Fjaestad oder: Weg des Weibes

[213] Er sprach unaufhörlich über Fjaestad, den Landschaftsmaler, in unbeschreiblich exaltirter Weise und da es vollkommen so wie die Liebe klang, hatte die Dame eine höchst unangenehme Empfindung dabei.

»Ihr Fjaestad – – –!« sagte sie daher einigemale, selbst wenn es ziemlich nicht hinpasste.

»Ja, mein Fjaestad!« erwiderte er ruhig und erfüllt.

Schliesslich schrieb er sogar einen Essay »Fjaestad A.G., in Arwika, Schweden«, der in den Worten gipfelte: »Man müsste einen kleinen Tempel erbauen nur für Fjaestad-Landschaften! Und über der Thür stünde eingemeisselt: ›Er ist einfach der Natur ganz auf den Leib gerückt mit seiner Seele‹!«

Diesen Essay bekam natürlich die Dame zu verkosten.

»Recht hübsch – – –« sagte die Dame.

»Recht hübsch« war ein Pfeil mit unscheinbarem, aber dennoch unbeschreiblich schrecklich wirkendem Gifte, gezielt direkt in ein begeistertes Herz, puff.

Der Essay wurde überall refüsirt, da Begeisterung allein sehr fade sei. Man müsse einem genau auf die Finger schauen. Sodann ihm tüchtig darauf klopfen. Das sei Kritik.[213]

»Wir wollen nicht neben, nicht hinter Fjaestad stehen – – –« sagte eines Abends die Dame ganz konsternirt und bereits innerlich kränklich.

Der Herr sass ganz paisible da und träumte: »Ich suche eine, die zu mir späche: ›Bei dem Bilde Fjaestads,Reif auf dem Meeresstrande' sind mir Thränen in die Augen gekommen!‹ Es wäre natürlich eine grässliche Lüge. Aber es bewiese Akkommodationsfähigkeit an unser Nervensystem und mehr kann man von den Bestien nicht verlangen!«

Später wollte er die Dame natürlich auf den Schoss nehmen.

»Nimm Fjaestad auf den Schoss!« sagte sie.

Pause. Stille.

»Selbst die Zeitungen haben Deinen übertriebenen Essay refüsirt – – –.«

Und

»Du, was glaubst Du denn so eigentlich?!?«

Er aber dachte an die Winterlandschaft »Reif auf dem Meere« mit den unermesslichen zusammengefrorenen zarten Schneeklümpchen auf sonniger irisirender Meerestafel und an die Worte über seinem Fjaestad-Tempel: »Er ist der Natur auf den Leib gerückt mit seiner Seele!«

Da bemerkte die Dame plötzlich, dass sie dem Herrn nichts anhaben könne!!

Infolge dessen kaufte sie nach einiger Zeit eine entzückende Heliogravüre nach Fjaestads »Reif auf[214] dem Meere« und hängte es dem Herrn heimlich über sein Bett.

Er schien es kaum zu beachten, dankte nicht. »Sie akkommodirt sich – – –« fühlte er einfach.

Eines Tages aber, als er unhörbar eintrat, stand sie gerade in ernste Betrachtung versenkt vor dem Bilde.

Sie wandte sich sogleich ab, errötend.

Er aber sagte: »Ich danke Dir nun für das schöne Bild von ganzem Herzen – – –.«[215]

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 213-216.
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