Die stumme Sprache

[296] Wie können doch in einem Hertzen

Die Lieb und Furcht Geferten seyn?

Wie kan sich Freude neben Schmertzen

Und Lust bey Unlust finden ein?

Wie kan sich plagen und vergnügen

An einen Ort zusammen fügen?


Wer liebet/ weiß hiervon zu sagen:

Er redet/ wenn er stille schweigt:

Man darff nicht von dem Munde fragen/

Was seiner Augen Feuer zeigt.

Ein stiller Seuffzer bricht für Worte

Durch fest-gesperrter Lippen Pforte.


Er suchet Silvien mit Freuden/

Und findet bey ihr seine Pein.

Wenn sich die Augen an ihr weyden/

So schmacht das Hertz in Flammen ein.

Von ihrer süssen Augen Blitze

Empfindt sein Hertze Frost und Hitze.


Man kan auff seinen Wangen lesen/

Was Amor ihm ins Hertze prägt.[296]

Im fall er anders soll genesen/

Muß Silvia dadurch bewegt

Ihm küssend auff die Lippen schreiben/

Ich will Silvanders eigen bleiben.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 296-297.
Lizenz:
Kategorien: