Sie bereitet sich, ihren Lieben im heiligen Sakrament zu empfangen

[169] 1

Auf, auf, mein Herz, und du, o meine Seele,

Ermuntre dich in deines Leibes Höhle!

Du sollst den Herrn der Herrlichkeit empfangen

Und in dir selbst zu seinem Kuß gelangen.
[169]

2

Wirf alles das, was irdisch, auf Seiten

Und tu dich nur ihm würdig zubereiten.

Sei rein und fein geschmücket und gezieret,

Wie einer Braut des Sohnes Gotts gebühret.


3

Er kömmt und will dir seine Lieb beweisen

Und dich, sein Kind, mit seinem Leibe speisen.

Er will dir von der Lebensquelle schenken

Und dich vollauf mit seinem Blute tränken.


4

O große Gnad und unerhörte Liebe!

Damit er ganz dein Leibeseigner bliebe

Und dir dadurch erteilete sein Leben,

Hat er sich selbst dir wolln zur Speise geben.


5

Dies haben vor in etlich tausend Jahren

Die Väter nie empfangen und erfahren.

Sie trunken nur vom Fels bedeutungsweise

Und aßen Mann‘, das Vorbild dieser Speise.


6

Drum geh heraus mit feurigen Begierden

Und nimm ihn an mit jungfräulichen Zierden.

Verschließ ihn ganz in deinem keuschen Herzen

Und klag ihm da die heilgen Liebesschmerzen.


7

Wirst du das tun und deine lautren Sinne

Zu seinen Ehrn in Demut halten inne,

So wirst du ihn als seine Braut genießen

Und er wird dich auch als dein Bräutgam küssen.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 169-170.
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