Jesus ist ihr der Allersüßeste

[194] 1

Jesus, der süße Lebenswein,

Nimmt meinen Geist so mächtig ein,

Daß er sonst nichts mag trinken.[194]

Er ruft und schreit mit voller Brust,

Ach möcht ich doch in diesem Most

Nur ganz und gar versinken.


2

Nunmehr begehr ich keine Tracht,

Die auf der Götter Tisch wird bracht,

Will auch nicht ihr Getränke.

Denn Jesus, der mich speist, ist ja

Viel süßer als Ambrosia

Und was ich je gedenke.


3

Weg mit den Blumen auf der Au,

Mit Honig und mit Maientau,

Mit Manna und was süße.

Mein Jesus ist mein Tau allein,

Mein Honig, Manna, Blümelein,

Den ich für alls genieße.


4

Ach, daß ich doch nur möchte sein

Gleich wie ein kluges Bienelein,

So wollt ich mich erheben.

Ich hinge mich an seine Brust

Und bliebe da nach Wunsch und Lust,

Bis ich zerfließe, kleben.


5

Jesu, so hilf mir doch dazu,

Daß ich schon jetzt darinnen ruh

Auf himmelische Weise.

Du bleibest doch in Ewigkeit

Meins Herzens Trost und Süßigkeit,

Mein bester Trank und Speise.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 194-195.
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