Sie bittet um seinen heiligen Geist und dessen Gaben

[152] 1

Komm, heilger Geist, du höchstes Gut,

Entzünd mein Herz mit deiner Glut.

Schlag deines Feuers süße Flammen

Ganz kräftig über mich zusammen.

Erweck in mir durch deine Gunst,

O Herr, der ewgen Liebe Brunst.


2

Erleuchte mich, du wahres Licht,

Daß ich im Finstren sterbe nicht.

Beschatte mich mit deiner Kühle,

Daß ich nicht fremde Hitze fühle.

Erquicke meines Herzens Au

Mit deiner heilgen Gottheit Tau.


3

Komm, komm, du allerbester Trost,

Der unsre Seelen liebekost.

Komm, komm, du Geber aller Gaben,

Ohn welchen wir nichts können haben.

Erfülle meines Herzens Schrein

Mit deiner starken Gottheit Wein.


4

Gib, daß ich wie ein liebes Kind

Gott fürcht und ihme folg geschwind.

Laß mich die Frömmigkeit erlangen

Und wahre Wissenschaft empfangen,

Daß ich den Weg der Seligkeit

Betrete mit Bescheidenheit.
[153]

5

Gib mir die Stärke, daß ich kann

Dir dienen wie ein Kriegesmann.

Dein Rat regiere meine Sinnen,

Daß sie recht unterscheiden können.

Verleih mir göttlichen Verstand,

Daß mir dein Wille sei bekannt.


6

Geuß deiner Weisheit güldnen Fluß

In mich durch deiner Liebe Kuß,

Daß ich in meinem Herzen wisse,

Wie gut du bist und wie so süße.

Daß ich anschau zu jeder Frist

Die Wahrheit, die du selber bist.


7

O Jesu, der du diesen Gast

Mir gar gewiß versprochen hast,

Laß ihn doch komm‘n in meine Seele

Und benedeien diese Höhle.

Send ihn grad in mein Herz hinein

Und laß ihn ewig bei mir sein.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 152-154.
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