Café de L'Opéra (Im Prater)

[303] Jawohl, eine eigenthümliche Beziehung ist zwischen diesen Dingen: Herr; Dame; Mandolinengezirpe; Birke, Plantane, Esche; weisse Bogenlampe; und kühler Auen süsser Nachtduft.

Etwas abseits vom schweren Leben ist es. Es schleicht nicht dahin wie Brackwasser. Eine wundervolle Mischung ist es, welche uns heiter macht und leicht. Man fühlt: Wie schön wäre es, wenn ich immerwährend so sorgenlos, so leichten Sinnes wäre. So unbedenklich sitze ich und lausche. Niemanden beneide ich. Eine Rose kaufe ich und schenke sie Signorina Maria. Eine wundervolle Cigarrette zünde ich mir an. Wie lieblich die Mandolinen gebaut sind – wie hohle tönende Birnen! Wie die Birkenblätter glitzern! Lorbeerbäume, Aristokraten und Café-Liqueur passen zusammen. Etwas Exceptionelles ist es. Wie herrlich sind die Antlitze Italiens! Zum Weinen geradezu. Wie frei, wie würdevoll sitzen diese Menschen. Und wenn sie sich vornüber neigen, ist es, wie wenn sie lauschten, irgendwohin. Immer sind sie anderswo, von sich weg. Wenn sie singen, bei ihren Liedern. Wenn sie schweigen, bei ihrem Meere. O wie wundervoll ist das. Es zieht uns[303] mit. Wir haben uns gleichsam von uns empfohlen und sind fortgeschwommen. Addio – – –.

Im leichten Leben stehen wir, wie Aristokraten, welche von ihren Gütern leben, wie Liebende, die sich verloren haben, wie Weise, welchen nichts mehr geschehen könnte, was sie überraschte, überrumpelte.

So unbedenklich sitzen wir und lauschen. Niemanden beneiden wir. Eine wundervolle Cigarrette zünden wir uns an. Eine Rose kaufen wir und schenken sie Signorina Maria.

Wie die Birkenblätter glitzern. Wie ruhig die Platane steht. Und wie die Esche mit ihren zarten Blätterfingern bebt! Ganz unbedenklich sitzen wir und schau'n und lauschen.

Noch eine Rose kaufen wir und schenken sie Maria. Und noch eine Rose kaufen wir. Und einen Strauss von Rosen.

Geld spielt keine Rolle.

Wie Aristokraten sind wir, die von ihren Gütern leben. Etwas abseits vom schweren Leben sind wir. Wir schleichen nicht dahin wie Brackwasser. Ueber uns selbst erstaunen wir.

Signorina Maria – – –![304]

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 303-305.
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