Gegen-Satz/ Wechselweise zu singen

[68] Lasset uns nach Zion wallen/

Und die Schädel-Stätte sehn/

Wo dem Schönsten unter allen

So viel Ubels ist geschehn!

Last uns ihm ein Grab-Lied singen!

Nun sie ihn zur Ruhe bringen!


Der die Erde selbst ließ werden/

Der den Himmel ausgespannt/

Hat nichts Eignes auff der Erden/

Borgt ihm Josephs fremden Sand/

Wenn er aus der Grufft wird steigen

Ist der Himmel unser eigen.[68]


An dem Creutze starb das Leben/

Ruht im Grabes Schatten aus/

Und die Sonn hat sich begeben

In das düstre Todten-Hauß/

Aber last das trübe Weinen/

Bald wird sie uns wieder scheinen.


Evens süsser Apffel-Bissen

Bringt die herbe Todes-Post/

Solche wieder zu versüssen

Hat viel Schweiß und Blutt gekost;

Gottes Gnad an statt Napellen

Wächst an den benetzten Stellen.


Last uns in den Garten eilen/

Wo die Myrrhen-Püschel stehn/

Unsre Seelen auszuheilen/

Zu den Balsam-Stauden gehn/

Hier kan man ohn Dornenstechen

Edle Lebens-Rosen brechen.


Du Durchbrecher harter Steine/

Den kein Marmor halten kan/

Ich will dir auch mein Gebeine

Zu verwahren trauen an!

Du/ das Haubt/ du lebest wieder/

Und erhebst auch deine Glieder.


Schatten mag die Erde decken/

Finsternis die Lufft umziehn/

Wenn mich Tod und Nacht erschrecken

Will ich in diß Lager fliehn.

Zu verschlaffen allen Jammer/

Wähl ich hier die Ruhe-Kammer.


Nun so sey gegrüßt/ o Höle/

Drauß des Lebens Echo klingt/

Drauß für meine matte Seele

Labsal in dem Tod entspringt!

Eh man mich ins Grab soll sencken

Will ich dein zum Trost gedencken.

Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 2, S. 68-69.
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