Krankenbesuch in I.

[230] »Du, wir müssen doch einmal, liebe Erna, den kranken Peter aufsuchen. Denk' mal, der K. war schon draußen, der W. und sogar diese ganz unbewegliche und schändlich egoistische B., die da seitdem ein langes und breites erzählt über seine Leiden, die sie weniger interessieren als ein Souper avec ... im ›Schwedischen Pavillon‹. Man kann da nicht zurückbleiben – – –.«

»Ja, aber die Fahrt ist so unbequem und umständlich. Und dann ein Sanatorium – schließlich hat man ja doch auch seine Nerven und ist nicht gewöhnt daran, einen frechen Drahrer als verblödeten Melancholiker wiederzusehen – – –.«

»Ich habe eine Idee. Wir nehmen ein Automobil für die Hinterbrühl, lassen in I. eine Stunde warten und fahren dann weiter zu Baron T. – – –.«

»Ich bin einverstanden. Nur darf er es nie erfahren, daß wir bei ihm nur kurzen Halt gemacht haben – – –.«

»Selbstverständlich wird er das nie erfahren –.«

Zärtlichste Begrüßung in I.

»Nun, Peter, was sagst du, eigens für diesen staubigen Weg auf der Landstraße ein Automobil gemietet, um dich aufzusuchen. Sind wir Freunde?! No, siehst du, da beklagst du dich immer. Das ist bei dir schon ein krankhafter Zustand von Verfolgungswahn geworden!«

Nach einiger Zeit entfernt sich P.A., geht zum Chauffeur, gibt ihm 5 Kronen.

»Für die Mühe des Wartens – – –.«[230]

»Aber bitte, bitte, das wär' ja gar nicht notwendig – – –.«

»Sie, sagen Sie, fahren Sie heute noch weiter?!«

»Nur bis in die Hinterbrühl in die Villa des Baron T. In I. hab' ich nur eine Stund' zu halten wegen einem Besuch – – –.«

P.A., zurückkommend: »Meine Herrschaften, ich bin so leidend, daß ich mich momentan ins Bett legen muß. Gerade heute doppelt bedauerlich, aber der Arzt verlangt es – – –.«

»Mein liebster P.A., lassen Sie sich ja in nichts stören, das wäre unverantwortlich von uns. Wir fahren einfach in die Stadt zurück. Begleiten Sie uns nicht hinaus, gehen Sie schön in ihr Betterl und ruhen Sie sich aus – – –.«

P.A., beim Abschiede: »He, ich lasse in der Hinterbruhl den Baron T. und seine Leute unbekannterweise grüßen, sie werden mich dem Namen nach gewiß kennen – – –.«[231]

Quelle:
Peter Altenberg: Märchen des Lebens. Berlin 7–81924, S. 230-232.
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