Ob der Todt gewisse Vorbotten nach Wienn geschickt / vnd seiner Ankunfft erinnert?

[30] Ehe vnd bevor der gantze / Verlauff der leydigen Sucht weitläuffiger vor Augen gestellt wird / scheint nothwendig zu wissen / ob nicht gewöhnliche Zeichen seyn vorbey gangen / auß dem man ein Pest zu Wienn vermuthen hat können. Solche Zeichen werden gemeiniglich in viererley außgetheilt / benantlich in lufftige / wassrige / jrrdische[30] vnd himmlische / den himmlischen werden zugeeignet die vnglückhaffte Aspecten vnd schädliche zusammen Gesellungen der Gestirn /wie auch die traurige Cometen / welche sonst gewöhniglich warhaffte Vorbotten der Pest abgeben / wie dann Anno 1618. ein Comet erschienen / warauff vnterschiedliche Pestilentz erfolgt seyn. Anno 1006. hat sich ein Comet gezeigt / nach welchem ein allgemeine Pest / die gantze Welt durchstrichen. Anno 1582. führte der Comet mit sich im Majo / zu Prag /in Thüringen / Niederland / vnd andern Orthen ein so reissende Pestilentz / daß selbige in Thüringen allein 37000 / in Niederland aber / 46415. auffgerieben: Das ein Comet allhier vmb diese Zeit seye erschienen / wird es niemand mit Warheit können behaubten; Das aber eine schädliche Conjunction der Gestirn von oben herab diß Jahr seye gewest / hat es ohnlängst ein berühmtister Medicus in einem [31] Tractatl sattsamb erwiesen. Was die Lufftzeichen anbelanget / seynd diese die vnbeständige Gewitterung der Zeiten / Sudwindige Constitution, überhäuffige Regen / an deme allen diß Jahr kein Abgang gewest / so werden auch die stinckende Nebel beschuldiget / als ob sie die Pest verkünden / deren zwar etliche verwichenen Herbst seynd vermerckt worden. Meinem Sinn nach wird die Pest verursachet nicht allein durch die Nebel / sondern auch durch gottlose Nebulones.

Wåssrige Zeichen seynd gemeiniglich die gähliche Uberschwemmung der Flüß / Item die Bronnen /wann sie in laimichte vnd trübe Schleiff-Wasser sich verkehren / nachmals seynd gewisse Vorbotten die Fisch vnd Krebs / wann sie ihre Wåsser vnd Löcher verlassen / vnd sich auff die Gståtten retiriren / auch so man in grosser Menge die Frösch vnd Kroten siehet. So ist aber auch gewiß / wañ man bey den Tribunal[32] mit faulen Fischen vmbgehet / wann die allgemeine Tugenden den Krebsgang nehmen / wann man in allen finstern Winckel vnd Wirthshäusern leichtfertige vnnd vnverschamte Krotten antrifft / daß Gott gemeiniglich hierauff ein Pest schicket.

Irrdische Zeichen seynd die vngewöhnliche Unfruchtbarkeiten der Erden / vnd Mißwachs der Bäum /Saat / vnd Weinstock / Item die Erddeben / mehr /wann die Frühlings Blumen vnd Kräutl im Herbst wider blüen vnd grünen / wann die grosse Zahl der Heuschrecken / Keffer / Weinfalter vnd Mäuß die Erden-Gewächs allenthalben abätzen. Man kan es nicht laugnen daß nicht dieses Jahr ein ziemliches Mißgewächs vmb Wienn seye gewest / absonderlich deß lieben Gedrayts / so hat man auch vnzahlbahr mehr Schwammen / Maurachen / vnd dergleichen Stieffgwächs der Erden gefunden / als andere Jahr. Es ist aber[33] zu wissen / daß nicht allein viel Mäuß sondern auch viel lasterhaffte Mäußköpff ein Pest vorkůnden / Item wann die Kräuter Bocksbarth / Saublumen / Mertzenbecher / Frauenmůntz / Penglkraut / in der menge wachsen / man versteht es schon / was dardurch verstanden wird / alle diese seynd gar offt Vorzeiger der Pest.

Uber das gibts andere Zeichen / die gemeiniglich einem Sterbend vnd Pestilentz vortretten / als da seynd die vilfältige Chasmata oder Stern Geschoß. Also hat man Anno 1538. in Schwaben / Schweitzerland vnd Bayern mit Zufäll einer vnerhörten Colica ein strenge Pest außgestanden / vnd soll diese von dergleichen Stern-Geschoß seyn vor bedeut worden. Anno 1536. hat man in Ungarn dergleichen Stern-Geschoß wahr genommen / welche in Form einer Zungen mit schwartzen Tipfflein gezeichnet warẽ. Vmb Wieñ herumb haben die gemeine Leuth absonderlich[34] die Hüter in den Weingarten Eydlich betheuret / wie daß sie vmb diese Zeit vielfältige dergleichen Chasmata haben wahr genommen. Daher gehört auch diß / so man bey nächtlicher Weil ein Weinen vnd Wehklagen höret / welches an vielen Orthen der glaubige Pöbel die Klag / in dem Saltzburgerland aber die gemeine Leuth den Todt vnnd die Tödtin nennen / die Erfahrnuß gibts / daß dergleichen Ding / es sey was es wolle / einen Sterbend ansagen / wie Andreas Gallus tract. de pest. fasc. 3. Meldung thut. Deßgleichen hat man auch beobacht / wann die kleine spielende Kinder auff der Gassen neben ihren Stecken reithen / vnd Häusel bauen / zu weilen Leicht Begegnuß vnd Leicht Procession führen / daß solche Kinderspiel gemeiniglich ein Trauerspiel vorgebildet / dem man kein gewisse Ursach / sonder nur die Erfahrnuß beymesset; Von dergleichen weiß man allhier[35] nichts zu schreiben noch schreyen / auch hat sich kein Prophet angemelt / der dieses ankommende Ubel hätt verrathen / ob zwar das benachtbarte Königreich Ungarn / so starck mit dieser würcklichen Seuch angesteckt war / die Stell einer Sybilla vertretten / so hat aber der Allwissende GOTT durch seine vnergründliche Urthel solche Prophezeyung bey vns verächtlich gelassen / zweiffelsohne /damit destomehr seine genaue Gerechtigkeit ihren Lauff gewinne. Wunderseltzam ist doch / was etliche glaubwürdige haben außgesagt / auß denen einer in seinem Sterbstündl durch ernstliches Befragen deß Beichtvatters hoch betheuret / vnd auff solche Zeugnuß auch zusterben begehre / wie daß er neben einen andern / gewissen Geschäfften halber seye gewest / in dem nechst an Wieñ entlegenen Flecken Herrnalß /vnd sich allda wieder seinen Willen etwas verweilet /daß er also von der Nacht überfallen /[36] den Ruckweeg muste in der Finster nehmen / gleichwohl aber der bleiche Monschein / so dazumahl in vollem Liecht ware / verwandlete die Nacht in einen hellen Tag /vnd kennte er alles so augenscheinlich abnehmen /daß er ihme auch einen Brieff zu lesen getraute; da habe er gehört / seye auch deßwegen lang still gestanden / an einen wohlbekanten Feldplatz eine klägliche Music / also / daß vielerley traurige Stimmen vntereinander gantz kläglich intonirten vnd wiederholten folgende Worth: Placebo Domino in Regione Vivorum: Welche Wort sonst die Catholische Kirch in den Leichbegängnussen zu singen pfleget; vnnd siehe! nicht lang hernach hat die Pest eingerissen /vnd hat man vnbewust alles dessen an demselbigen Orth / wo solche Klag-Music gehört worden / eine Gruben gemacht / warinnen etlich tausend begraben liegen / dieses ist von etlichen mehr wahr geno en worden /[37] denen aber die Lateinische Sprach vnbekannt / vnd also solchen Vers. nicht verstunden; Ich setze an solchem Geschicht kein einigen Zweiffel /vnd glaube gäntzlich / daß noch andere mehr Zeichen seyn vorbey gangen / deren der Pöbel viel bey bringet / solche aber allhier nicht habe setzen wollen / auß Ursachen / weilen gar offt in dergleichen Begebenheiten einige Unwarheiten einschleichen: wahr ist es /daß der gütigste GOtt gar offt durch gewisse Vorbotten die grosse Vbel pflegt anzukůnden: Gleichwohl nicht ein geringen Trost soll es allen seyn / weil obberührter Versicul Placebo Domino von einer vnsichtbahren Todten-Music ist wargenommen / als habe der barmhertzigste GOtt den mehristen Theil Menschen geseeligt / vnd die Abkürtzung der zeitlichen Täg mit dem ewigen Leben ersetzt / wie dann offenbahrt worden / das / als Anno 1489. zu Brüssel drey vnd dreyssig tausend Menschen an[38] der Pest gestorben / alle seyn seelig worden / aufgenommen zwey / deren einer an der grundlosen Barmhertzigkeit verzweiffelt / der ander die nothwendige Beicht vnd Sacrament der Buß freywillig vernachlässiget. Pedag. Chris. tom. 2. p. 1. c. 14. n. 6.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Mercks Wienn. Das ist des wütenden Tods ein umbständige Beschreibung [...], Wienn: Peter paul Bivian; der Löbl, 1680 [Neudruck: Tübingen: Niemeyer, 1983, [Deutsche Neudrucke: Reihe Barock; 31], S. 30-39.
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