Judas Iscarioth war ein gewissenloser Beschnarcher, großmauliger Schmähler und unverschambter Ehrabschneider etc.

[357] Wie der Herr Jesus mit dem Ehrabschneider nach Bethania kommen ist, hat ihn allda ein reicher Herr und guter vom Adel mit Namen Simeon, zur Dankbarkeit, weilen er durch ihn von dem Aussatz gereiniget worden, mit einem sehr stattlichen Nachtmahl empfangen. Allwo auch unter andern Gästen sich persönlich hat eingefunden der Lazarus, welchen vorhero der gütigste Heiland von Todten erwecket. Der Zulauf der Hebräer war über alle Massen groß zu dieser Behausung, also,[357] daß man kaum und nit ohne besondere Beschwernuß die Speisen kunnte auftragen; dann die Juden kunnten sich nit gnugsam vergaffen an dem Lazaro. Ob schon die mehresten aus ihnen gegenwärtig waren, wie der Herr Jesus den Lazarum aus dem Grab berufen, in welchem er schon 4 Tag gelegen, so urtheilen gleichwohl viel Bösewicht aus ihnen solche Erweckung nur für eine Blenderei. Dahero sie so stark gemaulasset bei solchem Nachtmahl, in dem sie sahen, daß Lazarus so wacker in die Schüssel greife, der unlängst selbst schon eine Speis' der Würmer war. Dieses Nachtmahl ist wegen Menge der Richten und Kostbarkeit der Speisen sehr prächtig und herrlich gewest, worbei auch Martha ihren Fleiß nicht gesparet, als welche in allem eine so ordentliche Anstalt sowohl in dem Keller, als in der Kuchl gemacht. Dann obwohlen sie schon als eine nächste Anverwandte zu der Tafel eingeladen worden, so hat sie dannoch auf keine Weis' wollen niedersitzen, sondern aus Dienstwilligkeit und innerlicher Lieb Jesu zu Tisch dienen. Unterdessen hat auch Magdalena, als eine leibliche Schwester der Marthä, ihre größte Affection gegen dem Herrn Jesum wollen erzeigen, indem sie ein Pfund sehr köstlicher Salben von Narden aus einer alabasternen Büchse über sein Haupt gegossen. Dann es war dazumalen ein gewöhnlicher Brauch in Judenland, daß man zu mehrerem Pracht einer Mahlzeit den vornehmen Gästen einige kostbare Salben oder Oel auf den Kopf gieße, welche nachmals über die Kleider herunter gerunnen, und einen sehr reichen und angenehmen[358] Geruch von sich gegeben. Diesem Land-Brauch wollte Magdalena nachkommen. Weilen sie aber aus inbrünstiger Liebe zu dem Herrn eine gar theuere Salbe eingekauft, und dieselbe über das Haupt Christi geschüttet, so hat sich der verruchte Geizhals Judas das erste Mal als einen nichtsnutzigen zu erkennen gegeben, indem er über dieses so löbliche Werk gar spöttlich gemurret, ja solches für eine Verschwendung ausgeleget, und wäre weit rühmlicher gewest, sagt er, wann man die Salben hätte zu Geld gemacht, und solches nachgehends unter die Armen ausgetheilt. Auch schreibt Cajetanus in Kap. 28. Matth., Jansenius in Concord. 128., Suraz. Thl. 2. disp. 34. Sect. 1, daß Judas Christo dem Herrn wegen solcher Salbung spöttlich habe nachgeredet, und ihn auf alle Weis' bei den Juden verkleinert, wie daß sich dieser Zimmermanns-Sohn von einer so öffentlichen Madama lasse bedienen; er habe ihn bishero für einen heiligen und vollkommenen Mann angesehen, anjetzo aber kommt er unter die Schlich, und find't, daß er die Weiber auch nit ungern sehe. Dergleichen noch mehr Schand-Reden hat der Judas ausgossen, daß sich auch der Evangelist geschamet hat, solche mit der Feder zu entwerfen. O schelmischer Ehrabschneider!

Der hl. Paulus ist in den Himmel verzucket worden; ich aber in die Höll Gedanken halber. Vidi mirabilia, »dort habe ich wunderseltsame Dinge gesehen:«


Wann ich ohne Ziel schon noch so viel

Der Mäuler haben sollte,

Zungen ohne Zahl, ein' Stimm wie Stahl,

Alles erzahlen wollte,[359]

Wie viel der Pein der Höllen seyn:

Würd' ich doch ganz erstummen,

Bekennen rund, daß auf kein' Grund

Der Pein und Straf zu kommen.


Erschrecklich, erschrecklich! Ob zwar der hl. Job ausgibt, daß in der Höll keine Ordnung sey, so hab ich gleichwohl-daselbst, so viel man wegen des aufsteigenden Rauch hat sehen können, eine ordentliche Austheilung der Gassen wahrgenommen. Erstlich bin ich geführt worden in eine sehr große Gasse, und hab' hören müssen, daß diese die Herren-Gasse genennet werde; da waren lauter vornehme Heeren anzutreffen, und ist mir recht, so hab ich etlich und 30 Kaiser allda gezählet, worunter ich den Vespasianum, den Diocletianum, den Aurelianum gekennt habe. Bei diesen waren auch viel König: der König Henricus der Achte saß fast mitten unter ihnen. Der anderen Fürsten und Edel-Leut war eine unaussprechliche Zahl. Mehr bin ich geführt worden in eine andere sehr breite Gasse, welche meinem Gedunken nach fast eine Viertel Meil in die Länge sich erstreckte. Diese hat geheißen die Frauen-Gasse; wie ich dann sehr viel alte und junge alldort hab angetroffen: eine hat engelländisch geredet, und hab ich mir[360] gleich eingebildet, es sey die Elisabetha; eine andere hat böhmisch geredet, so hab ich gedacht, es sey die Drahomira; eine hat griechisch lamentiret, diese ist mir vorkommen, es sey die Helena; eine war aber eine alte Vestia, und ist mir gesagt worden, es sey diejenige Hex, welche auf Ansuchen des Königs Saul den Samuel erwecket hat. Weiter habe ich wegen des unglaubigen Geschreis daselbst nit wollen verbleiben. Bin also in die dritte Gasse kommen, mit dem Namen die Schinder-Gasse. Muß bekennen, solches ist mir was fremd vorkommen, daß die schlechten Leut sollten eine eigene Gasse haben; bin aber bald anderst berichtet worden: wie daß diese lauter Bauernschinder, Soldatenschinder, Burgerschinder, armer Leut-Schinder und Weiberschinder seynd. Nachdem so bin ich in eine enge Gasse kommen, allwo ich mit Verdruß hab vernehmen müssen, daß sie diese die Pfaffen-Gasse nennen. Hab aber beinebens gedacht: etwann seynd es lauter Götzen-Pfaffen? Weilen ich aber alldorten aus unterschiedlichen Kappen hab können abnehmen, daß auch Mönich alldorten seynd, wie nicht weniger etlich Bischöf, und zwar in Specie ein[361] Erz-Bischof zu Magdeburg, mit Namen Udo; so hat mich ein solcher Schrecken überfallen, daß ich mich schier nit verwußt hab. So bald ich mich aber in etwas wieder erhohlet, alsdann hab ich meinen Weg wieder weiter genommen, und kommen in die Gemein-Strasse, welche unerhört breit und lang war. An diesem Ort war eine unzählbare Menge der Verdammten bei einander: da war zu sehen ein neidiger Kain, ein großkopfeter Goliath, ein rothnasender Prasser, ein verbuhlter Vagao etc. und viel Millionen anderer mehr. Ueber dieses so bin ich geführt worden in eine sehr große Gasse, und solche hatte den Namen die Schneider-Gasse, worüber ich mich, wie billig, nit ein wenig entsetzet: theils weilen diese eine aus den größten Gassen, anderer seits, daß lauter Schneider sollten allda seyn. Es ist mir zwar nachgehends eingefallen, wie daß der Schneider Anzahl sehr groß, als nemlich Kleiderschneider, Strohschneider, Steinschneider, Glassschneider, s.v. Sauschneider, Aufschneider auch gar viel. Es ist mir vortragen worden, daß an diesem Ort, in dieser langen, weiten, breiten, tiefen Gasse lauter – was? – lauter Ehrabschneider im Verhaft liegen. Es ist alles dieses keine Parabel, auch keine Fabel, sondern lauter Gedanken, welche mir vorbilden, daß eine unglaubige Anzahl der unbehutsamen Adams-Kinder in das ewige Verderben gerathen wegen der Ehrabschneidung, massen bei dieser Welt solches Laster ganz gemein, wohl täglich, ja stündlich in allen Orten anzutreffen.

Tobias wurde einst matt und müd wegen der schweren Arbeit, so er in Begrabung der Todten ausgestanden, weßwegen er sich vor seiner Haus-Thür ein wenig niedergeleget[362] auf die Bank, und bald in einen süßen Schlaf gefallen. Unterdessen war ober seiner unter dem Dach ein Schwalben-Nest, aus welchem diese Vögel ihren Koth auf den Tobiam herunter geworfen auf seine Augen, worvon, er ganz stockblind worden. Solches unvermuthes Unglück hat er mit größter Geduld übertragen, nit viel ungleich dem weltweisen Asclepiadi, welcher ebenfalls durch einen unglücklichen Zufall das Gesicht verloren, gleichwohl darbei pflegte zu schreien: er halte sich dermalen viel heroischer als zuvor, dann damals gieng er allzeit nur allein, jetzt aber selbst anderter. In gleiches Elend ist gerathen Tobias Nephtalensis, ein hl. Mann, welcher durch die Schwalb das Gesicht verloren. Die Schwalben haben den Tobias um das Sehen gebracht, das war zu bedauern; aber die Schwalben bringen manchen um das Ansehen, will sagen, um Ehr und guten Namen, das ist weit schmerzlicher; dann die mehresten Ehrabschneider seynd lauter Schwalben, dann sie schwätzen, sie schwalbelen und besudlen den Menschen.

Das Geld ist ein Vice-Gott auf der Erde; das Geld ist eine Angel der Dignitäten; das Geld ist ein Kuppler der Feindschaft; das Geld ist ein Schlüssel der Gemüther. Dahero sagt der Reiche: das Geld ist mir lieb, wer mirs stiehlt, ist ein Dieb. – Die Bücher seynd ein Spiegel, in welchem sich einer kann ersehen; die Bücher seynd Gleitsmänner, welche die Irrenden weisen; eine Bibliothek ist eine Apothek, aus dero die bewertheste Medizin genommen wird; die Bücher seynd Brunnenstuben der Wissenschaften. Dahero spricht der Gelehrte: die Bücher seynd mir lieb, der mirs stiehlt[363] ist ein Dieb. – Perl und Edelgestein seynd eine Zier des menschlichen Leibs, seynd eine Recommendation des Frauenzimmers, seynd eine Beihilf der menschlichen Gestalt, seynd ein Schatz und Schutz der Weiber. Darum sagt eine jede Dama: die Kleinodien seynd mir lieb, der mirs stiehlt ist ein Dieb. – Kaufmanns-Waaren seynd Mittel der menschlichen Unterhaltung, seynd Beförderungen des gemeinen Nutzens, seynd eine Ergötzung und Ergänzung der menschlichen Nothwendigkeit. Dahero sagt der Kaufmann: die Waaren seynd mir lieb, und wer mirs stiehlt, ist ein Dieb. – Dergleichen Dieb gibt es viel: der Achan hat zu Jericho einen Mantel gestohlen. Es gibt noch größere Dieb: die Philistäer haben Ochsen und Kameel gestohlen. Es giebt noch größere Dieb: die Rachel hat ihrem Vatern, dem Laban, die guldenen Götzenbilder gestohlen. Es giebt noch größere Dieb: die Ehrendieb, diese seynd die größten Dieb. Alle Erbschaften, und mit den Erbschaften alle Gewerbschaften, und mit den Gewerbschaften alle Wirthschaften, und mit den Wirthschaften alle Herrschaften, und mit den Herrschaften alle Habschaften seynd nit zu vergleichen einem ehrlichen Namen. Also bezeugt es der hl. Geist: Melius est bonum nomen, quam divitiae mutae: Es ist besser ein guter Name, als viel Reichthumen.

Nachdem der David ohne Erwägung der göttlichen Gebot und seiner königlichen Hohheit den Ehebruch begangen, ist alsobald der Prophet Nathan zu ihm getreten und ihm solche Unthat in folgender Gleichnuß[364] vorgetragen: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine war reich, der andere arm. Der Reiche hatte sehr viel Schaf und Rinder, aber der Arme hatte nit mehr als ein einziges Schäfel, welches er gekaufet und auferzogen, das auch bei ihm, seinen Kindern erwachsen war. Dieses Lämmel hat von seinem Brod geessen und aus seinem Becher getrunken, und in seinem Schos geschlafen, und war wie seine Tochter. Nun ist ein Gast zu dem Reichen kommen: solchen zu tractiren, ist der reiche Vogel da, verschont alle seine Schafe, und nimmt dem armen Mann sein einziges allerliebstes Schäfel hinweg, schlägt und metzget solches, und speiset also seinen Gast darmit. – Wie dieses der König David vernommen, gedachte er weiter nicht, daß solche Gleichnuß auf seinen Busen deute, sondern erwäget mehr die große Unbild, weilen einer dem Armen sein einiges und allerliebstes Schäfel entfremdet. Sicut Deus vivit etc. »So wahr als Gott lebet, der Kerl muß des Todes seyn!« sagt David. Holla! tu es ille vir! gab der Prophet darauf zur Antwort – »du bist derselbige Mann

Wir alle sind arme Schlucker, übernehm sich nur keiner! haben wir etwas, so ist dasselbige ein fremdes Gut. Dann so die Erd ihr Geld, die Schaf ihre Woll, der Wurm seine Seide, der Ochs sein Leder, der Acker seinen Flachs oder Haar sollt' zu sich fordern, alsdann würden wir da stehen, wie die armen Tropfen. Jedoch ein einiges Schäfel hat einer, welches von der Kindheit an mit ihm auferwachsen, dieses isset mit ihm über Tafel, schlafet in seinem Schos, und ist ihm über alles lieb; und dieses ist die Ehr, der ehrliche[365] Name, der gehöret ihm alleinig zu. Unterdessen kommt jemand, und stiehlt ihm dieses Schäfel, nimmt ihm die Ehr. O, soll es einem nit schmerzen? indem mir der Wiederhall in dem Wald selbsten zuspricht, ich soll den guten Namen eiferigst in Obacht nehmen! Fama! Echo: Ama, »den guten Namen!« Echo: Amen! Das beste Kleinod, so mich zieret, der beste Geleitsmann, so mich führet, der beste Platz, den ich erhalte, die beste Lust, die mich erfreuet, der beste Segen, so mir gedeihet, ist meine Ehr, mein ehrlicher Name. Der ist mir der liebste gewest an meinen Eltern, der liebste in Mutterleib, der liebste in meiner Kindheit, der liebste in meiner Jugend, der liebste in meiner Mannheit, der liebste in meinem Alter, der liebste in meinem Leben, und der liebste auch nach dem Tod; und diesen, und dieses, und diese entfremdet mir, nimmt mir, schmählert mir, verschwätzet mir eine üble und vergifte Zunge! O Diebstahl über alle Diebstahl!

Wie der gebenedeite Heiland von denen Hebräern als von reißenden Wölfen ist angefallen worden, hat alsobalden der tapfere Petrus vom Leder gezogen, und mit seinem Säbel, welcher noch zu Paris in Frank reich gezeiget wird, dem Malcho, als einem Diener des Hohenpriesters, so mit der Latern voran gangen, das rechte Ohr abgehaut, und wann solcher Lottersknecht den Kopf nit hätte auf die linke Seite gezucket, hätte unfehlbar der Peter solchen zerspalten, Ucho no![366] ucho no! Auweh! auweh! schrie Malchus. Was ist dir? fragen die anderen, Auweh! auweh! ich hab mein Ohr verloren, und zwar das rechte Ohr, auweh! auweh! O du Lümmel! das läßt sich noch wohl verschmerzen, das rechte Ohr verlieren; aber, aber, aber die rechte Ehr verlieren, das ist hart und überhart zu gedulden!

Das Wörtel Frau, wann es noch mit einem einzigen Buchstaben bereichert wird, nemlich mit einem S, alsdann hat es die rechte Ausdeutung, das heißt Fraus. Dann Fraus und Frau wohnen in einer Au. Der betrogenen Weiber giebts so viel, daß sie einer ohne Betrug nit zählen konnte. Jezabel eine solche 3 Kön. K. 18, des Loths zwei Töchter solche – 1. Mosis K. 19, die Rachel eine solche – 1. Mosis 31, die Hebammen in Egypten solche – 2 Mos. 1, der Moabiter ihre Weiber solche – 4 Mos. 21, die Rahab zu Jericho eine solche – Josue K. 2, die Jahel eine solche – Jud. 4, die Michol eine solche – 1 Kön. 19, des Jeroboam seine Frau eine solche – 3. Kön. 11. K. Diese seynd aber nur aus dem alten Testament. Bei diesen unsern Zeiten ist der betrogenen Weiber Zahl unzählbar. Der gute Samson hat eine solche gehabt mit Namen Dalila, in dero Lieb er sich also verhaspelt, verwickelt, daß er ihrer Gemeinschaft nit konnte müssig gehen. Aber gemeiniglich, wie man aus denen Rosen Wasser brennet, also bringt auch oft[367] manchem seine Rosina oder Rosimunda ein Wasser, und macht, daß ihm die Augen übergehen. Das hat der starke Samson erfahren, indem ihm seine Dalila die Haar abgeschnitten, und mit den Haaren seine Stärke. Dieses einzige Schneiden hat gemacht, daß er, Samson, bei dem philistäischen Volk zu Schand und Spott worden. – O verruchte Scheer, welche dem wackeren Nazarener so viel abgeschnitten! Aber noch verfluchter ist die Zunge, welche einem die Ehr abschneidet. Die Lehr verlieren ist viel verlieren; das Gehör verlieren ist viel verlieren; den Schmerz verlieren ist viel verlieren; aber die Ehr verlieren ist Alles verlieren. Wann ich schon kein gutes Haus hab, aber einen guten Namen, so bin ich wohl bewohnt; wann ich schon kein gutes Kleid hab, aber einen guten Namen, so bin ich wohl bedecket; wann ich schon keine gute Tafel hab, aber einen guten Namen, so bin ich wohl gespeist. Ehrenpreis ist weit ein anderes Gewächs, als Tausend-Guldenkraut; dahero ist mir die Ehr lieb, und wer mir's stiehlt, ist ein Dieb.

Job ein Exempel der Geduld, ein Exemplar der Geduld; Job eine Orgel, wann man sie schlägt, so gibt sie einen guten Klang und pfeifet darzu. Wie Gott den Job hart geschlagen, hart getroffen, »manus Domini tetigit me,« so hat er noch hierüber einen[368] schönen Klang gegeben: der Name des Herrn sey gebenedeiet! Job wie ein Delphin: dieser Fisch hat eine so wunderliche Art an sich, daß er zur selben Zeit, wann es wittert, donnert und haglet, zum lustigsten ist. Wie alles mit dem Job, mit seinen Kindern, mit seinem Haus, mit seinen Kameelen, mit seinen Schafen über und über gangen, da hat er noch ein freundliches Angesicht gemacht. Job wie eine Saite, je mehr man solche spannt, je schöner, je heller klinget sie und singt sie: Also auch der Job; dann, wann dieser nit ist angespannt worden, so weiß ich nicht, – gleichwohl hat er gesungen: Sit Nomen Domini benedictum. Job wie eine gute Degen-Klinge, welche ihre werthe Probe zeigt im Biegen: also war auch der Job von Gott hin und her gebogen und gezogen. Job wie eine Imme, welche das süßeste Honig aus den bittersten Kräutern sauget, also auch Job: so bitter als es ihm ergangen, hat er doch nie sauer ausgeschauet, und alles mit Geduld übertragen, alles, außer ein Ding nit. Als seine Freund, und forderist sein sauberes Weib, ihm vorgeworfen, wie alles dieses über ihn komme aus göttlicher Straf, er sey halt ein lasterhafter Gesell, vielleicht, wer weiß, ein Ehebrecher oder ein Dieb oder ein Hexenmeister, oder sonsten ein nichtsnutziger etc., weilen ihn Gott also heimgesuchet; ja, ja, was dann? Diese seynd die Hütten der Gottlosen, sagte sie, und dieses ist die Stadt desjenigen, der Gott nit kennet! Dieses hat dem Job also in das Herz griffen, da man ihm die Ehr abgeschnitten, daß[369] er von freien Stucken aufgeschrien und sich beklagt: Wie lang plagt ihr meine Seel, und zermalmt mich mit Worten? als spreche gleichsam der Job zu seinem Gott: O mein Gott, plag mich und schlag mich, wie du willst, mir ist es schon Recht; ruck mich und drucke mich, wie du willst, mir ist es schon Recht; mindere und plündere mir das Meinige, wie du willst, mir ists schon Recht; rupf mich und zupf mich, wie du willst auf allen Seiten, mir ists schon Recht; aber meine Ehr und meinen ehrlichen Namen, diesen lasse mir!

Seines Gleichen ist auch gewest Henricus Suso aus dem Orden des h. Dominici. Indem solcher für einen Wachs- und Kerzen-Dieb ist ausgeschrien und gehalten worden, weilen ein sechsjähriges Mägdlein bekennt, wie daß sie diesen Wachsrauber im wirklichen Diebstahl ertappet habe, das hat den h. Mann also verwirrt gemacht, daß er sich zu Gott gewendet und wehemüthig sein Elend beklaget. O mein liebster Jesu, Alles, Alles will ich gern und erbietig wegen deiner ausstehen, bin willig, alle Kreuz und Drangsal deines heiligsten Namens wegen zu leiden; allein, o mein Gott, verhäng' nur solche Sachen nit über mich, quae meam exstinguunt famam, »die mich um meinen guten Namen bringen!«

Dann in aller Wahrheit nichts Kostbarers, als ein guter Name. Auch ein baarfüßiger Geistlicher, welcher in einem rauhen Sack stecket, und mitten in der evangelischen Armuth sitzet, der schätzet sich gleichwohl reich, wann einer einen guten Namen hat. Dahero kein größerer Dieb, als welcher einem die Ehr stiehlt.

Weilen der David ein friedliebender König war,[370] also hat er zu dem neuen König Hanon seine Abgesandten geschicket, damit solche anstatt seiner die Trauer-Complementen wegen des Todes seines Herrn Vaters ablegten, und beinebens ein neues Friedens-Verbündnuß möchten eingehen. Wie nun besagte Legaten bei dem moabitischen Hof ankommen, so haben die Herren Ministri über solche Gesandtschaft verdächtige Gedanken geschöpfet, und in den Argwohn gerathen, als sehen solche heimliche Ausspäher. Dahero den König so beweglich dahin beredet, daß er gedachten Gesandten den Schimpf angethan, massen er ihnen ihre langen Röck, worunter sie nach Landesbrauch keine Hosen tragen, hat lassen abschneiden bis auf die Backen: das war ein überaus großer Schimpf. Die armen Herren haben sich dessen schier zu todt geschamt; sie hätten von Herzen gern Schurzfell' getragen, wie die Berg-Knappen, so es ihnen nur wär erlaubt gewest. Ueberdas hat noch der muthwillige König einem jeden aus ihnen den Bart halben Theils lassen abscheeren, und also verschimpft wieder zurück geschickt. Wie nun der David gesehen, daß ihnen die Schwindsucht auf einer Seite in den Bart kommen, daß sie halb Haar, halb gar, halb Bark, halb schwart, halb butzet, halb gestutzet; so hat er ihnen alsobalden geboten, sie sollen so lang und so viel zu Jericho verbleiben, bis ihnen der Bart wieder wachse. »Manete in Jericho, donec crescat vobis barba.« Unterdessen sammlet er in aller Eil eine namhafte Armee zusammen und zieht wider die Ammoniter, den angethanen Schimpf seiner Gesandten zu rächen. Aber laß dir sagen, mein König David, es scheint sehr rathsam, daß du diese[371] Männer auch mit dir in das Feld nehmest; dann sie werden vor allen anderen ritterlich streiten, ihren angefügten Spott zu rächen, sie werden streiten wie die Löwen, sie werden kämpfen als wie Tieger, sie werden fechten als wie die Martes, streiten ohne Aufhören, kämpfen ohne Unterlaß, fechten ohne Zagheit, bis auf den letzten Bluts-Tropfen werden sie kämpfen, bis zur Erhaltung der Victori werden sie streiten, bis zum Untergang des Feindes werden sie fechten: lasse sie also mit dir ins Feld, zu streiten, kämpfen und zu fechten. Nein, nein! sagt David; ich will nit, ich mag nit, sagt David, sondern bleibt's zu Jericho, bis euch der Bart wachset. Und wird derenthalben keine andere Ursach beigefüget, als diese: damit nemlich besagte wackere Herren bei ihrem ehrlichen Namen und Reputation verbleibten. Dann es ist gewiß, wann sie also mit halbeter Maul-Parocka an etlichen Orten wären durchmarschiert, so hätten die ehrabschneiderischen Leut unfehlbar allerlei Spottreden ausgossen. Schau, schau! hätten sie gesagt, diese haben gewiß etwas gestift, seynd gewiß Kriegs-Offizier, und haben denen armen Soldaten das Ihrige abgestohlen, oder sie haben bei dem Feind einen Hasen gehetzet, oder haben mit dem Feind einige Correspondenz geführet. Damit sie dann nit in ein so übles Geschrei geratheten, hat sie David in der Stadt Jericho zu verbleiben beordert. O ehrlicher Mann!

Schön seyn wie Rachel, und nicht ehrlich seyn,[372] ist nichts seyn; weis' seyn wie Salomon, und nicht ehrlich seyn, ist nichts seyn; stark seyn wie Samson, und nicht ehrlich seyn, ist nichts seyn; reich seyn wie Nabuchodonosor, und nit ehrlich seyn, ist nichts seyn; mächtig seyn wie Pharao, und nit ehrlich seyn, ist nichts seyn; aber arm seyn, und ehrlich seyn, ist über Alles seyn. – Der Zibeth von Zeilon schmecket nicht so wohl, die Nägerle von Molucca reichen nit so wohl, die Ambra von Mosuch riechet nit so wohl, der Bisam von Pegu riechet nit so wohl, der Spicanard von Cambria riechet nit so wohl, der Cassia von Calecutt riechet nit so wohl, der Weihrauch von Arabia riechet nit so wohl etc., als da riecht ein guter Name. – Die Glocke zu Moscau mit 336 Centner hat einen schönen Klang, die Glocke zu Lugdun mit 250 Centner hat ein lieblichen Klang, die Glocke zu Tolosa mit 500 Centner hat einen herrlichen Klang, die Glocke zu Rotomagi in Frankreich mit 36000 Pfund hat einen annehmlichen Klang; aber ein ehrlicher Nam' hat weit einen schöneren, lieblichern, herrlicheren und annehmlicheren Klang und Nachklang. Derentwegen ein guter Nam' einem jeden ist lieb; der solchen stiehlt, der ist ein Dieb.

Pasquinus, oder wie Etliche schreiben, Pasquillus, war ein Schneider zu Rom, und zwar ein Hofschneider selbsten. Dieser ist ein solcher Schmähler und unverschämter Ehrabschneider gewest, daß er fast männiglich übel nachgeredet; die Hof-Herren nit,[373] die Cardinäle nit, sogar die Papsten selber nit verschont, worvon es kommen ist das gemeine Sprichwort, so oft eine ehrenrührische Schrift ohne Autor gefunden worden, so hat's geheißen; der Pasquillus hats gethan. Nach dem Tod des sauberen Schneiders hat man ungefähr eine steinene Bildnuß, welche einen Fechter vorstellte, bei seinem Haus ausgegraben und an gedachtem Ort aufgericht. Diese Statue hat der Pöbel durch gemeinen Scherz den Pasquill genennet; und weilen solcher Gesell bei Lebens-Zeiten jedermann übel nachgeredet, also hat er auch solches nach dem Tod nicht gelassen, massen, allerlei Schimpf-Schriften, Spott-Büchel, ehrabschneiderische Epigrammata daselbst angeheftet worden, und noch auf den heutigen Tag läßt dieser Ehrenstutzer sein Schmähen nit.

O wie viel hat dieser Pasquillus Brüder Schwestern! Bei jetziger Zeit, wann ich mich könnt unsichtbar machen, wie durch göttliche Beihilf sich unsichtbar gemacht haben die h. Ida, der h. Mart. Lucianus, der h. Abt Columbanus, der h. Franciscus de Paula, der h. Gregorius Thaumaturgus, der h. Vincentius Ferrerius etc., und viel andere mehr, so wollte ich einen Schreibzeug zu leihen nehmen von jenem weißbekleid'ten Mann, welchen der Prophet hat wahrgenommen, und mich also zu dieser und jener Mahlzeit begeben, allda Alles, was wider die Ehr des Nächsten ausgossen wird, gar emsig aufzeichnen: ich würde in der Wahrheit finden, daß dermalige[374] Mahlzeiten Schmalzeiten, und jetzige Convivia Convicia sollten genennet werden.

Unter anderen Plagen, welche der gerechte Gott über den Pharao ergehen lassen, war nit die mindeste die große Menge der Frösch, welche nit allein auf der Gasse, sondern in der Stube, in der Kammer, bei der Tafel die größten Ungelegenheiten verursacheten. Kaum daß man eine Schüssel hat abgedecket – pätsch, da war schon ein solcher grünhoseter hinein gesprungen! Pfui, der Schinder freß solche Brocken! Auf allen Tellern hupfeten diese großmauligen Quacketzer herum. Das Frauenzimmer ist dazumal wohl nit nackend um den Hals gangen; dann diese kalten Lachentrescher auf allen Achseln ohne Spielleut herum getanzet. Unter währender Mahlzeit war nichts zu hören, als das verdrießliche Qua, Qua, Qua. O liebster Gott! wo, wie, wann ist dermalen eine Mahlzeit, allwo nit allein Freßgoschen – die giengen noch hin – sondern auch Fröschgoschen gefunden werden, welche immerzu über andere Leut quacketzen und ihnen die Ehr abschneiden! Bei der Mahlzeit des Königs Herodis war nit genug, daß man Gesottenes, Gebratenes, Gebackenes, Geröstes, Gebeiztes, Gespicktes, Geküchletes, Gesulztes, Gesalztes, Geschmalztes hat aufgesetzet, sondern man mußte auch auftragen in einer Schüssel das Haupt Joannis Baptistä. Diesem mörderischen Tieger seynd wir öfters nicht ungleich, weilen nemlich unsere Lust und Gust nicht vergnüget ist mit[375] sauren, mit süßen, mit warmen, mit kalten Speisen; sondern es muß mehrmalen ein Haupt darbei seyn, ja die größten Häupter der Welt, Papst und Kaiser, und zählt man diese nicht unter die Richten, so müssen sie doch gehören zu dem Ausrichten. Mit einem solchen schmutzigen Maul hatte Herzog Otto von Brandenburg, wie er von dem Bischof Ludolpho excommunicirt worden, nit allein gedachten h. Mann, sondern auch den päpstlichen Stuhl angriffen, auch scherzweis' dem Hund ein Stuck Fleisch vorgeworfen, mit Vermeldung, er habe gehöret, daß auch die Hund kein Stuck Brod oder Fleisch von einem Excommunicirten annehmen; welches auch in aller Wahrheit geschehen, massen der Hund bei der Tafel das vorgeworfene Fleisch nit allein geweigert, sondern auch nach dreitägigen Fasten von diesem Otto keine Speis' wollte annehmen. Wie oft muß der römische, Kaiser, unser allergnädigster Herr, Herr und Landsfürst, welcher doch ein Gesalbter des Herrn ist, unter solche üble Zungen gerathen, welche weit freventlicher, als der David dem Saul, seinen königlichen Purpur stutzen und beschneiden.

Joannes Eusebius schreibt, daß in Spanien, in der Stadt S. Dominici Calciatensis durch Beihilf des h. Jacobi zu Beweisthum der Unschuld eines Jünglings ein gebratener Hahn und Henn' sey zu dem Leben erwecket worden, welche man nachgehends in die Kirche daselbst gesperret. Diese lebeten nit länger als 7 Jahr. Nach verflossener solcher Zeit[376] haben sie ein Hänl und Hienl ihrer Farb hinterlassen, und diese nach 7 Jahren wieder andere, und verharret dieses Wunder noch bis auf den heutigen Tag; dahero alle Kirchfährter, deren viel Tausend und Tausend, pflegen von diesen eine Feder zu einer Gedächtnuß auszuropfen, und gleichwohl manglen ihnen nie die Federn durch ein ewiges Wunderwerk. Diese müssen viel leiden wegen ihres öfteren Ropfens; aber ich versichere einen, daß der römische Adler noch mehr geropfet wird, und will anjetzo zuweilen eine schlechte geschmierbte Goschen bei der Mahlzeit eine Schmählzeit begehen. Wann ich Kaiser wäre, heißt es, Ofen wäre mir nichts, gleich so viel, als wann man einen Bettelbuben in die Höll wirft: innerhalb 2 Monat soll Constantinopel mein seyn. Man greift die Sach an, wie der Aff' die gebratenen Kösten etc. Ei du gewaltiger Zungen-Schmid, wann du Constantinopel so geschwind sollst erobern, wär nachmals billig und recht, daß man solcher großen Stadt Constantinopel den Namen sollt verändern, und anstatt Constantinopel deinetwegen Stultinopel nennen. Ein anderer sagt: was? hätt' ich die kaiserliche Armee, Griechischweißenburg müßt sich verkriechen, Essek müßt heißen Gehweck, Wardein müßt heißen Wieder mein; ich wollt' den Türken bis nach Babylon treiben, und alldort, wo alle Sprachen herkommen, ihn gewiß lehren[377] deutsch reden. Unsere Rathschläg gehen wie der Meister Limax über die Brucken. Ei du gewaltiger Philosophus; Cato und Plato ist deines Gleichen nit, wohl aber Matto. Wann eine ehrabschneiderische Zunge ein Degen wär', so wollt ich selbst darmit, wo nit die Stadt Lugdun, wenigstens die Vestung Lugenburg einnehmen. Wann du so gut bauen könntest, als du schneiden kannst, sodann würdest du mit der Zeit berühmter werden, als der tapfere Scanderberg. Dergleichen Haus-Hund und Schmaus-Hund ihr Bellen verschonet auch eines Löwen nicht, dessen Großmüthigkeit aber solche weniger achtet als des Samsons seinen Mundschenk; dieser war ein Esels-Kinnbacken.

Die Tafel meines heil. Vaters Augustini finde ich in keinem Saal, in keiner Tafelstube mehr. Auf derselben waren folgende Worte verzeichnet:


Quisquis amat dictis absentum rodere vitam,

Hanc mensam vetitam noverit esse sibi.


»Wann du, o Nasenwitz,

Willst übel einen bschreiben:[378]

So hast du da kein' Sitz,

Und kannst du wohl ausbleiben.«


Dergleichen Wort find' ich an wenigen Ort'. Bei der Tafel des reichen Prassers waren die Hund unter dem Tisch und nagten die Beiner, nachmalens haben sie dem armen Lazaro vor der Hausthür das Geschwür abgelecket: o wohl gute Hunds-Zungen! Vieler, vieler Menschen Zungen seynd weit anderst beschaffen bei der Tafel und Essens-Zeit, welche nit allein ihren Nächsten die Geschwür einer oder der andern Unvollkommenheit nicht heilen, sondern dem ehrlichen Namen noch neue Wunden versetzen. Die schöne Bildnuß des Königs Nabuchodonosoris hat ein kleines Steinl also getroffen, daß, ungeacht das Haupt vom besten Gold, die Brust vom schönsten Silber, der Leib von Metall etc., gleichwohl Alles zu Trümmern gangen. Bei einer Tafel und Mahlzeit thut sich öfters ein kleines Wörtel hervor, welches auch, wie besagtes Steinl, die Bildnuß eines ehrlichen Namens, dessen Haupt von Gold, verstehe ein Haupt-Lob, gänzlich und spöttlich zertrümmert. Ein solches ist das Aber, ein solches ist das Wann, ein solches ist das Gar.


Aber, wann und gar

Ist des Teufels Waar'.


Dieser Herr ist nichts als gelehrt, so gehet die Red, er hat fast die Wissenschaft eines Salomons, ja ich glaube, wann man die Abschnitt von seinen[379] Näglen sollte säen, es würden Baccalaurei daraus wachsen; er hat in allen Sachen die beste Erfahrenheit, und weiß so manierlich seinen Kram nach einer jeden Elle zu messen; bei allem diesen ist er nit stolz; ein anderer thät und wollt dessentwegen allzeit oben schwimmen, wie das Pantoffel-Holz, aber diesem schaut die Demuth aus den Augen: ich vermein wahrhaftiger habe von seiner Amme nichts als lauter Honig gesogen; wohl ein braver Herr, das ist wahr! Aber, aber, wie ein Teufel auf die Seel, so geht er auf das Geld. So krumme Finger als er hat wegen des Podagra, so schlägt und spielt er dannoch gern auf dem Regal, will sagen: Regaliren und Geld gelten viel bei ihm.

Die Fräule, oder die Jungfrau, die ist wohl ein herziges Kind; o wie schon ist sie! sie hat wohl nit Ursach wider ihre Natur zu klagen; auf mein Gewissen, in Indien thäte man's für eine Göttinn anbeten; zwar es manglen bei uns auch noch nit solche Abgötter etc. Sie ist darneben eine stattliche Wirthinn: Bruder, glaub mir darum, sie siehts der Kuh in den Augen an, wie viel sie Milch gibt; sie ist achtsam und wachtsam auf Alles; ich wollt nit schwören, ob sie nicht auch mit offenen Augen schlafe, wie die Hasen: ihres Gleichens seynd in der Wahrheit wenig zu finden. Wann, wann – sie nur nit so teuflisch bös wäre. Bekommt sie einmal einen Mann, so wird sie mit ihm umgehen, wie die Bauren mit[380] dem Felberbaum; sie singt den Discant, daß einem die Augen übergehen. Wann sie nur das nit hätte. Ich höre – da geredt – sie sey schon zweimal in die Fraiß vor lauter Zorn gefallen.

Diese Frau könnt nit besser seyn, sie thut fürwahr keinen Hund beleidigen, will geschweigen einen Men schen, sie bet' bald mehr, als der König David, ich hab mein Lebenlang kein ungeduldiges Wort von ihr gehöret, sie hätten's auf mein Wort wohl sollen Agnes taufen. Ich glaube, sie hab keine Gall wie die Tauben, ein Schelm bin ich, wann sie sollt einen ganzen Korb Holz-Aepfel essen, sie könnt kein sauers Gesicht machen! Sie ist nur gar, gar zu gut! Es ist gleich, ihre Tochter thue buhlen oder spulen, so sagt sie ihr nichts, – gar zu gut! Die mittere Tochter, die Sabinl, lauft in alle Wirthshäuser wie ein Kramerhündl, und sie sagt ihr nichts; ich wollt ein solches Zoberl und saubers Früchtl besser finden; aber sie thut ihr nit so viel, sie ist gar, gar, gar – du verfluchtes Gar, du teuflisches Wann, du vermaledeites Aber, wie manche Ehren-Statue hast du schon zu Boden geworfen! O wie recht dann jener gesaget:


Aber, wann und gar

Ist des Teufels Waar.
[381]

Ihr arme Geistliche, absonderlich ihr Prediger, ihr habt gar nit Ursach euch zu beklagen wegen der strengen Fasten, welche euch die hl. Regul und Ordens-Satzungen aufbinden: ihr seyd Sonntags und Feiertags, ja so oft ihr prediget, bei den Mahlzeiten, öfters aber nit gespeist, sondern ihr müßt andere speisen, indem ihr oft manchen auf die Zunge kommet. – Die Kinder der Propheten zu Zeiten Elisäi haben anstatt der guten Kräuter wilde Coloquinten gesammlet, und dieselben nachmalens in einem wilden Topf gekochet. Wie nun diese heißhungrigen Tropfen mit den Löfflen darein gefahren, und aber vermerket, daß selbige Speis' wie lauter Gall so bitter, haben sie hierüber krumme Mäuler gemacht: Mors in olla! Wie mancher macht ein krummes Maul über eine Predigt: es schmeckt ihm solche nit.

Der Patriarch Abraham hat dem allmächtigen Gott eine dreijährige Kuh aufgeopfert in dem Tempel, dieselbe geschlacht' und von einander getheilt. Nach solchem seynd die Vögel mit allem Gewalt auf dieses Fleisch und Opfer geflogen. Et abigebat eas Abraham: »Abraham vertrieb aber dieselbigen Vögel«. O mein liebster Patriarch, so hast du eine so große Plag gehabt wegen der Vögel! Ich kenne einen Prediger, der tragt, ob zwar unwürdig, deinen Namen: Dieser hat öfters seine Predigt als ein Opfer Gott dem Herrn in dem Tempel aufgeopfert; aber es seynd ihm auch gar oft die Vögel darüber kommen! Was für Vögel? etwann Nachtigallen? O nein, nein! viel ehender Nachteulen,[382] die alles Licht blendet. Was für Vögel? etwann Buchfinken? O nein, nein! viel ehender Misifinken! Was für Vögel? etwann Falken? O nein, nein! ehender Schalken! Was für Vögel? etwann Staaren? O nein, nein! ehender Narren! Was für Vögel? etwann Raben? O nein, nein! ehender Rabenvieh! Was für Vögel? Ich will offenherzig bekennen: In dem Herzogthum Steiermark gibt es eine gewisse Art der Vögel, die nennt man die Schnell-Vögel, seynd fast in der Größe eines Finken. Schnell – sollt ich sagen Schmähl-Vögel, Spott-Vögel, Erz-Vögel und ehrabschneiderische Zungen, diese seynd öfters über die Predigt kommen, dieselbe elender zugerichtet, als die Mörder jenen armen Tropfen, welcher von Jerusalem nach Jericho gereist ist. Sie haben nit allein die Predigt, sondern auch den Prediger schwärzer gemacht, als da gewest ist des Mosis sein Weib, die Sephora. Grausam ist gewest, wie die Bären so viel böse Buben zerrissen in Gegenwart des Propheten Eliä; aber fast grausamer scheint, wann einen nit die Bären, sondern die Bärenhäuter und Ehrenstutzer also tractiren und transchiren etc.

Die Hebräer haben dem Herrn in allen Winklen übel nachgeredet, wie auch seinen Apostlen. Denen seynd nicht ungleich alle diejenigen, welche ehrenrührische Wort und Reden ausgießen über die Geistlichen und Diener Gottes. Man hat dem hl. Athanasio, einem so vollkommenen Bischofen, übel nachgeredet, und von ihm aufgebracht, als habe er den Bischof Arsenium umgebracht. Man hat dem hl. Aetherio die Ehr abgeschnitten, daß er mit einem öffentlichen Schlepsack habe gesündiget. Man hat dem hl. Carmeliter Angelo[383] ganz lugenhaft aufgebracht, daß er ein lauterer Gleißner und Hauptlügner sey. Man hat dem hl. Arnulpho, Bischofen zu Metz, spöttlich nachgeredet, daß er verbotene Buhlschaft treibe mit der Königinn. Man hat öffentlich ausgesagt: der hl. Dionysius von Alexandria sey ein Erz-Schelm. Man hat von dem hl. Daniel Stylita unverschamt gelogen, als habe er Batianam zu einem Beischlaf angefordert. Man hat dem hl. Papsten Cornelio aufgebracht, daß er mit denen Abgöttern halte. Man hat den hl. Diaconum Cäsareum für einen Hexenmeister und Zauberer allenthalben ausgerufen. Man hat dem hl. Alexandrinischen Macharo übel nachgeredet, als habe er ein junges Mägdl verführt. Man hat dem hl. Papsten Sylverio die Ehr abgeschnitten, daß er durch Geld-Mittel die Schlüssel Petri erkaufet. Man hat so vielen Tausenden so viel tausendfache Spottreden erdicht und angehänget, der Geistlichen Wandel übel verkleinert, verleumdet, verschwärzet, und noch ist kein Ordens-Stand sicher von dergleichen Spottreden.

Der heil. Hieronymus war Leib halber ein lauteres Beinhaus, war Seelen halber ein lauteres Gotteshaus, war Verstand halber ein lauteres Rath-Haus, der hl. Hieronymus hatte keine andere Buhlschaft, als die Buß, diese war seine Liebste; er hatte keine andere Liegerstätt, als den harten Felsen; er hatte keine andere Tafel, als etliche harte und geschimmelte Bissen Brod; er hatte kein anderes Kleid, als einen härenen Sack; und gleichwohl hat man ihm übel nachgeredet, als habe er zu große Freundlichkeit mit der Paula, welche doch ein uraltes Weib war, dero[384] Angesicht voll mit Falten und Spalten. O verfluchte Läster-Zunge! so scheuest dich auch nicht, dein Gift auf den Schein der Heiligen auszuschütten?

Von der heil. Liobe, einer Aebtissinn, wird Folgendes sehr denkwürdig geschrieben: Eine unbarmherzige Mutter hat ihre eigene Leibesfrucht in ein Wasserbächlein geworfen, welches aus dem Kloster dieser Aebtissinn heraus lief. Wie nun der todte Leichnam dieses Kindes gefunden worden, waren gleich einige Spott-Vögel vorhanden, welche diese fromme Nonne nit nur allein in gewissen Argwohn gezogen, sondern gar mit unbefugten Spottreden dieselbige durchgelassen, wie daß diese Nonne sich hätte vergnügen sollen lassen, das Amt einer Mutter zu vertreten, und das arme Jungfrau-Kindl in einem so grausamen Bad nit hätte sollen ertränken: die Schwester Barbara hätte nicht sollen so barbarisch seyn, die Schwester Martha hätte nit sollen so marterisch seyn, die Schwester Christina hätte nit so unchristlich sollen seyn, und das arme Tröpflein mit so viel tausend Tropfen ertränken! Es sey schon das genug, daß das Kloster so fruchtbar, und eine aus ihnen eine ehrwürdige Amme worden; hätten also nit so unmenschlich sollen mit einer Geistlichen umgehen! O Schelm schneide! Solches Geschrei kommet, wie zu geschehen pflegt, von einer argwöhnischen Zung zu der andern, und folgsam von einem Ohr zu dem andern, wie dann dergleichen Schimpf-Reden erst den besten Nachdruck geben in den Gemüthern der Zuhörenden, daß es auch endlich der Aebtissinn schmerzlich zu Herzen gieng, welche dann, ihre unschuldigen Töchter zu trösten, an einen Ort zusamm berufen, allwo sie alle mit kreuzweis'[385] ausgespannten Armen vor einem Crucifix-Bild auf die Kniee niedergefallen und ihrer lieben Mutter den Psalter nachgebetet, welche zum öftern jene des Davids klagende Wort' wiederhohlet: Psalm 108: »Herr mein Gott, siehe die Läster-Zungen derjenigen, so dich verunehren, seynd über deine Dienerinn ergangen!« Diese Klag wegen des geschändeten ehrlichen Namens hat Gott den Herrn dahin bewegt, daß er alsobald verhängt, daß der böse Geist die Mörderinn des Kinds so lang gepeiniget, bis sie öffentlich ihre Missethat bekennt, und die arme Nonne in ihren vorigen Ruhen den guten Namen wieder bekommen.


Sonsten pflegt man nur zur österlichen Zeit geweihte Speisen zu essen; aber der Zeit ist es schon so weit kommen, daß man das ganze Jahr hindurch geweihte Bissel unter die Zähn' bringt, und diese seynd die Geistlichen und in Gott geweihte Personen, welchen fast ein jedes Klappermaul will einen Schandfleck anhängen. – Gegen den frommen Diener Gottes Tobiam den jüngern hat ein Fisch, welcher zum Gestad hinzu geschwummen, das Maul erschrecklich aufgerissen, daß hierüber Tobias solchergestalten erschrocken, daß er an Händ und Füß gezittert, und nit anderst vermeint, als wolle er ihn verschlicken. Wie viel dermalen gibt es solche Fisch, ich will sie nit nennen Stockfisch, welche da immerzu ihre Mäuler aufreißen wider die Geistlichen; aber der gerechte Gott wird sie billig strafen: dann seynd so grausam gezüchtiget worden jene unerzogenen Buben, welche Elisäum nur einen Kahlkopf gescholten, wie viel mehr wird er diejenigen zur Straf ziehen, welche nit[386] allein spottende, sondern auch ehrenrührische Reden denen Geistlichen anhängen.

Zur Zeit des kranken Königs Ezechiä ist die Sonnen-Uhr des Achaz zurück gangen. Das war ein großmächtiges Wunder, daß diese Uhr zuruck gangen; aber glaub du mir, es ist nit weniger ein großes Wunder, wann (mit Ehren zu melden und zu vermänteln) eine Uhr zuruck gehet und sich bessert. Dergleichen Wunder haben sich gleichwohl durch sondere göttliche Hilf schon etlichmal begeben, absonderlich mit der Samaritaninn; dann wie Christus nach Samaria kommen zu der Stadt Sichar, und außerhalb derselben bei einem Brunnen wegen Mattigkeit sich niedergesetzet, da ist ein Weib aus gedachter Stadt heraus gangen, von solchem Brunnen das Wasser zu schöpfen. Unterdessen aber hat der Heiland alle seine Jünger und Apostel in die Stadt geschicket, nothwendige Lebens-Mittel einzukaufen. In dero Abwesenheit hat er mit obbemeld'ter Samaritaninn einen Discurs, und zwar unter andern hat er ihr offenbaret die allerheimesten Sünden, wie daß sie eine lautere Et caetera sey; durch welche Entdeckung ihrer Missethaten sie an Christum geglaubt, und nachgehends eine Heilige aus einer Heillosen worden. – Aber mein Jesu, warum schickest du alle Apostel in die Stadt hinein? ich glaubte, es wäre ja einer genug; man thut bei der apostolischen Tafel nit so wohl tractiren: der Judas, als Ordinari-Procurator, hätte den Zecker schon allein können tragen! Deßwegen, spricht der gelehrte Sylvaria, hat unser Herr alle Apostel von sich[387] geschafft, dieweilen er in Willens gewest, diesem Weib ihre heimlichen Laster zu offenbaren, – aber ganz in der Still, damit solches nit lautmaulig werde, und sie also bei den Leuten in kein übles Geschrei möchte kommen: derentwegen sollen es die Jünger des Herrn nit hören. O gütigster Jesu, du willst so gar nit, daß man von dem Nächsten solle was Böses reden, welches auch wahr ist, aber noch in der Geheim! was sagst du denn zu demjenigen, so in aller Unwahrheit einem etwas aufbringen, und was übels von ihm dichten? O verfluchte Zungen! Hirschzunge ist ein gewisses Kraut, auf lateinisch Splenium genannt, diese Hirschzunge thut über alle Massen heilen. Aber Menschen-Zunge thut das Widerspiel, weilen diese über alle Massen verwundet, absonderlich die Geistlichen.

Zu Jerusalem war ein Schwemm-Teich, auf hebräisch Bethsaida genannt. Um diesen Teich waren 5 Schupfen gebauet, worunter eine große Anzahl der kranken und presthaften Leute gelegen, welche alle mit sonderer Wachsamkeit gewart' haben, bis der Engel gedachtes Wasser beweget hat: alsdann ist der erste, so hinein gestiegen, von allen Krankheiten, Schäden und üblen Zuständen erlöset worden. Allem Vermuthen nach ist dieser Engel der Raphael gewest. Nun entstehet die einzige Frag, warum der Engel solchen Schwemm-Teich ganz trüb habe gemacht? Damit man nicht habe können sehen, – meldet der h. Joannes Chrysostomus, Nissen. Abbas Buch 7 – die elenden Geschwür, offenen Schäden, grauslichen Wunden, wilden Tipel, abscheuliche Krätzen und garstige Zuständ dieser armen Tropfen; dann durch das trübe Wasser[388] wurde alles dieß, wie mit einem Mantel bedecket. – Von diesem Engel sollen wir lernen unsers Nächsten seine Mängel und Unvollkommenheiten zu verdecken, vertuschen, verhüllen, verbergen; ja wir seynd schuldig, die Wunden zu verbinden, wie jener fromme Samaritan gethan an dem armen Tropfen, der unter die Mörder gerathen; wir sollen des Nächsten Schand nach Möglichkeit zudecken, wie gethan die 2 wohlgerathenen Söhn an ihrem Vater Noe, nemlich Sem und Japhet; wir sollen des Nächsten Mängel vergraben, wie gethan hat der alte Tobias an dem Todten; – aber schau du mir die jetzige verkehrte Welt, welche nicht allein des Nächsten Fehler nit verberget, sondern auch die verborgenen mit allem Ernst eröffnet! Die Leut seynd dermalen wie der Gockelhahn: wann dieser etwann einen halben Tag im Mist grablet und kratzet, und endlich ein einiges Körnl findet, da gehet das Ga, Ga, Ga an, da schreit dieser Schnabel-Hans und stolze Federhans, daß das ganze Haus muß hören. Etliche grablen und grüblen so lang nach, bis sie an ihren Neben-Menschen einen Mangel finden: alsdann muß diese Waar öffentlich ausgelegt werden; man schreit's aus, man schreibts aus, man lieferts, man trifterts, und die Red wächst wie der Schnee, den die bösen Buben auf der Gasse zusamm rollen, welcher alleweil größer und größer wird. Die Leut seynd jetziger Zeit wie die Egel, welche aus dem Menschen nur das üble und unreine Blut heraus sutzlen und saugen: also seynd gar viel anzutreffen, die nur auf die Fehler des Menschen Acht geben, und mit seine Tugenden erwägen. Die Leut seynd anjetzo[389] wie die Dornhecken, welche keinen lassen vorbei gehen, den sie nit ropfen.

Dem h. Udalrico, Bischofen zu Augsburg, pflegt man einen Fisch beizumalen, und zwar folgender Ursach halber: weilen ihn auf eine Zeit ein anderer h. Bischof heimgesucht, also hat er ihn aus obliegender Schuldigkeit mit einem guten Nachtmahl empfangen, und war es an einem Donnerstag. Indem sie aber beede wegen des geistreichen Gesprächs also vertieft waren, daß sie bis fruhe Morgens am Freitag bei der Tafel gesessen, und ohne einziger Berührung der Speisen sich allein sättigten mit himmlischen Worten; unterdessen aber ist ein Bot' ankommen von dem Herzog, in Bayren mit Briefen zu dem h. Udalrico, welchen der h. Mann alsobalden lassen vorkommen, und nach etlichen Fragen ihm ein ziemliches Stuck vom Gebratenen dargereicht, unvermerket daß es schon der Freitag wäre. Besagter Bot schiebt solches gebratene Trinkgeld in den Sack, und eilet schleunigst wieder nach Haus zu dem Herzogen. Er konnte aber das Maul nit gnug aufreißen wider die heiligen Bischöf. Was? – sagt er, – Durchleuchtigister Herzog, ihr glaubet, der Bischof Udalricus sey heilig? ja wohl heilig, es müßt ihn nur ein Wirth oder ein Koch canonisiren; ja wohl heilig, seines Gleichen find't man auf einem jeden Bauren-Kirchtag! ja wohl heilig, wann Fressen und Saufen heilig machet, so frimme ich mir morgen einen Schein an[390] bei dem Goldschmid. Ist das eine Heiligkeit, am Freitag Fleisch essen? denn ich kann hierinfalls einen Eid ablegen, daß ich gedachten Bischofen Ulrich samt noch einem andern ertappet habe. Was mehr, ich habe noch von seinen eigenen Händen eine gute Portion Gebratenes empfangen. Greift also in den Sack, und will es zu größerem Beweisthum und Augenschein dem Herzog zeigen; zieht aber durch göttliches Wunder aus dem Sack nicht ein Stuck Fleisch, sondern einen Fisch. Worüber er schamroth worden, dem h. Mann es mit gebogenen Knien abgebeten, und eine sondere Reu erzeigt, daß er denen heiligen Leuten die Ehr also abgeschnitten.

O Maul, o Maul, wie wirst du doch einmal, büßen deine Sünd! Des Loths seinem Weib ist das, Zuruckschauen schädlich gewest; aber dir ist das Zurucksehen nützlich. Schau und beschau deinen Namen Maul zuruck, so wirst du in der Wahrheit finden, daß es Luam heißt, welches der Lateiner gar wohl verstehet. Büßen wirst du es, wann du mit dem reichen Prasser in der Hölle die feurige Zunge heraus strecken wirst! büßen wirst du es, wann du mit dem Schwefel und Pech wirst ausgewaschen werden! Es ist solche Zung nit allein eine Verletzung des guten Namens; es ist solche Zung nit allein eine Verkür zung der Ehr; es ist solche Zung nit allein eine Besitzung oder Besatzung des Satans; es ist solche Zung nit allein eine Verschwärzung der Reputation, sondern[391] es ist forderist eine solche Zung eine Stürzung in die Verdammnuß. Jesu Christi, deines Heilands, Bekleidung war auf dem Berg Thabor wie der Schnee, sicut nix. Dazumalen hat er seine himmlische Glorie gezeigt, als er wie ein Schnee bekleidet war. Also hast du keine Hoffnung zur himmlischen Glorie, du seyest dann wie der Schnee. Dieser hat die gute Eigenschaft und Natur, daß er auch alles Garstige zudecket und weiß bekleidet, auch (mit Ehren zu melden) einen Misthaufen verhüllet er. Deßgleichen mußt du alle wilden und schändlichen Fehler deines Nächsten, wann sie noch nicht offenbar seynd, verdecken. Aber wo geschieht solches? wann geschieht solches? in den Gesellschaften? Da gar nit; da gehet man mit des Nächsten Namen um, wie der Samson mit denen philistäischen Feldern; da gehet man mit der Ehr des Nächsten um, wie Moses mit den Tafeln der 10 Gebot', welche er zertrümmert; da gehet man mit der Reputation des Nächsten um, wie die Magdalena mit der Alabaster-Büchse, welche sie zerbrochen; da gehet man mit des Nächsten Ruhm und Glorie um, wie der Teufel mit dem Job, welchen er über und über verwundet; da gehet man mit des Nächsten Tugenden und Sitten um, wie der Gedeon mit dem Treid, welches er in der Scheuer ausgedroschen; da gehet man mit dem Wandel des Nächsten um, wie das evangelische Weibel mit dem Haus, welches sie mit dem Besen über und über ausgekehret; da gehet man mit dem Namen des Nächsten um, wie der Jakob mit der Ruthe, welche er halb geschält hat; in solcher Gesellschaft seynd die Wörter Schwerter, die Erzählung eine Verstellung,[392] das Parlare ein Burlare, der Diskurs ein Disgust, das Schwätzen ein Schwärzen, das Schmutzen ein Stutzen, das Lachen ein Verlachen, und gar oft eine solche Zusammenkunft ist des Teufels Zunft.

O unbehutsamer Mensch mit deiner Zung! gehe hin, verklienere deinen Nächsten, wisse aber, daß solche Verklienerung eine Vergrößerung sey des göttlichen Zorns! gehe hin, und verschwärze den guten Namen deines Nächsten; wisse aber, daß du derenthalben werdest verzeichnet werden in das schwarze Buch der Verdammten! gehe hin, und schneide deinem Nächsten die Ehr ab; wisse aber, daß du dir die Hoffnung zur Seligkeit abschneidest! gehe hin, und gieße böse Wort aus über andere; wisse aber, daß du am jüngsten Tag keine anderen Wort von dem göttlichen Richter wirst hören, als diese: Ite maledicti in ignem aeternum, »Gehet hin in das ewige Feuer!« gehe hin, und bringe deinen Nächsten in ein übles Geschrei; wisse aber, daß du derenthalben wirst müssen das ewige Heulen und Zähneklappern ausstehen.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 2, S. 357-393.
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