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Nachträgliche Vorrede zu meinem Buche »Märchen des Lebens«

[240] Wir haben die Märchen in die Kinderzeit verbannt, dieses Exzeptionelle, Wunderbare, Rührende, Besondere! Weshalb die Kinderzeit damit ausstaffieren, die doch romantisch und märchenhaft genug an und für sich ist?!? Im harten, strengen, kalten Leben selbst suche lieber der ernüchterte Erwachsene die märchenhaften Dinge« die Romantik des Tages und der Stunde! Auch die wahrhaftigen prädestinierten Dichter mit den empfindlicheren Herzen, Augen und Ohren, schöpfen nur aus dem tatsächlichen Ereignisse ihre besonderen Dinge, lauschen nur der Romantik des Lebens selbst eigentlich! So können also auch wir anderen alle zu Dichtern werden, falls wir uns nur die redliche Mühe geben, uns keine Perlen entgehen zu lassen, die das reichhaltige Leben an unseren eintönig flachen Strand hie und da auswirft!

Alles ist besonders, wenn es besonders empfunden wird! Und jedes Lokalereignis einer Tageszeitung kann Dir die Tiefen des Lebens eröffnen, alles Tragische und Lächerliche, wie die Tragödien Shakespeares! Es ist ein Unrecht, dem Leben gegenüber, das wir alle führen, die Dichtungen nur den Herzen der Dichter zu überlassen, nachdem wir alle doch imstande sind, aus unserem einfachen Tagesleben Dichtungen zu schöpfen! Das Privilegium des Dichterherzens höre auf durch den Fortschritt der inneren Kultur des allgemeinen Menschenherzens!

Peter Altenberg

Quelle:
Peter Altenberg: Märchen des Lebens. Berlin 7–81924.
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Märchen des Lebens: Lesebuch