Die Verliebte und Betrübte

[313] Betrübte Nacht/ in der mich Furcht und Schrecken

Ohn Unterlaß von meiner Ruhe wecken/

Wenn kömmt ein mahl die lange Mitternacht/

Die meiner Pein ein endlich Ende macht?


Du gehst vorbey/ mein Leyden bleibt zurücke/

Die Stunden fliehn/ doch nicht mein Ungelücke.

Dein kühler Thau erfrischt den trocknen Klee/

Mich überschwemmt der Thränen heisse See.


Es ruht die Welt in sanfften Schlaff gewieget/

Wenn meine Seel in tausend Aengsten lieget/

Ich werffe mich mit Seuffzen hin und her/

Das leichte Bett ist mir als Bley zu schwer.


Die stille Glutt durchkocht die dürre Seele/

Das Hertze brennt wie Etnens Schwefel-Höle/

Mein Wange zeigt der rothen Flamme Schein/

Wird aber bald voll bleicher Asche seyn.


Kein schwerer Traum darff mich bekümmert machen/

Ich habe Qual genung bey hellem Wachen.

Mein Leben ist ein Traum und Gauckel-Spil/

Damit mich Glück und Zeit bethören will.


Komm/ blasser Mond/ und leuchte mir zu Grabe/

Da ich forthin die beste Ruhstatt habe.

Erreich' ich gleich des jungen Tages Licht/

So überleb' ich doch die Sonne nicht.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 313-314.
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