[Ade! o werthes Land/ du Anfang meiner Reisen!]

[114] Ade! o werthes Land/ du Anfang meiner Reisen!

Ade von Wasser/ Wein und Nimphen reiche Stadt.

Wo so manch gutter Freund mit mir gelebet hat/

Und ihren hohen Thurm die edlen Bürger preisen.

Kan ich dir nicht den Leib auff längre Jahre schencken/

So stirbet doch in mir niemahls dein Angedencken.


Ade/ o Vater Rhein/ ich grüsse deinen Rücken/

Der mich gelücklich trug nach seinem Niederland

In mir getreuer Flutt. Ich ehre deinen Strand/

Den so viel schöne Städt und Schlösser übersticken.

Es müsse keine Kröt an deinem Ufer wohnen/

Die Waffen deinen Strom und freyen Schilff verschonen!


Ade/ o Land/ dem Wind und Wellen müssen dienen/

Dem Indien gräbt Gold/ Molucca Pfeffer trägt/

Und Moscau seine Frucht in Wasser-schauren legt/

Das sich mit Königen zu kriegen darff erkühnen:

Du Zaum der frechen See/ die dein Gestade netzet/

Der dein BeReuter izt fast neue Rechte setzet!


Ade/ o Land/ berühmt von Ubung gutter Sitten!

Ade zu-grosse Stadt/ zu-kleines Land Pariß/

Das ich nicht unbereut so zeitlich hinterließ!

Ade/ o Reich/ das izt so vielen wil gebitten/

Wo sich mit Dienstbarkeit der Freyheit Schein vermählet/

Wo stete Neuigkeit hat ihren Sitz erwählet!


Ade/ o schönes Land/ du Paradiß der Erden!

Ade/ o Fluß/ dem vor gehorsam war die See!

Du weyland andre Welt/ der Erden Haubt/ Ade![114]

Ade/ o reiche Stadt/ der Wellen Wälle werden/

Zum Graben dient das Meer! Und du der Städte Preiß/

Die von Vesevus Glutt so viel zu sagen weiß.


Ade/ o Berg und Thal! Ade/ o Püsch und Wälder/

Durch welche mich die Lust zu reisen hat geführt!

Weil mein gesezter Lauff nunmehr sein Ziel berührt/

Muß mein gezwungner Leib gesegnen fremde Felder/

Und eilen den Befehl der Sternen zu vollbringen:

Jedoch den freyen Sinn soll kein Vergessen zwingen.


Ade/ o werthe Schaar/ o Auszug meiner Lieben/

Die treue Redligkeit mit Freundschafft wir verband!

Ich trenne mich von dir: nimm hin zum Unterpfand

Ein Hertze/ das sich dir zur Dienstbarkeit verschrieben.

Dich Filidor/ mein Kind/ will ich mit Gott noch schauen/

Weil nicht allhier/ doch in den Elyseer Auen.


Ich gehe nun dahin die Freyheit zu begeben/

In einen Winckel mich der Welt zu sperren ein/

Ein Mönch und wilder Mensch bey wilder Welt zu seyn/

Der Sorgen schweres Joch auff meinen Hals zu heben/

Der kurtzen Reisen Lauff in wenig deutsche Meilen/

Die Zeit in Ritterspiel der Bauren zu vertheilen.


Mein Wechselbrieff ist dar der karge Wochen-Zedel/

Mein Königreich ein Dorff/ der Zepter Kerb und Stab/

Darauff geschnitten steht was mir die Erndte gab/

Mein Thron ein Rasen-Fleck/ mein stoltzer Fliegen-Wedel

Der Alten gelbe Schweiff; mein Schweiß bekrönt die Stirne/

Dian und Fillis ist die starcke Scholtzen-Dirne.


Mein Hofe-Rath der Vogt/ mein Umbra Mist und Thünger/

Mein Nectar Hopffen-Safft/ ein Apffel mein Confect/

Die Music/ Hund und Hahn/ so mich vom Schlaffe weckt/

Der Hunger Würtz und Koch/ Vorschneider Zahn und Finger/

Mein Zeit-Vertreib/ daß ich der Wirthschafft Kummer führe/

Bey einem groben Volck Verstand und Witz verliere.

Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 114-115.
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