Oktobertage

[115] Paula hat nun, ich weiß es nicht genau, an welchem Oktobertage 1917,

ich glaube, die harte Sonne beschimmerte gerade den Patscherkofel, die Serles und das Stubaital damals,

vom nahen Abgrund ihres Lebens sich gütig-weise entfernt,

um willig-rührend dem Leben zu dienen wie es einmal ist,

wenn man nicht gerade

Eleonora Duse, Cl. v. Derp ist oder Adelina Patti.

In Weisheit und Würde

und edelster Gerechtigkeit

ist sie von meinen unwirtlichen Bergen des Geistes und der Seele und ökonomischer Kalamitäten und vielleicht noch anderer,

in die »Ordnung« hinabgestiegen; vielleicht sogar hinauf!

Daß sie mich, wie bisher alle Anderen,

nicht wird vergessen können,

ist mein »momumentum aere perennius«!

Und sollte Er auch hie und da,[115]

wir sind ja alle schwache fehltretende Menschen nur,

die Erinnerung an mich

weglöschen oder auslöschen wollen in ihr,

in einem flüchtigen Augenblicke

männlichen Unmutes,

so wird Er selbst der Erste sein, der zu sich selber spricht:

»Bewahre Dir um Gotteswillen Deine Heiligtümer,

das Beste ist an ihr, was sie von ihrem Dichter träumt! Lösch' es ja nicht aus!«

Ich aber sage: »Jener Oktobertag, ich weiß nicht genau, welcher es war,

schimmerte mit harter kalter Sonnenpracht über dem weißen runden Patscherkofel, über die abschüssige Serles und das weitgedehnte Stubaital!«

Sei gesegnet, Paula!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 115-116.
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