Katharine und der Hund

[219] Dies ist eine wahrhafte Geschichte, obgleich sie aussieht als wäre sie express für eine Fibel für kleine Schüler zusammengestellt, mit einer leichtfasslichen Moral im Hintergrunde.

Ein Herr schenkte nämlich einer süssen Gefallenen seinen wunderbaren grossen Hund, graugelbe Dogge, da er ihn auf Reisen nicht mitnehmen konnte. Er knüpfte daran die Bedingung, dass sie den Hund recht gütig behandle.

Das that sie denn auch wirklich.

Eines Abends, auf der Gassen-Promenade, stiess ein roher Mensch heftig an sie an und sagte: »Du Luder – – –!«

Da sprang der Hund sogleich auf den Menschen los, legte seine Tatzen an dessen Schultern und warf ihn um.

Als nun der neue Geliebte des Mädchens, an dem sie überaus hing, von dieser Begebenheit erfuhr, erbleichte er, denn er hatte bisher die Gepflogenheit gehabt, in Fällen, da er sich gekränkt oder verletzt fühlte, einfach »aufzureiben« und ein Mädchen hierbei nicht sehr zu schonen.

Dieses Erbleichen des Geliebten bemerkte nun Katharina.[219]

Am nächsten Morgen küsste und umarmte sie den Hund zärtlichst und verschenkte ihn an eine alte gute Frau. Sie weinte hierbei bitterlich.

»Wo ist Lord?!?« fragte der Geliebte, als er ins Zimmer trat zu Katharine.

»Ich habe ihn verschenkt – – –«

»Weshalb?!?«

Keine Antwort.

»Weshalb denn, Katherl?!?«

Keine Antwort.

Von diesem Augenblicke an erhob er nie und unter keinen Umständen die Hand wider die süsse Katharine.[220]

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 219-221.
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