Gespräch über einen Zweiten mit einem Ersten

[140] »Mit mir allein beisammen bist du nie so lustig und herzig«, sagte der »glückliche Liebhaber«, eigentlich also der unglückliche.

»Ja, da habe ich doch zuviel zu berücksichtigen für dein Glück, Geliebtester.«

»Mit ihm aber bist du wie ein launenhaftes ungezogenes süßes Kindchen – – –.«

»Kann ich es mir mit ihm verderben?!? Nun also. Er ist entzückt über alle meine Ungezogenheiten. Er bedarf meiner nicht für den »Alltag«, für die Strenge des Lebens. So darf ich bei ihm ich selber sein! Aber du forderst von mir »die in dir aufgehende Frau«. Kann ich das nicht auch leisten?!? Nun also. Das »ungezogene Kindchen geht dir dabei verloren. Was macht es?!? Du hast dafür die ernste getreueste Sklavin!«

»Wenn er dich aber lächelnd und kindlich macht, bewirkt er doch fast mehr für dein Glück als ich –.«

»Für den Augenblick! Aber wir haben zu leben Jahre und Jahre! Und nicht immer bleiben unsere Haare braun und unser Teint wie Alabaster – –«.

»Also ist es ein einfaches Geschäft, das ihr mit uns Besonnenen betreibt?!?«

»Wie könnte es etwas anderes sein, da das ›Geschäft des Lebens‹, dieses uns Erhalten wollen à tout prix, uns unerbittlich mitgegeben ist vom Schicksal, in unseren armen Nerven lauernd kauert!?!«[140]

»Wen aber braucht ihr also mehr, den bleibenden Beschützer oder den, der euch für Augenblicke verjüngt zu launenhaften Püppchen?!?«

»Wir brauchen beide. Wenn aber der erstere geschickt manövriert, geben wir unbedingt den zweiten auf, um den ersten nicht zu verlieren!«

»Ihr seid beneidenswert in eurer moral insanity!«

»Keineswegs, Geliebter. Denn wir werden entsetzlich gestraft durch die Möglichkeit eurer Langweile, wenn ihr unserer ganz sicher geworden seid! Der zweite versetzt euch in ununterbrochene Spannung und Unruhe und verhindert euch so, allzubald daraufzukommen, daß wir eigentlich ein großer Pofel sind – – –! Wenn wir den zweiten aufgeben, euch zuliebe, riskieren wir immer unser Verderben. Deshalb haben so wenige von uns den Mut, nicht mit anderen zu kokettieren!«[141]

Quelle:
Peter Altenberg: Märchen des Lebens. Berlin 7–81924, S. 140-142.
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