[Ich rede nicht wie vor so frey]

[266] Ich rede nicht wie vor so frey/

Mein Auge klebt der Erden an/

Und findet sich mit Furcht herbey/

Wo man dich/ Nimphe/ schauen kan;

Verbrochne Seufftzer und gestohlne Blicke

Sinds/ die ich dir/ mein Kind/ entgegen schicke.


Der strengen Auffsicht scharffe Wacht/

Die Neyd und Eyfer um uns stellt/

Nimmt ein iedweders Wort in acht

So uns von ungefähr entfällt/[266]

Heist unsre Unschuld stets in Sorgen stehen/

Und zwischen Dorn und Eiß behutsam gehen.


Die schlimme Welt denckt/ Ich und Du

Müß ihr an Boßheit gleiche seyn/

Dringt sich mit schälem Aug herzu/

Greifft unsern keuschen Freuden ein/

Und wolte gern/ was sie nicht kan genüssen/

Auch andern ohne Schuld verboten wissen.


Zwar wehe thut der schwere Zwang/

Zu dem man uns verbinden will;

Jedoch wird solcher Uberdrang

Auch haben sein gestecktes Ziel.

Der Tugend reines Kleid kan nichts beflecken;

Die Zeit wird unser Recht der Welt entdecken.


Der beste Rath ist hier Gedult:

Bleib mir beständig/ wie du bist/

Ich lebe dir in stillem hold/

So brechen wir der Feinde List.

Wenn Redligkeit sich kan zun Sternen heben/

Muß der Verleumder Maul im Kothe kleben.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 266-267.
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