Judas Iscarioth war ein unverschamter Lügner in Worten und Werken.

[109] Nach Laut des gemeinen Sprichworts heißt's: das Letzte das Beste: wie dann in der Wahrheit auf der Hochzeit zu Cana der letzte Trunk, den man auf die Tafel gebracht, der allerbeste war, um[109] halben Theil besser als der erste. Aber in der Wahl und Aufnehmung der Apostel geschieht das Widerspiel; massen in dem apostolischen Collegio Thaddäus der eilfte war; nach diesem ist erst Judas Iscarioth als der zwölfte und letzte berufen worden. Dieser letzte ist gewest der letzte, indem er seinem heiligen Beruf nicht gemäß gelebet hat, sondern mit lasterhaftem Diebstahl sein heiliges Amt spöttlich entunehret. Weilen aber gemeiniglich eine Sünd der andern die Thür aufsperret, und gar selten eine ganz allein ist, sondern mehrestentheil eine Begleitschaft vieler andern mit sich führt – wie dann jene Mörder dem armen Tropfen, welcher von Jerusalem nach Jericho gereist, nit nur eine, sondern gar viel Wunden versetzet; also war die Seel des Judä nicht nur mit einer Sünd, sondern mit mehrern durch die höllische Mörder verwundet, und ist gar glaublich, daß er ein unverschamter Lügner zum öftern sey gewesen, massen das Lügen und Stehlen also nahe be freund't seyn, wie Jakob dem Esau, und stehet denen diebischen Händen niemand besser an die Hand, als die verlogene Zung. – Wann gutwillige Leut etwann ein heiliges Almosen Christo dem Herrn vorgestrecket, hat er jedesmal solches Geld ungezählt dem Judä eingehändiget. So ihn nachmals der Petrus oder Joannes oder ein anderer Apostel befraget, wie viel dieser oder jener Herr hab gespendirt, da hat mehrestentheil der saubere Judas weniger angesaget, und also im Lügen gar nicht schamroth worden. Auch hat dieser verstohlene Kassier gar oft Geld in das Haus gebracht, und da ihn Christus sein Meister gefraget, wo er sey gewesen, hat er gleich eine[110] batzete Lug aus dem Aermel geschütt', sprechend, er habe einen Kranken besucht. Mann er allzeit hätte eine Maultasche (nach dem deutschen Sprichwort) müssen aushalten, so oft er gelogen, ich halt davor, der Dieb wär selten ohne geschwollene Backen gewest.

Viel schöne Musik in vielen Orten, von vielen Leuten, an vielen Freuden-Festen, mit vielen Instrumenten seynd gehalten worden im alten Testament, also bezeugt es die hl. Schrift selbsten. 2 Kön. 6, 1 Chron. 13 u. 14, 16. u. 25.; 2 Chron. 5 u. 29.; Judith. 16. Bei dieser erschallenden Musik hat man hören lassen die Trommel, aber nie eine Pfeife, die Posaune, aber nie eine Pfeife, die Leier, aber nie eine Pfeife, die Zinken, aber nie eine Pfeife, die Zithern, aber nie eine Pfeife, die Zimbaln, aber nie eine Pfeife etc., außer ein einigsmal, wie der stolze und übermüthige Nabuchodonosor ein guldenes Bild hat aufgericht, und bei dieser Solennität seine Vasallen mußten erscheinen und diesen guldenen Götzen anbeten mit gebogenen Knieen. Dazumalen hat man neben andern musikalischen Instrumenten auch die Pfeife genommen, sonsten nie. Aber gar recht damals die Pfeifen; denn es war gar eine hässige Lug und unverschamte Lug, daß dieser guldene Trampl ein Gott[111] sey; deswegen ist gar recht beschehen, daß man darzu pfiffen hat.

Wann einer der Zeiten zu einer jeden Lug pfeifen sollte, so müßte einer jederzeit ein gespitztes Maul machen; denn kein Land, kein Stand, keine Wand, wo man nit der Wahrheit eine Schmitze gibt. Es seynd der gered'ten Lugen, der geschriebenen Lugen, der gemalten Lugen, der druckten Lugen, der gstochnen Lugen, der gschnitzleten Lugen, der gsungen Lugen, der deutschen Lugen, der lateinischen Lugen, der spanischen Lugen, der französischen Lugen, der polnischen Lugen, der ungarischen Lugen, der großen Lugen, der kleinen Lugen, der mittelmäßigen Lugen, der höflichen Lugen, der groben Lugen, der verschmitzten Lugen, der plumpen Lugen, der gemeinen Lugen, der neuen Lugen, der alten Lugen, der frischen Lugen, der wochentlichen Lugen, der täglichen Lugen, der stündlichen Lugen, der geschwinden Lugen, der langsamen Lugen, der Stadt-Lugen, der Markt-Lugen, der Dörfer-Lugen, der Schloß-Lugen, der Haus-Lugen, der Zimmer-Lugen, der Tisch-Lugen, der Nacht-Lugen, der Tag-Lugen, der Gassen-Lugen, der Winkel-Lugen, der Männer-Lugen, der Weiber-Lugen, der Kinder-Lugen, der Herren-Lugen, der Frauen-Lugen, der Diener-Lugen, der Menscher-Lugen so viel, so viel, daß, wann man von einer nur[112] einen Pfenning Mauth sollt' ablegen, in kurzer Zeit ein so häufiges Geld gesammlet würde, als der weltkundige Krösus in seinem ganzen Reichthum gehabt; ja sogar redet der Psalmist David: Omnis homo mendax: »daß alle Menschen Lügner seyn.« Etwann will der gekrönte Prophet sagen, daß kein Stand ohne Lug?

Reden die Edel-Leut allzeit die Wahrheit? Nicht allezeit. Es ist zwar kein Laster, an welchem ein edles Gemüth einen größern Abscheu trägt, als an der Unwahrheit. Josue schickt in die Stadt Jericho zwei Ausspäher oder Kundschafter, welche ihre Einkehr genommen bei einem gemeinen Weib. Es ist dieß schon ein alter Soldaten-Brauch. Wie das dem König dieser Stadt zu Ohren kommen, schickt er alsobald einige Quardia, welche diese zwei Israeliten sollen gefänglich einziehen. Wie nun diese vor das Haus kommen und das Weib Rahab anstrengten, sie soll sagen und zeigen, was sie für saubere Gäst habe – die Rahab hatte vorhero diese zwei Männer ganz unter dem Dach verborgen und sie mit vielen Stopplen und Flachs zugedeckt – sagte also des Königs Leuten: ja ich bekenne es, sie seynd zu mir kommen, aber ich wußt nicht, von wannen sie waren. Num. 1 Lug. Und da man in der Finster das Thor gesperret, gingen sie auch hinaus. Num. 2 Lug; dann sie waren unter dem Dach. Ich weiß aber nit, wohin sie gangen [113] seynd. Num. 3 Lugen; dann sie wußt's nur gar zu wohl. Jagt ihnen eilends nach, so werdet ihrs ergreifen! Num. 4 Lugen; dann sie sahe es wohl, daß sie sie nicht würden ertappen. – Dieses Weib hat haupt lügen können, gar nicht angestoßen mit der Zung, noch weniger roth worden; denn sie war ohnedas ziemlich unverschamt.

Es ereignete sich fast eine gleiche Begebenheit mit dem Loth. Bei ihm haben gleichmäßig zwei Gäst einkehret. Die muthwilligen Sodomiter wollten kurzum die zwei heraus haben, oder sie stürmen ihm das Haus. Was thut der ehrliebende Herr Loth? etwann hat er auf gleiche Weis aufgeschnitten und die Gäst verläugnet? sey es um eine Lug hin oder her, es wird deßwegen das Zahnfleisch nicht geschwellen; es ist ja besser geläugnet, wann man auch sollt dem Teufel ein Ohr abschwören, setze er gleichwohl hernach eine Perücke auf: wann mans sollte bestehen, daß diese also wohlgestalten Jüngling' noch im Haus seyn, was Schad und Schand und Schindthaten würden entstehen? Nicht dergleichen hat der gewissenhafte Loth hören lassen, sondern er hats redlich bekennt: Ja, ja, meine lieben Brüder, ich läugne es nicht, ja, ja, sie seynd bei mir, aber ich bitt euch um Gottes willen, thut das Ding nicht! Warum hat denn jenes Weib gelogen und geläugnet, geläugnet und gelogen untereinander, nacheinander, übereinander; der Loth aber blieb bei der Wahrheit auch in höchster Gefahr? Darum, merken's Euer Gnaden Ihr Herren[114] Edel-Leut etc., die Rahab war ein schlechtes Rabenvieh, ein gemeines Weib, deßwegen schamt sie sich nicht des Lügens; aber Loth war ein Edelmann von großem Geblüt, von stattlicher Casada, darum wollt er auf keine Weis' mit Lugen umgehen! Pfui! Mendacium est vitium servile, spricht Sophocles.

Es ist wahr, vor diesem hats geheißen: ein Mann, ein Mann, ein Wort, ein Wort; was man dazumalen versprochen, ist unveränderlich gehalten worden; zur selben Zeit hat eine Parole mehr Glauben gehabt, als anjetzo pergamentne Brief, woran die Siegel hangen, wie Bandelier an einem Soldaten. Bei etlichen Edel-Leuten, nit bei allen, ist die Parola eine Parabola worden, und ist zuweilen sogar nit ein papierenes Häusel, welches die Knaben auf das Krippel setzen, darauf zu bauen. Parola Pater, ich will mich einstellen! Parola Meister, die andere Woche sollt ihr das Geld haben! Parola Kaufmann, in vierzehn Tagen soll alles pr. Haller, pr. Pfenning bezahlt[115] werden! Der Kaufmann verläßt sich darauf so fest, gleichsam als auf die 14 Nothhelfer; der Meister hofft darauf mehr, als die Israeliten auf das guldene Kalb; der Pater wartet darauf, wie Moses auf das gelobte Land; aber der erste, der andere, der dritte werden bisweilen zugericht, als wie des alten Tobiä seine Augen von den Schwalben (vulgo beschmissen). Es geschieht zuweilen, daß ein Weib einen Knäul Seide abwind't und find't inwendig ein Papierl, worauf die Seide gewunden worden, eröffnet solches aus angenaturtem Fürwitz, schaut, liest, find't, daß es ein altes Auszügel von einem Kaufmann: also in der Wahrheit stecket bisweilen unter sammeten und seidenen Kleidern auch ein Auszügel, daß man solchen noch schuldig ist, welche sich so fest auf die Parola verlassen. Weßwegen ich für gewiß gehört, daß der Kredit sey mit Tod abgangen, und allem Sagen nach, so habe ihm Parola mit Gift vergeben. Die Rubricä des Missals setzen alle Sonntag in der heil. Meß ein Credo: aber bei dem jetzigen Welt-Lauf findet man weder am Sonntag, weder am Werktag ein Credo, und hört man fast täglich: dieser und jener hat keinen Kredit mehr bei mir, denn er hat mit seinen Worten nit zugehalten.

Reden die gelehrten Leut allzeit die Wahrheit? Nit allzeit. Es soll zwar nichts wenigers als eine Lug einem gelehrten Mann auf die Zung kommen. Jonas der Prophet bekommt von dem[116] allmächtigen Gott einen scharfen Befehl, er soll unverweilt sich in die Stadt Ninive begeben, daselbst mit allem Ernst predigen, daß nach verflossenen 40 Tagen die Stadt wegen allzugroßen Lastern werde zu Grund gehen. Nachdem nun der Prophet wegen seines Ungehorsams in das Meer gestürzt worden und alsdann nach ausgestandenem Arrest in dem Wallfisch wieder ganz wunderlich auf das Land kommen, also hat er ganz eilfertig den göttlichen Befehl vollzogen, auf allen Gassen der Stadt Ninive ihren erbärmlichen Untergang nach 40 Tagen verkündiget. Weilen aber der König sammt dem Adel und Bürgerschaft zur Buß geschritten, und also der erzürnte Gott hierdurch wieder versöhnet worden, also ist aus der bedrohten Straf und Untergang nichts worden, welches dem Propheten Jonä dergestalten zu Herzen gangen, daß er ganz traurig herum gangen, ja endlich ganz unwillig wider Gott selbsten gemurret. Herr, sagt er, auf solche Weis' will ich lieber todt als lebendig seyn. Gemach, mein grändiger Jonas, sonst wird man von dir sagen, du seyest im Wallfisch ein anderer Fisch worden, den man insgemein den größten Fisch nennet, dann sein Kopf in Holland, und sein Leib bei uns heraus! gemach, mein Prophet, du sollst dich lieber erfreuen, als trauren, daß der schönen Stadt die göttliche Justiz verschont hat! – Ihr habt gut reden, spricht er, ich will halt noch einmal lieber todt als lebendig seyn: anjetzo werden mich die Leut' einen Lügner heißen; die Kinder auf der Gasse werden mich[117] einen Maulmachee nennen; die Menscher bei dem Brunnen werden meiner spotten, daß ich ein falscher Prophet sey; die Burger vom Fenster herab werden mich einen Aufschneider tituliren, wer weiß, ob nicht gar einen verlogenen etc. die Weiber mich schelten werden! Lieber, lieber – sags noch einmal, lieber will ich todt seyn, als daß man mich für einen Lügner sollte halten und ausschreien! mich, der ich ein Prophet bin, mich, der ich allzeit einen guten Namen gehabt, mich einen Lügner? Pfui! Melior est mihi mors, quam vita.

Es stehet freylich wohl nicht rühmlich bey einem gelehrten Mann, so er mit Unwahrheit umgehet, massen der Prophet David im 5ten Psalm den Rachen eines Lügners einem offnen Grab vergleicht; denn gleichwie solches abscheulich mufft und stinkt, also stinkt nit weniger eine Lug aus einem Menschen; darum man insgemein pflegt zu sagen: Es ist erstunken und erlogen. Nichts desto weniger seynd deren viele anzutreffen, welche oft sowohl mündlich, als schriftlich mehr Lugen zusammenbinden, als der Samson vor diesem Fuchs-Schweif' auf denen philistäischen Feldern, deren gleichwohl dreihundert waren. Absonderlich spürt man solches in denen neuen Zeitungen. Wann ich so viel Ziegelstein hätte, als Lugen nur in diesem Kriegs-Lauf seynd aufgebracht worden, so getraute ich mir einen babylonischen Thurm aufzubauen, und um ein Garn höher, als derselbige war, so von denen Nemrodianeren ist aufgericht worden, welcher gleichwohl 4000 Schritt,[118] das ist, eine ganze deutsche Meile hoch war. Jener ungerechte Haushalter, von dem der h. Evangelist Lukas am 16ten meldet, hat denen Schuldnern seines Herrn befohlen: einer solle statt hundert Tonnen Waizen 50 schreiben, ein anderer anstatt hundert Malter Waizen soll 80 setzen; das waren s.v. geschriebene Lugen. Bey der Zeit ist man noch weniger scrupulos im Zeitungschreiben; dann man gar oft anstatt 100 pflegt 1000 zu setzen, oder anstatt 1000 nur 100. Man hat es sehr genau zusammen gezogen aus den Zeitungen, daß durch diese zwei Türken-Krieg über die neunmal hundert tausend Türken sollen geblieben seyn. Wie viel seynd da O oder Nulla zu viel? das heißt ja in dem Vocativo ô Mendacia! Wenig fürwahr, ja wohl gar kein Isaias ist der Zeit mehr zu finden, der also heilig und heiklicht mit der Wahrheit ist umgangen, daß er dem bösen, höllischen Feind, so in dem Kerker ihn zu einer Lug angereizt, ganz beherzt geantwortet, daß er tausendmal lieber wölle sterben, als eine einzige Unwahrheit reden.

Reden die Kaufleut' allzeit die Wahrheit? Gar selten. Der h. Salvianus schreibt Buch 4. de Provid. etwas lateinisch von den Kaufleuten, welches ich mir nit getraue in das Deutsche zu übersetzen: Quid aliud est vita Negotiatorum omnium, nisi meditatio doli et tritura mendacii? das ist: »Die Kaufleut handeln mit vielen Waaren, aber mit desto weniger Wahrheit.« Der Teufel als ein Vater der[119] Lugen, wie er das verbotne Confect im Paradies feil boten, hat schon in diesem Handlen zwei große Lugen eingemischt, indem er die Waar gar zu stark gelobt, sprechend und versprechend, der Apfel werde sie zu Götter machen: das war eine große Lug. Wann sie ihn sollen essen, so werden sie nicht, wie ihnen Gott gesagt, sterben: das war eine größere Lug nequaquam moriemini! Ey du Nequam mit deinem nequaquam! Ohne Lügen werden die Kaufleut' gar selten ihre Waar' anwehren. Wie die sauberen Brüder ihren Joseph verkauft, da hat's viel Lügen und Betrügen abgesetzt. Zu Vermäntlung ihrer Missethat haben sie den Rock des Josephs in ein Bock-Blut eingetunkt, und solchergestalten dem alten Vater nach Haus geschickt mit trauriger Erinnerung, daß ihr Bruder von wilden Thieren zerrissen worden und gefressen. Das war eine plumpe Lug, die hat man können mit Händen greifen; denn der Rock war ganz, und diese schlimmen Gesellen geben vor, ein wildes Thier habe ihn zerrissen und gefressen, das brauchte des Pfeifens. Wie kann ein wildes Thier einen Menschen zerreißen und aufzehren, wann das Kleid ganz verbleibt? Die Kaufleut' können weit besser und verschmitzter lügen, ihre Lugen sehen der Wahrheit so gleich, wie die Wölfinn dem Wolfen; ihre Lugen messen sie nach der Elle aus, ihre Lugen wägen sie mit der Wag' aus. Wann ich so viel Bretter hätt, als Lugen geschehen auf einem Jahrmarkt in einer vornehmen Stadt, ich[120] getrauete mir einen Zaun von lauter Brettern um ganz Brittanien zu führen.

Es ist Petrus nicht allein, der ganz gewissenlos hat aufgeschnitten, er kenne Jesum von Nazareth nicht, und da man ihm dießfalls keinen Glauben wollte setzen, hat er es mit einem Schwur bekräftiget; sondern es seynd gar viel Handels-Leut' wie Petrus und Judas, mit dem Unterschied, daß Petrus nur einmal die Unwahrheit mit einem Schwur versieglet, aber bei etlichen Handels-Leuten ist es ganz gemein. »Der Teufel hol' mich, wann mich die Waar nicht selbsten mehr kostet! ich begehr nit selig zu werden, wann nicht die Waar ganz frisch ist! Gott weiß es, es ist erst einer da gewest, der hat mir um etliche Groschen wollen mehr geben! der Teufel führ mich hin, wann ichs nit zu Haus um den Werth kann versilbern etc.!« – Damit man nur theuer verkaufe, so seynd die Lugen spottwohlfeil.

Weit anderst war gesinnet und gesitt' die hl. Lidwina, von welcher folgends Wunder geschrieben wird: Zwei Männer zankten dergestalten miteinander in der Stadt, daß endlich die Sach' so weit kommen, daß einer aus diesen den Degen gezucket, in Willens, den andern zu ermorden, und weilen solcher sich mit der Flucht wollt erretten, also hat ihm derselbige mit großem Grimme nachgesetzet und gar getrieben in das Haus der hl. Lidwinä, woselbst er die Hausfrau, Namens Petronillam, als eine Mutter Lidwinä, befragt, ob dieser nit im Haus sey? Welche zu Erretung des andern Heils mit nein geantwortet. Der blutgierige Mensch dringt gar in das Kämmerl hinein,[121] allwo die hl. Lidwina krank gelegen, fragt sie, ob der Gesell nit da sey, er woll' ihm den Rest geben. Und als die hl. Jungfrau bekennt: ja, er sey da, so hat ihr die Frau einen harten Backenstreich versetzt, um weilen sie solches bestanden. Die hl. Lidwina sagte aber, sie wollte derentwegen nit lügen, dieweil sie der Hoffnung gewest sey, ihn mehr mit der Wahrheit, als mit der Lug zu schützen; wie es dann nit anderst geschehen, allermassen der Mensch ihm, der ihn gesucht, alleweil vor Augen gestanden, aber durch sonderbare göttliche Gnad unsichtbar gewest.

Reden die gemeinen Leut' allzeit die Wahrheit? Das gar nit; sondern auch bei denen gemeinen Leuten seynd die Lugen gemein. – Vor Zeiten haben sich die Bäume wunderlich gebogen: also zeigt man noch einen Baum bei Cairo, welcher sich bis auf die Erden niedergeneigt, wovon die Mutter Gottes etliche Früchte darvon abgebrocket, da sie in Egypten geflohen; derentwegen die verstockten Heiden diesen Baum umgehauen, so aber den andern Tag wunderlich wiederum ergänzter gestanden. Kurz vor ihrem gebenedeiten Hinscheiden ist die übergebenedeite Jungfrau Maria auf den Oelberg gestiegen, allda ihr eifriges Gebet zu verrichten, allwo sich das große Wunder ereignet, daß alle Bäum' desselben Orts sich bis auf die Erde haben gebogen und eine solche Reverenz ihr erwiesen, indem doch oft mancher grober Block kaum ein halbes Knie in der Kirche bieget. Wie das heilige Haus durch englische Händ in das recanatische[122] Gebiet, welches dazumalen einer edlen Frauen Namens Lauretta gehörig war, mit größtem Wunder getragen worden, da hat sich ein ganzer Wald gegen das heilige Gebäu geneiget, und nachmals also gebogner verharrt. Wie man dann noch vor dreißig Jahren dergleichen höfliche Bäume angetroffen: Die selige Rosa, aus dem Orden des heiligen Dominici, pflegte täglich in aller Frühe in den Garten zu gehen, daselbst ihren Gott zu loben. So hat man aber mehrmalen beobachtet, daß, wann sie mit inbrünstigem Eifer folgenden Versicul aus dem Psalm gesprochen: Benedicite universa germinantia in terra Domino etc., sich also balden die Bäume angefangen zu bewegen und bis auf die Erd' sich zu bucken. Es haben sich also vor diesem die Bäume durch ein Wunderwerk gebogen; aber jetziger Zeit lügt man also, daß sich die Bäume durch ein Wunderwerk möchten biegen.

Man hat es jenen Kundschaftern, welche Josue in das gelobte Land geschickt, sehr für übel gehabt, daß sie also grob aufgeschnitten, indem sie spöttlich vorgeben, daß sie in gedachtem Land haben Leut' und Männer angetroffen, welche einer so ungeheuren Größe waren, daß sie gegen ihnen wie die Heuschrecken anzusehen. Pfeif! das heißt aufgeschnitten. – Aber jetzo trifft man nit wenig unverschamte Gesellen an, welche noch häufiger und heftiger lügen, und nit allein große und grobe Lugen in 4to, sondern in Folis auftragen.[123]

Pfui! Einer erzählte, wie daß er vor etlichen Jahren, da er in die Länder gereist, habe er in Indien eine Krautstaude gesehen, welche so groß war, daß gar füglich darunter 300 Mann stehen konnten. Einer aus den Zuhörern konnt sich nicht genug über diesen Transchirer verwundern; sagt also, er habe in Brittanien gesehen einen Kupfer-Kessel machen, woran zweihundert Gesellen gearbeitet, und ist doch einer von dem andern so weit gestanden, daß er ihn gar nit klopfen gehört; das war ein großer Kessel! Je, je, sprach der andere, zu was brauchte man diesen großen Kessel? Dieselbe große Krautstaude, die er in Indien gesehen, darinn zu kochen, und verweist ihm also sein unverschamtes Aufschneiden.

Ein anderer gab für eine gewisse Wahrheit aus, daß er in Westphalen habe einst in einem Wirthshaus einkehret, in der Nacht-Herberg, worinnen auch andere nasse Bursch sich aufgehalten. Unter andern waren auch daselbst zwei Fleischhacker, welche bei der Nacht also geschnarcht, daß einer mit dem Schnarchen die Kammer-Thür habe aufgemacht, der andere mit seinem Schnaufen dieselbe Thür wieder zugezogen, und dergestalten die Thür die ganze Nacht auf-und zugangen. Pfeif! Das heißt aufgeschnitten.

Ein anderer hat ausgeben, daß er Anno 1632 auf dem Meer habe ein Unglück ausgestanden, indem das überladene Schiff von denen ungestümmen Winden gescheitert und folgsam Alles zu Grund gangen; er[124] aber, als des Schwimmens wohl erfahren, sey fünf welche Meil' unter dem Wasser geschwommen und beinebens drei Pfeifen Taback unter dem Wasser ausgetrunken; also behutsam mit der glühenden Kohle umgangen, daß sie ihm nicht erlöscht! Pfeif! Das heißt aufgeschnitten. Pfui!

Ein anderer sagte, es habe ihm einmal ein Wildschwein im böhmischen Wald also nachgestellt, daß er endlich gezwungen worden, sich hinter einen Baum zu fliehen; das Wildschwein aber sey also stark an den Baum angeloffen, daß es mit den Zähnen, oder auf weidmännisch zu reden, mit den Waffen durch und durch gedrungen. Dazumal habe er einen Bohrer bei sich gehabt, mit welchem er unverweilet durch die Waffen gebohret, und solchergestalten den Bohrer stecken lassen, daß sie also nit mehr konnte zuruck ziehen, sonsten wäre er seines Lebens nicht sicher gewest. Ein andersmal sey er über das hohe Gebirg Bononiä gereist zu höchster Sommerszeit, und habe daselbst auf höchstem felsigen Gebirg einen Fehltritt gethan, worvon er eine gute deutsche Meil' hinab gefallen, sich 2413 mal umkehret – dann er habs wohl gezählet – und doch nicht ein einziges venetianisch Glas gebrochen, deren er 36 in seinem Ranzen getragen. Der linke Fuß aber sey ihm etwas wenigs aufgeschwollen durch diesen Fall, welche Geschwulst er noch denselben Tag geendet mit einer Salbe, die er noch zu Bugiapoli in dem Chineser Reich um ein Spott-Geld habe erkauft. Di! so schneide!

Was kann doch zuchtloser und fruchtloser, was[125] kann doch lasterhafter und preßhafter, was kann doch ehrvergessener und lehrvergessener seyn, als ein solcher unverschamter Aufschneider! Wann der Mensch auch wegen eines einzigen unnützen Worts wird von der göttlichen Justiz gestraft werden, wie wird dann ein solcher Spott-Gesell und Zungendrescher bestehen? Wann der gebenedeite Jesus deßwegen eine so harte Maultasche und schmerzlichen Backenstreich vom Malcho empfangen, um weilen Adam im Paradies eine Lug gethan – dann auf eine Lug gehört eine Maultasche, also wollt der Heiland selbst solche für den Adam aushalten – so ist hieraus leicht abzunehmen, wie ein Lugenschmied die göttliche Majestät beleidige.

Reden die Burgers-Leut allzeit die Wahrheit? Hat sich wohl. Es seynd viel aus ihnen, welche nit also scrupulos seynd, wie der Samson gewest: Es möchten die Philistäer gern wissen, in wem doch die Stärke des Samsons hafte. Zu solchem End' haben sie die Dalilam, welche bei dem Samson sehr viel golten, mit Verheißung eines guten Beutel voll mit Dukaten ersucht, daß sie aus ihm obbenenntes Geheimnuß heraus forschen solle. Diese in Ansehung dieser stattlichen Rekognition liebkoset ihren Schatz also stark, daß er ihrs doch möchte vertrauen! welcher allzeit dreimal nacheinander ihr die Wahrheit gesagt. Endlich meine saubere Madame bekommt einen Verschmach,[126] fängt an zu pfnotten, wirft ihm vor, daß er so gar keine Manier brauche, das Frauenzimmer zu bedienen. Er stellt sich so ungereimt, er soll sich lieber in Finger beißen, als die mindeste Offensa einer Dama zufügen! Kurz von der Sach zu reden, er sey halt ein Lügner und ein lauterer Maulmacher. Holla! per tres vices mentitus es mihi! Das heißt das Lebendige getroffen. Diese Lob-Predigt will dem Samson nit gefallen, und gedachte also bei ihm selbsten: Entdecke ich ihr das Geheimnuß, so wird sie es unfehlbar denen Philistäern zutragen, und folgsam ist es um mein Leben geschehen; offenbare ich ihr es nicht, so muß ich es stets auf dem Teller haben, daß ich ein Lügner sey. Wie ist dann der Sach zu thun? ey so sey es, so will ich ehender lieber sterben und ihr die Wahrheit bekennen, als daß ich solle ein Maulmacher genennt werden!

Eines solchen ehrlichen Sinns seynd nicht alle Burger, zumalen viel wegen eines wenigen Gewinns sich nicht scheuen, eine Lug um die andere zu fesseln, wie eine Kette: Ich bestelle mir bei einem Maler die Bildnuß des hl. Pauli, welcher ein Haupt und Patron aller Prediger. Dieser Maler verspricht die nächst eingehende Woche das Bild zu verfertigen. Ich komm' die andere Woche, find' die erste Lug, indem die Leinwand noch nicht aufgezogen. Er entschuldigt sich mit diesem oder jenem, verheißt beinebens, so wahr er ein ehrlicher Mann sey, die andere Woche[127] soll ichs haben. Nun, me commendo. Ich erschein' die andere Woche und will meinen heiligen Paulum haben, find' aber den Faulum und keinen Paulum. Der Maler wendet wieder eine Entschuldigung vor: er hab schon angefangen, und weilen er entschlossen, einen großen Fleiß anzuwenden, also könne man auch die Sach' nit gleich blasen. Blasen! dacht ich, lieber pfeifen als blasen zu solchen häufigen Lugen. Auf St. Peters Tag die andere Woche gewiß, unfehlbar, Parola! kann mich darauf verlassen; ist nit vonnöthen, daß ich darum schicke, er will es selber bringen. Auf solche gegebene Verheißung verlaß ich mich, daß ich auf St. Peters Tag werde den heil. Paulum haben; dann diese zwei seynd ohnedas gern beisammen. In der Vigil des hl. Petri schicke ich spat Abends um meinen Paulum, so bekomm ich die Antwort: er sey schon gemalen, aber es gehe ihm das Schwert ab. Und dir, gedachte ich, geht das große Messer nit ab, du unverschamter Aufschneider! Mich daurete nichts mehreres, als daß der hl. Paulus, welcher allerseits die heilige und liebe Wahrheit geprediget, jetzt bei diesem Maler muß mit Lugen bestehen. Pfui, wie stark hat schon das Lügen eingerissen! Der hl. Paulus hat vor Zeiten die Kretenser Lügner geheißen: »Cretenses semper mendaces;« wann er der Zeiten noch bei uns lebte, so könnt' er manchem Bürger solche Laudes singen.

Reden die Bauersleut allzeit die Wahrheit?[128]

Nit allzeit. Der allererste Bauer in der Welt war der Kain; also bezeugt die hl. Schrift: Der Abel war ein Schafhirt, der Kain ein Ackersmann; aber kein wackerer Mann, indem er seinen Bruder aus Neid ermordet. Nach dieser vollbrachten Missethat erscheint ihm Gott der Allmächtige, fragend, wo sein Bruder Abel sey? Nescio, ich weiß nit, sagt und lügt der unverschamte Ackersmann. Seins Gleichen findet der Kain noch viel Brüder. Wann Verwalter und Pfleger sollten von einer jeden Bauern-Lug nur eine Arbes einnehmen, so würde ihre Kuchel an dieser Speis keinen Mangel leiden. Wie der hl. Julianus mit seinen Brüdern eine Kirch aufbaute, hat er vom Kaiser einen Befehl ausgewirkt, daß alle Vorbeireisenden ihm sollen helfen. Auf eine Zeit mußten etliche Bauren mit ihren Ochsen-Wägen denselben Weg nehmen: damit aber das grobe Gsindel nicht soll helfen, haben sie einen auf den Wagen gelegt, mit Kotzen überhüllt und ihm ernstlich befohlen, er soll sich todt stellen. Wie sie nun allbereits bei demselben Ort angelangt, hat sie alsobald der hl. Julianus gar höflich und freundlich ersucht, sie wollen ihm doch eine Stund schenken und etzliche Stein herzuführen. Diese Bauren, wohl rechte Lauren, entschuldigen sich, wie daß sie sich nicht können aufhalten, weilen sie einen Todten auf dem Wagen. Das ist eine schändliche Lug, sagt Julianus; pfui, schamt euch, Gott wird zulassen, was ihr vorgebt! Als nun diese schon ziemlich weit von dem hl. Juliano gefahren, so[129] zupfen sie den Gesellen, er soll aufstehen. Auf! auf! gelt wir haben den Pfaffen betrogen? auf du Narr von der Todten-Bahr! Dieser aber wollte keinen Gehorsam leisten wie der Lazarus zu Bethania, sondern zu einer Straf der unverschamten Lug ist er wahrhaftig todt gefunden worden.

Die Bauren werden ungezweifelt das Concept von denen Säuen verstehen: Es ist ja wunderlich, daß unser lieber Herr auf der Teufel ihre Supplication einmal einen so guten und hurtigen Bescheid geben, indem er sie angehalten, in die Schwein zu fahren. Ite! So hat ers ihnen alsobald erlaubet, aus Ursachen: sie haben kurz vorhero die Wahrheit geredet, daß nemlich Christus der Herr sey der wahre Sohn Gottes des Allmächtigen. Aus welchem dann die Bauren leicht können abnehmen, wie angenehm Gott dem Herrn die Wahrheit und wie abscheulich ihm die Lugen seyn.

Reden die Wahrheit auch die Weiber allzeit? O nit allzeit! Diese spicken mehr und öfter als andere; ich glaube, aus lauter Rachgierigkeit. Dann es ist auf eine Zeit in der Ante-Camera des Königs Darii diese Frag vorgetragen worden: welches doch das stärkste Ding in der Welt sey? Etliche sagten, der König Euer Majestät seyn der Stärkeste; andere vermeinten, der Wein sey das Stärkeste; die mehristen ließen sich verlauten, als sey das Weib das Stärkeste: welches ihr nicht ein wenig wohlgefallen, ja deßwegen einen hohen Geist[130] bekommen. Aber die Wahrheit hat ihr gleich die Federn gestutzet; dann durch endliche Gutheißung des Königs selbsten ist die Wahrheit für das Stärkste erkennt worden: Forte est vinum, fortior est rex, fortiores sunt muliebres, super omnia autem vicit veritas. Das hat dem Weib so verschmacht, indem ihr die Wahrheit vorgezogen worden, daß sie auf den heutigen Tag der Wahrheit Spinnenfeind ist. Sara war eine fromme, heilige, vollkommene Dama, welche bei Allen, von Allen, in Allem ist gepriesen worden; dennoch weiß man von ihr, wie sie einst hinter der Thür gelacht hat. Da ihr die Engel die fröhliche Zeitung gebracht, daß sie werde einen männlichen Erben in ihrem hohen Alter bekommen, hat sie das Schmutzeln geläugnet: Non risi, ich hab nit gelacht. Jener freche Schleppsack hat sich sogar getrauet in Gegenwart Salomonis spöttlich zu lügen, wie sie ihr Kind im Bett bei der Nacht erdrücket hat. Des Putiphars seine saubere Frau hat den Mantel des keuschen Josephs mit lauter Lugen gefüttert. Die Hebammen in Egypten haben meisterliche Lugen auf die Bahn gebracht, wormit sie den kleinen Moses bei dem Leben erhalten. Frau und Fraus vergleichen sich gar wohl, und ist oft kein Tag, kein halber Tag, keine Stund, keine halbe Stund, wo nicht manches Weib mit der Zunge also[131] stolpert, daß, was sie redet, für gut leonisch kann gehalten werden. Was Markt-Lugen, was Zimmer-Lugen, was Kuchel-Lugen, was Zecker-Lugen, was Kinderlugen etc. findet man bei manchem Weib, absonderlich bei denen Wittiben! Das erste Wort nach dem Tod ihres Mannes ist mehrmalen nit wahr; dann fast eine jede läßt sich verlauten, sie wolle nit mehr heirathen; unterdessen ist sie eine Wittib auf hebräisch, Almanach, oder besser geredet: allen Mannen nach.

Reden die Bettel-Leut' allzeit die Wahrheit? Diese gar selten. Jener Bettler auf dem Weg, welcher von dem gebenedeiten Heiland das Gesicht wunderbarlich erhalten, war in der Wahrheit ein recht blinder Tropf. Aber man trifft zuweilen lose Gesellen an, welche sich blind, krumm, lahm, stumm etc. nur stellen, als wie derselbe, der sich etliche Jahr ganz stumm gestellt, und stunde seine beste Beredenheit in dem Glöckl. Als er einsmal von einem Herrn befragt worden, wie lang er schon stumm sey, so hat er sich vergessen und folgsam deutlich geantwortet: Herr, es seynd schon 6 Jahr. Von dem hl. Einsiedler Isaak wird geschrieben, daß einmal etliche schlimme Gesellen ihre guten Kleider ausgezogen, dieselbe in einen hohlen Baum versteckt, nachmals ganz zerrissen und zerlumpt dem hl. Mann zugetreten, ihn mit weinenden Augen und aufgehobenen Händen wehmüthig gebeten, er wolle sich ihrer erbarmen und etwann mit einem Kleid verhilflich seyn, damit sie[132] gleichwohl den bloßen Leib in etwas verhüllen und zudecken möchten! Ja, ja, sagt der alte Tättl, gar gern, ihr seyd gar arme Tropfen, es hat sogar der Haderlumpen bei euch nichts zu finden. Ja, ja, ich will euch schon versehen. Schafft demnach seinem jungen Einsiedler und sagt ihm in die Ohren, er soll hingehen (dann der hl. Mann war von Gott schon erleuchtet) an dasselbige Ort, in einem hohlen Baum werde er Kleider finden, diese soll er fein schleunig herbei bringen! Der fromme Discipul vollzieht den Befehl seines heiligen Vaters, gehet, find't, trägt, bringt die besten Kleider, und waren just dieselbigen, so diese losen Leut verborgen, welche dann der hl. Isaak mit sondern Freuden ihnen gspendiret; sie aber nicht ohne Schamröthe haben ihre eigne Kleidung angenommen und jedweder wiederum in seine vorigen Hosen geschloffen. – Solches Glifters schlimme Bursch findt man allenthalben, welche sich arm und armselig stellen und mit lauter Lugen das hl. Almosen erpressen. Vor wenig Jahren ist bei einer berühmten Wahlfahrt in Unter-Oesterreich ein Bettler gestorben, welcher viel hundert Gulden baares Geld hinterlassen. Dieser hat kurz vor seinem Tod in Gegenwart eines Kapellans vielmal aufgeschrieen: O wie brennt's, o wie brennt's, o wie brennt mir das Herz ab! Als er deßwegen befragt wurde, gab er die Antwort: Es brennt, es brennt mich das Almosen, welches ich ohne Noth gesammlet und mich gar leicht mit der Hand-Arbeit hätt' erhalten können. Dieses Almosen brennt mir das Herz ab. O wie brennt's! Es ist nit ohne, daß viel arme, nothleidende, presthafte[133] Lazari auf der Gasse und Straße angetroffen werden, deren sich ein Christen- Gemüth erbarmen soll, aber viel in Müssiggang erzogenes Lotter-Gesind lügt und betrügt die Welt. Der hl. Petrus hat einmal einen lahmen und elenden Menschen bei der Porte des Tempels zu Jerusalem in dem Namen Jesu gesund gemacht, und gerad jetziger Zeit machen sich die krummen Bettler oft selbst ohne Miracul, dann bei dem Tag kriechen sie zuweilen auf allen Vieren, hüpfen mit Stelzen, hinken mit Krücken, tappen mit Stecken, und wann sie zu Nachts in die Herberg kommen bei einer guten Bettler-Zech, seynd sie gesund und grad: ist also zwischen mendacium und mendicum ein kleiner Unterschied.

Omnis homo mendax: »Es ist halt kein Stand ohne Lügen.« Die allererste Sünd der Kinder ist das Lügen. Sogar der geistliche Stand, der doch mit aller Vollkommenheit prangen soll, ist nie gar frei von den Aufschneideren. Der heilige Evangelist Joannes als ein Geistlicher ist so genau auf die Wahrheit gangen, da er die Stund beschrieben, in welcher der Heiland mit dem samaritanischen Weibel bei dem Brunnen geredet: Indem dazumalen der Uhrzeiger schon auf dem ersten Strichel gestanden, hat er ihm nicht getrauet zu schreiben: Es war die 6te Stund, sondern, Erat hora quasi sexta: »Es war um die 6te Stund.« So scrupulos war Joannes gewest, damit er die Wahrheit im mindesten nicht beleidige. Seines Gleichen findet man dießfalls gar wenig.[134] Derselbe war es wohl nit, welcher dem englischen Doctor Thomä von Aquin vorgelogen, daß dort droben ein Ochs in der Höhe fliege, und weilen Thomas derentwegen seine Augen in die Höhe gewend't, also hat ihn der andere ausgehöhnet, sich beinebens verwundert, daß er als ein so berühmter Lehrer möge so einfältig seyn und glauben, daß ein Ochs fliege. Pfui! Thomas der Apostel hat so langsam geglaubt, und ihr Thomas von Aquin glaubt so geschwind, ein Ochs soll fliegen! Ja, sagt der heilige Mann, ich hab ehender geglaubt, daß ein Ochs soll fliegen, als ein Geistlicher lügen.

So ist dann allerseits die liebe und guldene Wahrheit noch ganz frisch, ganz neu, als wäre sie erst von denen Händen Gottes verfertiget worden. Darum aber ganz neu, denn man braucht sie selten; welches mit blutigen Zähern soll beweint werden, massen hieraus sattsam erhellet, daß unser lieber Herr wenig bei uns gilt, indem er selbsten die Wahrheit ist. Ego sum veritas. Wessenhalben er auch nackend und bloß am Kreuz wollen sterben, dardurch uns zu lehren, die Wahrheit muß nicht verdecket, vermantlet, verhüllt, verblümlet seyn, sondern bloß. Es hat die Martha eine heiklige Nase gezeiget, wie unser Herr hat ihren Bruder wollen von dem Tod auferwecken, indem sie gesprochen: Domine, Herr, jam foetet, er stinkt schon! Schöpfen wir Adams-Kinder einen Grausen an allen demjenigen, was da stinket; pfui! und ein lauteres Pfui ist eine Lug. Was ist doch[135] Wilderes, als wann man sagt, es sey erstunken und erlogen? ja pflegt doch ein jedweder bescheider Mensch jedesmal das Salva venia, das Reverenter hinzu zu setzen, so oft er das Wortl Lug nur ausspricht. Warum solle es uns nit absonderlich darob grausen? Liebster Leser, ich sag die Wahrheit und lüge nit: du werdest sehen, wie scharf der gerechte Gott in jener Welt die einige Lug strafen wird; ist also besser, anjetzo im Lügen feiren, als dort im Feuer liegen!

Judas Iscarioth ist allweg auch ein sonderer Lügner gewest in seinen Werken, zumalen er äußerlich ganz heilig scheinte, und hat ihn das Volk so vollkommen, so heilig geschätzet, als etwann einen Petrum oder Joannem; ja er konnte also meisterlich seine geheimen Laster verhüllen, daß unter den hl. Apostlen nit einer gewest, so nur einen üblen Argwohn hätte von ihm geschöpfet; sogar auf die Letzt, da der gebenedeite Herr bei dem hl. Abendmahl ziemlich deutlich geredet hat von einem Verräther, wollte es noch keinem Apostel einfallen, daß Judas dieser verwegene Bösewicht sollte seyn. Deßwegen Petrus gefragt, Herr bin ichs? Joannes gefragt, Herr bin ichs? Jacobus ingleichem, Herr bin ichs? Einer nach dem anderen ehender geforchten von seiner eignen Person, als von Juda Iscarioth.

So ist dann nit alles Gold, was glänzet. Es heißt öfters: ficta nòn facta: auswendig süß, einwendig Spieß; auswendig Hui, einwendig Pfui;[136] auswendig ein Kuß, einwendig ein Verdruß; auswendig Hönig, einwendig höhnisch; auswendig Ave Rabbi, einwendig Ave Rabenvieh; auswendig mein Schatz, einwendig daß dich der Teufel kratz; auswendig lieb, einwendig ein Dieb; auswendig ein Frater, einwendig ein Verräther; auswendig ein Lamm, einwendig ein Abfaum; auswendig Reverenz, einwendig reverenter etc.; auswendig andächtig, einwendig verdächtig; auswendig ein Christ, einwendig ein Atheist; auswendig Religios, einwendig Vitios; auswendig ein Pastor, einwendig ein Impostor; auswendig eine Fackel, einwendig eine Makel; auswendig sein, einwendig ein Schwein; auswendig geziert, einwendig beschmiert; auswendig ein Engel, einwendig ein Bengel. Ficta non facta.

Die Babylonier hatten vor diesem einen Abgott mit Namen Bel, von welchem die Götzen-Pfaffen ausgeben, daß er alle Tag 12 Malter Semmel, 40 Schaf und 6 Krüg Wein verzehrt. Daß ihms der Teufel gseng! Der von Gott erleuchte Prophet Daniel hat endlich dem König den Betrug entdecket, wie[137] daß diese Kost nicht sey für diesen falschen Gott, sondern für die Götzen-Priester, welche durch einen heimlichen Eingang bei nächtlicher Weil' in den Tempel einschleichen und nachmals mit vollem Magen und schmutzigem Maul in der Still hinweg gehen. Sagte beinebens der hl. Jüngling dem König: Ne erres Rex: Euer Majestät lassen sich doch nit verführen und also bethören; »dieser Gott ist einwendig von Leim und auswendig von Erz.« Solchem Abgott ist ein Gleißner nie unähnlich, zumalen er auch auswendig besser scheint, als er einwendig ist. Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren über solchen Leist geschlagen. Diese Gesellen stellten sich, als wären sie heilig, über und über heilig. In dem Tempel haben sie öfters etliche Stund nacheinander gebetet, dem Schein nach so innbrünstig und eifrig, daß sie mit ihrer Innbrunst ein Stroh-Dach gar leicht hätten angezündt. Sie haben untenher an dem Saum der Kleider stechende Dörner eingemacht, welche sie nit wenig verwund'ten. Auweh! hats geheißen bei den Juden, der, der ist ein heiliger Mann! Ein mancher ist mit untergeschlagenen Augen daher getreten, daß ihm dießfalls die Schwalben des alten Tobiä keinen Schaden hätten können zufügen. Schaut, schaut, der ist gar ein Engel! Jener hebte immerzu die Augen in die Höhe und stellte sich, als wäre seine Seel in der Audienz bei Gott. O mein Gott! dieser ist wohl ein großer Heiliger! Haben also das gemeine Volk dergestalten bethört, daß es der gänzlichen Meinung worden, diese Leut' seynd alle heilig; derentwegen viel Gut und Geld ihnen angehängt. Ja etliche fromme[138] Wittiben, die weder Freund noch Kinder hatten, thäten öfters ihre ganze Habschaft ihnen überlassen in dem Testament. Unterdessen waren diese die allergrößten Schelmen, welche mit lauter Schmeichlerei und solcher Gleißnerei die armen Leut betrogen. Diesem bösen Gesind, schlimmen und falschen Vöglen war der Herr Jesus also feind und mißgünstig, daß er ihnen öfters ihre Heuchlerei und Gleißnerei vorgerupfet, und kein Laster also gehasset, gleichwie dieses. Dann der hl. Evangelist Matthäus in dem 23sten Kapitel registrirt, daß der Herr diesen Gleißnern allemal öffentlich mit dem Vae vobis, Wehe euch! gedrohet.

In dem alten Testament hat der allmächtige Gott etliche Thier für unrein erkennt. Unter anderen war auch der Schwan; dessen sich wohl zu verwundern. Denn ja ein großer Unterschied zwischen Schwanen und Schweinen, massen das Schwein in Koth- und Mist-Lachen sich herum wälzet und sich mit Speisen füllet, woran alle Thier ein Grausen schöpfen; aber ein Schwan trotzet Farb halber mit dem Schnee, hat seinen Aufenthalt in dem klaren Wasser, hasset alle garstige Art, und soll gleichwohl unter die unreinen Thier gezählt werden? Ein Schwan spendiret seine Federn, mit welchen die höchsten und vornehmsten Monarchen zu schreiben pflegen – und er soll gleichwohl in so geringer Aestimation seyn? ein Schwan wird kurz vor seinem Tod, indem er die ganze Zeit seines Lebens das Silentium gehalten,[139] ganz annehmlich und süß anfangen zu singen, und also ein Sinnbild des frommen Menschen, welcher mit Freuden von hinnen scheidet und soll dieser schönste Vogel dannoch unter die unreinen Thier gezählet werden? So ist ja ein Schwan säuberer als ein Schwein, und ein Schwein weit garstiger als ein Schwan, und dannoch soll ein Schwan sowohl als ein Schwein für unrein gehalten werden? Ja, ja, nit anderst, bei Gott gilt der Schwan nichts, und zwar der Ursach halber: dieser Vogel ist Federn halber schneeweiß, aber einwendig ganz schwarz im Fleisch, und also eine Abbildung eines Gleißners, welcher sich auswendig in seinen Gebehrden ganz heilig stellt, und beinebens in dem Herzen ganz heillos ist. Vae vobis Hyppocritae!

Wehe dem, so sich auswendig stellt wie ein Joannes und einwendig wie ein Herodes, nicht ungleich einem Grab, welches äußerlich mit einem aus schönem Marmel und Alabaster polirten Stein pranget, entgegen einwendig einen stinkenden Todten-Körper oder etliche dürre Beiner hat! Wehe dem, der sich auswendig stellt wie ein Abel, einwendig aber ist wie ein Kain, nit ungleich denen Apotheker-Pillulen, so auswendig vergult, einwendig aber bitter und gräuslich! Wehe dem, der sich äußerlich stellt wie ein Jakob, und aber in dem Herzen ist ein Esau, nicht ungleich dem faulen eichenen Holz, welches nächtlicher Weil in einem Winkel scheint wie ein Feuer, und ist beinebens nur ein zermodertes, faules, wurmstichiges[140] Hölzlein! Wehe dem, der sich äußerlich zeigt wie ein Elias, aber im Gemüth ist ein Achab, nit ungleich einem Misthaufen im Winter, welcher auswendig auch mit einem weißen Kleid überzogen, doch einwendig voller Unflat! Wehe dem, der sich äußerlich zeigt wie ein Mardochäus, und aber in dem Herzen ist ein Amman, nicht ungleich denen sodomitischen Aepfeln, welche von außen schön roth, aber einwendig nichts als eine stinkende Asche! Wehe dem, welcher sich äußerlich zeigt wie ein Abraham, und doch im Gemüth ist ein Abimelech, nit ungleich dem vermaledeiten Feigenbaum, so auswendig mit bloßen Blättern prangte, und beinebens ohne Frucht! Wehe dem, der sich äußerlich zeigt wie ein Moses, und aber in dem Herzen ist ein Pharao, nicht ungleich einem Buch, das auswendig hat einen schönen Einbund mit einem vergulten Schnitt, einwendig aber die Lehr' eines Machiavelli. Wehe dem, der sich äußerlich zeigt wie eine Esther, und doch im Gemüth ist eine Vasthi, nit ungleich einer Apotheker-Büchse, auf dero bisweilen auswendig mit schönen guldenen Buchstaben gezeichnet und geschrieben Alkermes, entgegen einwendig[141] zu Zeiten nichts, als ein Spinnengeweb! Wehe dem, der sich auswendig stellt gottselig, aber einwendig ist gottlos! Wehe denen, welche sich auswendig für Geistliche ausgeben, einwendig aber Garstige sind! Wehe denen, welche sich äußerlich erzeigen wie ein Lämmel, innerlich wie ein Wolf, äußerlich ein Tauber, innerlich ein Rab'! Wehe allen Gleißneren! Vae vobis Hyppocritae!

Gleichwie die schöne Rahel ihres Vaters Laban Götzen-Bilder unter dem Stroh verborgen, also geschieht auch, daß unter einer schlechten Mönchs-Kappe ein gottlos Gemüth kann verborgen seyn. Der hl. Gregorius schreibt, daß zu seiner Zeit ein Geistlicher in großem Ruhm der Heiligkeit habe gelebet, und seynd die Leut' der unfehlbaren Meinung gewest, es werde die Welt erhalten durch das eifrige Gebet dieses Manns; derjenige schätzte sich glückselig, der ihm hat dörfen die Händ' oder den Habit kussen; jedermann hat sich befohlen in sein eifriges Gebet; ja in dem Kloster selbst wurde er von seinen Mit-Religiosen vor einen heiligen Mann gehalten. Wie dieser nun zu seinem Sterbstündlein kommen, hat er lassen alle Geistliche zu sich rufen, welche dann hurtig und schleunig erschienen der gänzlichen Hoffnung, sie werden von diesem hl. Vater gar eine schöne Lehr und forderist den heiligen Segen zu guter Letzt empfangen; aber die Sach hat sich weit anderst befunden: indem dieser nit mit heiligen Gebehrden, wie sie vermeinten, sondern mit entsetzlichem Angesicht und verzweifelter Gestalt folgendermassen sie angeredet: Wißt ihr was? nicht selig, sondern ewig unglückselig bin ich, weilen mein bishero[142] geführter Wandel nur eine gleißnerische Heiligkeit in sich hatte, wessenthalben der höllische Drach seinen vergiften Schweif um mich gewunden, seinen Kopf aber in meinen Rachen stecket, woraus er gleich meine verdammte Seel ziehen wird! So ist denn nicht alles Gold was glänzet, nicht alles unschuldig, was weiß ist, nicht alles selig, was heilig scheint!

Die Kinder der Propheten waren der Meinung, als brockten sie das beste Kraut; unterdessen waren's lauter bittere Koloquinten. Der Jakob war der Meinung, als genieße er der schönen Rachel ihre Gegenwart, unterdessen war es nur die garstige Lia. Der Urias war der Meinung, als trüge er ein Recommandations-Brifel, oder auf das wenigst eine Ordre von dem David im Sack; unterdessen war es ein Befehl, daß man ihn soll an die Spitz stellen. Wir Menschen seynd auch oft der Meinung, dieser oder jener sey fromm und gottesförchtig, indem es der äusserliche Wandel nit anders zeiget; unterdessen ist er ein Wolf in einem Lämmelfell und ein Schelm in einem heiligen Futteral.

Das Kriegsherr des Sennacherib hatte einst eine sehr große Niederlag gelitten, und zwar durch die Hand eines Engels, als der in einer Nacht hundert und achtzig tausend der Assyrier erleget hat, und ist es der Rabbiner Aussag, daß diese häufige Anzahl auf der Erde gelegen, als wären sie noch lebendig, gar schön[143] roth und wohlgestalt, ohne Verletzung noch eines Härleins, noch eines Fadens; inwendig aber war nichts, als eine lautere Asche. Das heißt: auswendig roth, einwendig todt; daß heißt auswendig gut, inwendig Glut. Auf gleiche Weis' seynd die Gleißner beschaffen: sie verkaufen sich äusserlich für fromm und gewissenhaft, aber hinter dem Fürhang steckt ein Judas; es ist ein schöner sammeter Beutel, aber einwendig schlechte Dantes. Es geschieht wohl, daß oft manche einen ganzen Sack voll Bücher läßt in die Kirche tragen; sie legt ihr Waar aus, wie ein Kalender-Krämer; wie oft küßt sie das Buch, daß dessen Blätter schon so schmutzig, wie das Wammes eines Metzgers; sie läßt drei heilige Messen lesen, den sie mit gebognen Knien beiwohnet; sie verwendet die Augen, sie rührt das Maul, sie erhebt die Händ', sie schlägt die Brust, sie erweckt die Seufzer, sie neigt den Leib: o was ist das für eine gottselige Frau! geht ihr doch nichts ab, als die Canonisation, es mangelt ihr nichts, als der Schein. Unterdessen ein blinder Bub spat und fruh läßt ihr keine Ruhe, der alleweil mit seinem Pfeil in der Eil loschirt im Herzen, und hat sie eine heimliche Bulschaft, von der kein Mensch nichts weiß. O wie wird es einmal am jüngsten Tag, wo alles an das Licht kommt, viel Verwunderung absetzen! da wird es heißen: wer hätt' sich das von ihm eingebildet? wer hätt dieß von ihr vergemeint? wer hätt solches hinter[144] dem gesucht? wer hätte geargwohnet, daß er dieses im Schild führe? Vae vobis Hypocritae!

Der König Saul hat eine alte Hex ersuchet, sie solle ihm den Samuel mit ihrer Cribas Crabes auferwecken. In der ganzen Gegend war diese Gabelfahrerinn nur allein. Dermalen findet man weit eine größere Anzahl der bösen Leut': wie man denn in Steyrmark etliche Jahr nacheinander sehr viel dem Vulkano aufgeopfert, und war zu wünschen, dieses so schädliche Unkraut würde einst ganz und gar ausgerottet. Viel unter diesen seynd gewest, von denen niemalen ein böser Argwohn ist geschöpfet worden; dann sie gar andächtige Wallfahrten verrichtet, mit großer Auferbaulichkeit die hl. Sacramente empfangen, der Predigt samt dem heiligen Meß-Opfer beigewohnt, absonderlich ganz inbrünstig und andächtig ihr Gebet in der Kirche verrichtet; aber blos aus Gleißnerei. Ja mir ist gesagt worden von einem, welcher dero Bekanntnuß selbsten angehört, daß sie unter anderen bestanden haben; ihr Gebet sey kein anders gewest, als dieses: Veigel und Rosen, Wammes und Hosen, Kessel und Pfannen, Schäfer und Wannen, Hammer und Nägel, Donner und Hagel, Rettig und Ruben, Mädel und Buben, Pfeifen und Tanzen bey Binkel und Ranzen, Schunken und Hammen schicken sich zusammen, Amen. Gehören also diese gottlose Leut forderist unter die Gleißner, denen auch beigesellet wird ein Absalon, ein Simon Magus, eine Saphyra, ein Pilatus, ein Herodes, ein[145] Pharisäer und Hoherpriester, ein Antonius Picentinus, und viel andere mehr, die wir in dem Thal Josaphat werden erkennen. – Unter diese seynd auch zu zählen diejenigen, welche sich fromm und heilig verhalten nur um eitler Ehr willen. Solche seynd weit anderst gesinnet, als jener Blinde am Weg, welcher nur verlangt hat, daß er schon möchte. Domine, ut videam! aber solche Gleißner begehren und wünschen, ut videantur. In Oesterreich, absonderlich bey schöner Herbstzeit, pflegt man die Lerchen in großer Menge zu fangen. Diese Vögerle werden insgemein auf Latein genannt Alaudae, das ist so viel als Lob-Vögerle. Die Gleißner und Augen-Heilige trachten Sommer und Winter, Herbst und Frühling nur nach solchen Alaudas oder Lob-Vögerl; denn ihr einiger Wunsch ist gelobt zu werden. Den Esau haltet man für einen unverständigen Lümmel, um weilen er sein Majorat verhandelt um ein Linsen-Koch. Ist das nit ein Linsen-Narr, weit größer als ein Haber-Narr! giebt um eine so geringe schlechte Bauern-Speis' diese so stattliche Prärogativ. Wann es Mandel-Koch wäre gewest, wär es ihm kein so großer Spott; aber um etliche Löffel voll Linsen eine solche Würdigkeit zu verkaufen, scheint die größte Thorheit. Ist wohl wahr, wann man die Kinder und die Narren gen Markt schicket, so lösen die Kramer Geld. Nicht weniger Spott verdienen alle diejenigen, welche eitlen Ruhms und Glorie[146] halber viel gute und heilige Werk üben. Dahero Christus der Herr diese Lehr geben: Sehet zu, daß ihr eure Gerechtigkeit nit thut vor den Menschen, damit ihr von ihnen gesehen werdet, sonst werdet ihr keine einige Belohnung haben bey eurem Vater, der im Himmel ist! Derentwegen, wann du Almosen gibst, so sollst die Posaunen vor dir nit blasen lassen, wie die Heuchler auf der Gasse thun, damit sie gepriesen werden. Wahrlich, sage ich euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen. Wann du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nit wissen, was deine rechte Hand thut, damit dein Almosen in Verborgenheit bleibe, und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird dirs vergelten. Und wann ihr betet, alsdann sollt ihr nicht seyn, wie die Heuchler, welche gern in den Synagogen und Ecken der Stadt stehen, wann sie beten, damit sie von den Menschen gesehen werden. Wahrlich sage ich euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen. Du aber, wann du betest, so gehe in deine Schlaf-Kammer, und schließ die Thür zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen, und dein Vater, der im Verborgenen siehet, wird dirs vergelten.

Der Elisäus hat seinen hl. Vater Elia gar herzlich gebeten, wann er soll von hinnen weichen, daß er ihm doch seinen doppelten Geist hinterlasse! Elias hat ihm seine Bitt' nicht abgeschlagen. Wie nun die feurige Karosse erschienen, in welcher Elias in die Höhe verzucket worden, da hat Elisäus überlaut aufgeschrien, ihn seines Versprechens erinnert; über welches Elias den Mantel heruntergeworfen, und ihm zugleich auch den doppelten Geist ertheilt, welcher doppelte Geist bestunde[147] in der Heiligkeit und Wunderwirkung. Es möchte aber ein frommer Fürwitz nachforschen, warum doch der Mantel habe müssen bei diesen zweien Gnaden seyn? Sey es ein langer Mantel, ein kurzer Mantel; sey es ein Sommer- oder Winter-Mantel; sey es ein neuer oder ein alter Mantel: so schickt sich dannoch nicht solcher zu den Gnaden der Seel. Wessenthalben denn der hl. Elias die Gnaden nit geben ohne Mantel, das war die Ursach, merke es wohl, mein lieber Leser: Der hl. Mann wollte etwann hierdurch andeuten, daß, wer große Gnaden und Heiligkeit an ihm hat, brauche zugleich den Mantel, damit zu vermanteln, zu verdecken, zu verbergen, so viel es möglich ist, und nit alle seine gute Werk offen trage, welche die eitle Ehr verzehrt. Verrichst du alle Tag gewisse Gebet und Andachten, so entdecke nit gleich solche einem jeden: ich geb das, ich hab geben das, ich will geben das etc., sondern vermantl's; sonst kommt dir die eitle Ehr als ein schlimmer Vogel darüber und frißt dir diesen guten Samen auf!

Ein rechtschaffener Christ soll der Mutter des Moses nachfolgen. Wie diese das kleine Kind geboren, und gesehen, daß es ein so herziges Büberl sey, gelbe Härl wie die schönsten Goldfaden, ein Paar Aengel wie zwei Sternl, Wängl wie Rosen, ein Mäulerl wie die Korallen, das ganze Leibl, als wäre es von Wachs possirt, in allem wie ein Engerl, was hat sie angefangen? hat sie vielleicht dieß guldene Kind auf den Arm als eine lebendige Wiege genommen, und hin und her in der Nachbarschaft getragen? O nein. Abscondit, »sie hats verborgen,« damits nit vermög' des königlichen Decrets soll ins Wasser geworfen werden: das Verbergen[148] hats beim Leben erhalten. Also, mein eifriger Christ, hast ein gutes Werk gethan, welches gleichsam eine holdselige Geburt ist, so verberge auch dasselbige, das es niemand weiß; ist genug, daß es der Obere gesehen! wirst du's Vielen offenbaren, so kommen dir die Egyptier darüber, die eitle Ehr, ertappts, und verlierst also, was du mit Schmerzen geboren! Mach es wie die hl. drey König, welche dem kleinen Jesulo kostbare Schankungen aus Orient gebracht, aber dieselben niemand gezeigt, so gar dem Herodi nit, sondern erst ihre Truhen und Kisten in dem Stall, in dem Angesicht des gebornen Messiä eröffnet. Zeige deßgleichen auch niemand, sags niemand, vertraue es niemand, was du deinem Gott, und um seinetwillen dem Nächsten gibest; es ist schon genug, wann dein Jesus darum weiß, welcher dich dessenthalben in jener Welt belohnen wird!

Ein Ackersmann, wann er will, daß der Same soll Frucht bringen, so läßt er ihn nit heraus liegen, sondern verdecket ihn mit der Erde. Der hl. Nicolaus, Bischof zu Bari, hat nächtlicher Weile drei armen Töchtern ein Heirath-Gut eingelegt in der Stille, daß es niemand gesehen, fein verdeckt, daß keiner gewußt. Der hl. Erz-Bischof Thomas hat unter dem sammeten Rock ein stechendes Cilicium getragen; niemand wußte darum. Der hl. Carolus Borromäus hat mehrmalen etliche Schüßlen auf seiner Tafel zugedeckt gehabt, und war doch nichts darinnen, damit nur die Leut sollen vermeinen, er tractire sich wohl, und also[149] seine strengen Fasten verborgen bleibe. Warum haben Paulus, Hilarion, Antonius, Benedictus, Romualdus, Bruno, Norbertus ihre Wohnungen genommen in der Wüste und Wildniß, als allein darum, damit ihre Heiligkeit von denen Leuten nicht gesehen werde, und also die eitle Ehr dero Verdienste abnagt? Ja es hat der Heiland selbst uns zu einer Lehr und Nachfolg öfters seine Wort in der Geheim gehalten. Wie er den Aussätzigen gereiniget, hat er geboten, er soll es niemand sagen: »Vide, nemini dixeris!« Auch die 40 Tag in der Wüste die strengen Fasten verricht ohne Gegenwart eines Menschen, uns zu einer Unterrichtung, damit wir unsere guten Werk vor den Augen der Menschen möglichst verbergen sollen, wollen wir anderst, daß die eitle Ehr selbige als eine subtile Diebinn nit entfremde.

Der heilige Philippus Nereus hat sich närrisch gestellt, deßgleichen der selige Jacoponus, deßgleichen der heilige Simon Sales, deßgleichen die heilige Isidora, die heilige Berengaria etc. Willst du aber ein frisches Exempel: siehe der heiligmäßige Mann Hieronymus a St. Bernardo, ein Priester meines heiligen Ordens, ist erst vor 8 Jahren den 25. October, seines Alters 27 Jahr, zu Panormi in Italien gestorben, bey dessen Tod sich große Wunder ereignet haben; jedermann ist häufig zugeloffen, und keiner kunnte die Ursach dessen geben, sondern alle bekannten, daß sie durch übernatürliche Gewalt hierzugezogen worden, Blinde seynd sehend worden, Stumme haben angefangen zu reden, und so man den Leichnam mit vielen Soldaten nicht hätte verwacht, wäre er ungezweifelt von dem Volk zerrissen worden. Es scheinten also auf allen Seiten sattsame[150] Anzeigungen seiner Heiligkeit. Aber willst du wissen seinen Wandel, den er in diesem Orden geführet hat? Sieh', 47 Jahr aneinander hat er sich närrisch und einfältig gestellet, damit er also seine Vollkommenheit und Heiligkeit verbergen möge! Also seynd die heiligen und tugendsamen Leut beschaffen, daß sie ihre Vollkommenheit wollen vertuschen und ihre Fehler offenbaren, damit sie solchergestalten von der eitlen Ehr nicht besudelt werden. Entgegen die Gleißner, die Judas Brüder, die Pharisäer beten darum, fasten dessenthalben, geben Almosen derentwegen, damit sie die Leut lieben, loben und laben, damit sie mit Finger gepriesen und gewiesen werden. O Narren!

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 2, S. 109-151.
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