Warum Christus der Herr den Judam Iscarioth nit mit sich habe genommen auf den Berg Thabor, allwo er in Beiseyn dreier Aposteln Petri, Jakobi und Joannis seine himmlische Glorie in einem kleinen Abriß gezeiget hat?

[322] In Mitte der galiläischen Felder stehet ein Berg, mit Namen Thabor, unweit Capharnaum, allwo der Herr Jesus sehr oft geprediget. Dieser Berg liegt 3000 Schritt von Genesareth in einer sehr annehmlichen Gegend, und ist solcher nit von rauhen Steinklippen oder harten Felsen, sondern eines fruchtbaren Grunds, voll mit dem besten Gras und wilden Blumen-Gewächs. Auf diesen hohen Berg hat der Herr Jesus obbenennte 3 Apostel mit sich geführet, und nach langem, eifrigen Gebet daselbst bei nächtlicher Weil seine göttliche Glorie gezeiget. Das Angesicht des Herrn glänzete wie die Sonn, seine Kleider, welche zuvor blau und roth, scheinten wie der Schnee, welche Farb eine eigentliche Liveree der himmlischen Glorie. Es erscheinten auch allda Moses und Elias mit glorreichen Leibern, welche zwar die Apostel Gesicht halber nicht gekennt, so haben sie dannoch durch göttliche Offenbarungen erfahren, daß diese 2 glorreiche Männer Moses und Elias seynd. Darum aber seynd diese zu der Erklärung der himmlischen Glorie genommen worden, damit man solle glauben, daß man in einem jeden Stand könne[323] selig werden: weilen nemlich Moses verheirath' war, Elias aber in unversehrter Jungfrauschaft als ein Religios und Geistlicher lebte. In solche überschwengliche Glorie hat sich Petrus also vertiefet, daß er überlaut aufgeschrien: Faciamus hic tria tabernacula! »Lasset uns hier drei Tabernacul aufrichten!« Anjetzo entstehet allein die Frag, warum der gebenedeite Heiland nicht alle Apostel, und folgsam auch den Judam zu dieser Verklärung gezogen? Der hl. Damascenus beantwortet diese Frag, wie daß die anderen Apostel gleichmässig würdig waren, die Glorie des Herrn zu sehen, außer dem Judas; dann dieser wegen seines Diebstahls und Neid nicht werth war, solches Mysterium zu sehen. Es seynd aber der Ursach halber auch die andern Apostel ausgeschlossen worden, damit der Judas noch bei seinem ehrlichen Namen verbleibe, weilen ihn die Leut' noch allemal für einen rechtschaffnen Apostel gehalten. Sofern aber der Herr Judam nur allein hätte beiseits gesetzet, die anderen aber alle zu dieser herrlichen Verklärung gerufen, so wäre er Zweifels ohne in einen Verdacht kommen, und hätten die Hebräer von ihm den Argwohn geschöpfet, er müsse ein nichtsnutziger Mensch seyn: wollte also der Heiland die Missethat Judä noch verborgener halten, und solchen nit in ein böses Geschrei bringen, und beinebens auch verhüten ihr freches Urthlen, welches ganz gemein in der Welt.

Wer bist du Mensch? Du bist ein Kürbesblatt des Propheten Jonä, welches bald verwelket; du bist ein Maul-Esel des Prinzen Absalon, welcher bald durchgehet;[324] du bist der Topf der Propheten-Kinder, welcher voll mit Bitterkeit; du bist das Manna der Israeliten, welches über Nacht wurmstichig wird; du bist die Ruthe Aarons, welche in eine Schlang sich verkehrt; du bist der Fluß Tiphon, so zwar aus dem Paradeis den Ursprung nimmt, aber sich bald wiederum in die Erde verschließet. Wer bist du Mensch? Du bist ein Sack, aber kein solcher Sack, in welchem der Joseph seinen Brüdern das Geld geleget, sondern du bist ein Kohlsack; du bist eine Speis', aber keine solche Speis' wie der Habakuk dem Daniel gebracht, sondern du bist eine Speis' der Würmer; du bist eine Grube, aber keine solche Grube, in welche der diebische Achan Gold und Schätz vergraben, sondern du bist eine stinkende Sumpfgrube; du bist eine Blum, aber keine solche Blum, welche da riechet, wie die Rosen zu Jericho, sondern du bist eine Saublum; du bist ein Kraut, aber kein solches Kraut, wie gewachsen in dem Paradeis, sondern du bist ein Unkraut; du bist ein Vogel, aber kein solcher, der in das Lager der Israeliten geflogen, sondern ein Fink, und zwar ein Mistfink; du bist eine nichtige Erde und irdisches Nichts, und willst dannoch ein Gott seyn? du ein Gott? pfui! ist ein Spott.

Gott allein ist derjenige, dem die innersten verborgensten, geheimsten Herzen, Gedanken und Regungen bekannt seyen; dieser weiß, wie der Mensch beschaffen, und nit du, elender Erdschrolle! Gleichwohl ist fast täglich bei dir das Richten und Urtheilen über deinen Neben-Menschen, indem doch dein Gott dir so ernstlich verbietet: Nolite judicare secundum faciem: Richtet nicht nach dem Ansehen. Dann welcher[325] urtheilet nach dem äußerlichen Schein, fehlt und irret oft. Wessenthalben der Argwohn billig ein Narrgwohn soll genennet werden.

Einer geht auf den Markt, der Meinung, um sein baares Geld etwas einzukaufen; kommt ungefähr zu einem Laden, allwo durch künstliche Pinsel gemalte Bilder heraus hangen. Dort hängt das Bildnuß des h. Josephs, welches der berühmte Maler Joseph Werner gemalt, da hängt die Bildnuß des h. Joannis, welche der berühmte Maler Joannes Herbst von Straßburg verfertiget, da ist zu sehen die Bildnuß des h. Francisci, welches ein Werk ist des berühmten Malers Francisci Salviati, dort ist zu sehen die Bildnuß des h. Erz-Engels St. Michael mit der Wag, ist von der Hand des weltberühmten Malers Michael Angeli; neben diesen liegen noch andere zusamm gerollte Bilder von guten Händen, eines Albrecht Dürers, eines Peters von Perus, eines Raphael von Urin, eines Montega, eines Mellotii von Friaul, etc. Der vorwitzige Herr lösete ein zusamm gerolltes Bild auf, und siehet gleich von Anfang einen entblößten Degen. Holla, sagt er, der ist gewiß der Schelm, welcher meine Patroninn die h. Barbaram enthaupt hat! Nachdem er aber das ganze Bild von einander eröffnet, so findet er, daß Argwohn Narrgwohn ist, er find't daß er eine gute Sach für etwas Böses geurtheilet: er find't den h. Martinum, welcher mit dem bloßen Degen ein Trumm von dem Mantel schneidet, den armen nackenden Bettler damit zu bekleiden. Ich weiß selbsten einen, welcher wegen des blöden Gesichts 2 Geistliche für einen Galgen angesehen, ja er[326] hat noch um etwas Namhaftes gewettet, alldort auf dem Feld sey das hohe Gericht mit 2 Säulen; nachdem er aber besser hinzu genahet, hat er wahrgenommen, daß es 2 Geistliche gewesen, welche gar andächtig mit einander das Brevier gebetet. O wie oft geschieht es, daß man etwas Gutes für Böses haltet!

Wie der h. Geist in Gestalt feuriger Zungen über die Apostel kommen, so seynd diese von diesem göttlichen Sprachmeister also wunderlich unterwiesen worden, daß sie alsobalden alle Sprachen der Welt geredet: daß der Thomas wie ein Asianer, wie ein Afrikaner, wie ein Italianer geredet; daß der Joannes wie ein Arabier, wie ein Persianer, wie ein Griech geredet etc.; daß der Mathias wie ein Polack, wie ein Böhm, wie ein Deutscher geredet etc.; daß der Bartholomäus wie ein Franzos, wie ein Engelländer, wie ein Ungar geredet etc.; es ist ihnen spanisch vorkommen, daß der Andreas lateinisch geredt, chaldäisch geredt, slavonisch geredt etc. Weilen dann dazumalen allerlei Nationen der Juden aus der ganzen Welt in der h. Stadt waren, konnten sich diese nit sattsam verwundern, daß die Apostel allerlei Sprachen redeten. Wessenthalben an demselbigen Tag in die 3000 den wahren Glauben angenommen. Die inländischen Juden lachten die Jünger immer aus. Was? sagten sie, als wann man den Simon und seinen Brudern Andream nicht, kennete? sie sollten französisch reden? spanisch reden? deutsch reden? das ist gut deutsch erlogen. Sie wissen kaum ihre eigene Muttersprach, sie seynd ihr Leben lang aus Galiläa nie kommen. Musto[327] pleni sunt: »sie seynd sternvoll;« der Bachus ist ihr Sprachmeister gewest, der Wein regiert ihre Zungen.

Quandò bibo vinum, loquitur mea lingua latinum.

Nit Gott, sondern der Geseng-Gott hat sie also erleuchtet! – O ihr hebräischen Schelme, wie urthlet ihr so übel! o Argwohn Narrgwohn! Diese seynd nicht voll des Weins, sondern des h. Geists, welcher sie mit seiner göttlichen Gnad erfüllt hat! diese haben empfangen denjenigen Geist, welchen Christus der Herr ihnen versprochen hat zu senden! vermöge dieses Geistes wird Petrus predigen und lehren in Ponto, Galatia, Cappadocia, Bithynia und Asia, Andreas in Scythia, Joannes in Asia, Philippus in Phrygia, Bartholomäus in Armenia und India, Matthäus in Aethiopia, Thomas in Parthia und Deutschland, Jakobus Alphäi in Jerusalem, Judas Thaddäus in Samaria, Galiläa, Mesopotamia etc. Paulus in der ganzen Welt. So richtet dann nit nach dem Ansehen!

Abraham, ein h. Eremit, lebte viel Jahr in höchster Vollkommenheit in der Wüste; er hatte in der Wüste das reineste Gewissen; er lebte unter den verwildten Bäumen, wie ein hoher Cederbaum in Betrachtung der göttlichen Geheimnussen; er lebte unter den rauhen Steinklippen wie ein Felsen Mosis, aus denen anstatt des Brunnen-Wassers die tägliche Bußzäher geronnen; er lebte unter den Wald-Vögelein, wie eine Lerche, so Tag und Nacht das Lob Gottes[328] psallirte; er lebte unter den wilden Dornhecken, wie eine schöne Rose der entzünd'ten Liebe gegen Gott, ja wie eine Perl in einer rauhen Muschel, wie ein Licht in einer finstern Latern, wie ein süßer Kern in einer knoperten Schale: also war der Abraham in der Wüste. Seinen Leib thät er stets mit harten Geißelstreichen kasteien, und gar recht; dann von Kasteien rühret Castitas her, und ist der Leib beschaffen wie die Brennessel: so man diese heiklich und zart anrühret, so brennen sie; wann mans aber hart streicht, so thun sie nit schaden. Seine ganze Lebens-Nahrung bestund in etlichen Bissen Brod und Brunnen-Wasser, und gar recht; dann die Himmelsthür ist gar zu eng, und folgsam die dicken und feisten Wampen und Schlampanpen nit hinein können. Eiferigst beten thät er immerdar, und gar recht; dann gleichwie der David den Teufel von dem Saul getrieben durch und mit der Harfe, ebenfalls nichts bessers den Satan in die Flucht jaget, als diese Maultrommel, verstehe das Gebet. Dieser Abraham lebte viel Jahr solchergestalten in der wilden Einöde, fast wie ein irdischer Engel. Nach solcher langen Zeit zog er ab sein rauhes Cilicium und härenes Kleid, und hat sich angelegt wie ein Soldat und vornehmer Offizier, einen schönen Federbuschen auf dem Hut, einen Degen an der Seite, in allem ein Galant Homo, gehet, reist, kommt in ein Wirthshaus, allwo er bald gefunden, was er gesucht, nemlich ein schönes junges Mädel,[329] welche zugleich war ein öffentlicher Schlepsack. Wein her! Essen her! Spielleut her! Menscher her! Ja Herr, soll Alles geschehen! Manche gewissenlose Wirth achten es nicht, wann sie nur den Gewinn haben. Dieser Abraham nun Kleider halber mehr ein Soldat, nachdem er geessen und gesessen, nachdem er gezecht und gelacht, gesungen und gesprungen, gehet er mit diesem jungen Weibsbild bei nächtlicher Weil in die Schlaf-Kammer, er mit ihr, sonsten niemand, sie mit ihm, sonsten niemand. Wann du wärest auch dazumal in dem Wirthshaus gewest, sag her, bekenne es frei, was hättest du für Gedanken gehabt? gewiß keine anderen, als diese: Der ist ein schlimmer Gesell, ein leichtfertiger Vocativus, ein gottloser Susanna-Bruder, ein verruchtes Venus-Kind! so seynd die Soldaten, sie haben lieber die Sabinl, als den Säbl; so seynd die Kriegsleut, sie liegen lieber bei Magdeburg, als in Fünf-Kirchen in Ungarn; so seynd die Offizier, sie nehmen lieber ihr Quartier zu Frauheim, als zu Mannersheim; ei das ist ein Schelm, schon alt und doch nit kalt! Solche Gedanken hättest du. Aber siehe, wie Argwohn ein Narrgwohn ist! Dieser Abraham ist in der Kammer auf seine Knie niedergefallen, und mit nassen Augen, mit aufgehebten Händen ihr den elenden Stand, in welchem sie sich befindet, ernstlich vorgetragen; denn es war seine entführte Maim Maria. Solche hat er mit seinem[330] heftigen Bitten in der Kammer wiederum zu dem Bußstand gezogen, daß sie nachmals heilig gelebet und heilig gestorben. O wie ist dann der Menschen Urthl so betrüglich! Die Apostel haben nächtlicher Weil ihren Meister gesehen und doch nicht gekennet, sondern vermeinet, es sey ein Gespenst, der Wauwau. Magdalena hat bei dem Grab den Herrn Jesum nit gekennt, sondern vermeint, es sey ein Gärtner, weilen er eine Schaufel über die Achsel getragen, hat geglaubet, es sey der Meister Samuel etc. Die Jünger haben ihren Meister auf dem Weg nach Emmaus nit gekennt, sondern vermeint, es sey ein Fremdling. Also sehen wir, hören wir, und greifen wir manchesmal etwas, welches uns bös vorkommet, da es doch in sich selbst gut und heilig ist.

Holofernes der Kriegsfürst belagert Bethuliam, allwo gar keine Hoffnung war eines Entsatzes. Unterdessen macht sich eine schöne Wittib und noch junge Dama hervor, die bekleidet sich mit einem köstlichen Aufzug, alles schimmerte von Gold und Silber – o wie stattlich! sie trägt ein Paar Wangen, wie die edelsten Paradeis-Aepfel – o wie edel! sie verpulvert ihre krausten Haarlocken – o wie galant! sie ziert die Ohren mit kostbaren Behäng und Kleinodien – o wie herrlich! sie behängt den glatten Hals mit kostbaren Perlen – o wie hübsch! sie glanzet wie eine Göttinn – o wie schön! Diese schöne von Natur wohlgeschaffene Dama mit solchem prächtigen Aufzug gehet durch das ganze Kriegs-Lager, macht höfliche Referenz gegen alle hohen Offiziere, welche sich nit gnugsam vergaffen konnten an diesem schönen Frauenzimmer.[331] Etliche lauften eilends zu dem Holofernes, und brachten ihm mit aufgesperrtem Maul die Zeitung, daß eine überaus schöne hebräische Dama Audienz begehre. Kaum als solche unter die Augen Holofernis getreten, hat sich dieser ohnedas verbuhlter Kriegsfürst gleich in sie verliebet. Diese wird zu seiner Tafel geladen, allwo der Tisch voller Speisen, die Speisen voller Geschmachen, die Credenz voller Gläser, die Gläser voller Wein, die Gezelt voller Aufwärter, voller Freuden, daß sie eine solche edle Dama konnten zu sehen bekommen. Judith stellt sich freundlich, isset, trinket, redet, lachet, schmutzet. Man trinket in Gesundheit ihrer: Judith buckt sich, neigt sich, bedankt sich. Holofernes bekommt einen gut fidimirten Rausch, gehet in seine Schlaf-Kammer, die schöne, junge Judith mit ihm, etc. Was haben sich alle die anderen eingebildet? Ihre kräftige Meinung war, daß Holofernes nit allein schlafe; ihr Urthl war: diese hebräische Dama müsse heut ihre Ehr in die Schanz schlagen, ja der Vagao, als ein sauberer Kuppler, wettet mit einem 1000 Gulden, die Judith werde nit mehr so unschuldig aus der Kammer heraus gehen, wie sie hinein kommen. O Menschen-Urthl, wann du auch 4 Füß hättest, so thätest du gleichwohl hinken! O Argwohn Narrgwohn! In der Schlafkammer hat sich dieses junge Blut nicht in das Bett, sondern in das Gebet begeben; Judith hat daselbst[332] nit Gott beleidiget, sondern Gott angerufen; dieses Frauenzimmer hat nicht gesündiget, wie du vermeint hast, sondern den Sünder, nemlich Holofernem, aus dem Weg geraumet, und ihm als einem Haupt-Schelmen sie als eine Haupt-Heldinn das Haupt genommen. Jo Victoria! das ist ein anders.

Nicht alles, was lange Messer trägt, ist ein Koch, nicht alles, was grün daher gehet, ist ein Jäger, nicht alles, was eine Kappe trägt, ist ein Narr, nicht alles, was pfeift, ist ein Vogel, nicht alles, was bös scheinet, ist bös. Der Berg im Wasser kommt uns vor, als stehe er auf der Spitze. Hat sich wohl Spitz! Die Sonne kommt uns vor, als sey sie nit größer, als ein Faß-Boden. Hat sich wohl Faß-Boden! Sie ist weit, weit größer, als der ganze Erdboden! Das faule Holz in der Finster kommt uns vor wie ein Licht. Hat sich wohl Licht! Dem Lamech ist der Kain vorkommen, wie ein Wildstuck. Hat sich wohl Wildstuck! Dem König Hanon seynd die davidischen Gesandten wie Spionen und Ausspäher vorkommen. Hat sich wohl Spion! Der Michal ist der David vorkommen, als treibe er Narren-Possen vor der Arche! Hat sich wohl Narren-Possen! Uns kommt gar oft etwas vor, als sey es bös' und sündig. Hat sich wohl sündig! Unser Urthl ist mehrentheils freventlich; dann wann wir es auch mit Augen sehen und mit Händen greifen, so können wir noch betrogen werden.

Denkwürdig ist es, was sich mit dem hl. Juliano, mit dem Zunamen Hospes oder Gastgeb, hat zugetragen. Dieser setzte einest einem schönen großen[333] Hirschen nach. Als er ihn aber bereits fällen woll te, da kehret sich dieses Thier um, und redet mit menschlicher Stimm, wie vorhin die Eselinn des Balaams, und drohet Juliano, er werd' ins künftig seine eigenen Eltern um das Leben bringen und ermorden. Ueber solche unerhörte Prophezeiung hat sich Julianus nicht ein wenig entrüst', und damit er alle Gelegenheiten, solche Unthat zu begehen, meide, hat er sich in aller Geheim von der väterlichen Behausung in ein anders Land begeben, woselbst er wegen seiner in vielen Jahren geleisten Kriegs-Diensten zu großen Reichthumen gelangt, mit der Weil aber zu mehrerm Ruhestand sich von dem Hof abgeschrauft, und mit einer edlen Dama sich verheirathet, mit dero er in einem sehr stattlichen Schloß selbigen Lands in allem Begnügen gelebet. Unter solcher Zeit ist denen lieben Eltern zu Ohren kommen, daß ihr liebster Sohn Julianus noch bei dem Leben. Deßwegen haben sie sich auch in dem erwachsenen Alter auf die Reis' gemacht, allerseits emsigist nachgefraget, bis sie endlich nicht ohne sondere Mühe und viele ausgestandenen Ungelegenheiten zum besagten Schloß ihres liebsten Sohns Juliani gelangt, allwo sie in Abwesenheit ihres Juliani von der Frau Schnur höflichst und mit höchsten Freuden empfangen worden. Nach eingenommenem Abendmahl hat sie diese von der Reis abgematte Gäst zu Erzeigung einer sondern Lieb in ihr eignes Bett geleget, Morgens fruh aber bei Zeiten zu dem Gottes dienst geeilet, damit sie nachmals ihre liebsten Gäst desto besser bedienen möchte. Unterdessen kommt Julianus nach Haus, und war sein erster Weg in die Kammer, in[334] Willens, seiner Frau, Gemahlinn einen guten Morgen zu wünschen. Wie er aber wahrgenommen, daß ihrer zwei im Bett liegen – dann die liebsten Eltern wegen ihrer Mattigkeit desto länger und sanfter geschlafen – hat er unverzüglich das Urthel geschöpfet, seine Gemahlinn sey ihm untreu, – ist wohl vermuthlich, daß er vorhero von dem Argwohn eingenommen gewest, – derowegen in größtem Grimm den Degen gezucket und beede jämmerlich ermordet. O Argwohn Narrgwohn! du bist Ursach, daß dieser Julianus seine Händ gewaschen in dem Blut seiner lieben Eltern, und denenselben das Leben genommen, von welchen er das Leben bekommen! Nach solchem begangenen Eltern-Mord, den ihm längst vorhero der Hirsch prophezeiet, ist Julianus mit seiner Frau Gemahlinn zur Buß geschritten, alle ihre Güter unter die Arme ausgetheilet, bei dem Fluß Nilum eine kleine Hütte aufgerichtet, allwo sie mit größter Lieb die armen Fremdling über das Wasser geführt und sie nach Möglichkeit beherberget, bis endlich beede mit großer Heiligkeit gestorben.

O Argwohn Narrgwohn! Wann wir auch eine Sache sehen, so kanns seyn, daß wir es auch nicht recht sehen. Der König Assuerus hat gesehen den Aman bei dem Bett Esther und darüber einen bösen Argwohn geschöpfet; hat aber nit recht gesehen: Aman leinte sich auf das Bett mit weinenden Augen, und hat die Esther für eine Vorsprecherinn angerufen. Wann wir auch eine Sach' hören, so kanns seyn, daß wir es nit recht hören. Die Juden haben auf dem Berg Calvariä gehört, daß der Herr Jesus »Eli, Eli,[335] lama sabachtsani« geschrien, seynd des Glaubens gewest, als rufe er den Eliam an; haben aber nit recht gehöret. Dann »Eli« war hebräisch, und heißt so viel als: Mein Gott, »lama sabachtsani« seynd zwei syrische Wort, heißen so viel: warum hast du mich verlassen? Wann wir auch eine Sach greifen, so kann es seyn, daß wirs nit recht greifen. Dann Isaac hat die Händ des Jacobs griffen, und hat vermeint, es seyen des Esau seine rauhen Arm, hat auch also im Greifen und Fühlen gefehlt. Was machest du für Gedanken, wann du hörest, der David sey bei einem jungen Mädel von 18 Jahren, mit Namen Abisag gelegen? was Grillen schöpfest du hierüber? Und doch, dein Argwohn ist ein Narrgwohn, massen beede in aller Unschuld verblieben. So richte dann nit so geschwind nach dem Ansehen, weilen der äußerliche Schein so oft betrüget, und da du auch in Allem die Gewißheit einholest, so urthle noch nit, weilen dir die Intention und das Herz verborgen; sondern das Richten gehöret Gott alleinig zu! Quod si dedicisti, vidisti et examinasti, noli judiciare. Christi munus est.

Des starken Samsons Mutter war viel Jahr unfruchtbar, weilen sie aber dessenthalben mit steten Seufzen und Beten zu Gott gerufen, also hat ihr nächtlicher[336] Weil ein Engel angekündt, wie daß sie einen Sohn werde empfangen, welcher mit seiner wunderbarlichen Särke das Volk Israel von dem philistäischen Joch erlösen werde. Wie sie nun zu ihrem Mann kommen, sagt sie alsobald: o mein Schatz, weißt du was Neues? was ich dir nur sagen muß: Vir venit ad me habens vultum angelicum, terribilis nimis: Es ist ein Mann Gottes zu mir kommen mit einem englischen Angesicht, der fast erschrecklich, welcher mir hat angedeutet, daß ich einen Sohn werde bekommen, der ein gesegneter des Herrn wird seyn! – Hierin ist wohl zu beobachten, was das für eine verständige Frau muß gewesen seyn, weilen sie mit so wunderbarlichen Worten solche Erscheinung ihrem Ehegemahl vorgetragen, als sey zu ihr kommen ein Mann mit einem englischen Angesicht, und fast erschrecklich. Dann englisch seyn und erschrecklich seyn wie kommt das zusammen? schön seyn und erschrecklich, wie reimt sich dieses aufeinander? Diese bescheidene Frau hat es mit allem Fleiß gesagt, spricht Cajetanus in Jud., damit sie dem Mann den bösen Argwohn nehme. Dann hätte sie erzählt, wie daß bei ihr gewest ein Mann mit englischer Gestalt und holdseligstem Angesicht; hätte etwann der Mann andere Gedanken gemacht, und vielleicht gesagt: hohl' der Henker den Engel! es mag wohl ein Bengel und nit ein Engel seyn gewest! Wer weiß, ob es nit ein Forastier oder ein[337] anderer Kerl gewest, welcher fremde Lieb gesuchet. Dessenthalben hat die wackere Frau das Wort erschrecklich hinzu gesetzet, damit sie dem Mann allen Argwohn benehme; dann in keinem Stand ist der Argwohn ein größerer Narrgwohn, als in dem Ehestand: da ist ein jeder Funken eine Flamme, da ist ein jeder Splitter ein Rießbaum, da ist ein jeder Zwergl ein Goliath, da macht der Argwohn aus manchem Schauen einen Schauer und grobes Wetter, aus manchem Reden ein Rädern, aus manchem Gang einen Untergang. Der Argwohn macht in allem das Widerspiel, was unser Herr gethan: Christus der Herr hat die Blinden sehend gemacht, der Argwohn macht die Sehenden blind, dann er schafft ihr, sie soll keinen anschauen; Christus der Herr hat die Stummen redend gemacht, der Argwohn macht die Redenden stimm, dann er gebiet ihr, sie soll mit keinem reden; Christus der Herr hat die Krummen und Lahmen grad gemacht, der Argwohn macht die Geraden lahm und krumm, dann er befiehlt ihr, sie soll niergends hingehen, sondern zu Haus verbleiben. O Argwohn Narrgwohn!

Die hl. Ida hat auf eine Zeit, weiß nit was Ursach halber, den guldnen Ring von dem Finger gezogen, und selben auf das Fenster geleget, welchen der Rab, als ein gemeiner Dieb, unvermerkt hinweg getragen, und unterwegs aber wieder verloren. Solchen hat nachmals der Stallmeister, der hl. Idä, als die eine vornehme Dama war, unverhofft gefunden, und weilen ihm ganz unbewußt, wem solcher zugehörig gewesen, also hatte er ohne ferneren Verdacht den guldenen Ring an seinen Finger gestecket. Aber solcher Ring ist[338] ihm nit gering ankommen; dann, sobald dessen der hl. Idä Gemahl ansichtig worden, hat er ohne weiteres Nachforschen gleich das freventliche Urtheil geschöpfet: seine Ita sey Non treu, seine Gemahlinn habe lieber den Stallmeister als den Saalmeister. O Argwohn Narrgwohn! Dieser vor Zorn verblendete Mensch läßt gleich den Stallmeister, ohngeachtet seiner wohlgegründeten Entschuldigungen, einem Pferd an dem Schweif binden, und also jämmerlich zu todt schleppen; die unschuldige Frau Gemahlinn aber von dem Schloß Dockenburg, so auf einem sehr hohen Felsen gebauet, wider alle Bitt und Vorbitt herunter stürzen, welche er ungezweifelt ganz zertrümmert zu seyn vermeinte. Diese aber ist von denen Händen der Engel aufgefangen, und in die Einöde durch Vorleuchtung eines Hirsches geführet worden, allwo sie einen sehr hl. Wandl geführet. Ihren Ehegemahl aber hat die spate Reu getroffen, daß er einen so freventlichen Argwohn ohne ferneres Beweisthum geschöpfet habe.

O Argwohn Narrgwohn! Wie oft folgt das gar zu späte Putavi »ich hab gemeint,« da doch mehrestentheils das Meinen mit dem Fehlen verwandt ist, wie Jakob mit dem Esau. – Judas Iscarioth hat vermeint, die Salbung der hl. Magdalena sey eine Verschwendung, hat aber gefehlt; der Hohepriester Heli hat vermeint, die Anna hab' zu tief in die Kandl geschaut,[339] hat aber gefehlt; die Melitenser haben vermeint, Paulus sey ein Todtschläger, haben aber gefehlt. So, so seynd wir Menschen, wie diejenigen, welche einen üblen, verschleimten und mit Gall verderbten Magen haben. Diesen gedunken auch die süßesten Speisen bitter zu seyn. Also kommen uns oft heilige Werk für heillose Werk vor; und so eine in die Kirche eilet, vermeinen wir, sie gehet zu lieb ihrem Galan dahin. O Argwohn Narrgwohn!

So, so seynd wir, wie diejenigen, welche durch rothe Brillen schauen. Diesen gedunket Alles roth zu seyn, und glauben, ein jeder Müllner trage einen Cardinal-Hut. Also glauben wir auch öfters, Andere seyn wie wir beschaffen: Ein Säufer, so oft er sieht eine rothwälsche Nase, so vermeint er, er sey ein Biberius Mero und kein Tiberius Nero. Ein Verbulter, so oft er ein Paar erblicket miteinander freundlich reden, so vermeint er, sie seyen incorporirt bei der Handelschaft zu Leibzig. O Argwohn Narrgwohn!

So, so seynd wir, wie diejenigen Perspectiv, welche von denen Opticis also formiret seyn, daß sie Alles umgekehrt vorstellen, und wann jemand durchschauet, der vermeint, daß die Leut auf denen Köpfen gehen: Also pflegen wir mehrmalen eine Sach umzukehren, und so[340] wir sehen ein Paar Geistliche in ein Gewürz-Gewölb eintreten, so vermeinen wir, die Pfaffen werden gewiß welschen Wein saufen, da unterdessen die guten Patres ein Oel für die Kirchen-Ampeln abhohlen. O Argwohn Narrwohn!

So seynd wir beschaffen, wie diejenigen, welche zu viel October-Saft eingenommen. Weilen ihnen der Kopf um und um gehet, so vermeinen sie, die Häuser und Thüren gehen gleichmäßig um und um. Also die da mehr ist Helena, als eine Lucretia, mehr eine Putana, als eine Pudentia, eine solche vermeint auch, das ehrlichste Mägdlein sey ihres Glifters. O Argwohn Narrgwohn!

So, so seynd diejenigen, die eine gewisse Sach für anderst ansehen. Es ist eine schwarze Kuh hinter einem dicken Gesträuch gewest, an welcher man fast nichts gesehen, als die Ohren wegen der dicken Hecken. Einer sieht, daß sich das schwarze Ohr immerzu beweget, vermeinet also gänzlich, es sey eine Amsel, zielt, schießt, trifft, und find't, daß er eine schwarze Kuh für einen Vogel geschossen. Ein anderer hat kurz vorhero falsch geschworen, der Teufel soll ihn hohlen, wann es nicht wahr sey; bald siehet er, daß ein rußiger Pfannen- und Kessel-Flicker, welcher eine Stund lang geschlafen, hinter einer grünen Staude hervor kriecht: also hat er festiglich vermeint, es sey der Teufel, deßwegen sich eilends in die Flucht begeben.[341]

Ein anderer hat von weitem etliche Bauern wahrgenommen, und ungezweifelt darvor gehalten, man trage eine todte Leich zur Begräbnuß; wie er aber nähender hinzu kommen, hat er gefunden, daß mitten unter ihnen ein Pferd, und zwar ein Rapp, geführet werde, auf welchem ein Sack voll Mehl geladen, welchen er für eine Todten-Truhe angesehen.

Gleichwie man nun gar zu oft eine Sach für etwas anders, ja, ja, einen Menschen für einen andern anzusehen pflegt, also geschieht nit minder, daß wir oft etwas Gutes für etwas Böses ansehen, und eine Tugend für ein Laster halten, wie dann die boshaften Hebräer dem gebenedeiten Jesu alle seine guten Thaten anderst ausgelegt, und ihn bald für einen Vollsaufer, für einen Samaritan, für einen Teufelskünstler, für einen Aufrührer, für einen Gotteslästerer, für einen albernen und närrischen Menschen gehalten, absonderlich wie ihn Pilatus mit einem weißen Kleid zu Herode geschicket. O Argwohn Narrgwohn!

Nachdem der David die schöne, junge Abigail geheirathet, hat ihm solche das erste Mal einen Prinzen geboren, welcher aber wegen ungeformter Leibsgestalt und groben Gebärden nit an einer Ader dem David gleichte. Er hatte einen großen Schädel, wie ein Sau-Kürbes; er hatte ein Paar Augen, wie ein abgestochener Bock; eine Nase, wie eine Meerkatz; das Maul war so groß, daß der Kopf selbst in der Forcht gestanden, er möchte heraus fallen; der andere Leib war ebenfalls krumm und plump: daß also die[342] Hof-Herren und Bedienten diesen großmauligen Prinzen für einen adelichen Lümmel gehalten. Ja der Argwohn bei Hof war bereits schon gemein, weilen dieser Sohn dem David so gar nit gleich scheinete, als habe dem König ein Roßstriegler eine cornelische Parocke aufgesetzet, oder welches vermuthlicher: der Abigail voriger Mann, der ohnedas ein grober Rülpes war, sey Vater gewest dieses Prinzen etc. Dem frommen David verursachte solcher öffentlicher Argwohn sehr melancholische Gedanken. Nachdem er nun solches eiferigst seinem Gott überlassen und anbefohlen, hat er auf einen Tag den gesamten Hofstaat in einem großen Saal zu erscheinen befohlen, nachmalens mit diesem ungestalteten Prinzen Daniel in die Mitte getreten, voll der Zuversicht zu dem allmächtigen Gott in diese Wort ausgebrochen: Ostendat Deus per evidens signum, cujus iste puer est filius! »Gott wolle es durch ein scheinbares Zeichen offenbaren, wessen Vaters dieser, Sohn sey!« Hierüber ist alsobalden ein sonderer schöner, lichter Glanz von oben herab in das Angesicht dieses Prinzen gefallen, welcher dessen Angesicht also wohlgestaltet gemacht hat, daß ein jeder vermeinte wegen der großen Gleichheit, er sey von seinem Herrn Vatern dem David herunter geschnitten. Sie aber alle mußten bekennen, daß sie dießfalls grob haben aufgeschnitten, und ihr Argwohn ein Narrgwohn worden.

Dergleichen Affen- und Aftergedanken und Spottreden[343] seynd öfters anzutreffen, und glauben etliche eifersüchtige Gipfel, es müsse allemal ihr Weib auf einem andern Markt eingekramt haben, so oft ein Kind ihnen nicht gleichet. Der Argwohn bildet ihnen vor, diese Copei gehöre ihnen nicht zu, weilen sie dem väterlichen Original nicht gleich scheine. Dessentwegen hat auch der gebenedeite Jesus ein ganz ähnliches und gleiches Gesicht angenommen, wie sein Nähr-Vater Joseph, damit nur die seligste Jungfrau bei den Hebräern in keinen Verdacht komme.

Ein gewisser Herr zu Wien hatte seine Frau in großem Verdacht, und glaubte kräftig, er sey nicht Vater zu dem Kind, welches die unschuldige Frau geboren. Solchen bösen Argwohn stärkten ihm etliche bösen Leut, welche mit vielen Beweisthumen die Frau für schuldig erkenneten. Derentwegen der Herr seine Klag beigebracht in dem wienerischen Consistorio vor dem Offizial und geistlichen Obrigkeit, welche aber in einer so zweifelhaftigen Sach nit ein gähes und unbesonnenes Urthl wollten fällen, sondern haben in den Rathschlag gezogen den h. Mann Capistranum welcher dazumalen in Wien sich aufgehalten. Wie nun dieser erleuchte Mann samt dem Herrn, seiner Frauen und etlich Wochen alten Kind erschienen, hat er durch sondere göttliche Eingebung die gethane Klag weiter[344] nit wollen anhören, sondern gleich das unmündige Kind befraget, wer sein Vater sey? Dem mit höchstem Wunder aller Umstehenden das etliche Wochen alte Kind geantwortet: Dieser ist mein rechter Vater, welcher meine Mutter in einen Verdacht gesetzet.

O Argwohn Narrgwohn, wie oft bist du schon angeloffen? Gott hat dem Mosi anbefohlen, er soll keinen zum Priester und Kirchen-Dienst nehmen, der eine große Nase hat. O wie mancher ist schon durch den geschöpften üblen Argwohn mit einer großen Nase gestanden! Der König Saul hat vermeint, den David mit der Lanze wohl zu treffen, – hat aber gefehlt. Ein mancher vermeint, er treffe es gar wohl durch seinen Argwohn und Urthel, – befind't doch letztlichen, daß er weit fehle. Putiphar hat gar zu leichten Glauben gegeben seinem saubern Weib, und aus dem Mantel geargwohnet, der Joseph sey ein freches Bürschel, – hat dannoch grob gefehlt. Wann du wärest gegenwärtig gewest, wie der Moses noch ein junger Mensch die schöne Tochter des Jethro beschützet, und ihrenthalben herum gebalgt mit denen groben Hirten, welche dem sauberen Weibsbild viel Ungelegenheit gemacht, was hättest du gleich für einen Argwohn geschöpfet? Holla, der Kerl ist mit diesem Geflügelwerk interessiret! Ein Wälscher, der vor andern in dergleichen Sachen argwöhnisch, der hätte gedacht: Senza fallo, si Sarà incapricciato[345] di Lei. O Argwohn Narrgwohn! Er hat das gethan aus göttlicher Eingebung.

Joseph hat fast ein lächerliches Spiel mit seinen Brüdern, die ihn nit erkannten, angestellt. Wie diese Gesellen kommen, um ihr baares Geld Treid einzukaufen, hat er, Joseph, den Befehl geben, daß man dero Säck mit verlangten Früchten anfülle; in aller Geheim aber hat er geschafft, daß man seinen silbernen Becher in den Sack des Benjamin, als des allerjüngsten, verstecke, dem auch also die Bedienten nachkommen. Als sich nun diese Söhn' des Jacobs beurlaubet, und ihren Weg anheim genommen, haben einige hierzu verordnete Hof-Bedienten ihnen auf das schleunigste nachgejaget. So bald sie deren seynd ansichtig worden, Holla, hat es geheißen, haltet still! seyd ihr ein solches liederliches Gesindel, wie habt ihr euch freventlich dörfen unterstehen, unserm gnädigsten Herrn seinen silbernen Becher zu entfremden? haltet still! machet die Säck auf! bei welchem Dieb – laßt sehen – werden wir den Becher finden? Die armen Tropfen haben gezittert, als wie der Schweif einer Bachstelze. O – o – mei – mei – meine He – He – Herren ve – ve – verzeiht uns, es geschieht uns dießfalls wohl O – O – Ohnrecht; unser Vater hat redliche Kinder erzeuget, wir wollten ihm in diesem seinen so großen Alter keinen Spott nit anthun! Es ist schon genug, daß ein Galgen-Vogel unter uns gewest ist, nemlich der Joseph (habt euch wohl befirneißt). Nachdem[346] nun alle Säck fleißig durchsuchet worden, ist endlich der silberne Becher gefunden worden in dem Sack des Benjamin. Da soll einer gesehen haben, wie dieser fromme Joseph-Bruder bis in das Maul hinein erbleicht ist, massen er auch keine rechte Entschuldigung konnte vorbringen. Diese werden hierüber in Verhaft genommen, und vor den Vize-König, den Joseph, gestellet.

Unterwegs waren sie ganz rasend und tobend wider den Benjamin; ja so sie gedörfet, hätten sie diesen jüngern Bruder lieber mit Zähnen zerreißen mögen. O henkermäßiger Dieb! sagten sie, du, du, du, verruchter Bösewicht, was hast du uns dermalen für einen Handel zugerichtet? du thuest uns diesen Spott und Schand an? du bist wohl ein rechtes Mutter-Kind; dann deine Mutter die Rachel hat auch ihrem Vater Laban die guldenen Götzenbilder gestohlen, in diesem artest du ihr ganz nach. Dergleichen Wort gebrauchten sie wider den Benjamin. Aber was ist endlich für ein Ausgang erfolget? Alle seine Brüder haben ihn für einen Formal Becher-Dieb gehalten: Dieb, Dieb, Dieb! hat es alleweil geheißen. Aber es ist ihm gleichwohl Unrecht geschehen, er war allerseits ganz unschuldig. Denn Joseph selbst hat in der Still befohlen, solchen Becher in des Benjamin Sack zu stecken. Seynd also die Urthel der andern Brüder betrogen gewest. Wann wir also die Sach zuweilen so gewiß glauben, daß wir darauf zu sterben gesinnet wären, so können wir dannoch noch irren, wie[347] diese Brüder. So lang können wir fehlen, wie lang wir das Herz und seine Beschaffenheit nicht kennen. Dieses aber ist alleinig Gott dem Herrn vorbehalten, und nit dir, oder mir elenden Erdschrollen. Er, er wird kommen zu richten die Lebendigen und Todten, und nit du. Nolite judicare!

Es ist nit allzeit wahr, daß die Bauren seyn böse Lauren, so lang sie dauren; massen auch heilige Bauersleut, und deren nit wenig angetroffen werden. Fortunatus ein heil. Ackersmann, Isidorus ein heil. Ackersmann, Oelbertus ein heil. Ackersmann, Lambertus, Leontius, Hilarius, Theodulphus, Spiridon, Miro, Theodosius etc. lauter h. Bauren, dergleichen auch einer in dem gelobten und geliebten Land Bayren zu finden. Zwischen Ingolstadt und Neustadt liegt jenseits der Donau ein Marktfleck, Namens Voburg. Eine halbe Meil von dannen wohnte ein Bauer in einer Einöde, wohl versehen mit Aecker, Gründ und Wiesen, forderist aber mit einem frommen Weib, welches unter dem Glück nicht das wenigste, denn man öfters bei dergleichen Leuten das 2 als das 1 zählet; dahero kommt es, daß die mehresten Weiber gebenedeiet seyn. Dann ist der Feigenbaum auf dem Weg deßwegen vermaledeiet worden, um weilen er keine Feigen getragen, so seynd die mehresten Weiber gebeneidet, weilen sie immerzu Feigen tragen, aber nur Ohrfeigen. Dergleichen Zwiespalt war niemals bei gedachtem Ehevolk, sondern sie lebten in größter Einigkeit und Heiligkeit, hielten auch eine so wachtsame Zucht unter ihren Kindern, daß solcher Baurenhof einem wohlbestellten Kloster gleich[348] sah, und könnte dieser Bauer besser Caelicola als Agricola genennet werden. Weßwegen er zu Voburg ganz bekannt, und bereits den Namen hatte der fromme Baur. Weilen aber Gott gemeiniglich die Seinigen mit dem Kreuz X bezeichnet, und Jesus nit viel anderst macht, als die Jesuiter, welche mehrerntheils diejenigen Knaben beschenken, so da ihr Argument nit allein activè machen, sondern auch passivè: also seynd bei Jesu forderist diejenigen wohl daran, welche nit allein activè in vielen guten Werken sich üben, sondern auch passivè viel Drangsal mit beharrlicher Geduld ausstehen. Auf gleichen Schlag hat Gott dem frommen Bauren lauter trübe Wetter zugeschicket, und ihm erstlich seine liebe Ehewirthinn durch einen unverhofften Tod hinweg genommen, nicht lang hernach auch seine frommen und wohlerzogenen Kinder. Aber alles dieses war dem frommen Bauren ein mehrerer Anlaß zu größerer Vollkommenheit: wie er dann kurz hernach seinen Baurenhof samt denen darzu gehörigen Gründen verkaufet, das Geld unter die armen und nothleidenden Menschen und Bettler ausgetheilt, sich aber nichts anders vorbehalten, als eine kleine enge Hütte, worinnen er wie ein Einsiedler gelebet, dem Gottes-Dienst zu Voburg allemal eifrigst beigewohnt, und durch freiwillige Armuth das tägliche Brod von Haus zu Haus gesammlet – wie dann die[349] Burger allda sich absonderlich glückselig schätzten, so sie diesen h. Mann mit Brod, Eier, Butter, und dergleichen konnten versehen. In Summa, der Bauer hatte in der Nachbarschaft den Ruhm und den Namen eines Heiligen. An einem Sonntag haben die Innwohner besagten Marktflecks wahrgenommen, daß ihr lieber alter Tättl nit in der Kirche; welches bei ihnen sorgfältige Gedanken veranlasset, als ob er vielleicht mit einer gähen Krankheit wäre überfallen worden. Schickten demnach einige hin, die Gewißheit einzunehmen und den Kranken mit besseren Speisen zu bedienen. Weilen aber solche die Antwort zuruck gebracht, wie daß des Alten seine Hütte stark wäre verrieglet, also ist männiglichen der fromme Gedanke eingefallen, ob wäre der h. Mann anderwärts hin, Andacht halber, Kirchfahrten gangen. Indem man aber weder den folgenden Tag, noch auch über 14 Tagen den Alten nit mehr in der Pfarrkirche zu Voburg wahrgenommen, auch von keiner Wiederkehr höreten, also ist durch gemeinen Rathschlag beschlossen worden, die Hütte mit Gewalt zu eröffnen, sorgend, der liebe und alte Tättl möchte von gähem Tod seyn überfallen worden. Bishero ist dieser Bauer allezeit fromm, gottselig, vollkommen, tugendsam, eifrig, demüthig und heilig gehalten worden. Aber Geduld eine kleine Weil, du wirst bald einen andern Nachkirchtag erleben! So bald man die Hütte mit sonderem Gewalt aufgesprengt: Auweh! da hangte dieser Alte an einem Traim oder Balken, schon halbentheils verfault, mit[350] einem so traurigen Spektakul, daß die Augen und die Nasen hierüber ein Grausen gefaßt. Ho, Ho! anjetzo kommts heraus, sagen die Umstehenden; es ist wohl nichts so klein gespunnen, es kommt an die Sonnen. Jetzt siehet man den Betrug des alten Diebs, da erfahren wir seine Heiligkeit, ist das nit ein schönes Miracul? hat man doch andere Heilige auch öfters von der Erde verzuckt gesehen! Ei daß man ihm nicht den Schein auf den Kopf mache! Er hat das Almosen gesammlet nit aus freiwilliger Armuth, sondern aus Faulheit und Müssiggang. Jetzt hat sich der alte Schelm selbst, wie ein Judas erhenket. Ja, sagt manche Burgerinn zu Voburg, dem alten Dieb hab ich wochentlich Butter und Eier gegeben, daß ihms der Henker geseng! – Diese Sach wird dem Magistrat angedeutet, welcher dann ohne ferneren Verzug dem Scharf-Richter Befehl geben, er soll dieses Aas unter den Galgen und Hochgericht begraben, welches auch geschehen. O wie ist des Menschen Urthl so geschwind und blind! wie oft betrügt uns das äußerliche Ansehen! Nach einer geraumen Zeit war der gewöhnliche Jahrmarkt in diesem Voburg, worzu absonderlich die Bettler eilten. Unter anderen war ein blinder und in dem Markt gar wohlbekannter Bettler, welcher im Vorbeigehen des Hochgerichts, weilen daselbst die gemeine Straße, augenblicklich ist sehend worden. Und als man ihn befragte, wann, wie, wo er das Gesicht wieder bekommen, gab er die Antwort: bei dem Galgen. Ein anderer, an beeden Füssen krummer und elender Tropf, so bald er neben dem Gericht kommen, ist er ebenfalls augenblicklich gerad[351] worden, und mit gleichen Füssen in den Markt gerennet. Als man ihn auch derenthalben befragt, wo er seine geraden Glieder wieder bekommen, antwortet er: beim Galgen. Es läßt sich der dritte Bettler, der zuvor am ganzen Leib presthaft war, auch frisch und gesund sehen; sagte gleichfalls nicht anderst, als daß er auch sey gesund worden bei dem Galgen. Diese alle werden hernach aus Befehl des Magistrats ermahnt, sie sollen es eidlich aussagen, und den Ort weisen, wo sie dergleichen Gutthaten durch ein Wunderwerk erhalten. Und hat man in aller Wahrheit befunden, daß eben jener Ort es sey, wo der erhenkte Bauer begraben worden; welches dann wiederum den guten Namen des des alten Tättls erneueret, und hat man bei währender Marktzeit nichts als das Lob dieses gottseligen Manns gepriesen, auch nit mehr den Argwohn gehabt, als hätte er sich selbst aus Verzweiflung erhenket, sondern die Sach müsse sich weit anderst verhalten, welches Gott zu seiner Zeit eröffnen wird.

Unterdessen waren auf diesem Markt zwei Bösewicht, welche mit fünf Finger anstatt fünf Groschen wollten einkaufen, gefänglich eingezogen, welche ohne weiteren Zwang aus lauterm Antrieb des nagenden Gewissens nit allein viel Diebstahl bekennt, sondern auch die Mordthat dieses unschuldigen alten Tättls, in der Meinung, einiges Geld bei ihm zu finden. Diese wunderliche Geschicht wird mit allen gehörigen Umständen zu dem Bischof nach Regensburg bericht, welcher dann mit der ganzen Klerisei bald hernach, den unschuldigen Leichnam von diesem schimpflichen Ort genommen, und selbigen zu Voburg in der Spital-Kirche[352] mit großem Gepräng und Zulauf des Volks andächtig beigesetzet, allwo durch die Verdienst dieses h. Mannes Gott bishero viel Wunder gezeiget.

O Argwohn Narrgwohn! Aus dieser Geschicht erhellet so klar, daß des Menschen Urthl mehrentheils auf Stelzen gehe. Wir seynd nicht um ein Haar besser, als jener Blinde, dem der Herr Jesus mit so wunderlichen Ceremonien das Gesicht wiederum erstattet. Dann als solcher Anfangs von dem Heiland befraget worden, was er sehe? gab er die Antwort, wie daß ihm die Leut wie die Bäume vorkommen. »Video homines velut arbores ambulantes.« Wie oft geschieht es, wann wir einen sehen wohlbekleid't daher gehen, daß er uns vorkommt, wie ein Oel-Baum, und urthlen gleich, der Gesell bereiche sich mit lauter Smiralien! wie oft kommt es, so wir einen wahrnehmen, daß er etwann roth im Angesicht, daß er uns vorkommet, wie ein Birken-Baum, und urthlen stracks, der Kerl hab das Weinfaß so lieb, wie die Birken, welche immerzu mit ihren Reisen das Weinfaß umarmet. Wie oft weiß man, da uns einer begegnet in einem schlechten Aufzug, daß er uns vorkommt, wie ein Nespel-Baum, und urthlen geschwind, dieser Mensch hab derenthalben nicht viel zum besten, weilen er wie die Nespel sich auf die Faulheit begiebet. Wie manchesmal trägt es sich zu, wann wir sehen einen mit einer jungen Frauen reden, daß[353] er uns vorkommet wie ein Buchs-Baum, und urthlen gleich, er handle mit Löfflen. Wie oft geschieht es, daß wir einen sehen in einem schönen taffeten Kleid, daß er uns vorkommt wie ein Maulbeer-Baum, und urthlen bald, dieser Gispel thut zu Haus nur schnarmaulen, und henke sein Sach alles auf die Seite. Wie oft weiß man, so uns ein Edelmann unter das Gesicht geräth, daß er uns vorkommt, wie ein Holder-Baum, und urthlen alsobald, er purgier seine Bauren, daß nit ein Heller bei ihnen bleibe. Video homines velut arbores. Aber wie oft, wie oft ist solches unser Urthl falsch und sündhaft!

Zu dem h. Petrum Dominicaner Ordens seynd nächtlicher Weil 3 schöne Frauenzimmer in die Zelle kommen, und mit ihm ein freundliches Gespräch gehalten. Das hat einer und der andere wahrgenommen, und solches vor die Obrigkeit gebracht. P. Prior, sagten sie, wir haben einen saubern Peter im Kloster: zu dem h. Apostel Petro malet man gemeiniglich einen Hahn, zu unserem Peter aber soll man eine Henne malen; er hat bei der Nacht Weibsbilder bei sich. Was? Weiber? Si – si – fort mit ihm, auf solche Weis' ist Petersil ein Unkraut! Ach Menschen-Urthl, wie seyd ihr halt so wurmstichig! Dieser h. Mann war die Unschuld selbsten, und diejenigen, so ihm die Visita gegeben, seynd nicht gewest verdächtige Frauen, sondern heilige und glorreiche Jungfrauen aus dem Himmel![354]

Die Kloster-Jungfrauen haben Magdalena de Pazzis wirklich ertappet, wie sie in Abwesenheit der Köchinn eine ziemliche Portion Fleisch aus dem Hafen gefischet, welche sich doch immerzu stellte, als faste sie im Wasser und Brod. Aber auch ihre Urthl waren dießfalls nit recht, ob sie es schon mit Augen gesehen; dann der böse Feind hat die Gestalt dieser Heiligen an sich genommen, und hierdurch sie vermeint in ein übles Geschrei zu bringen. Der h. Kaiser Henrich hat mehrmalen beobachtet, daß wackere Soldaten-Offizier aus der Schlaf-Kammer seiner Frau Gemahlinn Kunegundis heraus gangen, welches ihm Anlaß gegeben zu einem üblen Verdacht und Argwohn; hat aber dannoch geirret, massen dieses auch der Lucifer gewesen, welcher die löblichste Einigkeit dieser zwei kaiserlichen Ehe-Consorten wollte und suchte zu zertrennen.

Zur Zeit der h. Lidwinä hat eine kranke und schon fast in Zügen liegende Person das Crucifix, so man ihr immer vorgehalten, immerzu mit zornigem Angesicht angespiben, woraus jedermann geurthlet, daß dieser verzweifelte Brocken in die Höll gehöre. Aber weit gefehlt der Menschen Meinungen! Nachdem diese durch das vielvermögende Gebet der h. Lidwinä wieder zur Sprach und Besserung kommen, hat sie bekennet, wie daß der leidige Satan sich immerzu habe vor das Crucifix-Bild gestellet, und alleweil gesucht, daß er anstatt Christi möchte geküßt werden. Dergleichen[355] öftere Geschichten verbieten uns ja gnugsam, daß wir nit freventlich urthlen sollen von unsern Nächsten.

Achilles Statius Lusitanus schreibet, daß Anno 1579 sey ein Geistlicher gewest, welcher mehr lebte saumselig als gottselig; er war öfter in Foro als in Choro lieber in Refectorio als in Oratorio, viel geschwinder zum Vinum als zum Matutinum etc. Nachdem solcher tödtlich erkranket und bereits in das Sterb-Stündlein kommen, hat er sich gar nit viel entrüstet wegen des Tods, sondern immerzu gelacht. Der Obere spricht ihm ernsthaft zu, er wolle doch um Gottes Willen das Heil seiner armen Seele besser in Obacht nehmen, und sich erinnern, was er für einen saumseligen Wandel habe geführet. Dieser schmutzet nur immerzu, in welches sich die umstehenden Mönich gar nicht konnten schicken. Hat auch wohl einer oder der andere gedacht, mit dem Pfaffen werde der Teufel wohl haben zu schaffen. Endlich fängt dieser an zu reden: Wahr ist es, sprach er, daß ich bishero in dem Dienst Gottes und geistlichen Verrichtungen ziemlich saumselig mich verhalten, wessenthalben mir kurz vorhero die Engel ein großes Buch vorgetragen, worinnen alle meine begangenen Sünden und Unvollkommenheiten verzeichnet waren, die ich von Anfang meiner Profession gethan habe. Nachdem ich aber denen Englen beigewendt, wie daß ich niemalen,[356] so lang ich im Kloster war, habe einigen Menschen übel geurthlet, und mich also auf die Parola und Wort unsers Herrn verlassen, er werde hoffentlich sein Versprechen halten, indem er gesagt: Nolite judicare, et non judicabimi: »Richtet nit, so werdet ihr nicht gerichtet werden!« sobald ich solches dem Engel vorgetragen, haben sie darauf das ganze Register meiner Sünden zerrissen, und also fahr ich in größter Sicherheit und Zuversicht zu meinem Jesu. Starb also selig. Willst du diesem nachfolgen? Viel Glück auf den Weg! am jüngsten Tag werden wir mit Verwunderung sehen, wie der Menschen Argwohn ein Narrgwohn gewesen sey!

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 2, S. 322-357.
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