Sie vergleicht das Jesulein einem Blümelein

[71] 1

Ich weiß ein liebes Blümelein

Mit Gottes Tau begossen,

In einem jungfräulichen Schrein

Zur Winterszeit entsprossen.

Dies Blümelein heißt Jesulein,

Ewger Jugend, großer Tugend,

Schön und lieblich, reich und herrlich.

Menschenkind,

Wie selig ist, der dieses Blümlein findt!


2

Es hat so lieblichen Geruch,

Erquicket Leib und Seele,

Vertreibt die Gift, verjagt den Fluch

Und gibt ein heilsam Öle.

Es stillt den Schmerz

Und stärkt das Herz,

Bringt im Leide süße Freude,

Kann uns geben ewges Leben.

Menschenkind,

Wie selig ist, der dieses Blümlein findt!


3

Ich hab mir dieses Blümelein

Vor allen auserlesen.

Wills meinem Herzen pfropfen ein,

Auf daß ich kann genesen.

Ich wills allzeit in Lieb und Leid

Bei mir haben,

Mich zu laben

Und mit Freuden abzuscheiden.

Menschenkind,

Wie selig ist, der dieses Blümlein findt!

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 71-72.
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