Sie will das Jesulein als ein Blumensträußlein in ihrem Herzen haben

[72] 1

Du huldenreiches Jesulein,

Du Herzenströsterlein!

Wie soll ich mich genugsam freuen,

Daß ich dich sehe, meinen Maien!


2

Du bist das edle Sträußelein

Voll ewger Blümelein,

Das mir in unsrer Menschheit Orden

Durch eine Jungfrau sichtbar worden.


3

An dir ist auch zur Winterszeit

Die höchste Lieblichkeit,

Es darf mir schon nicht Frühling werden,

Wenn ich nur dich hab auf der Erden.


4

Dies aber, Schönster, kränket mich,

Daß man verlässet dich!

Daß du mußt liegen auf dem Heue

Im Stall beim Vieh und seiner Streue.


5

Hier ist mein Herz, o Jesulein,

Ei, lege dich doch drein!

Ich rechne mirs zum ewgen Ruhme,

Wenn du in mir liegst, Jungfernblume.


6

Ei, allerliebstes Trösterlein,

Sei doch mein Sträußelein!

Es kann mein Herz kein andrer Maien

Als du, mein Jesulein, erfreuen.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 72-73.
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