Des Schiffers Braut am Meere

[121] Es braust der Sturm – mit schaumbedeckten Wellen

Erhebt sich rauschend das erzürnte Meer,

Und rascher Blitze Feuerstrahlen hellen

Der Dämmrung Nebel grausend um mich her.


Dort in der Hütte mir ein Obdach wählen,

Möcht' ich so gern, doch ach, der nasse Blick

Schaut um aufs neu das bange Herz zu quälen,

Nach dem empörten Element zurück.


Und kann die Schauerszene nicht verlassen,

Die das Gemüth mit schwarzer Ahndung füllt,

Denn des Geliebten fernes Schiff umfassen

Die Wellen tobend, rings von Graun umhüllt.
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Und doppelten Gefahren Preis gegeben,

Dem Drohn des Himmels, und der Wellen Wuth,

Geht jetzt vielleicht sein ewig theures Leben

Vernichtet unter in der tiefen Fluth.


Entsetzen fasst mich – Nebelschleier schwanken

Wie düstrer Flor vor meinem Angesicht.

Mein Herz steht still – es schwinden die Gedanken,

Ich möchte weinen – ach und kann es nicht!


Ihr Mächte dort in jenen fernen Höhen,

Die Ihr den Sturm zu uns herab gesandt,

O lasst sein Schiff nicht scheiternd untergehen,

Zeigt Rettung bietend ihm ein sichres Land.


Und sendet in die drohenden Gefahren

Der Hoffnung lichten, morgenrothen Strahl,

Lasst ihn den Muth im Busen treu bewahren

Und lindert tröstend der Erwartung Qual.
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Doch ist des Todes Loos ihm schon gefallen,

So löscht auch mir des Daseyns goldnes Licht.

Mit ihm sinkt meine Welt, auch ich will mit ihm fallen,

Denn ohne ihn reizt mich das Leben nicht.
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Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 121-124.
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