfer war nit ungleich Joannes Fischerus, roffensischer Bischof, dem Paulus, der dritte römische Papst, den Kardinalhut geschicket; als er in der Keiche war, und ihm der gottlose König Henrich sagen lassen, es hab ihm zwar der Papst den Kardinalhut geschickt, aber er will bald machen, daß er werde keinen Kopf haben, worauf er solchen Hut trage; nicht lang hernach ist lautmährig worden, daß Fischerus solle sterben, und derentwegen der Koch denselben Tag nichts zugericht, dahero der fromme Bischof gefragt, warum er dann kein Mittagmahl koche? ich glaub, sagte der andere, dieser Tag werde ihm der letzte seyn; was schadt es, versetzte hinwider Fischerus, er solle gleichwohl ein Mittagmahl gerechtlen, ist es aber, daß er Vormittag noch soll sterben, so könne er, der Koch, ein Gast seyn, und das Mittagmahl verzehren; da ihm Wolfingamus, der Geschloß-Hauptmann, fruhe Morgens angedeut, wie daß er durch ein königliches Edikt zum Tod sey verurthlet, und denselben Tag müsse sterben, fragt noch der Bischof, um was Stund? als aber Wolfingamus geantwort, um 9 Uhr, so laßt mich doch noch ein paar Stund schlafen, weil es erst 5 Uhr, dann ich heut Nacht gar wenig geschlafen, worauf er dann zwei Stund überaus wohl geruhet, nachmals hat er dem Diener anbefohlen, er soll ihm die besten Kleider herzu tragen, dann, sagt er, heut muß ich sauber aufziehen, weil heut mein Hochzeit-Tag, ist also mit fröhlichem[78] Herzen singend zum Tod gangen. Das Gewissen kann nicht anderst, als allegro stehen.

Wie Petrus Richardus, aus der Societät Jesu, ein h. Martyrer in Engelland, in der Gefängnuß von vielen Lottersbuben sehr schimpflich traktirt worden, unter andern einer ihm stets vorgeworfen, daß Petrus nicht allein die Schlüssel empfangen, sondern es seyn ihm auch eine ganze Burd Schlüssel eingehändiget wor den, dem endlich der Kämpfer Christi lachend geantwort: Petrus habe die Schlüssel zum Himmel bekommen, er aber die Schlüssel zum Keller, das könne man gar leicht wahrnehmen aus seiner rothen Nase.

Als Alexander Briantus, welcher auch unter Elisabetha um Christi Ehr und Lehr willen gestorben, auf der Folterbank erschrecklich gestreckt und gereckt worden, hat er mit fröhlichem und freundlichen Angesicht den Nortonum, so den Henker hiezu ermahnt, angeredt: mein Kerl, ich bin dir obligirt, weil du mir mehr hast geben, als Gott, dann Gott hat mir einen Leib geben, der nit gar lang, du aber hast mich noch um eine gute Spann länger gemacht.

Paulus, dieser Welt-Apostel, dieser tarsenische Prediger, dieses Gefäß der Auserwählung, diese erschallende Welt-Trompete, diese Haupt-Saul der Kirche, dieser Lehrer, Bekehrer, Vermehrer des christlichen Glaubens, wie er gefangen worden, bunden worden, prüglet worden, ausgestrichen worden, gesteiniget worden, verrathen worden, verspott worden, versenkt worden, verwiesen worden, verschmäht worden, gepeiniget worden, verstoßen worden, und für einen Verräther des Lands, Verführer des Volks, Verwerfer des Gesatz,[79] Verderber der Synagog, Vernichter des Glaubens, Verbanner des Friedens gehalten werden, da hat er gelacht, da hat er gefrohlocket, da hat er jubilirt, da hat er bekennt, daß er einen solchen Ueberfluß der Ergötzlichkeit in seinem Herzen empfinde, daß er schier vor Freuden nit weiß, was er thue: Repletus sum consolatione, superabundo gaudio in omni tribulatione nostra. Und solche Freud und Trost hatten keine andere Mutter, als das gute Gewissen, keine andere Wurzel, als das gute Gewissen, keinen anderen Ursprung, als das gute Gewissen, allegro.

Die Propheten-Kinder, ihren Hunger zu stillen, haben auf eine Zeit Kräuter gesucht, weil sie aber unerfahrne Fratzen gewest, also haben sie anstatt der heilsamen Kräuter lauter wilde Colloquinten gesammlet; nachdem sie solche kocht, und ein jeder von solcher Speis' gekost, haben sie wahrgenommen, daß solches Gefräß bitter, wie eine Gail. Oime! was haben sie für Gesichter geschnitten, einer machte ein krummes Maul, wie ein lateinisch S, ein anderer machte ein gespitztes Maul, als wollt er Federmesserl vomiren, der dritte machte ein groß Maul, als wollt er einen Backofen schlücken, alle insgesamt haben aufgeschrien: Mors in olla, der Tod ist im Hafen etc. Nachdem aber der Mann Gottes Elisäus ein wenig weißes Mehl darein gesträhet, so ist wunderbarlich alle Bitterkeit vergangen. Ein böses Gewissen ist ganz gleich diesem Kraut-Topf, dann es auch voller Bitterkeit, sobald aber das weiße Mehl der Unschuld darein kommt, da wird alles süß, über Zucker und Honig. Da ertrinkt der Pharao, da singt der Moses,[80] da erwürgt Samson den Löwen, da sindt man den Honig-Fladen, da wird der Achan versteiniget, da findt man den Schatz, da fallen die Mauern zu Jericho, da erklingen die Posaunen, da muß der Ismael aus dem Hans, da hat der Isaak gute Täg da hängt man den Pfisterer, da beschenkt man den Weinschenk Pharaonis, da fallt der Dagon, da erhöht man den Bunds-Kasten, da wälzt man den Stein von dem Grab, da siehet man die Auserstehung, alles in Fried und Freud. Allegro.

Ein Religios und Ordensmann hat vor einem großen König geprediget; weil aber dieser Geistliche sehr guter Leibsgestalt, und wohl gespickt und gespeckt, also hat ihn der König befragt, woher es komme, daß er so leibig und faist sey, indem er doch einen harten Orden, große Kasteiungen, öftere Fasttäg, und gar eine schlechte Tafel habe, entgegen aber theils seine Hof-Herren und Hof-Leut bei dem Ueberfluß und herrlichen Tractament so bleich, so dürr, so mager seyn, und weniger Faisten haben, als eine Saite auf einer Baßgeige? die Ursach, sagt der Pater, allergnädigister Herr, die Ursach ist, weil sie das rechte Kreuz nit machen, wie ich; es wollte der König kurzum wissen, was dann dieß für ein Kreuz? worauf der Pater mit der Hand auf seine eigene Stirn griffen, als wollte er das lateinische Kren; formiren, und darzu gesprochen: ohne Prozeß; nachmals mit der Hand an die Brust, ohne Weib, wiederum mit der Hand auf die rechte Seite, ohne bös Gewissen, nachgehends mit selbiger Hand auf die linke Seite, und sprach zugleich, diese seynd die besten Bissen,[81] Amen. Und damit du es noch deutlicher fassest, also hab ich dir solches Kreuz herbei gesetzt, nemlich:


Christus der Herr rühret mit Worten dem Judas das Gewissen

Es ist ein Kraut, welches in der Apothecke Buglosa genennt wird, auf deutsch insgemein Ochsenzung; dieses Kraut hat scharfe, faiste, harrechte, schwarze und grüne Blatter, so ziemlich schmal und spitzig seynd, auf seinem dünnen Stengel bringt es braunfarbe Blümel, und nach denselben den Samen, welcher gleich siehet den Natter-Käpplen, dieses wachst neben den Straßen und an rauhen Orten, blühet im Brachmonat; dieses Kraut Buglosam in Wein eingenommen, oder einen Syrup vom Ochsenzung-Saft, stärkt das Herz, vertreibt die Melancholei, und macht ein fröhliches und lustiges Gemüth. Sonst pflegt man zu sagen, Kraut für die Narrn, aber dieses möcht wohl für bescheide Leut gehören, und will es glauben, daß es im Wein eingenommen, forderist in zwei oder drei Maaß auf einmal, lustige und fröhliche Leut mache, allein das Rezept taugt nicht für tugend-liebende Leut, welche sich weiter eines andern Mittels bedienen, benanntlich des guten Gewissens.[82]

Der h. Romualdus, Stifter der Camaldulenser, uneracht, daß er im steten Fasten und Abbruch, auch in strengen andern Bußwerken sein Leben zugebracht, zeigte ein- und allemal ein so fröhliches Angesicht, daß alle, die ihn nur angeschaut, lustig und aufgemuntert worden. Der h. Dominikus, ein großer Patriarch des Prediger-Ordens, hat mehrmal hoch betheuert, daß nichts auf Erden sey, welches ihn könnte betrüben. Der h. Ignatius Lojola, ein Urheber der Sozietät Jesu, hat allen den Seinigen verboten, sie sollen niemal ein trauriges Gesicht zeigen, ja, wie er vernommen, daß einer aus den Seinigen zu Rom, mit Namen Franciscus Casterus, öfter im Brauch habe zu lachen, hat er denselben lassen zu sich rufen, und ihn gestärkt, er soll nur steif lachen, und sich in Gott dem Herrn rechtschaffen erfreuen. Die selige Maria Magdalena de Ursinis hat ihren geistlichen Töchtern und Novizinnen gar oft zugesprochen, wann sie es lachend vermerkt, sie sollen nur lustig und guter Ding seyn, dann sie haben nit Ursach, zu melancholisiren. Der große heilige Einsiedler Antonius war eines so fröhlichen und aufgemunterten Angesichts, daß ihn jemand, der ihn doch nie gesehen, aus vielen hundert Mönchen gekennt. Der h. alte Tättl Philippus Nereus hat manchesmal eine solche Freud im Herzen empfunden, daß er überlaut aufgeschrien und gejuchetzt; es hat der überhaufige Trost und Lieb im Herzen also sein Gemüth ostermal erhitzt, daß er geweint und gelacht untereinander, und ihm gar die Rippen auseinander getrieben, alles dieses Allegro, alle diese großen Freuden, aller dieser einwendige Jubel rührt her von einem guten Gewissen.[83]

Dir Apostel fahren einmal mit unserm lieben Herrn aus dem Meer, siehe, da entstehet ein unverhofftes Ungewitter, der Südwind tobte wider den Ostwind, der Ostwind stritt wider den Westwind, daß also das Meer in solches Wüthen gerathen, die Wellen dergestalten Berg auf Thal ab gestiegen, daß man alle Augenblick vermeint, das arme Schiffel, mit welchem die Wellen wie mit einem Vallen spielten und scherzten, werde zu Grund gehen. Paschasius ist der Meinung, dieses Wetter sey vom Teufel gemacht worden, als die da sich bemüheten dazumal, daß der Herr nicht in die Gerasener Landschaft sollte kommen, wie er dann nachmals daselbst ausgestiegen, und die Teufel in eine Heerd Schwein zu fahren erlaubt; in währendem diesem erschrecklichen Wetter hat unser lieber Herr geschlafen hintenher im Schiff auf einem Kiß. Viele heilige Lehrer suchen und forschen und fragen nach, was doch dieses für ein Kiß muß gewesen seyn, auf dem der Herr in dem grausamen Sturmwetter so ruhig geschlafen? einer sagt, es sey von Holz gewest, ein anderer, es seyen zusammen gerollte Strick gewest, der dritte, es seyen alte zusammen gewicktete Fischer-Netz gewest; ich aber halt mit etlichen, die da sagen, dieß Kiß sey das gute Gewissen gewest. Dann wer solches hat, veracht alle Gefahren, verlacht alle Drohungen, verspott alle Gewalt, steht allezeit allegro, es mag Himmel, Erd, Luft, Feuer, Wasser, Menschen, Teufel, Pest, Krieg, und alles Uebel einfallen, so wird doch, der ein gutes Gewissen hat, den Muth nicht fallen lassen, sondern allezeit allegro.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 4, S. 39-84.
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