[Dieser Tag ist nun zum Ende]

[11] Dieser Tag ist nun zum Ende/

Braunen Schattens tunckler Flor

Hüllt sich um des Himmels Wände/

Birgt der muntern Sternen-Chor/

Trübe Nacht und düstres Schrecken

Will den Kreiß der Erde decken.


Dunst und Thau umzieht die Felder/

Die man itzo ledig spürt/

Winde spielen durch die Wälder/

Deren Haubt sich zitternd rührt;

Thiere ruhen/ Menschen schweigen/

Biß die Sonn ihr Licht wird zeigen.


Schwartz und finster sind die Thaten/

Die ich diesen Tag gehegt/

Ich bin aus der Bahn gerathen/

Welche zu dem Himmel trägt/

Darum fühl ich auch im Hertzen

Reu und Furcht und bange Schmertzen.


Stechen heisser Sonnen Blicke/

Gottes Zorn sticht noch so sehr/

Traurt man/ wenn der Himmel dicke/

Wenn Gott wittert/ noch vielmehr/

Besser ists/ als im Gewissen

Seine Gunst/ den Tag vermissen.[11]


Adam muß das Feuer fühlen/

Welches seine Blösse brennt/

Doch da sich der Tag will kühlen/

Wird das Hertzeleid gewendt/

Gottes Ruff/ sein Thau der Gütte/

Labt sein schmachtendes Gemütte.


Ruffe mich/ O Gott/ desgleichen/

Doch in Gnaden/ izt zu dir/

Muß ich schon für Furcht erbleichen/

Weil nichts guttes wohnt in mir/

Tilgt doch dieser mein Verbrechen

Der sich ließ die Schlange stechen.


Ob mich Grab und Hölle schrecket

Und die Todes-Nacht mir dräut/

Meine Fehler sind bedecket

Durch des reinen Lammes Kleid

Unter Nacht und Finsternissen

Kan ich Licht im Hertzen wissen.


Laß die Decke meiner Sünden/

Die mein Hertz umnebelt hat/

Mit der finstern Nacht verschwinden/

Segne meine Lagerstatt/

Daß ich mit verneuten Sinnen

Morgen kan dein Lob beginnen.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 2, S. 11-12.
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