Bestürmtes Türckisches Lager und gewonnene Feld-Schlacht an der Donau/ gegen Semlin in Sclavonien/ den 19. Augusti An. 1691

[18] Satz


Die Sau


Was will sich für ein muttig Heer

Zu meinem stoltzen Ufer nahen?

Der Thrazer kühne Gegenwehr

Hemmt so getrostes Unterfahen.

Bezähmte Bojus meinen Rücken/

So soll es izt nicht mehr gelücken.


Ob Belgrad in dem Sturm erlag/

So war auch Buda schon bezwungen.

Nun ist durch einen Pulver-Schlag

Der Christen Glücke weggesprungen.

Es soll an meinen frechen Wellen

Ihr Sturm und Mutt zurücke prellen.


Wer zählet wie manch kostbar Zelt

Mein Lust-Gefild anizt bekleidet?

Wie manches Stück ist auffgestellt?

Wie manch Cameel und Pferd hier weydet?

Wer will den Deutschen offenbaren

Was sich allhier für Völcker paaren?


Was von den Hungarn übertrat/

Was Boßnien nur kan entbehren/

Was Bulgarey Verwegnes hat/

Das weiß ich einem zu gewehren;

Das Reich Dalmatiens/ nicht minder

Albanien weist seine Kinder.


Bastarn und Gete schützen mich/

Der Araber denckt Raub zu holen/

Natolien versammlet sich/

Und Africa schickt Volck wie Kohlen/[19]

Die frechen Scythen und Odrysen

Bedecken meine grüne Wiesen.


Wie wird von mir das Volck genennt/

Das um das rothe Meer entsprossen/

Und kaum ein Christ von Nahmen kennt?

Ich hab auch solche Bunds-Genossen/

Die selbst mit Christen-Kunst und Waffen

Die Christen wissen zu bestraffen.


Man schanzt das grosse Lager ein/

Es wird mit Lust und Kunst gestritten/

Doch wird mein Volck nicht feige seyn

Der Helden-Schaar den Kopff zu bitten/

Wenn sie mit Hitz und Durst bekräncket/

Sich halb gezwungen an uns hencket.


War unsers Mechmets Glücke todt/

So kont es Solymann erwecken/

Und leidt es auch bey diesem Noth/

Wird Achmet neue Siege hecken;

Ja/ eh es solte gantz verderben/

Muß Mustapha den Zepter erben.


Hier ist der kluge Groß-Vezir/

Der Oßmanns Reich kan unterstützen;

In dessen Schutze wollen wir

Forthin nach alter Weise sitzen.

Niemand soll sich an mich mehr reiben:

Sclavonien wird Sclave bleiben.


Gegen-Satz


Die Donau


Was bildet ihr die Sclavin ein

Die grausen Flutten auffzublehen?

Soll dir denn eine Freude seyn[20]

Das Land in Dienstbarkeit zu sehen?

Soll ich/ zu decken deinen Rücken/

Auffs neue Schiff und Helden schicken.


Ob Belgrad durch der Flammen Wutt

Aus Christen-Händen ward gerissen/

So wisse/ daß aus diesem Blutt

Wird eine scharffe Rach entsprissen;

Den Muselmännern zum Verderben

Wird sich dein Strom mit Blutte färben.


Was rühmest du manch kostbar Zelt?

Der Sieger weiß sie schon zu zählen.

Bedeckt ein grosser Schwarm dein Feld/

Es wird ihm bald am Raume fehlen.

Schau/ wie ein kluger Printz von Baden

Sich fertig macht zu ihrem Schaden.


Sind dort der tollen Völcker viel/

Hier ist der Kern/ ob nicht die Menge.

Der fremden Waffen Gauckel-Spiel

Vermehrt des Fürsten Siegs-Gepränge.

Ost/ Sud/ Nord/ West bringt Lorbeer-Reiser

Für ihn und unserm Großen Käyser.


So manch entlegne Völckerschafft

Vom Mittag und der Sonnen Wige/

Diß Heer zusammen hat gerafft/

So manches Zeugniß unsrer Siege

Erschallet in entfernte Lande

Zur Christen Ruhm/ der Türcken Schande.


Du selbsten wirst den Ruff darvon

Mit mir zum schwartzen Meere bringen.

Wie traurig wird mein Freuden-Thon

In Bunds-Verwandten Ohren klingen!

Die Straffe/ die der Türck empfunden/

Wart solcher Christen alle Stunden.[21]


Das feste Lager hilfft hier nicht/

Es wird mit Freudigkeit bestritten/

Biß man durch Dämm und Pforten bricht/

Wodurch der Feind heraus geritten/

Den Durst mit Türcken-Blutt abspühlet/

Die Hitz in ihren Adern kühlet.


Macht ledig/ und ersezt den Thron/

Erwürgt und fässelt Oßmanns Erben/

Nehmt Vetter/ Vater oder Sohn/

Es soll doch keiner sieghafft sterben.

Des höchsten Gottes Zorn und Rache

Beschüzt der Christen rechte Sache.


Erkenne forthin den August/

Der dir die Fässel läst benehmen.

Was darff sich deine stoltze Brust

So Edlen Uberwinders schämen?

Kein Knecht soll sich an dich mehr reiben:

Die Sau soll frey und Christlich bleiben!


Nach-Klang


Die Sau


Ich kenne dich/ berühmter Ister/

Nachdem die Blende weggethan.

Wir lauffen/ als vertraut Geschwister/

Numehr in ungehemmter Bahn/

Mit vollem Strom des Pontus Wellen

Die Thaten Gottes fürzustellen.


Der Barbarn Macht hielt mich gefangen/

Umschränckte meinen freyen Mund:

So bald sie von mir weg gegangen

Und deinem Ufer näher stund/

Erhob ich meinen Kopff/ zu schauen

Was fürgieng um Semliner Auen.[22]


Gradiv verzwillingte sein Dräuen/

Saturn ließ saure Stralen gehn;

Ich sah ein Heer voll kühner Leuen

In Salankemens Feldern stehn:

Zu sterben/ oder obzusiegen

War nur ihr Wünschen und Vergnügen.


Auff ihrer Stirne brannt ein Feuer

Voll Mutt/ nicht von der Sonnen Glutt.

Kein Helden-Blutt war hier zu theuer/

Man wagt es fürs gemeine Gutt/

Der stärckre Feind kan hinter Graben

Und Wall die Sicherheit nicht haben.


Hie dient die freye Brust zum Walle/

Auff jenen steigt der kecke Fuß/

Ob gleich von Pfeil/ von Stahl und Knalle

Der Stücke mancher fallen muß/

So fällt er doch nicht ungerochen/

Sieht noch wie andre durchgebrochen.


Man weicht/ doch wieder anzusetzen/

Und zu verdoppeln seine Krafft/

Man acht kein Sterben/ kein Verletzen/

Weil keine Furcht im Hertzen hafft/

Weil nimmer-welcke Sieges-Kronen

Den theuren Schweiß/ das Blut/ belohnen.


Die Barbarn trauen ihrer Menge/

Gehn endlich in das weite Feld;

Wie bald wird ihnen diß zu enge/

Weil Hertz und Haubt zusammen hält/

Sie wieder in das Lager zwinget

Und selbst in ihre Nester dringet!


Wie schau ich ihre Häubter fliegen/

Die Fahnen fallen in den Sand:

Die Christen müssen völlig siegen/[23]

Der Todten Zahl bedeckt das Land.

Gott zeigt/ wie er durch wenig Hände

Zu machen weiß des Hochmutts Ende.


Komm/ Schwester Drav/ und hilff besingen

Die Helden/ die den Feind verjagt/

Laß denen Ehren-Säulen bringen/

Die Geist und Leben hier gewagt:

Doch nein: Ihr Ruhm soll noch bestehen

Wenn Ertz und Marmor untergehen.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 3, S. 18-24.
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