Unvergnügung/ aus dem Horatius

[133] Wie kommts/ daß jeder fast mit dem nicht ist zufrieden/

Was ihm die Wahl bestimmt/ des Glückes Schluß beschieden/

Und Fremdes höher schäzt? der alte Landsknecht spricht/

Wenn ihm der lange Dienst die morschen Glieder bricht:

Wie glücklich lebt vor mir der Kauffmann in den Städten/

Für dem ich muß dem Feind und Tod entgegen treten!

Hergegen dieser sagt/ wenn Sturm und falsche Flutt

Offt zu verschlingen dräut sein ungewisses Gutt;

Weit besser ists im Krieg/ als so das Leben wagen/

Und was man hat erscharrt: was ists nun mehr im Schlagen.[133]

Man weiß in kurtzer Zeit/ wer sieget/ oder liegt.

Den starcken Ackersmann schäzt Arzt und Rath vergnügt/

Daß er sich unbesorgt in seiner Hütte strecket/

Wenn den Beruff und Sorg aus seiner Ruhe wecket/

Eh kaum der Hahn gekräht; hingegen jener meynt/

Daß in der Stadt allein des Glückes Sonne scheint.

Was soll ich weiter viel von solcher Art erzehlen?

Mir wird eh Tag und Wort als weiter Anlaß fehlen.

Ich schrenck in diesen Schluß izt meine Reden ein;

Wenn das Verhängnis wolt einmahl so güttig seyn/

Zu hören solchen Wunsch/ und einem jeden sagen:

Du solt den Mantel izt/ und der den Degen tragen/

Nimm du den Pflug zur Hand/ der soll die Feder führen.

Tauscht um! was steht ihr noch? Es wird sich keiner rühren/

Und steht doch jedem sein vermeyntes Glücke vor.

Ach/ wär ich Jupiter/ wie schlüg ich sie fürs Ohr!

Damit ich aber nicht nur scheine Schertz zu treiben/

(Wiewohl mit Lachen auch die Warheit einzureiben/

Die gröste Weißheit ist/ und Zucker-volle Hand

Das A B C dem Kind am besten macht bekandt/)

So lasst uns auch mit Ernst von unserm Wandel sprechen:

Der sich im Schweiße müht das harte Land zu brechen/

Der Schencke voller List/ der muttige Soldat/

Der Schiffer/ der sein Hauß auff wilden Wellen hat/

Steht alles dieses aus/ wenn wir ihn drüber fragen/

Daß er auffs Alter leb in Ruh und gutten Tagen.

Wie sich das kleine Heer der Emsen emsig weist/

Auff Vorrath in der Zeit mit grosser Müh befleist;

Da kommt die schwartze Schaar durch Pusch und Graß gelauffen/

Schleppt zu mit Fuß und Mund/ vermehret seinen Hauffen/

Und weiß was künfftig folgt/ macht sich darauff bereit/

Doch wenn der Wassermann sein Eiß-gefrornes Kleid

Der Erde ziehet an/ so lieget sie verborgen/

Verzehrt was sie gespart gedultig ohne Sorgen.

Was aber thut der Mensch? Noch Hitze/ weder Frost/

Eiß/ Eisen/ Glutt noch Flutt ersteckt in seiner Brust/

Die thörichte Begier/ daß er noch reicher werde/[134]

Was hilfft die große Last der Gold- und Silber-Erde/

Die du mit schwerer Müh in feste Kasten hebst/

Auch wohl/ nicht ohne Furcht/ tieff in die Erde gräbst?

Du must sie klein gemacht nach leichten Hellern schätzen/

Im Hauffen ungebraucht/ wird sie dich schlecht ergötzen.

Ob tausend Säcke Korn auff deinem Tenne stehn/

Wird mehr in deinen Bauch/ als eines andern/ gehn?

Gleich wie so viel vom Brodt/ der nichts getragen/ krieget/

Als dem ein gantzer Korb darvon den Rücken bieget.

Was lieget dem wohl dran/ der sich in Gräntzen hält

Die die Natur gesteckt/ ob er ein weites Feld/

Ob er ein enges pflügt. Du sagst/ es sey bequeme/

Daß man mit voller Hand vom grossen Hauffen nehme.

Wenn mir beym kleinen nur die Nothdurfft nicht gebricht/

Beneydt mein schmales Hauß die großen Speicher nicht.

Ein Becher sättigt dich: wilt du vom Fluß empfangen/

Was dieser Brunn vergönnt? die allzuviel verlangen

Ersäuffen offt den Schmack/ Durst; wer/ was er darff/ begehrt/

Trinckt reiner/ oder wird nicht von der Flutt gefährt.

Allein/ wie viel verführt das Irrlicht schnöder Lüste?

Nichts ist/ womit ihr Sinn sich zu vergnügen wüste/

Sie sagen: Immer her. Man gibt/ so viel man hat;

Wer darbet/ ist veracht. Wie ist den Leuten Rath?

Dieweil sies wollen seyn/ so laß sie elend bleiben/

Was jenem zu Athen geschach/ von ihnen schreiben

Zu ihrer Thorheit Ruhm. Der Schimmel-Pfenning sprach/

Wenn ihm die Bürgerschafft viel seltzams sagte nach:

Der Pöfel rauscht mich aus/ ich lobe mich alleine/

Lach aller Thorheit aus bey angefülltem Schreine.

Man mahlt/ daß Tantalus voll Durst in kühler Flutt

Umsonst nach Wasser schnappt/ du lachst mit stoltzem Mutt/

Und siehst dein Ebenbild in seiner Larve stecken.

Du schläffst mit offnem Mund/ und wachst bey deinen Säcken/

Darffst sie/ als Heiligthum/ nicht kühnlich greiffen an/

Hast so viel Lust darvon/ als der empfinden kan

Der ein Gemählde schaut. Wilt du das Geld genüssen/

So sey auff rechten Brauch zu deiner Noth beflissen/[135]

Versorge deinen Leib mit Kleidung/ Tranck und Kost/

Und sey kein Schabehalß. Was bringet dir für Lust/

Die bange Wachsamkeit/ das Hütten für den Dieben/

Die Sorge für den Brand/ die Furcht/ was die verüben

Die du im Dienste brauchst? Ich wünsche daß ich frey

So schwer-erworbner/ schwer-bewahrter Gütter sey.

Wenn dich ein Fieber dörrt/ das Miltzweh niederleget/

Wer ist/ der bey dir sizt/ wen hastu/ der dich pfleget/

Der deinen Arzt ermahnt zu ungesparter Müh/

Die dich dem nahen Tod aus seinem Rachen zieh?

Dein Weib bekümmert sich nicht um dein länger Leben;

Der karg-gehaltne Sohn will gern die Körbgen heben/

Die Nachbarn hassen dich/ noch kömmt dir seltzam für

Daß/ was du keinem thust/ auch keiner thut an dir/

Weil du das schnöde Geld für alles hast geliebet/

Daß keiner ohne Geld auch Lieb an dir verübet.

Verwandter oder Freund hält dir so wenig Stand

Als wohl zum Ritterspiel ein Esel wird gewandt.

Drum/ Lieber/ mach einmahl dem Geitzig-seyn ein Ende:

Was du zu erst begehrt/ das füllt dir schon die Hände

Weil du zu leben hast/ so wirst du wohl bestehn/

Vergnüge dich/ sonst möcht es dir wie jenem gehn:

Uvidius ist reich/ hat Geld/ er möcht es messen/

Und dennoch furcht er sich zur Gnüge satt zu essen/

Trägt ein beschabtes Kleid: der Kummer wird gelegt/

Als ihn der starcken Magd ihr Beyl darnieder schlägt.

Du sagst/ so soll ich denn nur stets vom Schlemmer singen/

Was mir der Tag erwarb/ des Abends durchzubringen.

Mein Freund/ du fällst von dem auff jenes Widerspiel.

Der grade Mittelweg führt auff das rechte Ziel.

Drum mühe dich den Geitz (nicht Wirthligkeit) zu meiden/

Friß nicht dein Hertze selbst durch hungerleidisch Neiden/

Wenn deines Nachbarn Zieg ein grösser Guter trägt/

Erforsche nicht was der und jener hinterlegt/

Und denck ihm vorzugehn. Dich wird bey solchem Eilen

Noch immer einer/ der dich überwiegt/ verweilen.

Es wird dir so ergehn wie auff der Rennebahn

Da einer hinter dir/ der ander fornen an:[136]

Fragst du nach dem nicht mehr/ der schon zurücke blieben/

So sorgst du desto mehr dem ersten fürzuschieben.

Diß machts/ daß sich nicht leicht iemand für glücklich preist/

Noch als ein satter Gast vergnügt von hinnen reist.

Der Fehler liegt an uns und unserm Unvergnügen:

Die beste Weißheit ist/ wies Zeit und Glücke fügen

Für sich zufrieden seyn. Damit ihr mich nicht schäzt

Gleich andern unvergnügt/ es ist genung geschwäzt.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 133-137.
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