Sie ladet ihn in ihr Herze ein

[135] 1

Ach, was stehst du auf der Au

Und wirst naß und kalt vom Tau?

Tritt herein in meine Hütte,

Denn dir rufet das Gemüte.

Nimm in meinem Herzen Ruh,

Du verliebter Schäfer, du.


2

Schau, ich tu dir auf die Tür,

Komm doch, komm herein zu mir;

Komm doch, weil ich mit Verlangen

Oft gewünscht, dich zu empfangen.

Komm, o süßer Seelengast,

Hier ist deine Ruh und Rast.


3

Ei, was willst du weiter gehn

Oder länger draußen stehn?

Komm in meines Herzens Höhle,

Liebste Seele meiner Seele.

Komm, ich räume dir es ein,

Ewig solls dein eigen sein.
[135]

4

Komm, es soll in jedem Nun

Deinen liebsten Willen tun,

Bis es endlich von der Erden

Wird durch dich erhaben werden;

Da es dir zu Lob und Preis

Sei ein ewig Paradeis.


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 135-136.
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