[Was zwingt die Liebe nicht? Cupidens List und Macht]

[306] Was zwingt die Liebe nicht? Cupidens List und Macht

Hat manchen Jupiter in seine Netze bracht.

Gradivens kühner Leib in Stahl geschlossen ein

Kan für den Waffen nicht der Venus sicher seyn.

Der Schönheit brennend Glantz verstärckt das helle Licht/

Im fall sein Gegen-Schein auff festen Stahl gericht/[306]

Kein Hertze findet sich so eisenhart und kalt/

Sie bildet in ihm ab die liebliche Gestalt

Des Schönen Angesichts/ und heget/ wo nicht Brunst/

Doch eine stille Glutt und zugethane Gunst.

Des Menschen Eigenschafft/ des Menschen Sinn und Stand/

Die Ordnung der Natur bringt mit sich solchen Brand/

Den ein verliebter Geist in allen Adern fühlt/

Mit steter Gegenwart zu neuem Zunder kühlt.

Nicht lieben/ was man doch für Liebens würdig hält/

Ist eine Sache/ die zu schwer dem Willen fällt;

Dem Willen/ welcher diß zu haben ist bedacht/

Was ihm der Sinnen Schluß als liebbar vorgebracht.

Diß Lieben/ was sich uns als unser Bildniß zeigt/

Ja näher als ein Bild zu unsrer Gleichheit neigt/

Ist unsre von Natur verpflichte Schuldigkeit/

Die uns/ und was uns gleicht/ zu lieben selbst gebeut.

Zu dem noch die Gewalt des Gegenstandes kümmt/

Die durch verborgnen Zug uns unsre Freyheit nimmt/

Und mit dem Wercke selbst bezeugt vor iedermann:

Die Frauen-Liebe sey der Männer ihr Tyrann.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 306-307.
Lizenz:
Kategorien: