Herrn Wolff Caspars von Hund/ Röm. Käyserl. Majest. wohl-verdienten Hauptmanns/ und des Fürstenthums Lignitz Landes-Eltistens

[31] Zwey Dinge sind/ die sich im Grabe nicht begraben/

Die/ wann der Leib verdirbt/ vom Tode bleiben frey:[31]

Der Nach-Ruff/ welchen uns die Tugend leget bey/

Die Seele/ welche wir von Gott empfangen haben.

Kein unverzehrlich Tacht/ kein immer-brennend Licht

Gleicht dieser Himmels-Flamm und hellem Zunder nicht;

Wenn gleich solt Oel und Schein erblaßter Sternen schwinden/

Läst sich der beyden Glantz noch unvertunckelt finden.


Das Unverweßlich-seyn sucht Morgenland vergebens/

Die theurste Specerey ist selbst verderblich Gutt/

Ertz/ Steine/ Säulen zwingt Zeit/ Sturm/ Wind oder Glutt;

Der beste Balsam ist der Nachruhm reines Lebens/

Wer dieses Kleinod zu der Ahnen Schilde legt/

Das Bild der Gottesfurcht in seine Seele prägt/

Lebt in und ob der Welt/ und wenn sich die begräbet/

So weiß er/ daß er doch die Zeit selbst überlebet.


Hier liegt der edle Geist verstrickt in seinen Banden/

Das allzu schwere Fleisch/ der Eitelkeiten Koth/

Klebt seinen Flügeln an/ doch kennt er keinen Todt:

Wann die gewünschte Zeit der Freyheit ist verhanden/

Im Fall ihn nicht die Last der Laster unterdrückt/

Und in das schwartze Reich betrübter Nächte schickt/

So klimmt er an das Licht/ und übersteigt die Sonne/

Bewohnt bey Gottes Thron das Reich der steten Wonne.


Die Dünste dieser Welt umnebeln das Gesichte/

Ein neidig Auge streicht der Sonne Flecken an.

Man mindert oder mehrt was der und du gethan/

Wenn unser Lebens-Licht verlöscht/ so wird es lichte.

Wenn Lust und Nutz entweicht/ kein Zwang uns mehr umgiebt/

So rühmt und schilt die Welt/ was ieder ausgeübt.

Der Fürnis springet ab/ die wahren Lebens-Farben

Erheben unsre Zier/ entblößen unsre Narben.


Wir sencken zwar nunmehr die abgelebten Glieder

Des Edelen von Hund mit Thränen in die Grufft:

Das beste Theil von ihm hat Gott zu sich gerufft/

Sein wohl verdienter Ruhm schallt aus dem Grabe wider.

Die Plagen dieser Welt/ das Siechthum dieser Zeit

Ersetzet ihm nunmehr die Schos der Ewigkeit:[32]

Der müde Leib verschläfft/ der Geist darff nimmer fühlen

Die Stürme/ welche noch auff unsre Häubter zielen.


Rom ziert des Siegers Haubt mit grünen Lorberzweigen/

Durch saure Müh errang der Kämpffer seinen Preiß/

Die Ehre des Triumphs erworben Blutt und Schweiß;

Hat nicht die theure Seel izt gleichen Schmuck zu eigen?

Auff Streiten folget Sieg/ auff Arbeit Ruh und Lohn;

Sie träget beydes izt von Gott bekrönt darvon/

Kan gegenwärtig sehn/ vor- wissen und genüssen/

Was wir im Schatten nur zu Trost und Hoffnung wissen.


Das Tuschwerck dieser Welt/ der ungewisse Schimmer

Verführet ferner ihr verklärtes Auge nicht:

Sein heller Leitstern ist das ungeschaffne Licht:

Vor war der enge Leib/ der Himmel izt/ ihr Zimmer.

Knallt hier die Mord-Carthaun/ und dräut des Säbels Wutt/

Kein Unfall ficht sie an/ kein Feind entführt ihr Gutt;

Wird hier der Mensch durch Streit und Sorgen abgezehret/

Ihr ist die volle Gnüg und süsse Ruh gewähret.


Die kurtze Lebens-Zeit durch kluge Thaten strecken/

Durch freye Tapfferkeit dem Tode beugen für/

Dem man entgegen geht/ ist deren beste Zier/

Die ihrer Eltern Schild zur Tugend soll erwecken.

So steckte der von HUND durch tugendhafften Lauff/

Bey seiner Ahnen Helm noch neue Nägeln auff/

Sein angeerbter Ruhm/ durch eignes Lob erhöhet/

Verfällt nicht/ weil die Welt und diese Grabschrifft stehet:


Der Tugend festen Grund legt ich in jungen Jahren:

Was meiner Ahnen Faust erwarb zu ihrer Zeit/

Das pflanzt ich weiter fort durch eigne Tapfferkeit;

Wie edel mein Gemütt/ hat Freund und Feind erfahren.

Ich diente sonder Scheu und treulich Gott und Land/

Drum bot mir Gnad und Gunst von Hoch- und Niedern Hand.

Muß ich der Jahre satt/ das irdsche Leben schlüssen/

Viel Tugend-Nägeln solln aus meinem Grabe sprissen.

Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 31-33.
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