Verbündnis-Regeln der Gesellschafft zum weltlichen Einsiedler

[137] Wer kommen will in dieses Hauß/

Darff nicht die ungetreuen Sinnen

Mit falschen Farben zieren aus;

Ein treues Hertz allein ist angenehm hierinnen.[137]


Wer in die treu-verknüpffte Zahl

Will willig werden auffgenommen/

Muß durch geneigter Stimmen Wahl

Erlaubnis neben uns zu treten überkommen.


Auff gleiche Jahr und gleichen Stand

Pflegt unser wählen sich zu gründen/

Der Tugend reichen wir die Hand/

Auch Demutt und Gedult kan bey uns Stelle finden.


Wer in diß Bündniß schreitet ein

Muß dreyerley zuvor versprechen:

Beständig/ Andachts-voll zu seyn/

Und sich zu keiner Zeit Gehorsams zu entbrechen.


Wo Andacht in dem Hertzen brennt/

Läst sie sich auch durch Wercke spüren/

Wer sich ein frommes Mitglied nennt/

Wird unsre Wohnungs-Statt durch ein Gedächtnis zieren.


Der beste Zeit-Vertreib und Spiel

Besteht in schwätzen oder singen:

Wem nicht die Stimme folgen will

Kan Lieder nach Befehl der andern Schwestern bringen.


Die Andacht leitet auch dahin/

Daß man ein täglich Angedencken

Soll in dem Hertzen lassen blühn/

Wenn Zeit und Glücks-Fall uns durch schweren Abschied kräncken.


Beständigkeit macht uns verpflicht/

Bey diesem Stande treu zu leben/

Und keinem fremden Orden nicht/

Biß sieben Jahre sind vorbey/ sich zu ergeben.


Auch lehret uns Beständigkeit

Bey einerley Gedancken bleiben/

Den Nahmen den wir uns geweyht

Mit Gold und Diamant in Sinn und Hertze schreiben.[138]


Gehorsam ist jedwedes Glied

Dem Orden schuldig zu erweisen/

Wohin es sein Verordnen zieht/

Bey höchster Ungenad und Straffe zu verreisen.


Ein Kuß soll jedem seyn vergünnt

Beym Wiederkommen und beym Scheiden/

Wer straffens-würdig sich befindt/

Soll/ was ihm aufferlegt/ mit allem Willen leiden.


Wer sich mit List gedrungen ein/

Wer Treu und Höfligkeit verletzet/

Wer irrt/ und ungestrafft will seyn/

Wird durch gemeinen Schluß aus unsrer Zahl gesetzet.


Wer der Gesellschafft sich entreist/

Und einen andern Stand will fassen/

Soll von uns werden ausgeweist/

Und seines Wanckelmutts ein Denckmahl hinterlassen.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 137-139.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Horribilicribrifax

Horribilicribrifax

Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon