[Laßt Solyms Mauren]

[157] Laßt Solyms Mauren

Voll Freude stehen/

Ich will ins Trauren

Mit Jesu gehen.


Bey duncklem Schatten

Mich bey ihm zeigen/

Durch Kidron watten/

Den Oel-Berg steigen.


Betracht/ o Hertze/

Mit Buß' erweichet/

Ob auch ein Schmertze

Dem seinen gleichet!


Schau Jesum sitzen

Auff seinen Knihen/

Und Blutt verschwitzen

Für Angst-Bemühen.[157]


Sieh an das Sehnen

Den Zorn zu stillen/

Die bittern Thränen

Um deinet willen.


Die bangen Stunden

Sieht man sich mehren:

Es wird gebunden

Der Herr der Ehren.


Das Mord-Geschlechte

Führt ihn gefangen/

Gleich einem Knechte/

Mit Spieß und Stangen.


Für Hohen-Priestern/

Die auff ihn zielen/

Gleich den Philistern/

Soll Simson spielen.


Man tritt zusammen

Und suchet Zeugen/

Ihn zu verdammen/

Das Recht zu beugen.


Sein Warheit-sagen

Muß Schläge leyden/

Man schickt die Klagen

Samt ihm dem Heyden.


Was Juden tichten

Ohn Scham-Erröthen/

Soll jener richten/

Und Jesum tödten.


Ihr Hertze brennet

Von Haß und Neyde/

Biß er vergönnet

Daß Unschuld leyde.[158]


Schau/ Jesus träget

Bedornte Krone/

Wird angeleget

Zu Schimpff und Hohne


Mit einem Kleide

Voll Staub und Motten/

Zur Augen-Weyde

Der/ die ihn spotten.


Sein Angesichte

Wird angespihen/

Das allem Lichte

Ist fürzuziehen.


Man schlägt die Backen

Mit groben Händen/

Die unserm Nacken

Die Straff abwenden.


Er schwimmt im Blutte

Von Peitsch und Riemen/

Wird uns zu gutte

Voll rother Striemen.


Ach Mensch erbleiche!

Für deine Sünden

Muß Gott der Streiche

So viel empfinden.


Das Holtz der Plagen

Muß seinen Rücken

Mit schwerem Tragen

Zu Boden drücken.


Er wird durchgraben

An Händ und Füssen/

Die Nägel haben

Sie gantz zurissen.[159]


Er hengt verachtet

Bey Diebs-Gesinde/

Lechzt und verschmachtet

Von Schmertz und Winde.


Es naht zum Ende;

Man hört das Leben

In Gottes Hände

Den Geist auffgeben.


Er schleust das Leyden

Mit lautem Ruffen/

Macht durch sein Scheiden

Den Himmel offen.


Die offne Seite

Vom Speer durchritzet

Wird zum Geleite

Das allen nützet:


Flutt/ Blutt gemenget

Fliest zu der Erden/

Wen diß besprenget

Kan selig werden.


Solch Labsal fange/

Betrübte Seele/

Wenn dir gedrange/

Aus dieser Höle.


So wird dein Leyden

Dir leichte fallen/

Und du mit Freuden

Gen Himmel wallen. [161]

Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 3.
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